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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 18.04.2000
Aktenzeichen: 11 Wx 148/99
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1908 i Abs. 2
BGB § 1804
FGG § 65 ff
§ 1804 Satz 2 BGB ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass bei der Prüfung, ob eine Schenkung sittlicher Pflicht entspricht, auch - soweit feststellbar - auf den Willen des Betreuten Rücksicht zu nehmen ist.
11 Wx 148/99 2 T 39/99 40 XVII G 178/95

OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 11. Zivilsenat

Karlsruhe, 18. April 2000

In Sachen

Betreuung für

wegen vormundschaftsgerichtlicher Maßnahmen nach § 1837 Abs. 2 BGB

hier: weitere Beschwerde

Beschluß

Tenor:

1. Auf die Beschwerde des Betreuers werden der Beschluß des Amtsgerichts vom 05. Juli 1999 - 40 XVII G 178/95 - und der Beschluß des Landgerichts vom 05. Oktober 1999 - 2 T 39/99 - aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

2. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 6.362,38 DM festgesetzt.

Gründe:

Der Beschwerdeführer ist Neffe der Betroffenen und deren Betreuer. Durch Beschluß des Amtsgerichts vom 16.04.1997 wurde sein Aufgabenkreis auf die Bereiche Vermögenssorge und Gesundheitssorge erweitert. Die von ihm am 14.05.1999 vorgelegte Abrechnung für den Zeitraum 15.04.1998 bis 15.04.1999 enthält zwei Überweisungen an Rechtsanwalt B. von insgesamt 6.362,38 DM. Hierbei handelt es sich um Honorarzahlungen für einen von dem Betreuer in eigener Sache geführten Amtshaftungsprozeß gegen das Land.... Zur Rechtfertigung dieser Überweisungen hat der Beschwerdeführer wie folgt vorgetragen:

Nach dem frühen Tod seiner Eltern im Jahre 1969 habe sich zwischen der Betroffenen, seiner unverheirateten und kinderlosen Tante, und ihm ein Mutter-Sohn-Verhältnis entwickelt. Seit dieser Zeit erledige er sämtliche geschäftlichen Angelegenheiten, z.B. Korrespondenz mit Behörden und Versicherungen, für seine Tante. Nachdem diese wegen ihres hohen Alters ihren Haushalt nicht mehr allein habe führen können, sei sie im Dezember 1993 von B. bei K. in ein Altenpflegeheim in N., dem Wohnort des Beschwerdeführers, umgezogen. Im Zusammenhang mit der Umsiedelung nach N. habe sie ihm eine schriftliche Generalvollmacht sowie - im März 1994 - Vollmacht für das Girokonto bei der...bank erteilt.

Im Jahre 19 habe er in... an der Ersten juristischen Staatsprüfung teilgenommen. Dabei seien seine Examenshausarbeit und die öffentlich-rechtliche Aufsichtsarbeit willkürlich falsch bewertet worden, weshalb er die Prüfung nicht bestanden habe.

Wegen der fehlerhaften Bewertung seiner Examensleistungen habe er - mit finanzieller Unterstützung seiner Tante - einen Verwaltungsrechtsstreit geführt. Nach dessen Beendigung sei er 1989 mit der Betroffenen übereingekommen, daß er eine Schadensersatzklage gegen das Landgericht... wegen Amtspflichtverletzung führen werde. Die Betroffene habe ihm zugesagt, ihn bei der Führung des Prozesses finanziell zu unterstützen. Als Gegenleistung habe er versprochen, die Betroffene weiterhin in allen Angelegenheiten zu betreuen, insbesondere dafür zu sorgen, daß sie im Falle späterer Pflegebedürftigkeit - in einem Pflegeheim in der Nähe seines Wohnortes untergebracht werde. Außerdem habe er zugesagt, seiner Tante bei einem Prozeßerfolg eine größere Geldsumme zurückzuzahlen.

Der Beschwerdeführer hält sich deshalb für berechtigt, die bei seinem Prozeßbevollmächtigten entstandenen Kosten von 6.362,38 DM in Erfüllung der Verabredung mit der Betroffenen aus dem Jahre 1989 aus deren Vermögen zu begleichen. Im Hinblick auf die von ihm versprochene Gegenleistung könne die Zahlung nicht als Schenkung bewertet werden.

Das Amtsgericht ist - auf der Grundlage des Vortrages des Beschwerdeführers von einer unwirksamen Schenkung ausgegangen und hat deshalb angeordnet, daß der Beschwerdeführer den von ihm entnommenen Betrag zurückzuerstatten hat.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist vor dem Landgericht ohne Erfolg geblieben. Mit seiner weiteren Beschwerde wendet sich der Betreuer weiterhin gegen das Gebot, das dem Vermögen der Betroffenen entnommene Geld zurückzuzahlen.

