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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 08.07.2004
Aktenzeichen: 3 ss 245/04
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 24
StPO § 344
1. Die Anzeige eines Verfahrensbeteiligten gegen den entscheidenden Richter begründet in der Regel keine Besorgnis der Befangenheit.

2. Zur Zulässigkeit der Verfahrensrüge, mit der geltend gemachat wird, der entscheidende Richter sei wegen einer gegen ihn vom Angeklagten erstattten Strafanzeige befangen.


Beschluss

Strafsache

gegen m.T.

wegen Bedrohung

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der VIII. kleinen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 02.03.2004 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 08. 07. 2004 durch den Richter am Oberlandesgericht und die Richterinnen am Oberlandesgericht und nach Anhörung und auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Revision wird auf Kosten des Angeklagten als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Marl hatte den Angeklagten am 01.12.2003 wegen Bedrohung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 10,- € verurteilt.

Die Berufung des Angeklagten gegen dieses Urteil hat das Landgericht Essen mit dem angefochtenen Berufungsurteil vom 02.03.2004 verworfen.

Gegen das in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Angeklagte mit Schreiben vom 02.03.3004 Revision eingelegt. Nach der Zustellung des Urteils an den Angeklagten am 06.04.2004 hat der Verteidiger die Revision mit am 06.05.2004 bei dem Landgericht Essen eingegangenem Schreiben vom selben Tage begründet.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen und dem Beschwerdeführer eine entsprechende Antragsschrift gemäß § 349 Abs. 2, 3 StPO zugestellt.

II.

Die Revision war gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen, da die Überprüfung des angefochtenen Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.

Näherer Erörterung bedarf nur Folgendes:

Die Rüge der Verletzung des § 338 Nr. 3 StPO mit der Begründung, an der Entscheidung des Berufungsgerichts habe die Richterin am Landgericht N. mitgewirkt, die der Angeklagte zuvor wegen Besorgnis der Befangenheit (erfolglos) abgelehnt habe, weil gegen sie ein durch ihn veranlasstes Klageerzwingungsverfahren anhängig sei, ist unbegründet.

In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass Anzeige eines Verfahrensbeteiligten gegen den entscheidenden Richter in der Regel keine Besorgnis der Befangenheit begründet, da es der Ablehnende sonst in der Hand hätte, sich nach Belieben jedem Richter zu entziehen (BVerfG, NJW 1996, 2022; KK-Pfeiffer, StPO, 4. Aufl., § 25 Rdnr. 5). Allerdings ist auch hierbei auf den Einzelfall abzustellen, so dass durchaus Konstellationen denkbar sind, in denen ausnahmsweise die Strafanzeige des Verfahrensbeteiligten gegen den entscheidenden Richter die Besorgnis der Befangenheit zu begründen vermag.

Ein solcher Fall ist hier indes nicht gegeben. Der Strafanzeige gegen die erkennende Richterin liegen nämlich lediglich offensichtlich haltlose und willkürliche Unterstellungen des Angeklagten zu Grunde, die nicht einmal geeignet sind, einen zulässigen Klageerzwingungsantrag zu begründen. Hinzu kommt, worauf die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift hinweist, dass die Strafanzeige bzw. der Klageerzwingungsantrag der Richterin bis zur Stellung des Ablehnungsgesuchs nicht einmal bekannt waren. Dann ist aber umso weniger nachvollziehbar, wie solche der Richterin nicht einmal bekannte Umstände bei ihr eine innere Haltung begründen sollen, die ihre Neutralität, Distanz und Unparteilichkeit gegenüber dem Angeklagten störend beeinflussen könnte, und zwar bei verständiger Würdigung der Sache durch den Angeklagten (vgl. KK-Pfeiffer, a.a.O., § 24 Rdnr. 3).

Auch die Revision selbst hat insoweit nicht vorgetragen, dass der erkennenden Richterin die Strafanzeige bzw. das Klagerzwingungsverfahren vor der Stellung des Ablehnungsgesuches durch den Angeklagten bereits bekannt waren. Dies führt entgegen der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft hier aber nicht zur Unzulässigkeit der Verfahrensrüge der Verletzung des § 338 Nr. 3 StPO. An die Zulässigkeit der Verfahrensrüge sind nämlich keine unzumutbaren Anforderungen zu stellen. Der Revisionsführer wird aber häufig gar nicht in der Lage sein mitzuteilen, ob eine Strafanzeige oder ein Klageerzwingungsverfahren dem abgelehnten Richter zur Kenntnis gelangt sind oder nicht. Dies entzieht sich nämlich seiner Einflussnahme. Auch hat er keinen Anspruch auf Einsichtnahme in die von der Staatsanwaltschaft insoweit geführten Akten, um sich entsprechende Erkenntnisse zu verschaffen. Hierzu bedarf es gemäß § 406 e Abs. 1 S. 1 StPO zunächst eines Rechtsanwaltes, den der Angeklagte mit der Akteneinsicht zu beauftragen hätte, und darüber hinaus entweder der Befugnis zum Anschluss als Nebenkläger gemäß § 395 StGB oder eines berechtigten Interesses i.S.v. § 406 e Abs. 1 StPO. Zwar dürfte das berechtigte Interesse dann zu bejahen sein, wenn es um die Prüfung der Voraussetzungen eines Ablehnungsgesuches bzw. um die Prüfung der Frage geht, ob eine Einstellungsbeschwerde nach § 172 Abs. 1 StPO eingelegt oder ein Klageerzwingungsantrag nach § 172 Abs. 2 StPO gestellt werden sollte (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 406 e Rdnr. 3 m.w.N.).

Andererseits könnte es an einem berechtigten Interesse aber dann fehlen, wenn die Strafanzeige bzw. der Klageerzwingungsantrag nur mit offensichtlich haltlosen Ausführungen begründet wird. Dem Senat erscheint es daher insgesamt angemessener, die Frage der Kenntnis des abgelehnten Richters von der Strafanzeige bzw. dem Klageerzwingungsverfahren im Rahmen der Begründetheit der Verfahrensrüge des § 338 Nr. 3 StPO zu prüfen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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