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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 06.06.2002
Aktenzeichen: 1 Ss 13/02
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 46 Abs. 2
StGB § 56 Abs. 1
StGB § 177 Abs. 1
StGB § 185
StGB § 240 Abs. 1
StPO § 404
1. Das nur kurzfristige Versperren des Durchgangs eines Weges stellt keine Gewaltanwendung i.S.d. § 240 StGB dar (Anschluss an OLG Düsseldorf VRS 97, 127).

2. Bei einer auf offener Strasse vorgenommener sexuellen Belästigung kann es sich um ein Vergehen der Beleidigung handeln, wenn es sich nicht nur um eine unerhebliche Beeinträchtigungen handelt und der Tat eine nach außen zu Tage tretende Herabwürdigung der Geschlechtsehre innewohnt.

3. Ein Vergehen der tätlichen Beleidigung nach § 185 2. Alt. StGB setzt eine körperliche Einwirkung voraus, allein der Versuch einer Berührung genügt nicht.

4. Bei einem sexuell motivierten Übergriff muss ein Täter grundsätzlich damit rechnen, dass sein Opfer aufgrund einer früher an ihm begangenen sexuellen Gewalttat vorgeschädigt ist und deshalb besonders schwere Folgen eintreten können. Bei der Strafzumessung ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Täter diese Folgen nicht allein verursacht hat.

5. Auf eine erfolglos durchgeführte Therapie kann eine positive Prognose i.S.d. § 56 Abs. 2 StGB in der Regel nicht gestützt werden.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 1. Strafsenat Im Namen des Volkes Urteil

1 Ss 13/02

Strafsache

wegen Beleidigung

Das Oberlandesgericht Karlsruhe - 1. Strafsenat - hat in der Sitzung vom 06. Juni 2002, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht als Vorsitzender

Richter am Oberlandesgericht

Richter am Oberlandesgericht

Staatsanwalt als Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft

Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten

Justizsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts W. vom 11. September 2001

a. im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte eines Vergehens der Beleidigung schuldig ist,

b. im Rechtsfolgenausspruch mit den dazugehörigen Feststellungen und insoweit aufgehoben, als der Angeklagte verurteilt wurde, an die Geschädigte F ein Schmerzensgeld in Höhe von DM 1.000,00 sowie einen Betrag von DM 34,09 zuzüglich 4 % Zinsen seit Rechtskraft des Urteils zu bezahlen.

2. Die weitergehenden Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft werden verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens, an eine andere Strafkammer des Landgerichts W. zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Nach den getroffenen Feststellungen hielt sich der Angeklagte am frühen Morgen des 28.08.1999 gegen 5. 40 Uhr in der Umgebung des Bahnhofs von S auf, um dort nach einem geeigneten Opfer für einen sexuell betonten körperlichen Kontakt Ausschau zu halten. Die auf dem Weg zum Bahnhof auf einem Bürgersteig gehende 24jährige und dem Angeklagten völlig unbekannte Geschädigte F sah er für sein Vorhaben als geeignet an. Er ging dieser entgegen, stellte sich ihr durch einen unvermittelten Schritt zur Seite in den Weg und führte für die Zeugin überraschend - ohne diese zu berühren - beide Hände über deren Schultern, als wolle er sie umarmen. Während die Zeugin zurückwich, nahm der Angeklagte seinen rechten Arm nach unten und versuchte, der Geschädigten unter gleichzeitiger Äußerung "macht doch nichts" mit seiner Hand an das Geschlechtsteil zu greifen, was ihm jedoch wegen der Rückwärtsbewegung der Zeugin nicht gelang. Im Anschluss hieran ging der Angeklagte, als wäre nichts gewesen, weiter.

Durch die Tat sind bei der Geschädigten F von einer früheren Vergewaltigung herrührende psychische Störungen wieder ausgelöst worden. Seit dem neuerlichen Vorfall leidet die Zeugin zudem an Schlaflosigkeit, Zittern und Angstzuständen; seit August 2000 befindet sie sich in ständiger ambulanter psychotherapeutischer Behandlung.

Das Amtsgericht - Schöffengericht - S hat den Angeklagten am 28.11.2000 wegen tätlicher Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zu Bewährung ausgesetzt. Die gegen dieses Straferkenntnis sowohl vom Angeklagten als auch von der Staatsanwaltschaft eingelegten Berufungen hat das Landgericht W. mit Urteil vom 11.09.2001 verworfen.

