Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 04.05.2000
Aktenzeichen: 12 U 41/00
Rechtsgebiete: ARB 75, VVG, BGB


Vorschriften:

ARB 75 § 29
VVG § 67 Abs. 1
VVG § 74 ff.
BGB § 426 Abs. 1
BGB § 426 Abs. 2
Treten zu dem bisherigen Miteigentümer eines Hausgrundstücks nach Abschluß eines Rechtsschutzversicherungsvertrages gem. § 29 ARB 75 weitere Miteigentümer hinzu (z.B. durch Aufteilung des Anwesens in Wohnungseigentum), so ist davon auszugehen, daß auch die neu hinzugekommenen Miteigentümer als Mitversicherte Versicherungsschutz genießen.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE

Im Namen des Volkes Urteil

12 U 41/00 2 O 95/99

Verkündet am: 4. Mai 2000

Pfob als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In Sachen

wegen Forderung

hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 4. Mai 2000 durch

Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Dr. Endemann

Richter am Oberlandesgericht Krämer

Richter am Oberlandesgericht Dr. Gehrig

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 26. November 1999 - 2 O 95/99 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsrechtszugs zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Wert der Beschwer der Klägerin übersteigt 60.000 DM nicht.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zwar zulässig. In der Sache muß sie jedoch ohne Erfolg bleiben.

I.

Die Klage ist unbegründet.

Mit dieser will die Klägerin, ein Rechtsschutzversicherer, einen ihrer Meinung nach gem. § 67 Abs. 1 VVG auf sie übergegangenen Ausgleichsanspruch aus einem Gesamtschuldverhältnis nach § 426 Abs. 1 und 2 BGB gegen die Beklagten geltend machen.

Dem liegt zu Grunde, daß die Versicherungsnehmerin der Klägerin und ihr Ehemann, die damals zu 1/2 Miteigentümer einer in dem Anwesen K. Str. 24 in R. gelegenen Eigentumswohnung waren, mit den Beklagten Ziff. 1 und 2, die ebenfalls zu 1/2 Miteigentümer einer weiteren in dem Anwesen gelegenen Eigentumswohnung waren, und dem Beklagten Ziff.3, der Eigentümerin einer weiteren dort gelegenen Eigentumswohnung war, gegen einen Grundstücksnachbarn mit der Begründung, dieser habe einen Schaden an dem Gebäude K. Str. 24 verursacht, Schadensersatzklage erhoben hatten und daraus Kosten angefallen waren, welche die Klägerin als Rechtsschutzversicherer ihrer Versicherungsnehmerin weitgehend getragen hat.

Diese Klage kann keinen Erfolg haben, weil die Klägerin nicht aufgrund gesetzlichen Forderungsübergangs nach § 67 Abs. 1 VVG Inhaberin von Ausgleichsansprüchen gegen die Beklagten aus § 426 Abs. 1 und 2 BGB geworden ist.

Nach § 67 Abs. 1 VVG gehen nur Ansprüche des Versicherungsnehmers - hierbei allerdings auch Ausgleichsansprüche nach § 426 Abs. 1 und 2 BGB (Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 67 Randziff. 4) - auf den Versicherer in Höhe seiner Leistungen an den Versicherungsnehmer über, soweit diese gegen Dritte gerichtet sind. Dritter i.S.d. § 67 Abs. 1 VVG ist jedoch - von später noch zu erörternden Ausnahmefällen abgesehen - grundsätzlich nicht der im Rahmen einer Fremdversicherung nach §§ 74 ff VVG Mitversicherte. Die Beklagten waren jedoch Mitversicherte und deshalb nicht Dritte. Ein Ausnahmefall, wonach die Beklagten, obwohl sie Mitversicherte waren, dennoch Dritte i.S.d. § 67 Abs. 1 VVG gewesen wären, liegt nicht vor.

1. Versicherungsnehmerin des Rechtsschutzversicherungsvertrags mit der Beklagten ist A. R.. Die Beklagten waren aber ebenso wie der Ehemann der Versicherungsnehmerin der Klägerin bei Eintritt des Versicherungsfalls im Rahmen einer Fremdversicherung mitversichert.

a) Nach dem Versicherungsschein der Beklagten vom 20.11.1987, der den Vertragsinhalt dokumentiert und jedenfalls nicht zum Nachteil der Versicherungsnehmerin von deren Versicherungsantrag abweicht, war zum einen gegen Zahlung einer bestimmten Prämie das Eigentum des "selbstbewohnten Einfamilienhauses" K. Str. 24 in R. und zum anderen gegen Zahlung einer weiteren Prämie die Vermietereigenschaft hinsichtlich einer in dem Haus gelegenen Wohneinheit mit einem Rechtsschutzversicherungsvertrag für Grundstückseigentum und Miete gem. § 29 ARB 75 Rechtsschutz versichert.