II.

Die weitere Beschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

1. Die Vorinstanzen haben den Vortrag des Beschwerdeführers als richtig unterstellt. Deshalb ist auch im Verfahren der weiteren Beschwerde von dieser Sachverhaltsdarstellung auszugehen.

2. Danach ist zwar - in Übereinstimmung mit Amts- und Landgericht - die Überweisung des Geldbetrages aus dem Vermögen der Betroffenen an den Prozeßbevollmächtigten des Betreuers als Schenkung im Verhältnis zwischen Betroffener und Betreuer zu bewerten, doch folgt daraus nicht zwangsläufig, daß der Beschwerdeführer den überwiesenen Betrag zurückerstatten muß.

a) Die vom Beschwerdeführer behauptete Zusage seiner Tante, sie werde den Amtshaftungsprozeß gegen das Land... (vor-) finanzieren, stellt ein Schenkungsversprechen dar. Als solches ist es mangels notarieller Beurkundung formunwirksam (§ 518 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Schenkungscharakter wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß der Beschwerdeführer eine Gegenleistung, vor allem weitere Betreuung in finanziellen Angelegenheiten, versprochen hat; denn deren Wert liegt deutlich unter den möglichen Prozeßkosten, die die Betroffene übernehmen wollte. Bei einem Streitwert der Schadensersatzklage von 750.000 DM (AS 251) ist allein in den beiden Tatsacheninstanzen mit Gerichtsgebühren und Anwaltshonoraren von mehr als 100.000 DM zu rechnen. Vor diesem Hintergrund kann die - behauptete - Vereinbarung aus dem Jahre 1989 allenfalls als gemischte Schenkung angesehen werden, weshalb sie - bei inhaltlicher Unteilbarkeit wie hier - insgesamt notarieller Beurkundung bedurft hätte (vgl. Palandt, BGB, 59. Aufl., § 516 Rdnr.15).

b) Ist aber die Vereinbarung formnichtig, bleibt als Rechtfertigung der vorgenommenen Zahlung nur die Möglichkeit, daß der Beschwerdeführer nachträglich als Vertreter der Betroffenen (§ 1902 BGB) eine Schenkung an sich selbst vorgenommen hat. Die Vorinstanzen haben eine solche Schenkung nach §§ 1908 i Abs. 2 Satz 1, 1804 BGB für nichtig gehalten.

Das begegnet rechtlichen Bedenken. Richtig ist allerdings, daß es dem Betreuer nach diesen Vorschriften grundsätzlich verwehrt ist, in Vertretung des Betroffenen Schenkungen zu machen, gleichviel ob zu eigenen Gunsten oder zugunsten Dritter. Das Verbot gilt jedoch nicht für Gelegenheitsgeschenke (§ 1908 i Abs. 2 Satz 1 BGB) und für Geschenke, durch die einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprochen wird (§ 1804 Satz 2 BGB).

Nach dem Sachvortrag des Klägers kommt im vorliegenden Falle eine der sittlichen Pflicht entsprechende Schenkung in Betracht. Sie setzt eine aus den Umständen des Einzelfalles erwachsene, in den Geboten der Sittlichkeit wurzelnde Verpflichtung voraus. Dabei sind insbesondere die Vermögensverhältnisse der Beteiligten und die zwischen ihnen bestehenden persönlichen Beziehungen zu würdigen (BGH LM § 534 BGB Nr. 1; Engler in Staudinger, BGB, 13. Bearb., § 1804 Rdnr. 14). Deshalb kann namentlich die Unterstützung naher Angehöriger, die keinen rechtlichen (Unterhalts-) Anspruch gegen den Leistenden haben, als Erfüllung einer sittlichen Pflicht angesehen werden (Engler in Staudinger, a.a.O., Rdnr. 15, unter Hinw. auf BayObLG OLGE 32, 19).

