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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 07.02.2005
Aktenzeichen: 12 U 304/04
Rechtsgebiete: AUB


Vorschriften:

AUB § 7 Abs. 1 S. 1
Zur Wahrung der Frist des § 7 I (1) AUB kann auch eine nicht schriftlich festgehaltene ärztliche Invaliditätsfeststellung ausreichen.
Oberlandesgericht Karlsruhe 12. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 12 U 304/04

Verkündet am 07. Februar 2005

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung aus Unfallversicherung

hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 7. Februar 2005 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Zöller Richter am Oberlandesgericht Dr. Stecher Richterin am Oberlandesgericht Lampel-Meyer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 02.07.2004 - 3 O 189/02 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen

Gründe:

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

I. (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO)

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Unfallversicherungsvertrag, der bei mindestens 50%iger Invalidität zusätzlich eine Unfallrente vorsieht und dem die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB 88) zugrunde liegen. Deren § 7 I. (1) bestimmt:

"Führt der Unfall zu einer dauernden Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit (Invalidität) des Versicherten, so entsteht Anspruch auf Kapitalleistung aus der für den Invaliditätsfall versicherten Summe. .... Die Invalidität muss innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten sowie spätestens vor Ablauf einer Frist von weiteren drei Monaten ärztlich festgestellt und geltend gemacht sein."

Am 20.7.1999 stürzte der Kläger, der damit beschäftigt war, Stroh zu pressen, von einem Anhänger und verletzte sich. Der Kläger erstattete unter dem 17.11.1999 Schadensanzeige (Anlage K 7). Zu den bis 20.10.2000 schriftlich niedergelegten ärztlichen Feststellungen wird auf die Anlagen K 2, 3, 4, 5a, 8, 11 und 13 Bezug genommen. Die Beklagte hat Tagegeld in Höhe von 34.500 DM bezahlt.

Der Kläger behauptet, er sei durch den Unfall derart verletzt worden, dass unfallbedingt bis heute eine dauernde Beeinträchtigung seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit in Höhe von mindestens 50 % gegeben sei. Ihm stehe deshalb die vereinbarte Invaliditätsentschädigung (Grundsumme und Rente) zu.

Der Kläger hat beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Invaliditätsleistung gem. § 7 Abs. I AUB 102.258,38 € (entspricht 200.000 DM) zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz ab 19.3.2001 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständige Invaliditätsrente gem. § 7 AUB für den Zeitraum 21. Juli 2000 bis Juli 2002 in Höhe von 49.809,72 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2a. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständige Invaliditätsrente gem. § 7 AUB für den Zeitraum Juli 1999 bis 20. Juli 2000 in Höhe weiterer 25.861,48 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an dem Kläger ab August 2002 eine laufende monatliche Invaliditätsrente gem. § 7 Abs. I AUB in Höhe von 2045,17 € (entspricht 4000 DM) jeweils fällig am dritten Werktag eines jeden Monats zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag von 1022,58 € (entspricht 2000 DM) als restliches Tagegeld zuzüglich Zinsen hierauf in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 19.3.2001 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat unter Berufung auf das von ihr eingeholten Gutachten des Dr. O die vom Kläger behauptete dauernde Beeinträchtigung bestritten. Im übrigen fehle es an einer fristgerechten ärztlichen Feststellung einer unfallbedingten Invalidität.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 02.07.2004 u.a. wegen Fehlens der Anspruchsvoraussetzung einer fristgerechten ärztlichen Feststellung gemäß § 7 I (1) die Klage abgewiesen. Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger die Klaganträge 1 bis 3 in vollem Umfang weiter. Der Kläger meint, seine unfallbedingte Invalidität sei fristgerecht von seinem Hausarzt Dr. H festgestellt worden. Im übrigen dürfe sich die Beklagte auf den Fristablauf nicht berufen, weil deren Mitarbeiter K rechtzeitig die entsprechenden Atteste übergeben worden seien und er mit ihm auch über die Dauerfolgen und die Invalidität gesprochen habe.

Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Dr. H.

II. (§ 540 Abs. 1 Nr.2 ZPO)

Ein Anspruch auf Invaliditätsleistungen aus seiner Unfallversicherung steht dem Kläger nicht zu.

Gemäß § 7 I. AUB wird die Invaliditätsleistung für den Fall versprochen, dass der Unfall zu einer dauernden Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit des Versicherten führt. Der Versicherungsnehmer muss dabei im Rechtsstreit den Vollbeweis (§ 286 ZPO) für das Unfallereignis und die dadurch entstandene Gesundheitsbeeinträchtigung ebenso führen wie für die konkrete Ausgestaltung des Gesundheitsschadens und dessen Dauerhaftigkeit. Die Beweiserleichterungen des § 287 ZPO kommen ihm nur für die Frage der Kausalität zwischen einer (festgestellten) ersten unfallbedingten Gesundheitsbeschädigung und einer bewiesenen Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit und hinsichtlich des anzusetzenden Invaliditätsgrades zugute (BGH VersR 2001, 1547 und r+s 1998, 80; Senat Urteil vom 20.06.2002 - 12 U 79/01; Prölss/Knappmann, VVG, 27.Aufl., AUB 94 § 7 Rdn. 5). Das für die Überzeugungsbildung nach § 286 ZPO erforderliche Beweismaß verlangt dabei keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Für den Nachweis der Ursächlichkeit genügt bereits ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGH NJW 1994, 801, OLG Koblenz r+s 1999, 479; Senat, Urteil vom 21.02.2002 - 12 U 194/01 -). Ob im vorliegenden Fall trotz des gegenteiligen Gutachtens des Sachverständigen Prof. R eine bedingungsgemäße Invalidität des Klägers vorliegt, kann offen bleiben.