Mit ihrer hiergegen eingelegten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Sie wertet die Tat als Verbrechen der versuchten sexuellen Nötigung; außerdem beanstandet sie die erfolgte Aussetzung der Strafe zur Bewährung. Der Angeklagte, welcher die Tatbegehung in Abrede gestellt hat, erstrebt seine Freisprechung. Nach seiner Ansicht unterfällt der festgestellte Sachverhalt im übrigen nicht den Beleidigungstatbeständen, da die Ehre der Geschädigten durch den Übergriff nicht verletzt worden sei.

II.

Beide Rechtsmittel haben den aus dem Tenor sich ergebenden Teilerfolg. Sie führen zur Abänderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung der Rechtsfolgenentscheidung. Im übrigen bleiben sie ohne Erfolg.

1. Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft tragen die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht die Bewertung der Tat als versuchte sexuelle Nötigung. Ein solches Verbrechen setzt nämlich voraus, dass Gewalt eingesetzt wird, um gerade hierdurch einen entgegenstehenden Willen des Opfers zu überwinden und so das angestrebte sexuelle Ziel zu erreichen. Ein Handeln allein gegen den Willen des Opfers oder dessen bloßes Nichteinverstandensein genügt für die Erfüllung des Tatbestandes nicht, da dieser die erkennbare Beugung der Willensfreiheit unter Strafe stellt. An einer solchen finalen Verknüpfung fehlt es aber, wenn das Opfer die Zielrichtung des Angriffs gar nicht erkennt oder aber die Vorgehensweise des Täters nicht auf Überwindung eines Abwehrwillens, sondern auf bloße Überrumpelung angelegt ist (BGHSt 31, 76 ff.; NStZ 1993, 78 f.; Tröndle/Fischer, StGB, 50. Auflage 2001, § 177 Rn. 7).

So liegt der Fall hier. Aus den Gesamtumständen des Tatablaufs durfte die Strafkammer rechtsfehlerfrei darauf schließen, der Angeklagte habe die Geschädigte lediglich mit Hilfe des Überraschungseffektes im Intimbereich berühren wollen (DA S. 11 f.). Seine fehlende Bereitschaft zum Einsatz von Gewalt ergibt sich zudem aus dem Umstand, dass er nach seinem vergeblichen Unterfangen von seinem Opfer abließ, nachdem dieses die sexuelle Zielrichtung des Angriffs erkannt und ihn mit einem Schimpfwort belegt hatte.

2. In dem kurzfristigen Versperren des Durchgangs kann auch kein Vergehen der Nötigung (§ 240 StGB) gesehen werden. Nach dieser Vorschrift wird bestraft, wer einen anderen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt. Die bloße körperliche Anwesenheit einer Person an einem bestimmten Ort stellt jedoch noch keine Gewalt dar, wenn die damit verbundene Zwangswirkung nur psychische Auswirkungen hat (BVerfGE 92, 1 ff.; OLG Düsseldorf VRS 97, 127; KG Beschluss vom 24.08.2000, 1 Ss 198/00; krit. BGHSt 41, 182 ff.). Hier ist der Angeklagte vor die Zeugin getreten, ohne ihr gänzlich den Weg zu versperren, und hat sie kurzfristig zum Anhalten veranlasst. Eine über diese psychische Reaktion hinausgehende körperliche Einwirkung war mit seinem Verhalten nicht verbunden. Hinzu kommt, dass die Zwangswirkung sich auf die Geschädigte F beschränkte und nur von sehr kurzer Dauer war, mithin noch nicht einen Grad erreicht hatte, welcher überhaupt geeignet ist, die Freiheit eines anderen in rechtserheblicher Weise zu beeinträchtigen (OLG Düsseldorf VRS 85, 106 f.; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., Rn. 26).

3. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht indes das Auftreten des Angeklagten als Vergehen der Beleidigung gewertet.

a. Allerdings kann nicht in jeder gegen den Willen des Opfers geführten sexuellen Handlung zugleich ein Angriff auf dessen Ehre gesehen werden. Bei dem in §§ 185 ff. StGB geschützten Rechtsgut der Ehre handelt es sich lediglich um einen Teil der einem Menschen zustehenden Personenwürde, der nicht identisch mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, insbesondere dem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, ist. Ein Angriff auf die Ehre liegt nur dann vor, wenn der Täter einem anderen zu Unrecht Mängel nachsagt, die, wenn sie vorlägen, den Geltungswert des Betroffenen mindern würden. Nur durch eine solche Kundgabe der Geringschätzung, Miss - oder Nichtachtung, die ein herabsetzendes Werturteil oder eine ehrenrührige Tatsachenbehauptung enthalten kann, wird der aus der Ehre fließende verdiente Achtungsanspruch verletzt. Daher ist bei sexuellen Übergriffen der Tatbestand des § 185 StGB nur dann erfüllt, wenn der Täter durch sein Verhalten zum Ausdruck bringt, der Betroffene weise einen ehrmindernden Mangel auf.