Nach diesem Maßstab kommt hier eine Ausnahme vom Schenkungsverbot des § 1804 Satz 1 BGB in Betracht. Der Beschwerdeführer ist der Neffe der Betroffenen. Er trägt vor, daß sich nach dem frühen Tod seiner Eltern im Jahre 19 (der Beschwerdeführer war damals 25 Jahre, die Betroffene 62 Jahre alt) eine Mutter-Sohn-Beziehung entwickelt habe, die auch in Form gegenseitiger Unterstützung Ausdruck gefunden habe. Während er der Betroffenen in allen geschäftlichen Angelegenheiten geholfen und sie nach Eintritt der Pflegebedürftigkeit in die Nähe seines Wohnortes geholt habe, sei ihm finanzielle Unterstützung durch seine Tante zuteil geworden. Diese habe seinen - inzwischen rechtskräftig abgeschlossenen - Verwaltungsrechtsstreit gegen das Land... finanziert. In der Zeit von März 1991 bis zu ihrem Umzug in ein Pflegeheim in der Nähe des Beschwerdeführers im März 1994 habe sie ihm monatlich 1.300 DM überwiesen. Der Beschwerdeführer ist arbeitslos, gesundheitlich angeschlagen und bestreitet seinen Lebensunterhalt von Sozialhilfe (AS 43), wobei er die Ursache hierfür in einer willkürlich unrichtigen Bewertung seiner Leistungen beim Ersten juristischen Staatsexamen sieht. Demgegenüber verfügt die Betroffene als alleinstehende Person über ein monatliches Einkommen von 4.748,35 DM.

Nach Ansicht des Senats liegt es bei derartigen wirtschaftlichen Verhältnissen nahe, daß Eltern ihr Kind bei der Führung eines Schadensersatzprozesses von - wie hier - existentieller Bedeutung finanziell unterstützen. Entsprechendes gilt, wenn die zwischen den Beteiligten bestehende Beziehung einem Eltern-Kind-Verhältnis gleichkommt. Schon dies spricht für die Annahme einer durch sittliche Pflicht gerechtfertigten Schenkung. Für dieses Ergebnis spricht aber noch ein weiterer Gesichtspunkt: Das Landgericht ist davon ausgegangen, daß die Schenkung dem Willen der Betreuten und ihren Lebensumständen entspricht. Trotzdem sei es - rechtlich - nicht möglich, eine (wirksame) Schenkung vorzunehmen. Der Beschwerdeführer macht geltend, diese Auslegung von § 1804 BGB verletze die Betroffene in ihrem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG). Auch im Schrifttum wird vertreten, § 1804 BGB greife in verfassungswidriger, weil unverhältnismäßiger Weise in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Pflegebefohlenen ein und sei daher - was die Rechtsfolge betrifft - nichtig (Canaris, JZ 1987, 993, 999). Der Senat sieht keine Veranlassung, die Frage, ob § 1804 BGB mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG in Einklang steht, vertiefend zu erörtern. Er hält aber eine - verfassungskonforme - Auslegung des Ausnahmetatbestandes in § 1804 Satz 2 BGB dahin für geboten, daß bei der Prüfung, ob eine Schenkung sittlicher Pflicht entspricht, auch auf den Willen der Betroffenen - soweit feststellbar - Rücksicht zu nehmen ist.

c) Sollte der Tatrichter nach Zurückverweisung zu der Feststellung kommen, daß der vom Beschwerdeführer vorgetragene - bislang lediglich als wahr unterstellte - Sachverhalt zutreffend ist und eine aufgrund sittlicher Pflicht gebotene Schenkung vorliegt, wird die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers (vgl. dazu BayObLG FamRZ 1998, 512) erforderlich werden; denn die Schenkung des Betrages von 6.362,38 DM ist als verbotenes Insichgeschäft (vgl. §§ 1908 i Abs. 1, 1795 Abs. 2, 181 BGB) schwebend unwirksam (vgl. BGH NJW-RR 1994, 291f.). Der Ergänzungsbetreuer hat dann die Möglichkeit, die schwebend unwirksame Schenkung zu genehmigen.

d) Vorsorglich sei darauf hingewiesen, daß das Vormundschaftsgericht dem Ergänzungsbetreuer nicht die Beantwortung der Frage, ob ein Schenkungsverbot im Sinne von § 1804 BGB eingreift, überlassen darf. Vielmehr setzt dessen Bestellung die Verneinung eines Schenkungsverbots voraus, weil sonst für die Anordnung einer Ergänzungsbetreuung kein Bedürfnis besteht (vgl. OLG Hamm OLGZ 1984, 432). Das bedeutet aber nicht, daß der Ergänzungsbetreuer keinen Entscheidungsspielraum mehr hätte. Er vertritt die Betroffene in der Willensbildung, wobei er deren Wohl zu beachten hat (§ 1901 Abs. 2 und 3 BGB). Deshalb bleibt - auch bei Bejahung einer sittlichen Pflicht - Raum für die Möglichkeit, die Genehmigung des schwebend unwirksamen Geschäfts zu versagen, wenn sich die Schenkung mit dem Wohl der Betroffenen nicht (mehr) vereinbaren läßt.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt.

Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 KostO.

Ende der Entscheidung

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