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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 11.07.2006
Aktenzeichen: 4 Ss OWi 375/06
Rechtsgebiete: SchwarzArbG


Vorschriften:

SchwarzArbG § 8
Zum erforderlichen Umfang der Feststellungen bei einem Verstoß gegen 8 Abs. 3 SchwarzArbG.
Beschluss Bußgeldsache

gegen X.X.

wegen selbständigen Betreibens eines Handwerks als bestehendes Gewerbe, ohne in der Handwerksrolle eingetragen zu sein.

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Borken vom 17. März 2006 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 11. Juli 2006 durch den Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Borken zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Borken hat die Betroffene durch das angefochtene Urteil "wegen Durchführens von Pflasterarbeiten, die dem Straßenbauer-Handwerk zuzuordnen sind, in erheblichem Umfang ohne mit dem Straßenbauer-Handwerk in der Handwerksrolle eingetragen zu sein" zu einer Geldbuße von 14.760,00 € verurteilt.

Gegen dieses Urteil hat die Betroffene form- und fristgerecht Rechtsbeschwerde eingelegt und diese durch ihre Verteidigerin rechtzeitig begründet. Sie rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Verfahrensrüge ist nicht näher ausgeführt.

II.

Das Rechtsmittel hat einen zumindest vorläufigen Erfolg.

Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

"Die Betroffene ist Garten- und Landschaftsbauerin und verfügt über ein geregeltes Einkommen. Ordnungsrechtswidrig ist sie noch nicht in Erscheinung getreten.

Seit dem 11.04.2002 hat sie bei der Stadt Meerane das Gewerbe Garten- und Landschaftsbau sowie Verlegung von Betonwerkstoffen angemeldet. Über eine Eintragung in die Handwerksrolle verfügt die Betroffene nicht.

In dem Zeitraum zwischen November 2002 und April 2004 war die Betroffene für die Fa. B.GmbH als Subunternehmer bei verschiedenen Bauvorhaben tätig. Grundlage dieser Tätigkeiten war ein zwischen der Betroffenen und der Fa. B. geschlossener Generalvertrag über auszuführende Pflaster- und Betonsteinarbeiten vom 11.05.2002. Im Rahmen dieser Tätigkeit hat die Betroffene bei den Bauvorhaben Betonpflaster, Betonrechteckpflaster und sonstiges Pflaster verlegt, Bettungen erstellt, Rinnen, Bordsteine, Randsteine, Markierungssteine und Borden gesetzt sowie Pflaster abgerammt und eingeschlämmt und Schnitte ausgeführt. Das Anlegen von Rasen- oder sonstigen Grünflächen oder überhaupt von Bepflanzungen war nicht Bestandteil der ausgeführten Arbeiten. Für diese Tätigkeiten erteilte sie der Fa. B. Rechnungen über eine Gesamtsumme von 110.752,36 € netto. Im einzelnen handelt es sich um die Rechnungen aus dem Jahre 2002 vom 10.12. für das Bauvorhaben (im folgenden BV) NBV S., vom 23.11. für das BV K.M. und vom 23.11.2002 für das BV Logport K. und und N., des weiteren um die Rechnungen aus dem Jahr 2003 vom 29.11. für das BV Airport-Dortmund, vom 12.12. für das BV am Nordhafen, 5. AB, vom 22.10. für das BV L., vom 31.07. vom BV Neuss-Bilk, vom 14.08. für das BV Lidl-Hamburg, Kieler Straße 2. AB, vom 01.07. für das BV Hellmich-Senioren-Zentrum, vom 01.07. für das BV Herdecker-Wittener Straße 3. AB, vom 04.06. für das BV Lidl, Duisburg-Homberg, 3. AG, vom 02.05. für das BV MH/RRZ Autobahn, vom 01.07. für das BV MH/Metro, 2. AB, vom 18.04. für das BV Plus GE 2. AB, vom 14.03. für das BV Stadtkrone/Turiner Straße, vom 10.05. für das BV PKV Duisburg, 4. AB, vom 02.02. für das BV Thyssen/Duisburg und vom 18.04.2003 für das BV A 52 Marl Nord, 6. AB sowie für das Jahr 2004 die Rechnungen vom 30.04. für das BV Aldi, Oberhausen, 1. AB, vom 30.04. für das BV AV-Marl, 5. AB, vom 19.03. für das BV Krefeld, S.straße 4, 4. AB, vom 20.02. für das BV Dortmund, Mercedes, 1. AB und schließlich vom 14.02. für das BV GE, XXXX. AB."

