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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 20.07.2006
Aktenzeichen: 11 Wx 154/05
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 670
BGB § 683
WEG § 25 Abs. 2 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Landgerichts Heidelberg vom 1. Dezember 2005 - 7 T 39/05 - wird zurückgewiesen.

2. Die Antragsteller tragen die Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde und haben dem Antragsgegner die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

3. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf Euro 13.140,01 festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller und der Antragsgegner bilden die zweigliedrige Wohnungseigentümergemeinschaft U. M.-str. in M., die aus zwei einzelnen Wohnhäusern besteht. Die Antragsteller begehren vom Antragsgegner, ihrem ehemaligen Schwiegersohn, die Zahlung von 12.188,51 Euro, hilfsweise Zustimmung zu einer Betriebskostenabrechnung, da sie für die gesamte Wohnungseigentümergemeinschaft von 1994 bis 2003 die nunmehr anteilig geltend gemachten Betriebskosten alleine getragen hätten. Die Antragsteller bewohnen das ältere Wohnhaus im vorderen Bereicht des Grundstücks, im hinteren Bereich des Grundstücks haben der Antragsgegner und die Tochter der Antragsteller gemeinsam ein weiteres Wohnhaus errichtet, in dem sie spätestens seit Gründung der Wohnungseigentümergemeinschaft im Jahr 1993 bis zu ihrer Trennung im Jahr 2001 zusammen lebten. Im Juni 2001 zog der Antragsteller wegen einer Ehekrise aus dem hinteren Wohnhaus aus, dieses wurde weiterhin von der Tochter der Antragsteller bewohnt, bis der Antragsgegner das Anwesen durch Zuschlag im Rahmen der Teilungsversteigerung am 30.4.2004 zu Alleineigentum erwarb. Der Antragsgegner und die Tochter der Antragsteller sind mittlerweile geschieden.

Für die weitere Darstellung wird auf die Sachverhaltsschilderung in der angegriffenen Entscheidung des Landgerichts Bezug genommen.

Das Amtsgericht Wiesloch hat den Zahlungsantrag und die Hilfsanträge zurückgewiesen.

Die sofortige Beschwerde der Antragsteller zum Landgericht Heidelberg blieb ohne Erfolg. Das Landgericht hat ihre Beschwerde mit der Begründung zurückgewiesen, ein Anspruch stehe ihnen nicht zu, da Beschlüsse über Wirtschaftspläne oder Jahresabrechnungen in den Jahren 1994 bis 2003 nicht gefasst worden seien, es sei auch treuwidrig, diese Ansprüche nunmehr geltend zu machen, denn sie seien verwirkt.

Mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde verfolgen die Antragsteller ihr ursprüngliches Anliegen weiter.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Die landgerichtliche Entscheidung hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.

Die Antragsteller können vom Antragsgegner weder Rückzahlung noch Zustimmung zu den vorgelegten Jahresabrechnungen für die Jahre 1994 bis 2003 verlangen.

Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass ein Anspruch auf Wohngeld gegen einen Wohnungseigentümer einen Eigentümerbeschluss für den Gesamt- und Einzelwirtschaftsplan oder über die Gesamt- und Einzeljahresabrechnung voraussetzt. Der einzelne Wohnungseigentümer kann einen solchen Anspruch nur geltend machen, wenn er durch einen Eigentümerbeschluss dazu ermächtigt wurde. In der Regel werden die Wohngeldansprüche vom Verwalter eingefordert und geltend gemacht (vgl. BayObLG, NZM 2002, 609 f.). Hier gilt jedoch, wie in dem vom Bayerischen Obersten Landesgericht vorgenannten entschiedenen Fall, etwas anderes. Da weder ein Verwalter bestellt ist noch in der insoweit mittlerweile zerstrittenen Zweiergemeinschaft Mehrheitsbeschlüsse möglich sind, denn es gilt das gesetzliche Kopfprinzip des § 25 Abs. 2 Satz 1 WEG, kann eine Begleichung der gemeinschaftlichen Kosten und Lasten nur in der Weise durchgeführt werden, dass ein Wohnungseigentümer in Vorlage tritt und anschließend vom anderen Wohnungseigentümer Erstattung des auf diesen entfallenden Anteils verlangt (vgl. BayObLG, aaO.; BayObLG, WuM 2002, 41). Ein Ermächtigungsbeschluss liegt nicht vor. Mit einem Mehrheitsbeschluss braucht nicht gerechnet zu werden, da bei einer - möglicherweise nicht ordnungsgemäß einberufenen - Eigentümerversammlung am 26.11.2004 eine Zustimmung des Antragsgegners zu den jährlichen Abrechnungen nicht erreicht werden konnte. Auch in der vorliegenden Fallkonstellation kann deshalb der verauslagende Wohnungseigentümer ohne weitere Zwischenschritte unmittelbar von den Eigentümern der zweiten Wohnungseigentumseinheit Zahlung verlangen. Diese Zahlungsansprüche ergeben sich grundsätzlich aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 683, 670 BGB (vgl. Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 16 Rdn. 73 ff.), da die Zahlung der gemeinsamen Lasten an sich ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, es sich bei den Ausgaben für Steuern, Versicherung, Gemeindeabgaben, Wasser und Energie regelmäßig um notwendige Ausgaben im gemeinschaftlichen Interesse handelt (vgl. Bärmann/Pick/Merle, aaO., § 16 Rdn. 81). Das Landgericht hat jedoch im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass die Antragsteller Ersatz ihrer Aufwendungen vom Antragsgegner nicht verlangen können. Zunächst ist vom Zeitraum des Auszuges des Antragsgegners im Juni 2001 bis zum Auszug der Tochter im Jahr 2004 davon auszugehen, dass die Antragsteller kein Geschäft der Wohnungseigentümergemeinschaft führen, sondern ihre Tochter unterstützen wollten.

