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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 14.05.2007
Aktenzeichen: 8 U 131/06
Rechtsgebiete: BGB, StGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 249 Abs. 1
BGB § 286
BGB § 288 Abs. 1 S. 2
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 826
BGB § 840 Abs. 1
StGB § 263
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 17. Mai 2006 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund abgeändert.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 25.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2005 zu zahlen

Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche des Klägers gegen die Firma N Beteiligungs GmbH & Co. KG, G-Straße 41 - 43, ####1 E sowie der Ansprüche aus dem Insolvenzverfahren der vorgenannten Firma aus dem notariellen Kaufvertrag vom 30. Juni 2004, UR Nr. ##1/04 des Notars Dr. T1 in E sowie des Geschäftsanteils des Klägers an der T GmbH (AG Dortmund HRB ####7) an die N Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG.

Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Der Kläger verlangt von den Beklagten aufgrund deren Eigenschaft als alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der N-beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG, vertreten durch die N-Beteiligungs-Verwaltungsgesellschaft mbH, Schadensersatz wegen arglistiger Täuschung im Zusammenhang mit einem am 30.06.2004 abgeschlossenen Kauf- und Abtretungsvertrag über einen Geschäftsanteil an der T GmbH (AG Dortmund HRB ####7). Hinsichtlich des weiteren Sachverhaltes wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichtes Dortmund vom 17.05.2006 verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt: Vertragliche Ansprüche bestünden nicht, da die Beklagten besonderes Vertrauen nicht in Anspruch genommen hätten. Ebenso bestehe kein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB. Zwar habe die Beweisaufnahme ergeben, dass sich die T GmbH im Zeitpunkt des Erwerbs des Geschäftsanteiles in einer wirtschaftlich desolaten Situation befunden habe. Sämtliche Zeugen hätten bestätigt, dass Gehaltszahlungen bereits seit Anfang 2004 zögernd und seit Ende 2004 überhaupt nicht mehr erfolgt seien. Die Zeugen hätten zudem bestätigt, dass im August/September sowohl der Telefonanschluss als auch der für die Gesellschaft entscheidende Internetanschluss vom 03.08. bis immerhin 13.08., also für rd. 10 Tage, gesperrt gewesen sei. Diese wirtschaftlich desolate Lage der T GmbH bzw. eine bei ihr vorliegende Überschuldung sei aber für den Kläger nicht erkennbar von grundlegendem Interesse gewesen. Dem Kläger sei es allein darauf angekommen, zusätzliche Einkünfte zu erzielen. Aus diesen Gründen bestünde auch kein Anspruch aus § 826 BGB.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er trägt im Wesentlichen vor, gegen die Beklagten bestünden bereits vertragliche Ansprüche. Darüber hinaus seien auch Ansprüche aus Deliktsrecht gegeben. Das Landgericht habe den vorgetragenen Sachverhalt unzutreffend bewertet. Die Beklagten seien verpflichtet gewesen, ungefragt auf die schlechte wirtschaftliche Situation hinzuweisen. Unverständlich sei, warum das Landgericht gemeint habe, für ihn sei die wirtschaftliche Situation der T GmbH unbedeutend gewesen. Die Beklagten hätten deshalb seinen Schaden umfassend zu ersetzen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 25.000,00 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 01.05.2005 zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche des Klägers gegen die Firma N-Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG, G-Straße 41 43, ####1 E sowie der Ansprüche aus dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der N1 -beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG aus dem notariellen Kaufvertrag vom 30.06.2004, URNr. ##1/04 des Notars Dr. T1 in E sowie des Geschäftsanteils des Klägers an der T GmbH (AG Dortmund HRB ####2) an die N Beteiligungsgesellschaft mbH & Co.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagten weisen im Wesentlichen darauf hin, der Kläger habe seine Kaufentscheidung nach Prüfung der erbetenen und ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen selbständig getroffen. Der Kläger habe nicht dargelegt, dass diese Unterlagen gefälscht gewesen seien oder falsche Angaben enthalten hätten.

Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, § 840 Abs.1 BGB ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 25.000,- € zu. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:

1. Täuschung über Tatsachen

Die Beklagten haben den Kläger konkludent über die Liquidität der T GmbH getäuscht:

a)

Das Landgericht hat festgestellt (S.7 des Urteils), dass zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die finanzielle Situation der T GmbH desolat war. Es bestanden Rückstände bei Gehältern und Sozialabgaben. Im August 2004 waren Telefon- und Internetanschluss für 10 Tage gesperrt. Zudem waren die Mietverhältnisse nicht gesichert. An diese Feststellung des Landgerichtes ist der Senat nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Feststellung begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Entsprechende konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Das Landgericht hat vielmehr auf der Grundlage der Zeugenaussagen seine Feststellungen zutreffend getroffen.

b)

Gleichwohl haben die Beklagten dem Kläger unstreitig Unterlagen über die T GmbH zukommen lassen, die einen positiven Eindruck vermitteln sollten und vermittelt haben. In einem ersten Besprechungstermin Anfang Juni 2004 hat der Beklagte zu 2) dem Kläger unter anderem Planzahlen (Gewinn- und Verlustrechnung für das Geschäftsjahr 2004) überreicht, nach denen ein Vorsteuergewinn von über 500.000, € zu erwarten sei. Wie der Kläger im Senatstermin vom 14.05.2007 unwidersprochen klargestellt hat, waren diese Planzahlen auch Gegenstand der noch vor Abschluss des Anteilskaufs durchgeführten ergänzenden Besprechung mit beiden Beklagten Mitte Juni 2004. Der Übermittlung dieser Unterlagen kommt der Erklärungswert zu, die Finanzen des Unternehmens seien gesund, andere Umstände, die Gegenteiliges belegen könnten, bestünden nicht. Jedenfalls konnte der Kläger als Empfänger davon ausgehen, dass der positiven Gewinnsituation eine ebenso ausreichende Liquidität gegenüberstehen würde. Dies war unzutreffend. Die gravierenden Indizien für eine überaus angespannte Liquiditätslage (verspätete Gehaltszahlungen seit Anfang 2004, wiederholte Vollstreckungsmaßnahmen durch Gerichtsvollzieher, Unterbleiben der Begleichung selbst von Telefonrechnungen, was am 05.07.2004 zum Abstellen des Telefons führte) sowie die Unsicherheit des (Unter) Mietverhältnisses wegen erheblicher Mietzinsverbindlichkeiten der N Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG lagen bereits bei Abschluss des Vertrages am 30.06.2004 vor. Die Beklagten haben den Kläger deshalb aktiv und nicht durch Unterlassen getäuscht.

2. Irrtum

Der Kläger hat sich aufgrund der Täuschung der Beklagten über die wirtschaftliche Situation der T GmbH, insbesondere über deren Liquidität geirrt.

3. Vermögensverfügung

Die Vermögensverfügung des Klägers liegt in dem Erwerb des Geschäftsanteils gegen Zahlung von 25.000,00 €. Diese Vermögensverfügung des Klägers beruht auf seinem Irrtum. Die entgegengesetzte Auffassung des Landgerichtes teilt der Senat nicht. Nach dem Akteninhalt ist vielmehr eindeutig, dass der Kläger den Vertrag vom 30. Juni 2004 jedenfalls so nicht geschlossen hätte, wenn ihm die Liquidationsprobleme der T GmbH bekannt gewesen wären. Das beruht auf folgenden Erwägungen:

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger die finanzielle Situation der T GmbH überprüfen wollte und erst nach Prüfung den Vertrag vom 30. Juni 2004 schloss. Es entspricht deshalb bereits allgemeiner Lebenserfahrung, dass die finanzielle Situation der T GmbH für den Vertragsschluss, zumindest den Umfang des Kaufpreises, von Bedeutung war.

