Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 01.03.2007
Aktenzeichen: 12 U 56/06
Rechtsgebiete: BGB, VBLS


Vorschriften:

BGB § 242
VBLS § 75 Abs. 3 d
§ 75 Abs. 3 d VBLS hält einer Inhaltskontrolle jedenfalls insoweit Stand, als die Versorgungsrente im Rahmen des Übergangsrechts nach den Vorschriften der alten, bis 31.12.2000 geltenden Satzung zu berechnen ist.
Oberlandesgericht Karlsruhe 12. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 12 U 56/06

Verkündet am 01. März 2007

In dem Rechtsstreit

wegen Gewährung einer Betriebsrente

hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 01. März 2007 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Zöller Richterin am Oberlandesgericht Lampel-Meyer Richter am Oberlandesgericht Dr. Stecher

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 13. Januar 2006 - 6 O 180/05 - im Kostenpunkt aufgehoben und im übrigen wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der beklagten Zusatzversorgungsanstalt eine höhere Betriebsrente.

Die 1944 geborene Klägerin war seit 22.06.1992 im öffentlichen Dienst beschäftigt und bei der Beklagten pflichtversichert. Sie erhält gemäß Bescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) vom 23.04.2004 ab 01.10.2002 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Gemäß dem Bescheid sind die Anspruchsvoraussetzungen seit dem 31.05.2001 erfüllt. Die Klägerin hat einen Rentenantrag jedoch erst im Oktober 2002 gestellt.

Gemäß Mitteilung vom 03.11.2004 erhält die Klägerin von der Beklagten ab dem 01.12.2002 eine Betriebsrente für Versicherte in Höhe von 55,48 € sowie ab dem 01.07.2003 von 56,03 € und ab dem 01.07.2004 von 56,59 € monatlich. Nach der der Mitteilung zugrunde liegenden Berechnung vom 19.10.2004 wurde die Startgutschrift anhand der sich auf der Grundlage des am 31.12.2000 geltenden Zusatzversorgungsrechts (VBLS a.F.) ergebenden Versorgungsrente errechnet. Da die errechnete Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung höher war als die Gesamtversorgung, wurde gem. § 40 Abs. 4 VBLS a. F. als Mindestversorgungsrente eine Versicherungsrente von 52,09 € (entsprechend 13,02 Versorgungspunkten) zugrunde gelegt. Die Differenz zur Betriebsrente von 55,48 € ergibt sich durch Hinzurechnung von Versorgungspunkten aus der sozialen Komponente für Erwerbsminderungsfälle gemäß § 37 Abs. 2 VBLS n.F..

Grundlage der Rentenmitteilung vom 03.11.2004 ist die Übergangsregelung für Rentenberechtigte des § 75 Abs. 3 d Satz 2 der mit Wirkung ab 01.01.2002 neu gefassten Satzung der Beklagten (VBLS n.F.). Bezogen auf diesen Zeitpunkt hat die Beklagte ihr Zusatzversorgungssystem umgestellt von einer an der Beamtenversorgung orientierten Gesamtversorgung auf ein auf die Verzinsung von Beiträgen ausgerichtetes Punktemodell. Danach errechnet sich die bei Eintritt des Versicherungsfalls zu leistende Betriebsrente aus der Summe der erworbenen Versorgungspunkte. Zu dem genannten Stichtag wurden die Werte der bereits erlangten Rentenanwartschaften festgestellt und als so genannte Startgutschriften auf die neuen Versorgungskonten übertragen.

Der Klägerin war bereits mit Mitteilung vom 28.10.2003 die Höhe ihrer Startgutschrift mit 353,40 € bzw. 88,35 Versorgungspunkten mitgeteilt worden. Bei dieser Berechnung verfuhr die Beklagte nach den Vorschriften über die Startgutschriften für rentennahe Jahrgänge (§§ 78, 79 Abs. 2 VBLS n. F.), wobei gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 VBLS n.F. i.V.m. § 41 Abs. 4 VBLS a.F: eine Mindestgesamtversorgung von 1.298,53 € zugrunde gelegt wurde.