Eine solche Kundgabe ist in einer sexuellen Handlung allein nicht zu sehen, so dass diese nicht (zusätzlich) den Beleidigungstatbeständen unterfallen muss. Anders ist die Rechtslage aber zu bewerten, wenn nach den gesamten Umständen in dem Verhalten des Täters zugleich eine - von ihm gewollte - herabsetzende Bewertung des Opfers liegt (h.M., vgl. BGHSt 36, 145 ff.; NStZ 1986, 453 f.; 1992, 33 f.;1993, 182; Schönke-Schröder-Lenckner, StGB, 26. Auflage 2001, § 185 Rn. 4; Kiehl NJW 1989, 3003 ff.), welche über den eigentlichen geschlechtlichen Übergriff hinausgeht (OLG Düsseldorf OLGSt StGB § 185 Nr. 9).

b. Mit der Frage, ob solche besonderen Umstände vorliegen, hat sich die Strafkammer ausdrücklich befasst (UA S. 6 und 12); deren Bejahung, die auf einer nachvollziehbaren Bewertung der Tatumstände beruht, schließt sich der Senat an.

Im Gegensatz zu sexuellen Übergriffen im engeren zwischenmenschlichen Bereich, in welcher der Achtungsanspruch grundsätzlich nicht in Frage gestellt wird, oder aus Begierde, in denen es dem Täter vorwiegend auf die Befriedigung seines eigenen Geschlechtstriebs ankommt, stehen nach Ansicht des Senats Taten, bei denen der Demütigungscharakter in den Vordergrund tritt und dieser ein eigenständiges Gewicht erlangt. Eine solche Fallgestaltung wird insbesondere dann vorliegen, wenn der Täter nicht allein aus - wenn auch unter Verletzung des Selbstbestimmungsrechtes - "geschlechtlichem Interesse am Opfer" handelt, sondern durch begleitende Äußerungen oder durch sein Verhalten zum Ausdruck bringt, sein Opfer sei mit einem Makel behaftet, welches dessen Geltungswert mindere (BGHSt 36, 145 ff., 150) und der die Tat aus seiner Sicht rechtfertige. Den auf offener Straße vor allem an Frauen vorgenommenen sexuellen Belästigungen kann eine derart eigenständige Bedeutung beikommen, wenn es sich nicht um unerhebliche Beeinträchtigungen handelt und der Tat eine nach außen zu Tage tretende Herabwürdigung der Geschlechtsehre innewohnt.

Vorliegend war die Zeugin F dem Angeklagten nicht bekannt. Unter den morgendlichen Passanten hatte er sie als Zufallsopfer ausgesucht, weil sie ihm für sein Vorhaben geeignet erschien und womit er sie, in einen Kreis derjenigen Personen gestellt hat, von denen ein solches Verhalten akzeptiert wird und mit denen man so etwas - eine öffentliche Bloßstellung - machen kann (vgl. OLG Koblenz OLGSt StGB § 185 Nr. 6). Auch die zeitgleich mit dem Griff ans Geschlechtsteil erfolgte Äußerung des Angeklagten "macht doch nichts" wäre damit in Einklang zu bringen.

Dass der Angeklagte um die Außenwirkung seines Handelns wusste und eine solche Bloßstellung auch billigend in Kauf nahm, ist festgestellt und erschließt sich zudem aus den Gesamtumständen des Geschehens; hingegen ist nicht festgestellt, dass der Angeklagte aus vermeintlicher Zuneigung zu seinem Opfer handelte, was im übrigen auch fern liegt. Es handelt sich hier auch nicht um eine bloße Unbotmäßigkeit im außerstrafrechtlichen Bereich (vgl. hierzu Sick JR 1992, 246 ff.), sondern - wie die hervorgerufenen Ängste der Geschädigten zeigen - um einen erheblichen Angriff auf deren Geschlechtsehre.

c. Die von der Strafkammer vorgenommene Einstufung der Tat als tätliche Beleidigung (§ 185 2. Alt. StGB) wird von den Feststellungen jedoch nicht getragen.

