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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 04.10.2005
Aktenzeichen: 1 U 112/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 335 Abs. 1 Nr. 3
1. Eine Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil ist bereits dann statthaft, wenn der Berufungskläger einen nach § 514 Abs. 2 ZPO zulässigen Berufungsgrund schlüssig vorträgt.

2. § 335 Abs. 1 Nr. 3 ZPO steht dem Erlass eines Versäumnisurteils nicht entgegen, wenn ein rechtzeitig angekündigter Sachantrag in der mündlichen Verhandlung

a) durch Anträge ergänzt wird, die ausschließlich den weiteren Gang des Verfahrens betreffen, oder

b) ohne Änderung des sachlichen Gehalts in eine dem jeweiligen Verfahrensstand angemessene prozessuale Form gekleidet wird.

3. Der Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid kann bei erneuter Säumnis des Beklagten auch dann durch zweites Versäumnisurteil verworfen werden, wenn der Kläger einen Zahlungsantrag statt des nach der Verfahrenslage allein in Betracht kommenden Antrages auf Aufrechterhaltung des Vollstreckungsbescheides angekündigt hat.


Oberlandesgericht Karlsruhe 1. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 1 U 112/05

Verkündet am 04. Oktober 2005

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 19. September 2005 durch als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

a) Die Berufung des Beklagten gegen das zweite Versäumnisurteil des Landgerichts Heidelberg vom 2. Juni 2005 - 2 O 65/05 - wird zurückgewiesen.

b) Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

c) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

d) Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

1.

Der Beklagte wendet sich gegen ein zweites Versäumnisurteil, durch das seine Verurteilung zur Rückzahlung eines von der Klägerin erhaltenen Geldbetrages aufrechterhalten worden ist.

Die Klägerin hat dem Beklagten, ihrem damaligen Lebensgefährten, am 21.12.2001 einen Betrag von 55.000,00 DM (= 28.121,05 Euro) in bar übergeben. Bei der Übergabe wurde vereinbart, dass der Beklagte das Geld in Euro umtauscht und wieder an die Klägerin aushändigt. In der Folgezeit hat der Beklagte 13.921,05 Euro an die Klägerin zurückgezahlt. Den Restbetrag macht die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit geltend.

Die Klägerin hat ihr Begehren zunächst durch einen am 31.12.2004 beim Amtsgericht Stuttgart eingegangenen Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides über einen Hauptsachebetrag von 14.200,00 Euro geltend gemacht. Dem Beklagten ist am 27.01.2005 ein Mahnbescheid und am 10.03.2005 ein Vollstreckungsbescheid über den genannten Betrag zugestellt worden.

Nach Einspruch des Beklagten und Abgabe an das Streitgericht hat die Klägerin ihren Anspruch begründet. Nach einer Teilzahlung des Beklagten in Höhe von 400 Euro hat sie die Klage in Höhe des genannten Betrages zurückgenommen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin den Betrag von 13.800,00 Euro zuzüglich 5 % über dem Basiszinssatz der EZB liegender Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Der Beklagte hat erstinstanzlich keine Anträge gestellt.

Das Landgericht hat antragsgemäß durch zweites Versäumnisurteil den Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid mit der Maßgabe verworfen, dass der Beklagte 13.800,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.01.2005 zu zahlen hat. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung.

Der Beklagte macht geltend, das angefochtene Versäumnisurteil sei nicht ordnungsgemäß ergangen. Die Klägerin habe schriftsätzlich lediglich einen Zahlungsantrag angekündigt, nicht hingegen den aufgrund des Verfahrensstandes gebotenen Antrag auf Aufrechterhaltung des Vollstreckungsbescheides. Für den Beklagten und dessen erst kurz vor der mündlichen Verhandlung mandatierten Prozessbevollmächtigten sei deshalb nicht erkennbar gewesen, dass gegen ein Versäumnisurteil kein Einspruch mehr möglich sein werde. Außerdem habe der Beklagte bereits am 08.02.2005 Widerspruch gegen den Mahnbescheid eingelegt. Das Widerspruchsschreiben habe er vorab an das Amtsgericht Stuttgart gefaxt und am selben Tag im Original in den Briefkasten eingeworfen.