Die Klägerin meint, eine Betriebsrente mindestens in Höhe der Startgutschrift gemäß der Mitteilung vom 28.10.2003 beanspruchen zu können. Auf sie sei § 79 Abs. 2 VBLS n. F. anzuwenden und nicht - über § 75 Abs. 3 und 4 VBLS n. F. - die Regelungen über die Versorgungsrente nach der alten Satzung.

Das Landgerichthat gemäß dem erstinstanzlichen Hilfsbegehren der Klägerin festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Betriebsrente der Klägerin ab 01.10.2002 ohne Anwendung des § 79 [gemeint: 75] Abs. 3 Buchstabe d Satz 2 VBLS n. F. zu berechnen.

Nach Auffassung des Landgerichts gehört die Klägerin nicht zum Kreis der von § 75 Abs. 3 VBLS n.F. erfassten "am 31.Dezember 2001 Versorgungsberechtigte(n)". Darüber hinaus könne die Beklagte sich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht auf die Regelung berufen, wenn danach die Betriebsrente der Klägerin tatsächlich nach den alten Satzungsbestimmungen berechnet werden müsste. Die Regelung habe das Ziel gehabt, die wie die Klägerin bereits Rentenberechtigten gegenüber rentennahen und rentenfernen Versicherten zu begünstigen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von der beklagten Zusatzversorgungsanstalt eine höhere Betriebsrente.

Die 1944 geborene Klägerin war seit 22.06.1992 im öffentlichen Dienst beschäftigt und bei der Beklagten pflichtversichert. Sie erhält gemäß Bescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) vom 23.04.2004 ab 01.10.2002 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Gemäß dem Bescheid sind die Anspruchsvoraussetzungen seit dem 31.05.2001 erfüllt. Die Klägerin hat einen Rentenantrag jedoch erst im Oktober 2002 gestellt.

Gemäß Mitteilung vom 03.11.2004 erhält die Klägerin von der Beklagten ab dem 01.12.2002 eine Betriebsrente für Versicherte in Höhe von 55,48 € sowie ab dem 01.07.2003 von 56,03 € und ab dem 01.07.2004 von 56,59 € monatlich. Nach der der Mitteilung zugrunde liegenden Berechnung vom 19.10.2004 wurde die Startgutschrift anhand der sich auf der Grundlage des am 31.12.2000 geltenden Zusatzversorgungsrechts (VBLS a.F.) ergebenden Versorgungsrente errechnet. Da die errechnete Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung höher war als die Gesamtversorgung, wurde gem. § 40 Abs. 4 VBLS a. F. als Mindestversorgungsrente eine Versicherungsrente von 52,09 € (entsprechend 13,02 Versorgungspunkten) zugrunde gelegt. Die Differenz zur Betriebsrente von 55,48 € ergibt sich durch Hinzurechnung von Versorgungspunkten aus der sozialen Komponente für Erwerbsminderungsfälle gemäß § 37 Abs. 2 VBLS n.F..

Grundlage der Rentenmitteilung vom 03.11.2004 ist die Übergangsregelung für Rentenberechtigte des § 75 Abs. 3 d Satz 2 der mit Wirkung ab 01.01.2002 neu gefassten Satzung der Beklagten (VBLS n.F.). Bezogen auf diesen Zeitpunkt hat die Beklagte ihr Zusatzversorgungssystem umgestellt von einer an der Beamtenversorgung orientierten Gesamtversorgung auf ein auf die Verzinsung von Beiträgen ausgerichtetes Punktemodell. Danach errechnet sich die bei Eintritt des Versicherungsfalls zu leistende Betriebsrente aus der Summe der erworbenen Versorgungspunkte. Zu dem genannten Stichtag wurden die Werte der bereits erlangten Rentenanwartschaften festgestellt und als so genannte Startgutschriften auf die neuen Versorgungskonten übertragen.

Der Klägerin war bereits mit Mitteilung vom 28.10.2003 die Höhe ihrer Startgutschrift mit 353,40 € bzw. 88,35 Versorgungspunkten mitgeteilt worden. Bei dieser Berechnung verfuhr die Beklagte nach den Vorschriften über die Startgutschriften für rentennahe Jahrgänge (§§ 78, 79 Abs. 2 VBLS n. F.), wobei gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 VBLS n.F. i.V.m. § 41 Abs. 4 VBLS a.F: eine Mindestgesamtversorgung von 1.298,53 € zugrunde gelegt wurde.