Versichertes Objekt war danach für den in Frage stehenden Rechtsschutz aus Eigentum das gesamte Anwesen K. Str. 24 in R. und nicht etwa, wie die Klägerin meint, nur die von ihrer Versicherungsnehmerin und ihrem Ehemann damals selbst genutzte Wohnung in dem Anwesen. Zwar können nach § 29 ARB 75 auch Gebäudeteile versichert werden, wobei unter solchen alle selbständigen oder unselbständigen Teile eines Gebäudes zu verstehen sind, die rechtlich oder wirtschaftlich eine Einheit darstellen und Gegenstand von obligatorischen oder dinglichen Rechten sein können (Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 6. Aufl., § 29 Randziff. 6). Jedoch war der Versicherungsschutz, soweit er an die Eigentümerstellung anknüpfte, anders als derjenige, der für die Rechtsstellung als Vermieter einer Wohneinheit gewährt wurde, nicht beschränkt und nicht auf die selbst genutzte Wohnung in dem Anwesen begrenzt. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, daß nach dem Versicherungsschein Rechtsschutz für das Eigentum an dem "selbstbewohnten Einfamilienhaus" zugesagt wurde. Zum einen handelte es sich erkennbar nicht um ein Einfamilienhaus, denn die Klägerin übernahm gegen eine besondere Prämie auch den Rechtsschutz für Streitigkeiten aus der Vermietung einer in dem Anwesen gelegenen Wohneinheit, was voraussetzte, daß neben der von der Versicherungsnehmerin der Klägerin und ihrem Ehemann genutzten Wohnung noch eine weitere Wohnung vorhanden war. Zum anderen sollte mit der Bezeichnung "selbstbewohntes Einfamilienhaus" im ersten Teil des Versicherungsschein - Rechtsschutz in der Eigentümereigenschaft erkennbar nur eine Abgrenzung gegenüber des zweiten Teil des Versicherungsschein - Rechtsschutz in der Vermietereigenschaft getroffen werden. Etwas anderes und insbesondere eine Beschränkung des versicherten Objekts im ersten Teil des Versicherungsscheins auf den von der Versicherungsnehmerin der Klägerin selbst genutzten Teil des Gebäudes ist dem Versicherungsschein jedenfalls nicht mit der erforderlichen Klarheit zu entnehmen.

b) Der Versicherungsvertrag beinhaltete von Anfang an auch eine Fremdversicherung i.S.d. §§ 74 ff VVG, nämlich zu Gunsten des Ehemanns der Versicherungsnehmerin der Klägerin als Mitversichertem.

Ein Rechtsschutzversicherungsvertrag nach § 29 ARB 75 kann auch zu Gunsten eines anderen als des Versicherungsnehmers als Fremdversicherung oder gleichzeitig als Eigen- und Fremdversicherung abgeschlossen werden, nämlich dann, wenn der Versicherungsnehmer nicht Eigentümer oder nur Miteigentümer des versicherten Objekts ist zu Gunsten des Eigentümers oder des weiteren Miteigentümers (Harbauer, a.a.O., § 29 Randziff. 42). Bei Miteigentum des Versicherungsnehmers an dem versicherten Objekt ist von einer Eigen- und Fremdversicherung dann auszugehen, wenn das versicherte Objekt als Ganzes in dem Vertrag benannt wird und dieser keinen Hinweis oder Zusatz auf das Bestehen von Miteigentum und den Willen des Versicherungsnehmers enthält, Versicherungsschutz nur für seinen Miteigentumsanteil zu erhalten (Harbauer, a.a.O., § 29 Randziff. 27). So aber liegt der Fall hier. Das Anwesen K. Str. 24 in R. als versichertes Objekt stand bei Abschluß des Vertrags in Miteigentum der Versicherungsnehmerin der Klägerin und ihres Ehemannes. Im Versicherungsschein wird dies nicht festgehalten.

c) Die Versicherungsnehmerin der Klägerin und ihr Ehemann als damaligen Miteigentümer zu 1/2 haben im Herbst 1990 das Anwesen in Wohnungseigentum, nämlich drei Eigentumswohnungen, aufgeteilt, das Wohnungseigentum an einer der Wohnungen als Miteigentümer zu 1/2 behalten, das Wohnungseigentum an einer anderen Wohnung auf die Beklagten Ziff. 1 und 2 als Miteigentümer zu 1/2 und das Wohnungseigentum an der dritten Wohnung auf den Beklagten Ziff. 3 als Eigentümer übertragen. Damit wurden die Beklagten vor Beginn des Rechtsstreits mit dem Grundstücksnachbarn wegen der behaupteten, von ihm verursachten Gebäudeschäden und damit vor Eintritt des hier streitigen Versicherungsfalls in den Rechtsschutz nach dem ersten Teil des Versicherungsscheins - Rechtsschutz in der Eigenschaft als Eigentümer - als Mitversicherte im Rahmen eines Eigen- und Fremdversicherungsvertrags einbezogen.

