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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 29.11.2001
Aktenzeichen: 12 U 120/01
Rechtsgebiete: VBLS, BGB


Vorschriften:

VBLS § 70a
BGB § 249
Zur Haftung einer Zusatzversorgungskasse wegen falscher Rentenauskunft.
Oberlandesgericht Karlsruhe

Tatbestand:

Der bei der Beklagten pflichtversicherte Kläger erbat zur Entscheidung, ob er vorzeitig in der Ruhestand treten sollte, eine Rentenauskunft. Die Rentenauskunft der Beklagten bezog sich satzungsgemäß auf einen Zeitpunkt, zu dem der Kläger die gesetzliche Altersrente noch nicht erreicht hatte. Die bei einem vorzeitigen Rentenbeginn satzungsgemäß vorgesehene Verminderung der Versorgungssätze wurde in der Auskunft nicht vorgenommen, traf den Kläger aber rentenmindernd, als er vorzeitig in den Ruhestand trat.

Den Betrag, um den seine Rente insoweit hinter der Auskunft zurückbleibt, begehrt er als Schadensersatz. Seine Klage hatte in zweiter Instanz Erfolg.

Gründe:

Der Kläger kann von der Beklagten Schadensersatz wegen im Ansatz des maßgeblichen Nettoversorgungssatzes falscher Rentenauskunft vom 28.02.2000 verlangen. Insofern ist eine zum Schadensersatz verpflichtende Pflichtverletzung der Beklagten durch die Rentenauskunft vom 28.02.2000 festzustellen (vgl. auch OLG Hamm VersR 1996, 392).

1. Gem. § 70 a VBLS ist die Anstalt verpflichtet, dem Versicherten nach Maßgabe von Ausführungsbestimmungen Auskunft über die erworbenen Rentenanwartschaften zu erteilen. Es versteht sich von selbst, dass diese Auskunft frei von vermeidbaren Fehlern sein muss. Fehlerhafte Auskünfte können angesichts der finanziellen Tragweite für den Versicherten Schadensersatzverpflichtungen nach sich ziehen.

a) Gem. Ziff. 1 der Ausführungsbestimmungen zu § 70 a VBLS haben Pflichtversicherte, die das 55. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit (§ 38) erfüllt haben, auf Antrag Anspruch auf Auskunft über die Höhe der bestehenden Anwartschaft auf Versorgungsrente (§ 40). Hintergrund dieser Regelung ist das berechtigte Bedürfnis der Versicherten, die das Rentenalter erreicht haben, zur Vorbereitung ihrer Entscheidung, ob und wann sie Altersrente vor Vollendung des 65. Lebensjahres bei der gesetzlichen Rentenversicherung beantragen und damit den Eintritt des Versicherungsfalls in der Zusatzversorgung herbeiführen sollen, zu erfahren, wie hoch die bereits erreichte Anwartschaft auf Versorgungs- oder Versicherungsrente ist. Jeder Monat zusätzlicher Versicherungszeit kann unter Umständen die Gesamtversorgung erhöhen oder auch nicht mehr steigern, wenn bereits 75 % des gesamtversorgungsfähigen Entgelts erreicht sind (Gilbert-Hesse VBLS § 70 a Anmerkung 1). Für Pflichtversicherte in der Situation des Klägers zum Zeitpunkt der Rentenauskunft wird eine Versorgungsrente nach §§ 40 ff berechnet, und zwar "auf den Zeitpunkt, der für die Berechnung der Auskunft des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung maßgebend war". Das bedeutet, dass so zu rechnen ist, als sei der Versicherungsfall zu dem Zeitpunkt eingetreten, den auch die gesetzliche Rentenversicherung für ihre Auskunft angenommen hat. War zu diesem Zeitpunkt die Wartezeit nicht oder noch nicht erfüllt, ist eine Vorausberechnung der Versorgungsrente für diesen angenommenen Versicherungsfall nicht möglich; denn es besteht keine Anwartschaft. Selbst wenn der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung einen lange zurückliegenden Versicherungsfall angenommen hat, darf die Anstalt nur dieses Datum als Eintritt des Versicherungsfalls ansetzen und bei der Berechnung des gesamtversorgungsfähigen Entgelts (§ 43 VBLS) und der gesamtversorgungsfähigen Zeit (§ 42 VBLS) nur bis zum angenommenen Beginn der Rente berücksichtigen (vgl. hierzu Gilbert-Hesse, a. a. O., Anmerkung 4).