Die Klägerin meint, eine Betriebsrente mindestens in Höhe der Startgutschrift gemäß der Mitteilung vom 28.10.2003 beanspruchen zu können. Auf sie sei § 79 Abs. 2 VBLS n. F. anzuwenden und nicht - über § 75 Abs. 3 und 4 VBLS n. F. - die Regelungen über die Versorgungsrente nach der alten Satzung.

Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen der weiteren Feststellungen verwiesen wird, hat gemäß dem erstinstanzlichen Hilfsbegehren der Klägerin festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Betriebsrente der Klägerin ab 01.10.2002 ohne Anwendung des § 79 [gemeint: 75] Abs. 3 Buchstabe d Satz 2 VBLS n. F. zu berechnen.

Nach Auffassung des Landgerichts gehört die Klägerin nicht zum Kreis der von § 75 Abs. 3 VBLS n.F. erfassten "am 31.Dezember 2001 Versorgungsberechtigte(n)". Darüber hinaus könne die Beklagte sich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht auf die Regelung berufen, wenn danach die Betriebsrente der Klägerin tatsächlich nach den alten Satzungsbestimmungen berechnet werden müsste. Die Regelung habe das Ziel gehabt, die wie die Klägerin bereits Rentenberechtigten gegenüber rentennahen und rentenfernen Versicherten zu begünstigen.

Mit der Berufung beantragt die Beklagte, unter Aufhebung des landgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage.

1. Die Betriebsrente der Klägerin ist nach Maßgabe von § 75 Abs. 3 d VBLS n.F. zu berechnen.

a) § 75 Abs. 3 d VBLS n.F. findet sich im Sechsten Teil bei den "Übergangs- und Schlussvorschriften" unter dem "Abschnitt II - Übergangsregelungen für Rentenberechtigte" unter der Überschrift "§ 75 Am 31. Dezember 2001 Versorgungsrentenberechtigte". Die Bestimmung lautet:

"Hat die Versorgungsrente vor dem 1. Januar 2002 geendet und besteht die Möglichkeit einer erneuten Rentengewährung, ist die Versorgungsrente, die sich unter Außerachtlassung von Nichtzahlungs- und Ruhensvorschriften und ohne Berücksichtigung eines Ausgleichsbetrages (Absatz 1) am 31. Dezember 2001 ergeben hätte, durch den Messbetrag zu teilen und als Startgutschrift auf dem Versorgungskonto (§ 36 Abs.1 ) gutzuschreiben; im Übrigen gelten in diesen Fällen die Vorschriften des Punktemodells (§§ 35 ff.). Satz 1 gilt entsprechend, wenn der Versicherungsfall vor dem 1. Januar 2002 eingetreten ist, die Versorgungsrente jedoch erst nach dem 1. Januar 2002 beginnt."

Zudem ist in § 75 Abs. 4 VBLS n.F. bestimmt:

"Ist der Versicherungsfall der teilweisen oder vollen Erwerbsminderung im Jahr 2001 eingetreten, gelten insoweit die bisher maßgebenden Satzungsregelungen fort."

b) Bei den Satzungsnormen der Beklagten handelt es sich um Allgemeine Versicherungsbedingungen bzw. Allgemeine Geschäftsbedingungen, die auf die Gruppenversicherungsverträge Anwendung finden, die von den beteiligten Arbeitgebern als Versicherungsnehmern mit der Beklagten als Versicherer zugunsten der bezugsberechtigten Versicherten, der Arbeitnehmer, abgeschlossen worden sind (st. Rspr., vgl. BGHZ 142, 103 , 105 ff.; BVerfG NJW 2000, 3341 unter II 2 a, c). Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bzw. Versicherter bei aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an (BGHZ 123, 83, 85).

c) Danach ist - entgegen der Auffassung des Landgerichts - aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Versicherten § 75 Abs. 3 d VBLS n.F. für die Rentenberechnung im Falle der Klägerin einschlägig.

