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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 12.06.2006
Aktenzeichen: 2 U 45/06
Rechtsgebiete: ZPO, InsO


Vorschriften:

ZPO § 522 Abs. 1
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 811 Abs. 1 Nr. 7
ZPO § 811 Nr. 5
ZPO § 811 Nr. 7
InsO § 36 Abs. 1
InsO § 36 Abs. 1 Satz 1
InsO § 169
InsO § 172
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin vom 11. April 2006 gegen das am 16. März 2006 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 1 O 506/05 - durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Klägerin erhält Gelegenheit, hierzu bis zum 3. Juli 2006 Stellung zu nehmen. Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass mit einer Verlängerung der Frist zur Stellungnahme nicht gerechnet werden kann.

Gründe:

1. Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Das Landgericht hat die Klage zu Recht (§ 513 Abs. 1 ZPO) abgewiesen.

a) Wie auch die Klägerin im Ausgangspunkt nicht verkennt, hätte sie nur dann einen unmittelbaren Zahlungsanspruch gemäß den §§ 169, 172 InsO, wenn der Beklagte zur Verwertung der streitgegenständlichen Praxis- und Laboreinrichtung befugt gewesen wäre. Dies setzt wiederum voraus, dass die genannten Gegenstände haftungsrechtlich in die Insolvenzmasse gefallen sind. Hieran fehlt es jedoch, weil die Praxis- und Laboreinrichtung des Schuldners dem Pfändungsschutz des § 811 Abs. 1 Nr. 7 ZPO unterliegt und deshalb gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht zur Insolvenzmasse gehört.

Auch nach Auffassung des Senats bedarf die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob der Pfändungsschutz des § 811 Abs. 1 Nr. 7 bzw. Nr. 5 ZPO auch dann eingreift, wenn ein Schuldner die fraglichen Gegenstände einem Gläubiger zur Sicherheit übereignet hat, vorliegend keiner Entscheidung (bejahend etwa Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 811 Rdn. 7; Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl. 2004, § 811 Rdn. 39). Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin davon ausgeht, dass ein Schuldner bei einer derartigen Sicherungsübereignung auf seine Rechte aus § 811 Nr. 5 bzw. 7 ZPO wirksam verzichtet hat, kann sich ein solcher Verzicht nur auf das Verhältnis zum Sicherungseigentümer beziehen. Wenn demgegenüber im Rahmen der Einzelzwangsvollstreckung andere Gläubiger als der Sicherungseigentümer in gemäß § 811 Nr. 5 und 7 ZPO geschützte Gegenstände vollstrecken, steht außer Streit, dass sich der Schuldner gegenüber diesen Gläubigern auf den Pfändungsschutz berufen kann. Diese Relativität eines etwaigen Verzichts des Schuldners auf den Pfändungsschutz hat wiederum unmittelbare Konsequenzen für die Reichweite des in § 36 Abs. 1 InsO festgelegten Insolvenzbeschlages. Hierfür genügt es nämlich nicht, dass ein Vermögensgegenstand nur für bestimmte Gläubiger pfändbar ist. Vielmehr fällt nur ein solcher Vermögensgegenstand in die Masse, der für alle Gläubiger pfändbar ist (vgl. hierzu nur HK/Eickmann, Insolvenzordnung, 4. Aufl. 2006, § 36 Rdn. 7; Braun/Bäuerle, Insolvenzordnung, 2. Aufl. 2004, § 36 Rdn. 3). Da vorliegend die Labor- und Praxiseinrichtung des Schuldners allenfalls für die Klägerin als Sicherungseigentümerin pfändbar war, nicht jedoch für die übrigen Gläubiger, schied eine Verwertungsbefugnis des Beklagten aus. Damit besteht aber auch kein Zahlungsanspruch der Klägerin gemäß den - eine solche Verwertungsbefugnis gerade voraussetzenden - §§ 169, 172 InsO.

b) Auch eine analoge Anwendung der genannten Vorschriften scheidet mangels einer Regelungslücke aus. Sie wollen einen solchen absonderungsberechtigten Gläubiger vor einem Wert- bzw. Zinsverlust schützen, der die Verwertung durch den Insolvenzverwalter dulden muss. Zu diesem Personenkreis gehört die Klägerin gerade nicht. Vielmehr hatte sie die Möglichkeit, die zur Sicherheit übereigneten Gegenstände nach dem Eintritt des Sicherungsfalles von dem Schuldner herauszuverlangen.

c) Schließlich lässt sich der Klageanspruch auch nicht aus allgemeinen Vorschriften (§§ 987 ff. bzw. §§ 812 ff. BGB) herleiten. Insoweit fehlt es zum Einen an einer Vindikationslage, weil von einer Besitzergreifung des Beklagten, der sich wegen der von ihm angenommenen Unpfändbarkeit der Gegenstände zu keiner Zeit einer Verfügungs- bzw. Verwertungsbefugnis berühmt hat, nicht ausgegangen werden kann. Einem Bereicherungsanspruch steht die Tatsache entgegen, dass die Klägerin keine rechtsgrundlose Leistung an die Insolvenzmasse erbracht hat. Sie hat vielmehr lediglich dem Schuldner, von dem sie Herausgabe hätte verlangen können, den Besitz an der Praxiseinrichtung belassen.

2. Die Annahme der Berufung ist trotz fehlender Erfolgsaussicht auch nicht aus einem der Gründe des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 ZPO gegeben. Der vorliegende Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Senats ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Auf die oben dargelegte Streitfrage des Pfändungsschutzes des Schuldners gegenüber dem Sicherungseigentümer kommt es vorliegend nicht an. Im übrigen beruht die Beurteilung des Streitfalles nur auf einer Würdigung der Besonderheiten des konkreten Einzelfalls.

3. Gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO gibt der Senat der Klägerin Gelegenheit, zu der beabsichtigten Zurückweisung des Rechtsmittels innerhalb der in der Beschlussformel bezeichneten Frist Stellung zu nehmen.

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