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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 03.01.2001
Aktenzeichen: 11 Wx 67/00
Rechtsgebiete: RL 69/335/EWG, AktG, KostO


Vorschriften:

RL 69/335/EWG Art. 10
RL 69/335/EWG Art. 12 Abs. 1 Buchst. e
AktG § 33
KostO § 30
KostO § 121
RL 69/335/EWG Art. 10, 12 Abs. 1 Buchst. e; AktG § 33 KostO §§ 30, 121

Die Gebühr für die gerichtliche Bestellung eines externen Gründungsprüfers nach § 33 Abs. 3-5 AktG unterfällt Art. 10 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 17.07.1969 (69/335/EWG-Gesellschaftssteuerrichtlinie). Die Höhe der Gebühr darf daher den tatsächlichen Aufwand nicht übersteigen, was bei der Bemessung des Geschäftswertes (§§ 30, 31 KostO) zu berücksichtigen ist.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 03.01.01 - 11 Wx 67/00 -


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 11. Zivilsenat

11 Wx 67/00 AR 641/99 AG MA 23 T 2/00 LG MA

Karlsruhe, 03. Januar 2001

In der Handelsregistersache

wegen weiterer Beschwerde

gegen Geschäftswertfestsetzung

Beschluss

Gründe

I.

Die Antragstellerin, die X-AG Holding, gründete im November 1999 die Y-Lebensversicherung Aktiengesellschaft mit Sitz in M die über ein Grundkapital von 5 Mio. Euro verfügt. Da Mitglieder des Vorstandes der Gründerin auch dem Aufsichtsrat der neuen Gesellschaft angehören, beantragte die Gründerin, einen Gründungsprüfer zu bestellen. Das Amtsgericht bestellte daraufhin die von der Gründerin vorgeschlagene Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zum Gründungsprüfer und setzte den Geschäftswert auf 1 Mio. DM fest. Der Antragstellerin wurden daraufhin Kosten i. H. v. 3.220,00 DM zuzüglich Auslagen für Zustellungen in Rechnung gestellt.

Auf die Beschwerde der Antragstellerin hat das Landgericht den Geschäftswert auf 5.000,00 DM festgesetzt. Hiergegen richtet sich die - vom Landgericht zugelassene - weitere Beschwerde des Vertreters der Staatskasse.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§§ 14 Abs. 3, 31 Abs. 3 KostO); in der Sache hat es vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung der bisherigen Geschäftswertfestsetzungen und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

1. Für die gerichtliche Bestellung eines Gründungsprüfers gemäß § 33 Abs. 3 bis 5 AktG wird nach § 121 KostO das Doppelte einer vollen Gebühr (§ 32 KostO) erhoben. Der dieser Gebühr zugrunde liegende Geschäftswert bestimmt sich nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur nach § 30 Abs. 2 KostO (BayObLG ZIP 1996, 1704; BayObLG JurBüro 1988, 91, jeweils m. w. N.; Korintenberg/Lappe, KostO, 14. Aufl., § 121 Rn. 27). Demzufolge ist der Wert regelmäßig auf 5.000,00 DM anzunehmen (§ 30 Abs. 2 S. 1 KostO). Er kann nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 1 Mio. DM angenommen werden (§ 30 Abs. 2 S. 2 KostO). Für die Entscheidung der Frage, ob hinreichender Anlass besteht, von dem Regelwert des § 30 Abs. 2 S. 1 KostO nach oben oder unten abzuweichen, ist nach der bisherigen Rechtsprechung im allgemeinen auf die Größe, Bedeutung und wirtschaftliche Lage des Unternehmens sowie auf die Bedeutung des gebührenpflichtigen Geschäfts für dieses und die Allgemeinheit, in zweiter Linie auch auf den Umfang der gerichtlichen Tätigkeit abzustellen (BayObLG a. a. O.; vgl. auch BayObLG FGPrax 2000, 129 - Aufsichtsratsergänzung; Korintenberg/Reimann, § 30 Rn. 108). In der Instanz der weiteren Beschwerde, die als Rechtsbeschwerde ausgestaltet ist (§ 14 Abs. 3 S. 3 KostO), kann diese Ermessensentscheidung nur auf ihre Gesetzmäßigkeit, nicht aber auf ihre Angemessenheit und Zweckmäßigkeit überprüft werden (BayObLG a. a. O.).