Bei der Klägerin ist der Versicherungsfall (der vollen Erwerbsminderung) vor dem 1. Januar 2002 eingetreten. Dies ergibt sich aus dem Bescheid der BfA vom 23.04.2004. Dort wird auf Seite 2 festgestellt, dass die Anspruchsvoraussetzungen "ab dem 31.05.2001 erfüllt" sind. Damit ist an diesem Tag auch im Zusatzversorgungssystem der Beklagten der Versicherungsfall eingetreten (§ 39 Abs. 1 Satz 3 VBLS a.F.; § 33 Abs. 1 VBLS n.F.). Der Beginn der Versorgungsrente im Sinne des Beginnzeitpunktes für die erste Rentenleistung an die Klägerin war am 01.12.2002 und damit erst nach dem 1. Januar 2002. Die Betriebsrente konnte, wie sich aus § 33 Satz 3 VBLS n.F. ergibt, nicht früher als die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beginnen. Die gesetzliche Rente begann - infolge der verspäteten Antragstellung durch die Klägerin - erst am 01.10.2002. Die Betriebsrente ruhte gemäß der - insoweit nicht in Frage gestellten - Mitteilung der Beklagten vom 03.11.2004 nach § 41 Abs. 4 VBLS n.F. bis 30.11.2002 in voller Höhe.

Somit lagen die Voraussetzungen des § 75 Abs. 3 d Satz 2 VBLS n.F. bei der Klägerin vor. Sie gehörte, da die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab dem 31.05.2001 vorlagen, auch zu den "Rentenberechtigten" im Sinne der Abschnittsüberschrift und den "am 31. Dezember 2001 Versorgungsrentenberechtigten" im Sinne der Überschrift zu § 75 VBLS n.F..

d) Damit gehörte die Klägerin ersichtlich auch nicht zum Kreis der Rentenanwartschaftsberechtigten im Sinne des Abschnitts III bzw. der §§ 78, 79 VBLS n.F.. Gegenstand dieser Regelungen sind, wie sich aus § 79 ergibt, die "Anwartschaften der am 31. Dezember 2001 schon und am 1. Januar 2002 noch Pflichtversicherten". Zwar geht die Beklagte in ihrer Berechnung vom 19.10.2004 selbst davon aus, dass die Versicherung der Klägerin als Pflichtversicherung erst am 30.09.2002, mithin also nach dem Stichtag 31.12.2001, geendet hat. Das Datum 30.09.2002 wird in Anlage 1 Blatt 1 ausdrücklich als "Ende der Versicherung" genannt; gemäß Anlage 1 Blatt 2 und 6 sind die Zeiten ab 04.10.2001 zudem als Zeiten der "Pflichtversicherung ohne laufendes zusatzversorgungspflichtiges Entgelt" geführt. Jedoch kann die Klägerin aufgrund des bereits vorher eingetretenen Versicherungsfalls nicht mehr als am Stichtag 31.12.2001 lediglich anwartschaftsberechtigte Versicherte angesehen werden. Bei der gebotenen aufmerksamen Durchsicht des Bedingungswerks und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs erkennt auch ein durchschnittlicher Versicherter, dass die am 31.12.2001 bereits Rentenberechtigten den Übergangsregelungen des zweiten Abschnitts (§§ 75 - 77 VBLS n.F.) unterliegen und demnach die hiervon abweichenden Grundsätze der Anwartschaftsermittlung des dritten Abschnitts (§§ 78 ff VBLS n.F.) für sie nicht gelten sollen.

e) Rechtsfolge aus § 75 Abs. 3 d Satz 2 i.V.m. Satz 1 VBLS n.F. ist, dass die sich am 31.12.2001 - nach den bisher maßgebenden Satzungsregelungen (§ 75 Abs. 4 VBLS n.F.) - ergebende Versorgungsrente als Startgutschrift auf dem Versorgungskonto gutzuschreiben ist. Außerdem gelten die Vorschriften des Punktemodells (§§ 35 ff VBLS n.F.). Dass die Beklagte in der Berechnung vom 19.10.2004 die Berechnungsvorgaben des § 75 Abs. 3 d VBLS n.F. fehlerhaft angewandt habe, ist weder von der Klägerin substantiiert behauptet worden noch ersichtlich. Als Startgutschrift wurde die sich auf der Grundlage der VBLS a.F. am 31.12.2001 ergebende Versorgungsrente errechnet. Hinzugerechnet wurden - in Anwendung der Vorschriften des Punktemodells - Versorgungspunkte aus der sozialen Komponente für Erwerbsminderungsfälle gemäß § 37 Abs. 2 VBLS n.F..

