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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 22.11.2000
Aktenzeichen: 11 W 83/00
Rechtsgebiete: BGB, SGB X, RVO


Vorschriften:

BGB § 844 Abs. 2
BGB § 843 Abs. 4
SGB X § 116 Abs. 3 Satz 1
SGB X § 116 Abs. 1
SGB X § 116 Abs. 1 Satz 1
SGB X § 116 Abs. 3
RVO § 1542
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Beschluss

11 W 83/00 18 O 203/00 LG Köln

In dem

pp.

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Pastor, den Richter am Oberlandesgericht Zoll und am 22.11.2000

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Kläger wird der Beschluss der 18. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 23.08.2000 - 18 O 203/00 - aufgehoben.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

Das Landgericht durfte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht in vollem Umfang mit der in dem angefochtenen Beschluss zur Forderungshöhe gegebenen Begründung verweigern.

Nach den nicht angegriffenen Ausführungen des Landgerichts steht den Klägern auf Grund des Unfallereignisses vom 14.04.1997 gegen die Beklagten ein Anspruch aus § 844 Abs. 2 BGB allenfalls in Höhe von 50% zu, weil der getötete Unterhaltspflichtige in erheblichem Umfang für die Unfallfolgen mit haftet. Danach sind die Sozialversicherungsleistungen, die die Kläger auf Grund des Unfalls erhalten, höher als die Schadensersatzbeträge, die den Klägern unter Berücksichtigung der Mithaftungsquote zustehen. Allerdings reichen weder die Sozialversicherungsleistungen noch die von den Beklagten zu erbringenden Schadensersatzleistungen jeweils für sich genommen aus, um den den Klägern entstandenen - ungekürzten - Unterhaltsschaden zu decken.

Zu Unrecht nimmt das Landgericht an, dass unter diesen Umständen ein Anspruch der Kläger gegen die Beklagten zu verneinen sei.

Nach § 116 Abs. 3 Satz 1 SGB X geht, wenn der Anspruch auf Ersatz eines Schadens durch ein mitwirkendes Verschulden oder eine mitwirkende Verantwortlichkeit des Geschädigten begrenzt ist, auf den Versicherungsträger von dem nach § 116 Abs. 1 SGB X bei unbegrenzter Haftung übergehenden Ersatzanspruch der Anteil über, welcher dem Vomhundertsatz entspricht, für den der Schädiger ersatzpflichtig ist. Nach § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X geht ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens auf den Versicherungsträger über, soweit dieser auf Grund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen.

Dies heißt mit anderen Worten: Der Sozialversicherungsträger wird Inhaber des dem Geschädigten zustehenden Schadensersatzanspruchs, soweit er dem Geschädigten Sozialleistungen auf Grund des Schadensereignisses erbringt (§ 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Trifft den Geschädigten eine Mithaftung, so findet der Anspruchsübergang nur in Höhe der um die Mithaftungsquote verringerten Sozialleistung statt (§ 116 Abs. 3 Satz 1 SGB X). Der Sozialversicherungsträger erhält also die Haftungsquote auf seine Leistung, der Geschädigte die Quote aus dem "Restschaden", d.h. der Differenz zwischen - ungekürztem - Schaden und der Leistung des Sozialversicherungsträgers ("relative Theorie", vgl. BGHZ 106, 381, 385; Becker/Böhme, Kraftverkehrshaftpflichtschäden, 21.Auflage, Rn. F 40 f.; Eichenhofer in: Wannagat, SGB, § 116 SGB X/3 Rn. 42 ff.; Kater in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 116 SGB X Rn. 218 ff.; Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschäden, 7.Auflage, Rn. 494 f., 497; alle Literaturstellen mit rechnerischen Beispielen zu dem dem Geschädigten trotz des Anspruchsübergangs verbleibenden Anspruch, denen die Berechnung der Kläger in der Beschwerdebegründung folgt).

