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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 05.02.2004
Aktenzeichen: 4 Ss OWi 48/04
Rechtsgebiete: BKatV, StPO


Vorschriften:

BKatV § 4
StPO § 267
Der Tatrichter muss für seine Überzeugung vom Vorliegen eines Ausnahmefalls, der das Absehen vom Regelfahrverbot rechtfertigen soll, eine auf Tatsachen gestützte Begründung geben, die sich nicht nur in einer unkritischen Wiedergabe der Einlassung des Betroffenen erschöpfen darf.
Beschluss

Bußgeldsache

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Arnsberg gegen das Urteil des Amtsgerichts Soest vom 16. September 2003 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 05. 02. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft sowie des Betroffenen bzw. seines Verteidigers beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Soest zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Nichteinhaltung des erforderlichen Abstandes eine Geldbuße von 250,- € festgesetzt.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Betroffene am 13. Oktober 2002 um 11.01 Uhr mit dem PKW BMW, amtliches Kennzeichen:XXXXXXXXXXX, die Bundesautobahn A 44 in Fahrtrichtung Kassel. Dabei betrug bei dem Kilometer 133,2 sein Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug bei einer gefahrenen Geschwindigkeit von mindestens 134 km/h weniger als 2/10 des halben Tachowertes und zwar höchstens 10,82 m.

Zum Rechtsfolgenausspruch hat das Amtsgericht Folgendes ausgeführt:

"Für die danach von dem Betroffenen vorwerfbar und fahrlässig begangene Ordnungswidrigkeit der Nichteinhaltung des erforderlichen Sicherheitsabstandes gem. §§ 4 Abs. 1 S. 1, 49 Abs. 1 Nr. 4 StVO, 24 StVG sieht die Bußgeldkatalogverordnung einen Regelsatz von 125 EUR sowie die Verhängung eines Fahrverbotes für die Dauer von 1 Monat wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers vor. Das Gericht hat von der Verhängung des an sich verwirkten Fahrverbotes gegen eine Verdoppelung der Geldbuße auf 250 EUR abgesehen. Das Gericht ist sich dabei bewusst, dass bei Vorliegen eines sogenannten Regelfalles von der Anordnung eines Fahrverbotes nur bei Verkehrsgegebenheiten mit denkbar geringer Gefährlichkeit und minimalem Handlungsunwert im Verhalten des Betroffenen oder dann abgesehen werden kann, wenn eine Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher und durchschnittlicher Umstände oder erhebliche Härten eine solche Ausnahme begründen. Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände ist das Gericht insbesondere auch auf Grund des in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks von dem Betroffenen, der sich einsichtig gezeigt hat und der keine Voreintragung vorweist, der Auffassung, dass die mit einem Fahrverbot verfolgte Denkzettel- und Besinnungsfunktion vorliegend auch mit einer erhöhten Geldbuße erreicht werden kann. Der Betroffene ist beruflich dringend auf den Führerschein angewiesen, da er in seinem Bäckereibetrieb selbst Backwaren ausfährt, während seine insgesamt 13 Angestellten für den Verkauf der Backwaren in dem Hauptgeschäft und der Filiale sowie in den Verkaufsautos eingesetzt sind. Urlaub für die Dauer eines Fahrverbotes kann der Betroffene nicht nehmen. Er führt den Betrieb seit 1990 und hat nun im 5. Jahr hintereinander keinen Urlaub gemacht. Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass die gegen den Betroffenen verhängte empfindliche Geldbuße von 250 EUR ausreichend ist, um diesen künftig zur Einhaltung der Verkehrsvorschriften anzuhalten."

Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete, auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, der die Generalstaatsanwaltschaft beigetreten ist.

II.

Das Rechtsmittel hat einen zumindest vorläufigen Erfolg.

1. Die vom Amtsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen fahrlässiger Nichteinhaltung des erforderlichen Sicherheitsabstandes, so dass die von der Staatsanwaltschaft vorgenommene Beschränkung der Rechtsbeschwerde wirksam ist.

2. Die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs lässt Rechtsfehler erkennen, die zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung insoweit führen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHSt 38, 125, 134) und der Oberlandesgerichte (vgl. Senatsbeschluss vom 4. März 2003 - 4 Ss OWi 164/03 -) kann zwar von der Verhängung eines gemäß § 4 BKatV indizierten Regelfahrverbotes ausnahmsweise - ggf. unter Erhöhung der Regelgeldbuße - abgesehen werden, wenn erhebliche Härten oder eine Vielzahl gewöhnlicher Umstände vorliegen, die es angemessen erscheinen lassen, den Betroffenen trotz des groben bzw. beharrlichen Pflichtverstoßes mit einem Fahrverbot zu belegen. Der Tatrichter muss für seine Überzeugung vom Vorliegen eines Ausnahmefalls jedoch eine auf Tatsachen gestützte Begründung geben, die sich nicht nur in einer unkritischen Wiedergabe der Einlassung des Betroffenen erschöpfen darf (vgl. OLG Hamm VRS 95, 138, 140). Zwar ist es dem Tatrichter nicht schlechthin verwehrt, einer Behauptung zu glauben. Entlastende Angaben des Betroffenen, der sich auf das Vorliegen einer persönlichen Ausnahmesituation beruft und regelmäßig ein großes Interesse daran haben wird, der Verhängung eines Fahrverbotes zu entgehen, dürfen jedoch nicht ohne weitere Prüfung hingenommen werden. Gegebenenfalls muss darüber Beweis erhoben werden.

Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Es lässt hinreichend konkrete und für das Rechtsbeschwerdegericht überprüfbare Feststellungen zu einer Existenzgefährdung des Betroffenen, welche ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes rechtfertigen könnte, vermissen und beschränkt sich auf die Wiedergabe der unkritisch hingenommenen Einlassung des Betroffenen dazu. Das Gericht hat nicht die Behauptung des Betroffenen überprüft, dass er nicht in der Lage sei, für einige Wochen Urlaub zu machen. Zudem hat das Gericht nicht bedacht, dass es dem Betroffenen durchaus möglich sein kann, für die Zeit von einem Monat einen Aushilfsfahrer einzustellen. Zu überprüfen wäre ferner gewesen, ob der Betrieb des Betroffenen, der über sechs Verkaufsautos verfügt, so organisiert werden kann, dass ohnehin dort beschäftigte Fahrer die Aufgaben des Betroffenen wahrnehmen können. Bloße berufliche Nachteile, die zwar unangenehm und spürbar sein mögen, eine Existenzgefährdung jedoch nicht nach sich ziehen, sind nicht geeignet, ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes zu rechtfertigen.

Wegen des aufgezeigten Mangels unterliegt das angefochtene Urteil der Aufhebung im tenorierten Umfang.

Die Sache war daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Soest zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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