In der Sache macht der Beklagte geltend, er habe sich nach der Übergabe mit der Klägerin darüber geeinigt, dass er den übergebenen Geldbetrag seinem damaligen Arbeitgeber überlassen dürfe, der in Zahlungsschwierigkeiten war. Der Klägerin stünden deshalb allenfalls Bereicherungsansprüche gegen den Arbeitgeber zu.

Hilfsweise macht der Beklagte ein Zurückbehaltungsrecht wegen einer goldenen Uhr geltend, deren Wert ca. 12.500 Euro betrage und die die Klägern anlässlich der Trennung der Parteien an sich gebracht habe.

Der Beklagte stellt folgende Anträge:

Das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 02.06.2005, Aktenzeichen 2 O 65/05, wird im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Stuttgart vom 08.03.2005, Aktenzeichen 04-0429766-0-4, wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin hält die Berufung für unzulässig. Sie bestreitet, dass der Beklagte rechtzeitig Widerspruch gegen den Mahnbescheid eingelegt hat.

In der Sache behauptet die Klägerin, sie habe einer anderen Verwendung des übergebenen Geldes nie zugestimmt. Die goldene Uhr, deren Wert heute höchstens 1.000,00 Euro betrage, sei ihr vom Beklagten bereits im September 2002 zum Gebrauch überlassen worden.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

2.

a) Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Der Beklagte hat nicht zu beweisen vermocht, dass das angefochtene Versäumnisurteil in ungesetzlicher Weise ergangen ist.

I. Die Berufung ist zulässig. Der Beklagte hat einen Sachverhalt vorgetragen, auf den die Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil gemäß § 514 Abs. 2 ZPO gestützt werden darf.

1. Eine Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil ist bereits dann statthaft, wenn der Berufungskläger einen nach § 514 Abs. 2 ZPO zulässigen Berufungsgrund schlüssig vorträgt (BGH NJW 1978, 428). Die Frage, ob der Vortrag in tatsächlicher Hinsicht zutrifft, gehört hingegen zur Begründetheit der Berufung (vgl. BGHZ 112, 367, 375).

2. Der Beklagte hat einen Grund, auf den die Berufung gemäß § 514 Abs. 2 ZPO gestützt werden darf, schlüssig vorgetragen.

a) Unschlüssig ist allerdings die Argumentation des Beklagten, die Klägerin habe ihren in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht gestellten Antrag nicht rechtzeitig mitgeteilt.

Gemäß § 335 Abs. 1 Nr. 3 ZPO darf ein Versäumnisurteil nicht ergehen, wenn ein Antrag nicht rechtzeitig mittels Schriftsatzes angekündigt war. Dieses Erfordernis gilt jedoch nur für Sachanträge, nicht hingegen für Anträge, die ausschließlich den weiteren Gang des Verfahrens betreffen (vgl. Zöller/Herget, 25. Auflage, § 335 ZPO Rn. 4; Musielak, 4. Auflage, § 335 ZPO Rn. 4).

Deshalb bedurfte - wie auch der Beklagte nicht verkennt - der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag auf Erlass eines (zweiten) Versäumnisurteils keiner vorherigen Ankündigung. Er betraf lediglich den weiteren Gang des Verfahrens und war die im Gesetz vorgesehene Konsequenz der Säumnis des Beklagten. Unschädlich war auch die teilweise Rücknahme der Klage; sie war für den Beklagten lediglich rechtlich vorteilhaft.

Darüber hinaus ist es - entgegen der Auffassung des Beklagten - auch unschädlich, dass der von der Klägerin für den Fall einer streitigen Verhandlung angekündigte Antrag nicht in die richtige prozessuale Form gekleidet war. Zwar konnte dem angekündigten Antrag, den Beklagten zur Zahlung zu verurteilen, in der gegebenen prozessualen Situation schon deshalb nicht entsprochen werden, weil mit dem Vollstreckungsbescheid bereits ein auf Zahlung lautender Titel vorlag. Die im Falle einer streitigen Verhandlung gebotene Umformulierung des Antrags dahingehend, dass der Vollstreckungsbescheid aufrechterhalten wird, hätte aber keine sachliche Änderung gegenüber dem angekündigten Antrag dargestellt. Schon durch den angekündigten Zahlungsantrag war hinreichend deutlich geworden, dass die Klägerin weiterhin Zahlung des ihr im Vollstreckungsbescheid zugesprochenen Betrages verlangte. Dieser sachliche Gehalt des Antrags hätte sich durch die abweichende prozessuale Einkleidung nicht geändert.