Voraussetzung ist hierfür nämlich eine unmittelbar gegen den Körper gerichtete Einwirkung. An einer solchen fehlt es aber, da der Angeklagte die Zeugin F nach den für den Senat maßgeblichen Feststellungen der Strafkammer überhaupt nicht berührt hat. Die in der Literatur teilweise vertretene Ansicht, auch der Versuch einer Berührung - wie etwa die fehlgegangene Ohrfeige - reiche zur Erfüllung des Merkmals der Tätlichkeit aus (vgl. Schönke-Schröder-Leckner, a.a.O., § 185 Rn. 18; Lackner-Kühl, StGB, 24. Auflage 2001, § 185 Rn. 13; Geppert Jura 1983, 588), teilt der Senat nicht. Strafgrund der Qualifikation ist nämlich, dass zu der Ehrverletzung noch eine - nicht zwingend den Körperverletzungsdelikten unterfallende - besondere tatsächliche Einwirkung hinzukommt, die gerade durch die Verletzung der körperlichen Integrität eine intensivierte Missachtung des Geltungsanspruchs zum Ausdruck bringt (vgl. RGSt 67, 173 ff.; 70, 245 ff. 250). Soweit auch in einem fehlgeschlagenen Versuch einer Berührung eine Demütigung liegt, ist diese nicht derart intensiv, als dass diesem straferschwerenden Umstand nicht im Rahmen des Regelstrafrahmens der Beleidigung ausreichend Rechnung getragen werden könnte.

4. Bereits die Abänderung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung der Rechtsfolgenentscheidung nach sich. Für die neu durchzuführende Hauptverhandlung weist der Senat im Übrigen auf folgendes hin:

a. Soweit das Landgericht zu Lasten des Angeklagten straferschwerend die bei der Geschädigten eingetretenen erheblichen Folgen gewertet hat, ist dies Erwägung nicht frei von Rechtsfehlern. Allerdings teilt der Senat den grundsätzlichen Ansatz der Strafkammer (UA S. 14), dass der Angeklagte mit derartigen Auswirkungen durchaus rechnen konnte.

Grundsätzlich können Folgen einer Straftat einem Täter nur dann straferschwerend zugerechnet werden, wenn sie von diesem verschuldet sind, wenn dieser sie also in seinen Vorsatz mit aufgenommen hat oder wenn sie für ihn mindestens voraussehbar waren (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatauswirkungen 2, 3, 4). Dass eine schwerwiegende Sexualstraftat - wie etwa eine Vergewaltigung - zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen, wie sie bei der Zeugin F eingetreten sind, führen kann, ist nicht ungewöhnlich und damit für einen Täter auch voraussehbar (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatauswirkungen 3; BGH NStZ-RR 2000, 363; zusammenfassend LK-Gribbohm, 11. Auflage 1995, § 46 Rn. 142 ff., 150 ff.). Der vorliegende Fall unterscheidet sich hiervon jedoch durch die Intensität des Eingriffs, der zwar über eine bloße Belästigung hinausgeht, das Gewicht einer Gewalttat aber nicht erreicht. Außergewöhnliche Tatfolgen, welche der Angeklagte in ihrem Gewicht nicht erkennen und mit diesen auch nicht rechnen konnte, liegen jedoch gleichwohl nicht vor. Es ist nämlich in der Bevölkerung bekannt und damit Allgemeingut geworden, dass sich Geschädigte in ihren psychischen Reaktionen auf an ihnen verübte Straftaten voneinander unterscheiden und eine besondere Anfälligkeit gerade von weiblichen Geschädigten dann besteht, wenn sie bereits früher - was nicht selten ist (vgl. die Ergebnisse verschiedener Opferstudien bei Kury Kriminalistik 2002, 241 ff.) Opfer eine Gewalttat geworden sind (vgl. hierzu Fischer, Lehrbuch der Psychotraumatologie, München-Basel 1999, Seiten 124, 134 f., 293 ff., 301 ff, 310 f. sowie die vereinfachte Zusammenfassung im Internet, unter: http://www.fifap.de/4/420 fol.html).

Allerdings wird der neue Tatrichter - etwa durch Anhörung des den Angeklagten betreuenden Therapeuten - in einer neuen Hauptverhandlung noch zu klären haben, ob der wegen einschlägigen Sexualstraftaten unter Bewährung stehende Angeklagte nach seinen individuellen Fähigkeiten die Auswirkungen seiner Tat vorhersehen konnte.