b) Diesen Vorgaben hat die Rentenauskunft der Beklagten vom 28.02.2000 nicht genügt. Die Beklagte hat vielmehr (Auskunft Anlage 3 / Blatt 4) die maßgebende Gesamtversorgung auf Grund eines über die Vergleichsberechnung gem. § 98 Abs. 5 VBLS ermittelten Nettoversorgungssatzes von 91,75 % ermittelt. Unterlassen hat sie dabei die gem. § 98 Abs. 6 VBLS gebotene Verminderung der Versorgungssätze um 24 Monate, obwohl ihr dies auf Grund der vorliegenden Daten unschwer möglich gewesen wäre. Sie hat deshalb in der Sache ihre Auskunft so erteilt, als sei der Kläger mit Eintritt des 65. Lebensjahres in den Ruhestand getreten. Dies entspricht jedoch weder der Sachlage am 11.01.2000 noch wird damit dem Sinn und Zweck der Auskunftsverpflichtung Rechnung getragen. Der auskunftssuchende Kläger wurde damit objektiv über eine für seine Entscheidung über einen Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand maßgebliche Tatsache getäuscht. Nach Auffassung des Senats spricht vieles dafür, dass die Beklagte selbst unter dem Begriff "Eintritt des Versicherungsfalles" den Versicherungsfall bei regelmäßigem Rentenbeginn meint. Dies ist jedoch eine einschränkende Auslegung der Satzung, die die übrigen Gestaltungen des Versicherungsfalls gem. § 39 VBLS außer Acht lässt, und hier schon deshalb nicht zur Anwendung gelangen kann, weil nach Willen des Satzungsgebers die Auskünfte gem. § 70 a VBLS in einer voraussichtlich nicht unerheblichen Anzahl der Anfragen die Versorgungsanwartschaften bei vorzeitigem Eintritt in den Ruhestand betreffen sollen.

c) Die Darlegung der Beklagten, sie habe auf Grund der Mitteilungen des Rentenversicherers gar keine anderen Berechnungen vornehmen können, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Die Berechnungen sind mit dem in der Auskunft verwerteten Tatsachenmaterial unschwer anzustellen und würden bezogen auf den Versicherungsfall vom 11.01.2000 zu einem um 3,6 % verminderten Nettoversorgungssatz von 88,15 % führen.

2. Der Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz steht entgegen der Auffassung des Landgerichts der sonstige Wortlaut der Auskunft vom 28.02.2000 nicht entgegen. Richtig ist zwar, dass dort festgehalten wird, dass eine endgültige Berechnung der Leistungen erst erfolgen kann, wenn der Versicherungsfall nach § 39 VBLS tatsächlich eingetreten ist. Richtig ist ferner, dass im Rahmen allgemeiner, alle möglichen Sachverhaltsgestaltungen und nicht nur die vorliegende Anfrage betreffenden Ausführungen darauf hingewiesen wird, dass nicht vorausberechnet werden kann, wie hoch die Rente zu einem späteren Zeitpunkt sein wird und dass eine vorzeitige Inanspruchnahme zu einer Verminderung der für die berechnende Gesamtversorgung maßgebenden Versorgungssätze führen kann. Diese allgemeinen Verwahrungen, die den Ausführungsbestimmungen zu § 70 a VBLS entsprechen, können aber von einem redlichen Versicherten lediglich darauf bezogen werden, dass die Beklagte ihm keine konkreten Leistungszusagen machen kann. Ein redlicher Versicherter wird auch hinsichtlich der angedeuteten Unwägbarkeiten keine Festlegung der Beklagten erwarten. Er darf jedoch davon ausgehen, dass wägbare Umstände, insbesondere solche, auf die es ihm erkennbar besonders ankommt, berücksichtigt sind.

3. Durch die falsche Auskunft ist dem Kläger auch ein Schaden entstanden. Die Auskunft der Beklagten ist notwendigerweise mit offensichtlichen Unwägbarkeiten belastet. Angesichts solcher zu berücksichtigender Unsicherheiten ist davon auszugehen, dass bei einem geschuldeten richtigen und deutlichen Hinweis auf einen Nettoversorgungssatz nicht unerheblich unter dem satzungsmäßigen Höchstsatz von 91,75 % der Kläger einen darüber hinausgehenden weiteren Einkommensverlust gescheut, von einem vorzeitigen Ruhestand deshalb Abstand genommen und somit die ihm jetzt tatsächlich abverlangte Vermögenseinbuße nicht hingenommen hätte (vgl. BGH NJW 1994, 512; BGH Urt.v.4.4.2001 - VIII ZR 33/00 -). Sein Schaden (vgl. hierzu auch: BGHR ZPO § 546 Abs.2 S 2 Rentenschaden; LG Karlsruhe VersR 1996, 607) besteht insoweit in dem Verlust von Bezügen, der daher rührt, dass seine Gesamtversorgung nunmehr nicht aus einem Nettoversorgungssatz von 91,75 %, sondern nur von einem solchen in Höhe von 89 % errechnet wird (§ 287 ZPO).



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