2. Der Senat vermag dem Landgericht auch nicht darin zu folgen, dass die Beklagte sich im Streitfall auf die Bestimmungen des § 75 Abs. 3 d VBLS n.F. nicht berufen könne.

a) Als Allgemeine Geschäftsbedingungen unterliegen die Satzungsnormen der Beklagten in vollem Maße der richterlichen Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB (früher § 9 AGBG ). Darauf kann sich auch die Klägerin als aus der Satzung unmittelbar Berechtigte berufen (vgl. BGHZ 142, 103 , 107). Bei der gebotenen umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen sind auch die objektiven Wertentscheidungen des Grundgesetzes und die Grundrechte zu berücksichtigen (BGHZ 103, 370 , 383; BVerfG aaO unter II 2 c). Weiter sind die Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft zu beachten (BGH VersR 2005, 1228 unter II 1 b). Grundsätzlich hinzunehmen sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings Grundentscheidungen der beteiligten Sozialpartner, weil die Ausgestaltung der Zusatzversorgung vor allem deren Konsens vorbehalten ist (vgl. BGHZ 103, 370, II 2 a; BGH VersR 2004, 319 unter II 2 b). Außerdem ergibt sich aus § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB i.V.m. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB, dass nicht nur Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen einer Inhaltskontrolle nach den §§ 307 Abs. 1 und 2, 308 und 309 BGB entzogen sind, sondern auch Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, soweit diese mit solchen Vereinbarungen übereinstimmen.

b) Es kann dahin stehen, ob und inwieweit die Regelung des § 75 Abs. 3 d VBLS n.F. mit Rücksicht auf die zugrunde liegende Regelung in § 30 Abs. 3 c des Tarifvertrags über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (Tarifvertrag Altersversorgung - ATV) vom 01.03.2002 einer Inhaltskontrolle unterzogen werden kann. Denn einer Kontrolle hält jedenfalls Stand, dass die Versorgungsrente der Klägerin im Rahmen des Übergangsrechts nach den Vorschriften der alten, bis 31.12.2000 geltenden Satzung zu berechnen ist.

Ein geschützter Besitzstand oder ein berechtigtes Vertrauen der Klägerin wird nicht verletzt. Sie erhält das, womit sie unter der Geltung des bisherigen Gesamtversorgungssystems rechnen durfte.