Die Rechtsfolgenbemessung enthält folgende Erwägungen:

"Bei der Strafzumessung ist das Gericht von dem Bußgeldrahmen des § 8 Abs. 3 SchwarzArbG ausgegangen, der bei Verstößen gegen § 8 Abs. 1 Nr. 1 c) eine Geldbuße bis zu 50.000,00 € vorsieht. Bei der Ermittlung der konkreten Höhe der Geldbuße hat das Gericht zunächst im Wege der Schätzung den gem. § 17 Abs. 4 OWiG abschöpfbaren wirtschaftlichen Vorteil ermittelt. Hierbei ist das Gericht von dem Umsatz ausgegangen, sondern vom dem tatsächlichen Gewinn, wobei auch Aufwendungen Berücksichtigung fanden, welche die Betroffene bei der Durchführung der von ihr geleisteten Arbeiten hatte. Zudem hat das Gericht ausschließlich die oben genannten, dem Kernbereich des Straßenbauerhandwerks zuzurechnenden Tätigkeiten berücksichtigt, soweit sich in den Rechnungen auch Positionen wie Stundenlohn, Material- oder Gerätekosten, Betonpflasterumlage oder maschinelle Verlegung von Pflaster fanden, wurden diese von dem Rechnungsbetrag in Abzug gebracht. Den wirtschaftlichen Vorteil hat das Gericht dabei auf 10 % des erzielten Umsatzes und somit auf 11.070,00 € geschätzt. Diesen Betrag hat das Gericht um 1/3 erhöht und ist damit zu einer Geldbuße in Höhe von 14.760,00 € gelangt. Bei der Bemessung der Geldbuße hat das Gericht zudem zugunsten der Betroffenen berücksichtigt, dass diese bislang ordnungsrechtswidrig noch nicht in Erscheinung getreten ist. Darüber hinaus wurde zu ihren Gunsten berücksichtigt, dass das Anlegen von Wegen und Plätzen wie dargelegt auch zum Berufsbild des Garten- und Landschaftsbauers gehört. Die Zuordnung gewerblicher Tätigkeiten zu dem Berufsbild eines in der Anlage A aufgeführten Handwerks soll dem Vertragspartner der Gewerbetreibenden die Gewähr bieten, dass Arbeiten bestimmungsgemäß, fachgerecht und in guter Qualität ausgeführt werden. Dieser Aspekt der Gefahrenabwehr tritt indes in den Hintergrund, wenn die Tätigkeit von Personen ausgeführt wird, die grundsätzlich für Durchführung solcher Arbeiten qualifiziert sind, diese allerdings zulässigerweise nur im Rahmen einer landschaftsgärtnerisch geprägten Anlage vornehmen dürfen."

Der Senat hat sich in einem identischen Verfahren, das ebenfalls am 17. März 2006 vor dem Amtsgericht Borken verhandelt worden ist, in seinem Beschluss vom 22. Juni 2006 4 Ss OWi 331/06 OLG Hamm = 10 OWi 10 Js 2401/05 (19/06) AG Borken der dortigen Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft angeschlossen, die folgendes ausgeführt hatte:

"Die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung des Betroffenen wegen Zuwiderhandlung gegen § 8 Abs. 1 Nr. 1 e i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 5 des Gesetzes zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz) nicht. Gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1 e SchwarzArbG handelt ordnungswidrig, wer ein zulassungspflichtiges Handwerk als stehendes Gewerbe selbständig betreibt, ohne in die Handwerksrolle eingetragen zu sein (§ 1 der Handwerksordnung) und Dienst- oder Werkleistungen in erheblichem Umfang erbringt. Die Feststellungen des angefochtenen Urteils enthalten nicht die insoweit erforderliche Darlegung der handwerklichen Arbeiten im einzelnen, die der Betroffene ohne Eintragung in die Handwerksrolle im Rahmen seines stehenden Gewerbes ausgeführt hat, und zwar für jeden Auftrag nach Art, Umfang, Zeit und Ort (zu vergleichen OLG Hamm, Beschluss vom 10.03.2005 3 Ss OWi 82/05 m.w.N.). Die zusammenfassende Darstellung in den Urteilsgründen unter Bezugnahme auf einzelne Rechnungen ermöglicht die Beurteilung, dass die Arbeiten den Kernbereich des Straßenbauer-Handwerks betreffen, nicht. Der tatsächliche Inhalt und der erbrachte Umfang der einzelnen Werkleistungen lassen sich auch unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe in keinem Fall entnehmen. Soweit in den Urteilsgründen auf Rechnungen Bezug genommen wird, fehlen Feststellungen dazu, für welche Tätigkeit diese Rechnungen ausgestellt worden sind und welche Rückschlüsse sie auf einen von dem Betroffenen erzielten wirtschaftlichen Gewinn zulassen.