Die von den Beklagten und dem Landgericht vertretene Ansicht, die den Klägern als Hinterbliebenen gezahlten Rentenleistungen der Sozialversicherungsträger seien bei der Schadensberechnung auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen, ist unrichtig. Eine solche Anrechnung ist dem deutschen Recht fremd. In Rechtsprechung und Gesetzgebung hat sich der Grundsatz durchgesetzt, dass der Schädiger - entsprechend dem Rechtsgedanken des § 843 Abs. 4 BGB - durch Leistungen von dritter Seite, die durch den Schadensfall ausgelöst werden, in der Regel nicht entlastet werden darf (vgl. BGHZ 9, 179, 184 ff.; 10, 107, 108 ff.; 13, 360, 363; 21, 112, 116; 22, 72, 75; 79, 26, 33 f.; BGH NJW 1983, 2191, 2192; NZV 1989, 105, 106 = VersR 1989, 54, 55; vgl. auch Kater a.a.O. Rn. 6; Küppersbusch a.a.O. Rn. 22 f.; Palandt/Heinrichs, 59.Aufl., Vorbem. § 249 Rn. 131 ff.). Diesem Gedanken trug schon § 1542 RVO Rechnung, der den Forderungsübergang auf den Sozialversicherungsträger bis zum Inkrafttreten des SGB X am 01.07.1983 regelte. Der Bundesgerichtshof hat Sinn und Zweck dieser Regelung in Anlehnung an die Gesetzesmaterialien darin gesehen, einerseits eine Entlastung des Haftpflichtigen, andererseits eine doppelte Entschädigung (Bereicherung) des Geschädigten zu vermeiden (vgl. nur BGHZ 9, 179, 184 ff.; 54, 377, 382; BGH VersR 1968, 1182, 1185; 1978, 179 f.; 1981, 334, 335; zum weiteren Zweck der Vorschrift, den Sozialversicherungsträger wirtschaftlich zu entlasten vgl. BGHZ 19, 177, 183; BGH VersR 1978, 179, 181). Für den Fall, dass der Schädiger - etwa wegen eines anzurechnenden Mitverschuldens - aus rechtlichen Gründen nicht für den gesamten Schaden haftete und weder die Sozialversicherungsleistung noch der Schadensersatzanspruch des Geschädigten jeweils für sich genommen zur Deckung des Schadens ausreichten, bejahte der Bundesgerichtshof den vollen Übergang des kongruenten Ersatzanspruchs bis zur Höhe der Sozialversicherungsleistung auf den Sozialversicherungsträger (Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers, absolute Theorie, vgl. BGH VersR 1957, 814, 815; 1968, 1182 ff.; vgl. auch schon RGZ 148, 19, 20 f.). Eine Anrechnung von Sozialversicherungsleistungen im Wege des Vorteilsausgleichs war danach schon vom gedanklichen Ansatz her ebenso ausgeschlossen wie die Argumentation, wegen der Sozialversicherungsleistungen sei dem Geschädigten kein Schaden entstanden (vgl. dazu schon RGZ 89, 233, 235 f.; 92, 401, 405; BGHZ 9, 179, 186). Auch nach Inkrafttreten des § 116 Abs. 3 SGB X, der an § 1542 RVO anknüpft und - soweit hier von Interesse - lediglich das Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers beseitigt hat, findet eine Entlastung des Schädigers durch dem Geschädigten gewährte Sozialleistungen ersichtlich nicht statt. Die Vorschrift bewirkt eine gleichrangige Befriedigung des Geschädigten und des Sozialversicherungsträgers. Soweit der Anspruch auf den Sozialversicherungsträger übergeht, ist eine Anrechnung gedanklich ausgeschlossen. Soweit ein Anspruchsübergang nicht stattfindet, soll dem Geschädigten der Schadensersatzanspruch in Höhe der Quote aus dem Restschaden nach der Intention des Gesetzes verbleiben (vgl. Eichenhofer a.a.O. Rn. 4 f., 43). Der Schädiger hat also den quotierten Schadensersatz durch die Zahlungen an den Sozialversicherungsträger einerseits und an den Geschädigten andererseits in vollem Umfang zu leisten.

Es ist danach verfehlt, dass das Landgericht von den quotierten Schadensersatzbeträgen die Gesamtbeträge der Rentenleistungen abzieht. Vielmehr ergibt sich bei Beibehaltung der Ausgangswerte des Landgerichts folgende Berechnung:

für die Klägerin zu 1

Unterhaltsschaden 1.535,81 DM quotierter Schaden (50%) 767,91 DM Leistung der SVT 1.072,26 DM Ansprüche der SVT (50%) 536,13 DM "Restschaden" 463,55 DM Anspruch der Klägerin zu 1 (50%) 231,78 DM;

für die Kläger zu 2 und 3

Unterhaltsschaden 821,69 DM quotierter Schaden (50%) 410,85 DM Leistung des SVT 512,40 DM Anspruch des SVT (50%) 256,20 DM "Restschaden" 309,29 DM Anspruch der Kläger zu 2 und 3 (50%) 154,65 DM.

Da die Kläger in der Beschwerdeschrift angekündigt haben, ihre Anträge auf der Grundlage des vorstehenden Berechnungsschemas noch anpassen zu wollen, sieht der Senat davon ab, über den Prozesskostenhilfeantrag bereits jetzt abschließend zu entscheiden. Die Entscheidung wird das Landgericht unter Beachtung der vorstehenden Rechtsausführungen zu treffen haben.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 127 Abs. 4 ZPO).



Ende der Entscheidung

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