Bei ihrer Bewertung der Strafzumessungsgesichtspunkte hat die Strafkammer zudem das Gewicht der Anlasstat nicht hinreichend bedacht. Auch wenn der Angeklagte für die Auswirkungen seiner Straftat dem Grunde nach einstehen muss, kann bei der Strafzumessung nicht unberücksichtigt bleiben, dass er für die bei der Zeugin F eingetretenen körperlichen und seelischen Störungen nicht die alleinige Ursache gesetzt hat, sondern diese maßgeblich von einer durch das Verhalten eines Dritten hervorgerufenen Vorschädigung herrühren (vgl. BGH NStZ-RR 2000, 265 f.; Schönke-Schröder-Stree, a.a.O, § 46 Rn. 24 a.E.).

b. Auch die Erwägungen zur Strafaussetzung zur Bewährung halten - wie die Staatsanwaltschaft zu Recht anführt - einer Überprüfung nicht Stand. Sie sind insoweit widersprüchlich als die Strafkammer einerseits ausführt, der wegen sexueller Nötigung in zwei Fällen vorbestrafte und unter Bewährung stehende Angeklagte habe Mitte Dezember 2000 eine psychotherapeutische Behandlung begonnen, diese jedoch nicht erfolgreich beenden können (UA S. 5), gleichwohl die zur Gewährung einer Strafaussetzung zur Bewährung notwendigen günstigen Umstände auf die absolvierte Therapie und deren als Bewährungsauflage angeordnete Fortsetzung stützt (UA S. 14).

Voraussetzung für eine Strafaussetzung zur Bewährung ist aber eine durch Tatsachen begründete Erwartung eines künftigen straffreien Lebens. Bei einem Täter, der - wie der Angeklagte - unter Bewährung steht und erneut einschlägig straffällig wird, bedarf es besonderer Feststellungen, um nochmals zu einer positiven Prognose zu kommen (Tröndle/Fischer, a.a.O., § 56 Rn. 6 b). Eine erfolglose Behandlung bietet diese Gewissheit im Regelfalle nicht. Vielmehr bedarf es positiver Feststellungen dazu, ob die (ambulante) Heilbehandlung bzw. deren Fortsetzung überhaupt Erfolg verspricht, was i.d.R. erst angenommen werden kann, wenn der Therapeut nach Ablauf eines für eine sachgerechte Beurteilung ausreichenden Zeitraumes zur Feststellung eines positiven Therapieverlaufs kommt (vgl. Senat, Beschluss vom 04.04.2002, 1 Ss 26/02).

Ob dies der Fall ist, wird der neue Tatrichter ggf. unter Anhörung des behandelnden Therapeuten oder eines Sachverständigen in der neuen Hauptverhandlung zu klären haben.

5. Die Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs beeinflusst vorliegend auch die im Adhäsionsverfahren erfolgte Zubilligung eines an die Geschädigte F zu zahlenden Schmerzensgeldes in Höhe von DM 1.000 sowie eines Betrages von DM 34,09 nebst 4 % Zinsen hieraus seit Rechtskraft des Urteils.

Wenngleich dem Senat der zuerkannte Betrag auch in Anbetracht der Einkommenssituation des Angeklagten keineswegs unbillig erscheint, ist für die Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes neben den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten das Maß seines Verschuldens von maßgeblicher Bedeutung (BGHR StPO § 404 Abs.1 Entscheidung 3). Dies zu beurteilen obliegt jedoch dem neuen Tatrichter, der - wie ausgeführt - im Rahmen der Strafzumessung insbesondere die zurechenbaren Tatfolgen und die Bedeutung der Anlasstat neu zu gewichten haben wird.

Aus welchem Rechtsgrund sich der Betrag von DM 34,09 ergibt, ist im Übrigen nicht dargetan.

III.

Das Urteil war daher im Rechtsfolgenausspruch mit den dazugehörigen Feststellungen und insoweit aufzuheben, als der Angeklagte zu Zahlungen an die Geschädigte verurteilt wurde, und an eine andere Strafkammer des Landgerichts W zurückzuverweisen. Der Senat weist darauf hin, dass bei der neu zu treffenden Kostenentscheidung auch über die notwendigen Auslagen der zum Anschluss berechtigten Geschädigten zu befinden sein wird (§§ 406 g, 473 Abs. 1 Satz 2 StPO).

Ende der Entscheidung

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