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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 29.11.2000
Aktenzeichen: 11 U 71/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 139 Abs. 1
ZPO § 278 Abs. 3
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 U 71/00 18 O 73/99 LG Köln

Anlage zum Terminsprotokoll vom 29.11.2000

Verkündet am 29.11.2000

Bourguignon, J.A. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 18.10.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Pastor, den Richter am Oberlandesgericht Zoll und die Richterin am Oberlandesgericht Opitz

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 17.03.2000 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 18 O 73/99 - aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung führt zu einem vorläufigen Erfolg der Klägerin.

Das Landgericht hat die Klage zu Unrecht mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin sei nicht aktiv legitimiert. Die dahin gehenden Feststellungen hat das Landgericht verfahrensfehlerhaft getroffen.

1. Nach § 139 Abs. 1 ZPO hat das Gericht dahin zu wirken, dass die Parteien über alle erheblichen Tatsachen sich vollständig erklären, insbesondere auch ungenügende Angaben der geltend gemachten Tatsachen ergänzen und die Beweismittel bezeichnen. Nach § 278 Abs. 3 ZPO darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, nur stützen, wenn es Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Das Gericht genügt seiner aus diesen Vorschriften folgenden Hinweispflicht nur, wenn es die Parteien auf den fehlenden Sachvortrag, der von seinem materiellrechtlichen Standpunkt aus gesehen entscheidungserheblich ist, unmissverständlich hinweist und der Partei die Möglichkeit eröffnet, ihren Vortrag sachdienlich zu ergänzen (vgl. etwa BGH BauR 1989, 361, 362 f.; 1990, 488, 490 f.; 1999, 510). Diese Hinweispflicht besteht grundsätzlich auch in Prozessen, in denen die Partei durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten wird jedenfalls dann, wenn der Prozessbevollmächtigte die Rechtslage ersichtlich falsch beurteilt oder ersichtlich darauf vertraut, sein schriftsätzliches Vorbringen sei ausreichend (vgl. BGHZ 127, 254, 260; BGH NJW-RR 1997, 441; BauR 1999, 510).

2. Diesen Anforderungen wird das Verfahren des Landgerichts nicht gerecht.

Die Klägerin ist zu ihrem nach Ansicht des Landgerichts nicht ausreichenden Vortrag zu ihrer Aktivlegitimation ersichtlich durch die Umstände des Streitfalls und die Prozessführung der Beklagten veranlasst worden. Noch in den Klageerwiderungen haben die Beklagten die Aktivlegitimation der Klägerin nicht in Zweifel gezogen. In der Klageerwiderung, die in dem zunächst nur gegen den beklagten Ehemann geführten Rechtsstreit vorgelegt worden ist, ist vielmehr die Rede davon, dass zunächst das einzelkaufmännische Unternehmen beauftragt wurde, später der Klägerin ein weiterer Auftrag erteilt worden sei und dass sämtliche Arbeiten der Klägerin, die im Zeitpunkt der Arbeiten noch nicht als GmbH firmiert habe, bis Mitte Dezember 1995 abgeschlossen gewesen seien, so dass der Anspruch der Klägerin verjährt sei (Bl. 21 ff. d.A.); anschließend wendet sich die Klageerwiderung gegen die vorgelegte Abrechnung und bezeichnet die ausgeführten Arbeiten als mangelhaft (Bl. 23 ff. d.A.). In der Klageerwiderung, die in dem zunächst nur gegen die beklagte Ehefrau geführten Verfahren vorgelegt worden ist, ist darauf Bezug genommen und zudem die Passivlegitimation der Beklagten zu 2 gerügt worden (Bl. 65 f. d.A.). In der Folge hat die Klägerin umfangreich zu den Einwendungen der Beklagten vorgetragen (Bl. 68 ff. d.A.). Erstmals mit Schriftsatz vom 16.12.1999 haben die Beklagten die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten (Bl. 83 d.A.). Dem ist die Klägerin unter Hinweis auf die bisherigen Auseinandersetzungen der Parteien und die vorgelegte Gewerbeanmeldung (Bl. 104 d.A.) mit Schriftsatz vom 15.02.2000, der sich im Übrigen ausführlich mit den weiteren Einwendungen der Beklagten auseinander setzt, entgegen getreten (Bl. 90 f. d.A.). Die Gewerbeanmeldung erfolgte ausweislich der in dem Anmeldeformular ausgefüllten Felder 24 und 26 wegen Übernahme des bereits bestehenden Betriebes Fa. J. E. B., H. durch die Klägerin.

Bei dieser Sachlage durfte die Klage nicht auf die mündliche Verhandlung vom 18.02.2000 wegen fehlender Aktivlegitimation abgewiesen werden. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass bei fortbestehendem Bestreiten der Beklagten die Gewerbeanmeldung als solche zum Nachweis der Rechtsnachfolge nicht ausreicht. Dem Schriftsatz der Klägerin vom 15.02.2000 ist indes zu entnehmen, dass sie sich mit der Vorlage dieser Urkunde begnügte, weil sie das Bestreiten der Aktivlegitimation in Anbetracht des bisher zwischen den Parteien geführten Streits und des nach ihrer Ansicht von den Beklagten mit ihr fortgeführten Vertragsverhältnisses für "unverständlich" hielt.