Der Kläger wollte zusätzliche Einkünfte im Rahmen des Partnervertrages erzielen. Dieses Ziel konnte er nur erreichen, solange die T GmbH funktionsfähig war. Vor dem Hintergrund eines Unternehmens, das aufgrund seiner Liquiditätsprobleme unmittelbar vor der Insolvenz steht, war es sinnlos, auf eine erfolgreiche Durchführung des Partnervertrages zu hoffen.

Schließlich handelte es sich bei den Problemen der T GmbH nicht um eine ohne weiteres zu behebende, eher kurzfristige Krise. Denn während des gesamten Jahres 2004 wurden die Gehälter zu spät oder nicht gezahlt.

4. Vermögensschaden

Der Schaden des Klägers liegt darin, einen wirtschaftlich wertlosen GmbH-Anteil gegen Zahlung von 25.000,00 € gekauft zu haben.

5. Subjektiver Tatbestand

Da die Beklagten als alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der T GmbH über die finanzielle Situation unstreitig vollständig informiert waren, besteht an ihrem zumindest bedingten Vorsatz kein Zweifel. Die Beklagten haben den Kläger bewusst über die Liquiditätsprobleme der Gesellschaft im Unklaren gelassen, um der N- GmbH & Co. KG einen Vermögensvorteil in Höhe von 25.000,00 € zukommen zu lassen. Daran ändert nichts ihre im Senatstermin betonte Hoffnung, die wirtschaftliche Situation werde sich ändern. Der Beklagten handelten deshalb in der Absicht, einem Dritten einen Vermögensvorteil zu verschaffen. Dieser erstrebte Vorteil war rechtswidrig, da die N-GmbH & Co. KG auf die 25.000,00 € keinen Anspruch hatte, was die Beklagte wussten.

Schließlich war der erstrebte Vorteil stoffgleich mit dem Schaden des Klägers. Aufgrund der Verfügung des Klägers ist diesem der Schaden und der N GmbH & Co. KG der Vorteil entstanden.

6. § 249 Abs. 1 BGB

Der Kläger ist so zu stellen, als wenn er von den Beklagten nicht getäuscht worden wäre. Er kann also seinen Schaden von 25.000,00 € ersetzt verlangen.

Ein Abzug im Wege des Vorteilsausgleichs wegen der aus dem Beratervertrag erzielten Einnahmen ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht vorzunehmen. Zwar hat der Kläger im Senatstermin vom 14. Mai 2007 unstreitig gestellt, dass er aus dem Beratervertrag eine Provision von 11.000,- € vereinnahmt hat. Auch ist unter den Parteien unstreitig, dass der streitgegenständliche Anteilskauf unabdingbare Voraussetzung für den Abschluss des Beratervertrages war. Dies allein genügt jedoch nicht, um eine Anrechnung der Provision auf den Schadensersatzersatzanspruch zu rechtfertigen. Voraussetzung ist vielmehr, dass zwischen Vorteil und Schaden ein innerer Zusammenhang besteht, der beides bei wertender Betrachtung zu einer Rechnungseinheit verschmelzen lässt und die Anrechnung des Vorteils insgesamt nach Treu und Glauben geboten erscheinen lässt (vgl. etwa BGH NJW 1980, 2187; 1997, 2378). Ferner muss Kongruenz zwischen Vorteil und Nachteil bestehen (BGH, NJW 1997, 2378). Dies kann hier nicht angenommen werden. Mit dem Abschluss des Beratervertrages hat der Kläger lediglich eine Erbwerbschance erlangt, die er durch eigene Anstrengungen verwirklichen musste. Der Vorteil der aus dem Beratervertrag verdienten Provision stellt sich bei wertender Betrachtung schon aus diesem Grund nicht als spiegelbildliche Folge des Schadensereignisses dar.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO, die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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