2. Ohne Erfolg wendet sich das Rechtsmittel des Vertreters der Staatskasse gegen die Erwägung der angefochtenen Entscheidung, wonach Art. 10 i. V. m. Art. 12 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 17.07.1969 (69/335/EWG) in der Fassung der Richtlinie des Rates vom 10.06.1985 (85/303/EWG) betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital Einfluss auf die zu zahlenden Gebühren und damit auf die Höhe des festzusetzenden Geschäftswertes hat. Diese Richtlinie (Gesellschaftssteuerrichtlinie) sowie die zu ihr ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) ist - jedenfalls bis zu einer grundlegenden Neuordnung des Gebührenrechts - bei der Ausübung des Ermessens hinsichtlich der Höhe des Geschäftswerts einer gerichtlichen Bestellung eines Gründungsprüfers zu berücksichtigen.

a) Nach Art. 10 der Gesellschaftssteuerrichtlinie erheben die Mitgliedstaaten von Kapitalgesellschaften abgesehen von der Gesellschaftssteuer keine anderen Steuern oder Abgaben unter anderem auf die Gründung sowie die der Ausübung einer Tätigkeit vorangehende Eintragung oder sonstige Formalität, der die Gesellschaft aufgrund ihrer Rechtsform unterworfen werden kann. Art. 12 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie gestattet jedoch die Erhebung von Abgaben mit Gebührencharakter.

Nach der Auslegung, die der EuGH in seiner grundlegenden Entscheidung vom 02.12.1997 (ZIP 1998, 206 - "Fantask"; vgl. auch EuGH vom 29.09.1999 - "Modelo", ZIP 1999, 1681) vorgenommen hat, ist Art. 10 der Richtlinie so zu verstehen, dass er namentlich indirekte Steuern mit den gleichen Merkmalen wie eine Gesellschaftssteuer verbietet. Damit sind unter anderem alle Steuern und Abgaben gemeint, die für die Gründung einer Kapitalgesellschaft oder die Erhöhung ihres Kapitals oder für die der Ausübung einer Tätigkeit vorangehende Eintragung oder sonstige Formalität, der eine Gesellschaft aufgrund ihrer Rechtsform unterworfen werden kann, zu entrichten sind (EuGH a. a. O. Tz 21, ZIP 1998, 206, 208). Art. 12 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie ist nach der Ansicht des EuGH dahin auszulegen, dass die betreffenden Abgaben, um Gebührencharakter zu haben, allein auf der Grundlage der Kosten der betreffenden Förmlichkeit berechnet werden dürfen, wobei in diese Beträge auch die Kosten unbedeutender gebührenfreier Vorgänge eingehen dürfen. Für die Bemessung dieser Beträge kann ein Mitgliedstaat sämtliche Kosten berücksichtigen, die mit dem Vorgang zusammenhängen, einschließlich des auf ihn entfallenden Teils der allgemeinen Kosten. Zudem kann ein Mitgliedsstaat pauschale Abgaben vorsehen und deren Höhe zeitlich unbegrenzt festsetzen, wenn er sich in regelmäßigen Abständen vergewissert, dass diese Beträge nicht die durchschnittlichen Kosten der betreffenden Vorgänge übersteigen (EuGH a. a. O. Tz 33, ZIP 1998, 206, 210). Art. 10 i. V. m. Art. 12 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie begründet für den Einzelnen Rechte, auf die er sich vor den nationalen Gerichten berufen kann (EuGH a. a. O. Tz 55, ZIP 1998, 206, 212).