Auch eine Ungleichbehandlung mit den zum Wirksamwerden der Systemumstellung mit Ablauf des 31.12.2001 noch nicht Rentenberechtigten ist nicht festzustellen. Insoweit ist es unerheblich, ob die Klägerin als rentennahe Versicherte, die am 01.01.2002 das 55. Lebensjahr bereits vollendet hatte, mit einer Berechnung der Startgutschrift nach § 79 Abs. 2 VBLS n.F. - namentlich wegen einer etwaigen Berücksichtigung der Mindestgesamtversorgung gemäß § 41 Abs. 4 VBLS a.F. - besser stehen würde. Denn die Klägerin gehört, wie festgestellt, gerade nicht zu den beim Wirksamwerden der Systemumstellung lediglich Anwartschaftsberechtigten; bei ihr war der Versicherungsfall schon eingetreten. Das ist ein wesentlicher Unterschied, der eine abweichende Behandlung rechtfertigt. Der Berechnung der Anwartschaft gemäß § 79 Abs. 2 VBLS n.F. liegt zugrunde, dass die Versicherten noch weiter im öffentlichen Dienst beschäftigt bleiben und weitere Anwartschaften im Versorgungssystem erwerben. Dementsprechend war die der Klägerin von der Beklagten zunächst in Unkenntnis des bereits eingetretenen Versicherungsfalls mitgeteilte Startgutschrift vom 28.10.2003 auf einen Verbleib im Versorgungssystem bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres (01.07.2007) ausgerichtet; nur mit dieser Prämisse konnte zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass sie die für Mindestgesamtversorgung gemäß § 41 Abs. 4 VBLS a.F. erforderlichen Pflichtversicherungszeiten (zukünftig) noch würde erreichen können. Tatsächlich konnte die Klägerin jedoch wegen des bereits eingetretenen Versicherungsfalls der vollen Erwerbsminderung diese Zeiten nicht mehr erreichen.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Tarifpartner bezüglich der nach der Systemumstellung weiterhin im öffentlichen Dienst beschäftigten Arbeitnehmer wegen des Bezugs der bisherigen Gesamtversorgung auf das Endgehalt bei Eintritt des Versicherungsfalls vor der schwierigen Aufgabe standen, einen geeigneten Weg zu finden, um die erdienten Anwartschaften auf einen bestimmten Wert festzuschreiben und in das Punktemodell zu übertragen. Die Besitzstände der rentennahen Jahrgänge waren dabei besonders zu schützen. Die insoweit im ATV vereinbarte und in die neue Satzung der Beklagten umgesetzte Lösung ist, wie der Senat mit Urteil vom 07.12.2006 (12 U 91/05 - veröffentlicht im anonymisierten Volltext bei den Pressemitteilungen des Oberlandesgerichts Karlsruhe unter www.olgkarlsruhe.de) festgestellt hat, grundsätzlich mit höherrangigem Recht vereinbar. Dass die Regelung die Anwartschaftsberechtigtten generell bevorzugt gegenüber den am 31.12.2001 bereits Versorgungsrentenberechtigten, ist nicht ersichtlich. Vielmehr streiten derzeit viele Versicherte vor den Zivilgerichten darum, bei der Startgutschriftenberechnung nicht im Vergleich zu einer enger an das bisherige System angelehnten Berechnung benachteiligt zu werden. Das schließt nicht aus, dass einzelne Versicherte durch die stichtagsbezogene Startgutschriftenregelung auch Vorteile haben. Dies liegt jedoch im Wesen der Stichtags- und Festschreibungsregelung, mit der die Tarifpartner in einem komplizierten System einem zukunftsoffenen Sachverhalt Rechnung tragen mussten, und kann von denjenigen, die wie die Klägerin die im bisherigen System zugesagte Gesamtversorgung erhalten, nicht mit Erfolg beanstandet werden. Das der Entscheidung des Landgerichts zugrunde gelegte Prinzip, wonach Rentenberechtigte im Vergleich zu Rentenanwartschaftsberechtigten und innerhalb der rentennahen und rentenfernen Rentenanwartschaftsberechtigten die rentennahen Versicherten stets "günstiger" gestellt werden sollten, kann so weder dem Alterstarifvertrag noch den genannten Übergangsregelungen der neu gefassten Satzung der Beklagten entnommen werden. Hätten die Tarifpartner - wofür der Senat keine hinreichenden Anhaltspunkte hat - eine solche Zielsetzung im Sinne der vom Landgericht angenommenen (zwingend) abgestuften Begünstigung der genannten Versichertengruppen tatsächlich verfolgt, wäre sie nur unverbindliches Regelungsmotiv geblieben. Demnach ist auch nicht ersichtlich, wieso die Beklagte sich gegenüber der Klägerin nach Treu und Glauben auf die im Satzungstext zum Ausdruck gekommene Regelung nicht berufen können soll.

3. Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs der Klägerin aus dem Grunde, weil ihr die Beklagte in der Mitteilung vom 28.10.2003 eine falsche Auskunft über die Höhe der Startgutschrift erteilt hat, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Beklagte muss den Versicherten Auskünfte erteilen, die nach dem Stand ihrer Erkenntnismöglichkeiten zutreffend sind (vgl. das Senatsurteil VersR 2005, 1272 unter II 1 m.w.N.). Der BfA-Bescheid vom 23.04.2004, aus dem sich der Eintritt des Versicherungsfalls wegen Erwerbsminderung zum 31.05.2001 ergibt, lag zum Zeitpunkt der Mitteilung vom 28.10.2003 jedoch noch nicht vor. Er konnte daher von der Beklagten zu diesem Zeitpunkt noch nicht berücksichtigt werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die Vollstreckbarkeit stützt sich auf die §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Wegen der von der Beklagten dargelegten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache wird die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zugelassen.

Ende der Entscheidung

Zurück