Zutreffend geht das Landgericht nämlich davon aus, dass weitere Anspruchsvoraussetzung die ärztliche Feststellung einer unfallbedingten Invalidität innerhalb der Frist von 15 Monaten ist. Eine fristgerecht getroffenen Invaliditätsfeststellung im Sinne des § 7 I (1) AUB setzt dabei voraus, dass sich aus ihr der Unfall als die ärztlicherseits angenommene Ursache einer Gesundheitsbeeinträchtigung ergibt sowie deren Dauerhaftigkeit und die Art ihrer Auswirkungen, zumindest auf die Gesundheit des Versicherten. Zutreffend müssen diese Feststellungen nicht unbedingt sein. Die Angabe eines bestimmten Grades der unfallbedingten Invalidität ist nicht erforderlich (BGH VersR 1997, 442 und VersR 1988, 286; Prölss/Knappmann, aaO, AUB 94 § 7 Rdn. 11).

Mit dem Landgericht ist auch davon auszugehen, dass den bis zum 20.10.2000 erstellten schriftlichen ärztlichen Zeugnissen eine Invaliditätsfeststellung im Sinne des § 7 I (1) AUB nicht entnommen werden kann. Auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

Allerdings würde nach Auffassung des Senats auch eine nicht schriftlich festgehaltene ärztliche Invaliditätsfeststellung ausreichen. Die herrschende Meinung (OLG Hamm VersR 1998, 1102; OLG Hamburg VersR 1998, 1412; OLG München VersR 1995, 565; OLG Frankfurt r+s 1995, 279; OLG Oldenburg r+s 1997, 263; Grimm, Unfallversicherung, 3. Auflage, § 7 AUB 88 Rn. 11) verlangt zwar im Interesse der Rechtssicherheit und Beweissicherung eine schriftliche Feststellung. Eine solche Regelung erscheint auch dem Senat durchaus sinnvoll und wünschenswert. Sie kann nach dem Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers dem Bedingungswortlaut jedoch nicht entnommen werden (OLG Karlsruhe r+s 1996, 331; Wussow / Pürckhauer, AUB, 6. Auflage, § 7 Rn. 19), jedenfalls aber nicht eindeutig (in diesem Sinne - § 5 AGBG - Prölss / Knappmann, aaO, § 7 AUB 88 Rn. 15) . Zwar sollen durch diese Ausschlussfrist im Interesse einer rationellen, arbeits- und Kosten sparenden Abwicklung Spätschäden auch dann vom Versicherungsschutz ausgenommen werden, wenn der Versicherungsnehmer an der Nichteinhaltung der Frist schuldlos ist (BGH VersR 1978, 1036 unter I b; VersR 1998, 175 unter II b bb). Auch wenn sich dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer bei aufmerksamer Lektüre diese Zweckrichtung im wesentlichen erschließen sollte, folgt daraus noch nicht die zwingende Notwendigkeit einer schriftlichen ärztlichen Feststellung. Für den Ausschluss von Spätschäden ist vielmehr allein maßgeblich, dass innerhalb der Frist von 15 Monaten seit dem Unfall die Invalidität überhaupt in irgendeiner Weise "festgestellt" wird und eben nicht erst später. Damit kommt auch eine mündliche ärztliche Feststellung in Betracht. Ob insoweit schon eine bloße "innere" Feststellung des Arztes ausreichen kann, die bereits dann vorliegt, wenn er selbst zu irgend einem Zeitpunkt innerhalb der Frist von einem unfallbedingten Dauerschaden ausgegangen ist, ohne dies nach außen, sei es gegenüber einem Erklärungsempfänger oder zumindest auf Tonband, entäußert zu haben, erscheint allerdings fraglich, muss hier aber nicht abschließend beantwortet werden.

Das Vorliegen einer nicht schriftlichen Feststellung hat der Kläger aber ebenfalls nicht nachweisen können. Der vom Senat vernommene Zeuge Dr. H hat glaubhaft und überzeugend bekundet, dass er die vom Kläger angegebenen Beschwerden als solche zwar ernst genommen und behandelt habe, er aber nicht in der Lage gewesen sei, einen unfallbedingten Dauerschaden mit Auswirkungen auf die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit des Klägers festzustellen.

Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht auch festgestellt, dass die Beklagte sich ohne Verstoß gegen Treu und Glauben auf den Fristablauf berufen kann. Sie hat zwar nach dem 20.10.2000 den Kläger durch Dr. O untersuchen lassen. Damit dürfte wohl - entgegen der Auffassung des Landgerichts - auch der Verzicht auf die Leistungsfreiheit wegen Fristablauf verbunden gewesen sein für den Fall, dass Dr. Or anlässlich seiner Begutachtung eine innerhalb Jahresfrist eingetretene unfallbedingte Invalidität des Klägers hätte feststellen können. Im Gutachten vom 12.01.2001 werden entsprechende Feststellungen aber gerade nicht getroffen. Dr. O kommt vielmehr zu dem Ergebnis, dass zum Zeitpunkt seiner Untersuchung keine Unfallfolgen mehr erkennbar seien. Weitergehende Wirkungen kommen dem Untersuchungsauftrag der Beklagten auch im Hinblick auf Treu und Glauben nicht zu.

III.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 ZPO. Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Frage, ob die ärztliche Feststellung eines unfallbedingten Dauerschadens schriftlich getroffen sein muss, ist zwar höchstrichterlich nicht geklärt. Auf ihre Beantwortung kommt es wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme letztlich nicht an.



Ende der Entscheidung

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