Die nationalen Gerichte sind an diese Auslegung der Richtlinie, wie sie der Europäische Gerichtshof in einem Vorabentscheidungsverfahren vorgenommen hat, nach Art. 234 EGV gebunden. Bestimmungen des deutschen Kostenrechts sind, soweit die zugrundeliegenden Sachverhalte von der Gesellschaftssteuerrichtlinie des Rates erfasst werden, richtlinienkonform auszulegen und anzuwenden. Die obergerichtliche deutsche Rechtsprechung ist im Anschluss an die Entscheidung des EuGH der - soweit ersichtlich - einhelligen Auffassung, dass die Wertgebühren nach § 26 KostO gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen, sofern sie der Höhe nach den tatsächlichen Aufwand übersteigen, und daher richtlinienkonform reduziert werden müssen, solange der Gesetzgeber die Richtlinie nicht umgesetzt hat (BayObLG NJW 1999, 652; BayObLG NJW 1999, 654; OLG Köln NJW 1999, 1341; OLG Zweibrücken WM 1999, 1631 - jeweils für Eintragung einer Zweigniederlassung; BayObLG ZIP 1999, 363 - Ausscheiden eines Kommanditisten; OLG Köln ZIP 2000, 311 - Eintragung einer Prokura; OLG Schleswig SchlHA 2000, 118 - Einlagenerhöhung und Eintritt eines Kommanditisten).

b) Die gerichtliche Bestellung des Gründungsprüfers einer Aktiengesellschaft nach § 33 Abs. 3 - 5 AktG wird von Art. 10 der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 17.07.1969 (69/335/EWG - Gesellschaftssteuerrichtlinie) erfasst und ist deshalb an der hierzu ergangenen Auslegung des EuGH zu messen.

aa) Nach § 33 Abs. 2 Nr. 1 AktG ist eine zusätzliche externe Gründungsprüfung erforderlich, wenn ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats zu den Gründern der Aktiengesellschaft gehört. Beteiligt sich - wie im vorliegenden Fall - eine Kapitalgesellschaft an der Gründung der Aktiengesellschaft, ist diese Voraussetzung erfüllt, wenn ein Mitglied ihres Vertretungsorgans zugleich zum Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied der neu gegründeten Aktiengesellschaft bestellt wird (Röhricht in GroßKomm.AktG, 4. Aufl., § 33 Rn. 11 m. w. N.). Unterbleibt die nach § 33 Abs. 2 AktG gebotene Prüfung, liegt ein Errichtungsmangel mit der Folge vor, dass das Registergericht die Eintragung der Gesellschaft nach § 38 Abs. 1 S. 2 AktG abzulehnen hat (Röhricht a. a. O. Rn. 8). Die Bestellung eines Gründungsprüfers ist somit Errichtungs- u. Eintragungsvoraussetzung. Damit unterfällt sie bereits Art. 10 Buchst. a (i. V. m. Art. 4 Abs. 1 Buchst. a), jedenfalls aber Art. 10 Buchst. c der Richtlinie, da die Gründungsprüfung und die deshalb erforderliche Bestellung eines Prüfers durch die Rechtsform der zu gründenden Gesellschaft bedingt ist, Art. 10 der Richtlinie aber indirekte Steuern mit den gleichen Merkmalen wie eine Gesellschaftssteuer verbieten und gleichzeitig eine Umgehung dieses Verbotes verhindern soll (EuGH a. a. O. Tz 21, ZIP 1998, 206, 208; vgl. auch OLG Köln ZIP 2000, 311, 312). Dass das Gericht bei der Bestellung eines Gründungsprüfers nicht als Registergericht, sondern als Gericht der Freiwilligen Gerichtsbarkeit gemäß § 145 FGG tätig wird, ist in diesem Zusammenhang nicht von Belang. Ebenso wenig kann eine Rolle spielen, dass die Bestellung eines externen Gründungsprüfers unterbleiben könnte, wenn Vorstand oder Aufsichtsrat der zu gründenden Gesellschaft kein Mitglied des Vertretungsorgans der Gründerin angehören würde. Die gerichtliche Bestellung eines externen Gründungsprüfers ist die zwangsläufige gesetzliche Folge einer Gründungsform, die dem Gründer offen steht und die angesichts des legitimen Interesses des Gründers, in den Organen der neu gegründeten Aktiengesellschaft vertreten zu sein, nicht unter Verweis auf abweichende Gründungsmöglichkeiten aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen werden kann.