Das Landgericht hätte deshalb zunächst einmal feststellen müssen, ob die Beklagten den Einwand fehlender Aktivlegitimation in Anbetracht der vorgelegten Gewerbeanmeldung überhaupt aufrecht erhalten wollten. Der Inhalt der Gewerbeanmeldung gab immerhin zumindest einen weiteren gewichtigen Hinweis darauf, dass es aus Sicht der Beklagten wenig Sinn machen würde, die Aktivlegitimation weiter zu bestreiten. Hinzu kam ja, dass die Einzelhandelsfirma und die GmbH den gleichen Firmenkern aufweisen, beide Firmen ihren Sitz unter derselben Anschrift haben und zudem in dem auffallend ähnlich gestalteten Geschäftspapier beider Firmen dasselbe Geschäftskonto bei der Kreissparkasse H. genannt ist; zudem musste die Klägerin, da sie die unstreitig durchgeführten Arbeiten abgerechnet hat, ersichtlich über die Geschäftsvorfälle der Einzelhandelsfirma, deren Tätigkeit sie rein tatsächlich auch fortgesetzt hat, im Einzelnen informiert sein.

Wenn die Beklagten trotz dieser für den Vortrag der Klägerin sprechenden Tatsachen ihr Bestreiten aufrecht erhielten, so war der Klägerin Gelegenheit zu geben, ihr Vorbringen zu ergänzen und zur Rechtsnachfolge geeignete Urkunden vorzulegen und sonstige geeignete Beweismittel zu benennen. Die Klageabweisung durfte nicht damit begründet werden, die Gewerbeanmeldung reiche nicht aus, weitere Tatsachen zur Aktivlegitimation der Klägerin seien nicht vorgetragen. Denn der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ist in dem Schriftsatz vom 15.02.2000 ersichtlich davon ausgegangen, dass das Bestreiten der Aktivlegitimation angesichts der bisherigen Prozessführung der Beklagten und der vorstehend erörterten Umstände des Falles als Grund für eine Klageabweisung nicht ernsthaft in Betracht komme und daher der Hinweis auf den Inhalt der Gewerbeanmeldung ausreichend sei.

Dem zwischen den Parteien streitigen Vortrag dazu, ob die Frage der Aktivlegitimation in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht erörtert worden ist, muss nicht nachgegangen werden. Auch wenn dies der Fall war, musste der Klägerin Gelegenheit zu weiterem schriftsätzlichem Vortrag gegeben werden. Eine abschließende Beurteilung in dem Termin kam, sofern die Beklagten ihr Bestreiten aufrecht erhielten, erkennbar nicht in Betracht.

3. Das angefochtene Urteil beruht auf dem Verfahrensfehler. Die Klägerin hat im Berufungsverfahren unter Vorlage von Urkunden (Bl. 178 ff. d.A.) und unter Beweisantritt im Einzelnen dargelegt, wie es zu der Betriebsübernahme gekommen ist. Der Senat hat wenig Zweifel daran, dass sich die Aktivlegitimation der Klägerin auf Grund der bereits oben unter 2 aufgeführten Umstände und der Urkundslage zumindest nach ergänzender Beweiserhebung wird feststellen lassen, zumal Ansprechpartner des Beklagten zu 1 nach seinem eigenen Vortrag ein Herr B. war - nach den Ausführungen des im Senatstermin anwesenden Geschäftsführers der Klägerin handelte es sich um diesen - und nicht ersichtlich ist, welcher noch bestehenden Firma B. außer der Klägerin der Klageanspruch zustehen sollte. Soweit die Beklagten es für geboten halten sollten, dem urkundlich belegten Vortrag auch bei Weiterführung des Rechtsstreits in erster Instanz weiter entgegen zu treten, und soweit das Landgericht die vorgelegten Urkunden nicht für ausreichend beweiskräftig halten sollte, mag den Beweisantritten der Klägerin nachgegangen werden.

4. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben (§ 539 ZPO). Zugleich ist der Rechtsstreit an das Landgericht zurück zu verweisen. Von einer eigenen Sachentscheidung (§ 540 ZPO) sieht der Senat ab, da es nicht angebracht ist, die erforderliche Sachaufklärung, die beim Nachweis der Aktivlegitimation auch hinsichtlich der Auftragserteilung, der Abrechnung und der Mängel erforderlich ist, erstmals im Berufungsverfahren zu beginnen und den Parteien dadurch eine Instanz zu nehmen.

Die Kostenentscheidung ist dem Landgericht vorzubehalten, da noch nicht fest steht, welche Partei endgültig obsiegt. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Beschwer keiner Partei übersteigt 60.000,00 DM.

Berufungsstreitwert: 56.697,72 DM

Ende der Entscheidung

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