Zwar geht grundsätzlich bei einer Veräußerung des Eigentums ein Rechtsschutzversicherungsvertrag nach § 29 ARB 75 nicht auf den Erwerber über, sondern erlischt (Harbauer, a.a.O., § 29 Randziff. 8 und 15). Eine andere Beurteilung ist jedoch geboten, wenn der Versicherungsnehmer der schon bisher Miteigentümer war, weiter - wenn auch in geringerem Umfang - Miteigentum behält und zu dem bereits mitversicherten Miteigentümer weitere Miteigentümer hinzutreten. In einem solchen Fall gebietet die Sach- und Interessenlage nichts anderes als dann, wenn der Versicherungsnehmer von Anfang an als Miteigentümer ohne Hinweis auf das Miteigentum das gesamte Objekt versichert hat.

Durch die Aufteilung des Anwesens in Wohnungseigentum aber kamen lediglich weitere Miteigentümer hinzu. Wohnungseigentum i.S.d. § 1 WEG ist das Sondereigentum an einer Wohnung bzw. Teileigentum an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen verbunden mit einem Miteigentumsanteil an dem gemeinsamen Eigentum, zu dem sie gehören. Es ist damit - jedenfalls soweit es um die Eigentümereigenschaft i.S.d. § 29 ARB 75 geht - lediglich ein besonders ausgestaltetes Bruchteils-Miteigentum an dem bebauten Grundstück (Harbauer, a.a.O., § 29 Randziff. 45). Dies aber rechtfertigt es, es nicht anders als sonstiges Miteigentum zu behandeln.

2. Mitversicherte sind nur in Ausnahmefällen Dritte i.S.d. § 67 Abs. 1 VVG, nämlich dann, wenn bei einem Zusammentreffen von Eigen- und Fremdversicherung im konkreten Fall nur die Eigenversicherung eingreift (Römer/Langheid, VVG, § 67 Randziff. 22) oder wenn der Versicherer nicht dem Mitversicherten, sondern nur dem Versicherungsnehmer gegenüber zur Leistung verpflichtet ist und an diesen leistet (Prölss/ Martin, a.a.O., § 67 Randziff. 16).

Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Im vorliegenden Fall kam nicht nur die Eigenversicherung, sondern auch die Fremdversicherung zum Zuge. Die Klägerin war auch nicht nur ihrer Versicherungsnehmerin zur Leistung verpflichtet. Zwar steht nach § 11 Abs. 2 ARB 75 dem Versicherungsnehmer das alleinige Verfügungsrecht über Ansprüche der Mitversicherten zu. An der grundsätzlichen Regelung des § 75 VVG, wonach der Mitversicherte in der Fremdversicherung Anspruchsinhaber ist, wird jedoch dadurch nichts geändert (Harbauer, a.a.O., § 11 Randziff. 18).

3. Soweit die Beklagte auf eine Gefahrerhöhung abheben will, ändert dies daran, daß die Beklagten als Mitversicherte nicht Dritte i.S.d. § 67 Abs. 1 VVG waren, nichts und ist auch sonst nicht geeignet, der Klage zum Erfolg zu verhelfen.

§ 9 ARB 75 enthält für den Fall der Gefahrerhöhung wie auch für denjenigen der Gefahrminderung eine eigene, die gesetzlichen Bestimmungen verdrängende Regelung. Er beinhaltet eine in § 23 VVG nicht vorgesehene, aber zulässige im voraus getroffene Vereinbarung über eine Prämienanpassung bei Änderung der versicherten Gefahr und bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen (Harbauer, a.a.O., § 9 Randziff. 1) und in bestimmten Fällen das Recht des Versicherers zur Kündigung. Der Bestand des Versicherungsschutzes bleibt - abgesehen von dem Fall der Kündigung - auch bei einer Gefahrerhöhung unberührt.

Im übrigen aber wird die Frage, ob eine wesentliche Erhöhung der Gefahr durch weitere mitversicherte Miteigentümer entstanden ist, insbesondere auch ob Mehrkosten aus § 6 Abs. 1 BRAGO durch die anwaltschaftliche Vertretung mehrerer Miteigentümer eine wesentliche Gefahrerhöhung darstellt, nach den Umständen des Einzelfalls - etwa unter Berücksichtigung der Zahl der Miteigentümer und der Höhe des Gegenstandswerts - zu entscheiden sein (Harbauer, a.a.O., § 11 Randziff. 12). Ob im vorliegenden Fall danach von einer wesentlichen Gefahrerhöhung auszugehen wäre, kann jedoch, da für den Rechtsstreit ohne Belang, dahinstehen.

II.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Vollstreckungsanordnung auf §§ 708 Ziff. 10, 713 ZPO. Der Wert der Beschwer ist nach § 546 Abs. 2 ZPO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

Zurück