Der Geltendmachung aller Ansprüche steht der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen. Zumindest für einen Teil der älteren Ansprüche - ca. bis zum Ende des Jahres 2000 - kann mit dem Landgericht eine Verwirkung dieser Ansprüche angenommen werden. Das Landgericht geht von der zutreffenden rechtlichen Ausgangslage aus, dass zur Annahme der Verwirkung allein der Ablauf eines längeren Zeitraums, innerhalb dessen der Anspruch nicht geltend gemacht worden ist, im allgemeinen nicht genügt. Der Verstoß gegen Treu und Glauben, der den Verwirkungstatbestand begründet, besteht nämlich in der Illoyalität der verspäteten Geltendmachung des Anspruchs, die darin zu sehen ist, dass die Forderung noch verfolgt wird, obwohl der Vertragspartner bereits darauf vertrauen durfte, dass keine Forderungen mehr geltend gemacht werden und er sich hierauf auch bereits eingerichtet hat (vgl. BGH, NJW 1984, 1684 f.). Das damit geforderte Umstandsmoment im Sinne eines Vertrauenstatbestandes stützt sich vorliegend auf mehrere Aspekte. Zum einen musste der Antragsgegner mit der Geltendmachung nicht mehr rechnen, nachdem die Antragsteller, wie die Zeugin S. die Tochter der Antragsteller, bei ihrer Vernehmung vor dem Amtsgericht ausführte, bei ehelichen Streitigkeiten mit der Geltendmachung von Rechnungen drohten, dieses jedoch selbst bei Zuspitzung der Ehekrise und Auszug des Antragsgegners bis zu dessen Erwerb des Wohnungseigentums unterließen. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner bis zum Jahr 1999 auch unter Berücksichtigung der von den Antragstellern vorgetragenen Abstriche unstreitig nicht unerhebliche Arbeitsleistungen für seine Schwiegereltern, die Antragsteller, erbracht hat, ohne dass dafür eine Vergütung vereinbart oder später verlangt wurde. Wie die Antragsteller selbst vortragen, erfolgte diese Arbeit "innerhalb der Familie", dies gilt ebenso aber auch für die Leistungen der Antragsteller. Die Tatsache, dass im innerfamiliären Austausch von Arbeitsund Geldleistungen gerade keine Arbeitsstunden notiert und Abrechnungen durchgeführt wurden, konnte dem Antragsgegner das Vertrauen geben, dass eine spätere Rückabwicklung der gegenseitig erbrachten Leistungen, die das Zusammenleben beider Familien fördern sollten, nicht mehr erfolgen würde. Darüber hinaus - und dies gilt auch für die Verauslagung der Betriebskosten in den Jahren 2001 bis 2003, für die das Zeitmoment der Verwirkung nicht erfüllt sein dürfte - führt die Rückabwicklung zu einem unbilligen Ergebnis. Aufgrund der familiären Beziehung der Beteiligten handelte es sich bei den Aufwendungen der Antragsteller für den Antragsgegner und seine Ehefrau auch um sogenannte unbenannte Zuwendungen, deren Rückforderung nur unter besonderen Umständen möglich ist. Die Rechtsprechung behandelt aufgrund der Vergleichbarkeit der Motivation Zuwendungen zwischen Schwiegereltern und Schwiegersohn oder Schwiegertochter, die über eine Gefälligkeit hinausgehen, wie die sogenannten ehebezogenen unbenannten Zuwendungen unter Ehegatten, die nicht unter die Ausnahmeregelung des § 1374 Abs. 2 BGB fallen (vgl. BGHZ 129, 259 ff.). Die dazu entwickelten Grundsätze werden analog auf Fälle der vorliegenden Art angewandt. Wie bei diesen fehlt es nämlich auch hier für die Annahme einer Schenkung an dem erforderlichen subjektiven Tatbestand. Von einer Schenkung ist mangels Einigung über die Unentgeltlichkeit der Leistung der Antragsteller nämlich nicht auszugehen (vgl. BGHZ 116, 167 ff.). Die Zuwendung in Form der Zahlung der Betriebs- kosten soll auch nicht zu einer den Empfänger einseitig begünstigenden und frei disponiblen Bereicherung führen, sondern sie soll auf Dauer der Ehegemeinschaft dienen und damit auch von deren Bestand abhängig sein. Dies wird zum einen durch die Art der Leistung deutlich, die in einem Erlass der Forderung bestand, ohne dass dem Schwiegersohn oder der Tochter Geld übergeben wurde. Das ist auch auf die Aussage der Zeugin S. zu stützen, wonach die Antragsteller gerade für den Fall von Zwistigkeiten mit einer Änderung dieses Verhaltens für die Zukunft gedroht haben. Hier wird besonders deutlich, dass nach Auffassung der Antragsteller ihre Leistungen den Bestand der Ehe ihrer Tochter durch finanzielle Entlastung fördern sollten. Solche Begünstigungen sind nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage nach der Scheidung der Ehe zurückzugewähren, allerdings ist dabei dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der begünstigte Ehegatte die Zuwendung jedenfalls insoweit behalten darf, als die Ehe bestand gehabt hat und daher der Zweck der Zuwendung jedenfalls teilweise erreicht worden ist. Im Falle der Scheidung ist schon deswegen i.d.R. das Zugewendete nicht voll zurückzugeben (vgl. BGHZ 129, 259 ff.; OLG Naumburg, FPR 2004, 708 f.). Da die Zuwendung vorliegend einen durchschnittlichen monatlichen Wert von 111 Euro hatte und mit der Befreiung von der Betriebskostenzahlung zum laufenden allgemeinen Lebensbedarf zunächst der Eheleute, dann allein der Tochter beigetragen hat, kann ausnahmsweise hier bereits der Fall angenommen werden, dass der Zweck der Zuwendung während des Bestandes der Ehe vollständig erreicht worden ist.

Im Übrigen könnte eine Rückforderung nur gern. § 313 BGB nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage erfolgen (vgl. BGHZ 129, 259 ff.). Deren Voraussetzung - Unzumutbarkeit der Beibehaltung der bestehenden Vermögensverschiebung und Unvereinbarkeit mit den Grundsätzen von Treu und Glauben - sind jedoch nicht gegeben. Dagegen spricht bereits, dass zunächst ca. die Hälfte der Begünstigung, ab 2001 die gesamte der gemeinsamen Tochter der Antragsteller zugute gekommen ist. Darüber hinaus kann im Hinblick auf die nicht unerheblichen Arbeitsleistungen des Antragsgegners für die Antragsteller und die gesamte Familie von einer Unzumutbarkeit selbst dann nicht ausgegangen werden, wenn die Arbeitsleistungen des Antragsgegners nicht den Wert der Zuwendungen der Antragsteller erreichen würden.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens er weiteren Beschwerde folgt aus § 47 WEG. Es ist angemessen, den Antragstellern auch die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners aufzugeben, nachdem sie in der Rechtsbeschwerdeinstanz ohne Erfolg geblieben sind.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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