bb) Die Höhe der Gebühr für die Bestellung des Prüfers darf daher, um als Abgabe mit Gebührencharakter gemäß Art. 12 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie Bestand zu haben, den tatsächlichen Aufwand nicht übersteigen, was bei der Bemessung des Geschäftswerts zu berücksichtigen ist. Zwar steigen die Gebühren im Anwendungsbereich des § 30 Abs. 2 KostO nicht unbegrenzt, da der Geschäftswert höchstens 1 Mio. DM betragen kann. Der Höchstbetrag der Gebühren für die Bestellung eines Gründungsprüfers beträgt danach gemäß § 121 i. V. m. § 32 KostO 3.220,00 DM. Es ist jedoch auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht auszuschließen, dass dieser Betrag die Kosten des entsprechenden Vorgangs überschreitet und deshalb gegebenenfalls durch entsprechende Herabsetzung des Geschäftswerts reduziert werden muss, um vor dem Gemeinschaftsrecht Bestand zu haben.

3. Die Entscheidung des Landgerichts kann dennoch nicht bestehen bleiben. Nach den bisherigen Feststellungen ist es nicht gerechtfertigt, den Geschäftswert auf 5.000,00 DM festzusetzen.

Die Annahme eines solchen Geschäftswerts führt zu Gebühren i. H. v. lediglich 100,00 DM. Dieser Betrag dürfte - vorbehaltlich anderweitiger Feststellungen durch die Tatgerichte - deutlich unter dem tatsächlichen Aufwand für die Bestellung eines Gründungsprüfers liegen. Das Gemeinschaftsrecht fordert eine derartige Reduzierung des Geschäftswerts und damit der Gebührenhöhe in diesem Falle nicht. Auch nach den übrigen Umständen des Einzelfalles - nämlich Größe, Bedeutung und wirtschaftlicher Lage des Unternehmens sowie Bedeutung des gebührenpflichtigen Geschäfts für dieses und die Allgemeinheit -, ist es nicht veranlasst, den Geschäftswert auf lediglich 5.000,00 DM festzusetzen.

Die Landesjustizverwaltungen haben im Anschluss an die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs begonnen, jedenfalls für den Bereich des Handelsregisters Daten über die Höhe der tatsächlich anfallenden Kosten einzelner Vorgänge zu erheben (vgl. den Runderlass des Justizministeriums Baden-Württemberg vom 27.04.1998 nebst Ergänzung vom 02.06.1998, veröffentlicht in ZIP 1998, 1246). Diese Erhebungen sind noch nicht abgeschlossen. Für einige Vorgänge hat die baden-württembergische Justizverwaltung Erfahrungswerte bekannt gegeben, die jedoch nur als vorläufig bezeichnet werden (a. a. O., ZIP 1998, 1246, 1248). Für die gerichtliche Bestellung eines Gründungsprüfers sind dem Senat keine Daten bekannt, auch die Vorinstanzen haben insoweit keine Feststellungen getroffen. Dem Senat ist es als Rechtsbeschwerdegericht (§ 14 Abs. 3 S. 3 KostO) verwehrt, die erforderlichen Feststellungen zu treffen. Er verweist die Sache deshalb an das Amtsgericht zurück, damit dieses Feststellungen zum tatsächlichen Aufwand und den damit verbundenen Kosten trifft. Dabei müssen nach dem Urteil des EuGH nicht die tatsächlichen Kosten für den einzelnen konkreten Vorgang ermittelt werden; vielmehr ist eine Pauschalierung möglich (EuGH a. a. O. Tz 31, ZIP 1998, 206, 210).

Hinsichtlich der in diesem Zusammenhang berücksichtigungsfähigen Faktoren wird auf den Runderlass des Justizministeriums Baden-Württemberg (a. a. O.) Bezug genommen. Dort sind die insoweit maßgeblichen Gründe der Entscheidung des EuGH nebst den vom Gerichtshof in Bezug genommenen Schlussanträgen des Generalanwalts ausgewertet.

Ende der Entscheidung

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