Die Feststellungen belegen ferner nicht, dass der Betroffene ein Handwerk selbständig im Sinne der §§ 8 Abs. 1 Nr. 1 e SchwarzArbG i.V.m. § 1 Abs. 1 S. 1 der Handwerksordnung betrieben hat. Selbständige Handwerker im Sinne des § 1 HwO ist nur, wer das von ihm ausgeübte Gewerbe für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung betreibt (OLG Düsseldorf, wistra 1996, 279 m.w.N.). Bei Nach- oder Subunternehmern wie im vorliegenden Fall kann die Selbständigkeit fehlen, wenn deren Eigenständigkeit durch ihre Auftraggeber weitgehend eingeschränkt ist (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Die Feststellungen des Amtsgerichts beschränken sich darauf, dass der Betroffene aufgrund eines Subunternehmervertrages tätig geworden ist. Sie erlauben dem Senat nicht die Prüfung, ob er ein Handwerk selbständig betrieben hat. Auch der Rechtsfolgenausspruch kann keinen Bestand haben. Zwar ist eine Schätzung des wirtschaftlichen Vorteils erlaubt. Die insoweit tragenden Grundlagen müssen in der gerichtlichen Entscheidung jedoch dargelegt werden, um dem Rechtsbeschwerdegericht die Möglichkeit der Nachprüfung zu erlauben (Senatsbeschluss vom 12.12.2003 4 Ss OWi 933/02 ). Soweit das Amtsgericht den wirtschaftlichen Vorteil auf 10 % des erzielten Umsatzes geschätzt hat, werden die Grundlagen für diese Schätzung nicht konkret mitgeteilt. Auch soweit das Amtsgericht den tatsächlichen Gewinn zugrunde legen will, sind zu der wirtschaftlichen Gesamtsituation des Betroffenen ebenfalls keine Feststellungen getroffen worden. Insbesondere fehlen Angaben dazu, ob sonstige Aufwendungen wie Werbungskosten, Steuern, Sozialabgaben und Versicherungen berücksichtigt worden sind."

Diesen auch im vorliegenden Verfahren zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an mit dem Hinweis, dass die Notwendigkeit, die einzelnen Arbeiten nach Art, Umfang, Zeit und Ort näher darzulegen, auch der Rechtsprechung des hiesigen 2. Senats für Bußgeldsachen (Gewerbearchiv 2000, 79 = StraFo 2000, 129) entspricht. Aus dieser Entscheidung ergibt sich auch, dass die Selbständigkeit bei Subunternehmern fehlen kann und in derartigen Fällen sorgfältiger Prüfung bedarf.

Das angefochtene Urteil unterliegt daher insgesamt der Aufhebung und Zurückverweisung zu neuer Verhandlung und Entscheidung. Gründe, die Sache ausnahmsweise an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen, bestehen nicht. Das Amtsgericht wird auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde zu entscheiden haben, da deren Erfolg noch nicht feststeht.

III.

Ergänzend weist der Senat für die neue Hauptverhandlung noch auf folgendes hin:

1. Die Anwendung des am 1. August 2004 in Kraft getretenen Gesetzes zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und damit zusammenhängender Steuerhinterziehung dürfte nach § 4 Abs. 3 OWiG nicht zu beanstanden sein.

2. Die derzeitige Abfassung des Tenors begegnet in Anbetracht der bisher (jedenfalls global) festgestellten Leistungen der Betroffenen Bedenken, weil danach ein Teil der Arbeiten möglicherweise nicht erfasst ist.

3. Jedenfalls kurze Feststellungen zum erforderlichen Vorsatz sollten nicht unterbleiben. Unter Berücksichtigung des Rechtsbeschwerdevorbringens könnten Erwägungen zu § 11 OWiG erforderlich werden.

4. Es dürften ergänzende Feststellungen zu dem Gesamtcharakter der Anlagen zu treffen sein, um prüfen zu können, ob die von der Betroffenen durchgeführten Arbeiten im Einzelfall unter Berücksichtigung ihrer Umgebung und nach ihrem äußeren Erscheinungsbild landschaftsgärtnerisch geprägt waren. Das Anlegen von (befahrbaren) Wegen und Straßen kann nämlich dann zum Berufsbild des Garten- und Landschaftsbauers gehören, wenn sich die betreffenden Flächen räumlich innerhalb einer landschaftsgärtnerischen Anlage darstellen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 3. Mai 2000 1 Ss OWi 417/00 m.w.N.).

5. Schließlich weist der Senat darauf hin, dass angesichts der Höhe der festgesetzten Geldbuße die Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Betroffenen, wonach diese über ein geregeltes Einkommen verfüge, gemessen an § 17 Abs. 3 OWiG nicht ausreichend erscheinen. Im Übrigen könnte je nach den zu treffenden Feststellungen eine Entscheidung über Zahlungserleichterungen nach § 18 OWiG geboten sein.

Ende der Entscheidung

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