Sinn und Zweck des § 335 Abs. 1 Nr. 3 ZPO führen zu keiner anderen Beurteilung. Das Erfordernis der rechtzeitigen Mitteilung eines Antrages soll dem Beklagten Gelegenheit geben, die Schlüssigkeit und damit die Erfolgsaussichten des Klagebegehrens abzuschätzen. Die hierzu erforderlichen Informationen konnte der Beklagte dem angekündigten Zahlungsantrag entnehmen. Er musste damit rechnen, dass das Gericht dem Zahlungsbegehren der Klägerin stattgeben wird, wenn es deren Vortrag für schlüssig hält, und dass dies wegen des bereits erlassenen Vollstreckungsbescheides nicht durch (nochmalige) Verurteilung zur Zahlung, sondern durch Aufrechterhaltung des Vollstreckungsbescheides geschieht.

Entgegen der Auffassung des Beklagten brauchte aus dem vorbereitenden Schriftsatz der Klägerin nicht hervorzugehen, dass bereits ein Vollstreckungsbescheid ergangen war. Zwar hatte dieser Umstand Auswirkungen auf die Rechtsbehelfe, die dem Beklagten gegen ein im frühen ersten Termin ergangenes Versäumnisurteil zustehen. Der Erlass eines Vollstreckungsbescheides war dem Beklagten aber ohnehin bekannt. Er hätte dies seinem Prozessbevollmächtigten mitteilen können und müssen. Die Klägerin war demgegenüber weder nach § 335 Abs. 1 ZPO noch unter sonstigen rechtlichen Gesichtspunkten gehalten, in ihrer Anspruchsbegründungsschrift den aktuellen Verfahrensstand im Einzelnen darzustellen.

b) Schlüssig ist hingegen der Vortrag des Beklagten, ein zweites Versäumnisurteil habe nicht ergehen dürfen, weil er gegen den Mahnbescheid rechtzeitig Widerspruch eingelegt habe und deshalb der Vollstreckungsbescheid zu Unrecht erlassen worden sei.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich das Berufungsgericht anschließt, darf ein zweites Versäumnisurteil nicht ergehen, wenn der ihm vorausgegangene Vollstreckungsbescheid formell fehlerhaft erlassen worden ist. Ein zweites Versäumnisurteil ist deshalb unzulässig, wenn der Vollstreckungsbescheid trotz eines rechtzeitigen Widerspruchs gegen den Mahnbescheid ergangen ist (BGHZ 73, 87, 90 ff.). Hierauf kann auch die Berufung gegen ein solches Urteil gestützt werden (BGHZ 112, 367, 372).

Nach dem Vortrag des Beklagten hätte ein Vollstreckungsbescheid hier nicht ergehen dürfen. Die Frist für einen Widerspruch gegen den am 27.01.2005 zugestellten Mahnbescheid war am 08.02.2005, als der Beklagte nach seiner Behauptung per Telefax Widerspruch eingelegt hat, noch nicht abgelaufen. Damit ist die Berufung zulässig.

II. Die Berufung ist jedoch unbegründet, weil der Beklagte seine Behauptung nicht zu beweisen vermochte.

Weder den Gerichtsakten noch sonstigen Umständen lassen sich Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass das vom Beklagten in Kopie vorgelegte Widerspruchsschreiben beim Mahngericht eingegangen ist. Der Beklagte hat auch nach entsprechendem richterlichem Hinweis lediglich für die Absendung des Schreibens Beweis (durch Parteivernehmung) angeboten, nicht hingegen für den - für die Fristwahrung maßgeblichen - Zugang. Auch seinem übrigen Vorbringen lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass ein rechtzeitig eingegangener Widerspruch möglicherweise verloren gegangen sein könnte. Insbesondere trägt der Beklagte nicht vor, an welche Faxnummer er das Schreiben geschickt hat. Auch eine Sendebestätigung, die zumindest die Absendung belegen könnte, vermag er nicht vorzulegen.

Die Beweislast für die Voraussetzungen einer unverschuldeten Säumnis liegt beim Berufungskläger (BGH NJW 1999, 2120, 2121). Mithin kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagte rechtzeitig Widerspruch eingelegt hat. Seine Berufung gegen das angefochtene Versäumnisurteil ist folglich unbegründet.

b) Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Gründe, die Revision zuzulassen, lagen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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