Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 21.09.2006
Aktenzeichen: 12 U 63/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, HintO


Vorschriften:

BGB § 839
ZPO § 872
ZPO § 873
ZPO § 874
ZPO § 878
HintO § 8
Auch im Verteilungsverfahren nach §§ 872 ff ZPO werden die angefallenen Hinterlegungszinsen nicht der Hinterlegungsmasse zugeschlagen, sondern stehen den berechtigten Gläubigern im Verhältnis ihrer Ansprüche auf die Hinterlegungsmasse zu.
Oberlandesgericht Karlsruhe 12. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 12 U 63/06

Verkündet am 21. September 2006

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatz

hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 21. September 2006 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Zöller Richter am Oberlandesgericht Dr. Stecher Richter am Landgericht Dr. Zülch

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 24. Januar 2006 - 2 O 311/05 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen einer behaupteten Amtspflichtverletzung im Rahmen eines Verteilungsverfahrens nach §§ 872 ff ZPO. Der Kläger hat im Verteilungsverfahren wegen des Vorrangs der Ansprüche dritter Pfändungsgläubiger nur teilweise Befriedigung erlangt. Er meint, die Hinterlegungszinsen hätten der Masse zugeschlagen werden müssen mit der Folge, dass ihm weitere rund 13.000 € zugeflossen wären. Die anteilige Auszahlung der Hinterlegungszinsen an die bevorrechtigten Gläubiger sei fehlerhaft gewesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt vom beklagten Land Schadensersatz aufgrund einer behaupteten Amtspflichtverletzung eines Rechtspflegers beim Amtsgericht W.

Durch Beschluss des Landgerichts Frankfurt vom 07.09.2000 wurde das Guthaben eines damals strafrechtlich verfolgten Rechtsanwalts bei der Sparkasse H (Drittschuldnerin) beschlagnahmt. Zuvor hatte der Kläger am 10.12.1999 beim Amtsgericht in W unter dem Az. 3 C 490/99 einen dinglichen Arrest (Az. 3 C 490/99) in das Vermögen des Drittschuldners und die Pfändung des in Frage stehenden Kontoguthabens bis zum Höchstbetrag von 61.200,00 DM erwirkt. Der Pfändungsbeschluss ist der Drittschuldnerin am 17.12.1999 zugestellt worden. Neben dem Kläger haben noch zahlreiche weitere Gläubiger Pfändungen der genannten Guthabensforderung erwirkt.

Am 10.10.2000 hinterlegte die Drittschuldnerin beim Amtsgericht W einen Betrag von 676.087,41 DM (= 354.678,00 EUR). Nachdem das Amtsgericht W alle in Betracht kommenden Gläubiger durch Beschluss vom 26.03.2003 (AS. 59 ff. der Sammelakte im Verteilungsverfahren RA. S IJ 1/03) aufgefordert hatte, Berechnungen der Forderungen nebst bis zum Hinterlegungstag angefallener Zinsen einzureichen, erstellte es durch den Rechtspfleger am 07.07.2003 einen Teilungsplan. Dieser enthält keine Ausführungen über angefallene oder noch laufende Hinterlegungszinsen; wegen des weiteren Inhalts wird auf die beigezogene Sammelakte im Verteilungsverfahren IJ 1/03 Bezug genommen (dort AS 75 ff.).

Nachdem ein Gläubiger Widerspruchsklage erhoben hatte, zahlte die Hinterlegungsstelle auf Weisung des Rechtspflegers zunächst in Ausführung des Teilungsplans vom 07.07.2003 die von den nicht beklagten Gläubigern (Teilungsplan Ziff. 7-11 und 17) geltend gemachten Beträge nebst der insoweit aufgelaufenen Hinterlegungszinsen aus. Nach rechtskräftiger Entscheidung über die Widerspruchsklage wies der Rechtspfleger durch Beschluss vom 22.04.2004 die Hinterlegungsstelle an, die Auszahlung des hinterlegten Restbetrages nach Maßgabe des Teilungsplans vom 07.07.2003 durchzuführen. Dies geschah noch im April 2004 (vgl. "Auszahlungsplan nach Maßgabe des Teilungsplans vom 07.07.2003, AS 261 f. der beigezogenen Akte IJ 1/03). Zuvor hatte der Kläger mit Schriftsatz vom 31.03.2004 (Akte Verteilungsverfahren S des Amtsgerichts W, I J 1-18/03; nicht paginiert) die Auszahlung der auf ihn entfallenden Beträge entsprechend dem Teilungsplan vom 07.07.2003 und dem vorläufigen Auszahlungsplan vom 25.08.2003 (AS 125 ff. der beigezogenen Akte IJ 1/03) beantragt und hinzugefügt:

"Es ist entsprechend dem vorläufigen Auszahlungsplan vom 25.08.2003 zu verfahren, unter Berücksichtigung und Auszahlung der auf den Hinterlegungsbetrag entfallenden Zinsen."

Die hinterlegte Betrag reichte für die Befriedigung der gesicherten Forderung des an 18. Rangstelle stehenden Klägers nicht aus; ihm wurde ein Restbetrag von EUR 8.992,34 zuzüglich anteiliger Hinterlegungszinsen für die Zeit vom 10.10.2000 bis 22.04.2004 in Höhe von EUR 340,10 ausgezahlt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers vom 27.07.2004 (Anlage B 1) wurde durch Entscheidung der Direktorin des Amtsgerichtes W vom 20.07.2004 (Anlage B 4), die weitere Beschwerde durch Entscheidung des Präsidenten des Landgerichts H vom 03.09.2004 (Anlage B 5) zurückgewiesen.

Der Kläger ist der Auffassung, der Zinsbetrag, der gemäß § 8 HintO für den Zeitraum der Hinterlegung aus dem hinterlegten Betrag anfalle, hätte der Hinterlegungsmasse hinzugeschlagen werden müssen. Die anteilige Berechnung und eine Auszahlung der Hinterlegungszinsen an die jeweiligen Gläubiger sei nicht zulässig gewesen. Da die hinterlegte Summe nicht ausgereicht hätte, um alle Gläubiger zu befriedigen, hätte das Verteilungsverfahren ausschließlich nach den §§ 872 ff. ZPO durchgeführt werden müssen. Das Amtsgericht W habe jedoch rechtsfehlerhaft sowohl die Vorschriften der ZPO wie auch der HintO angewandt. Die Hinterlegungszinsen seien an den Kläger auszukehren, da er der Einzige gewesen sei, der hinsichtlich der Hinterlegungszinsen einen Antrag auf Auszahlung gestellt habe. Das Amtsgericht W habe es schuldhaft unterlassen, die auf den Gesamtbetrag entfallenden Hinterlegungszinsen der Verteilungsmasse hinzuzuschlagen und die Verteilung des sich hieraus ergebenden Gesamtbetrages nach dem Teilungsplan vorzunehmen. Wäre es in dieser Weise verfahren, so hätte die Verteilungsmasse zur vollständigen Befriedigung des Klägers ausgereicht. Ursächlich für den geltend gemachten Schaden sei die Herausgabeanordnung des Amtsgerichtes W vom 22.04.2004. Der zuständige Rechtspfleger habe dabei in Ausübung seines öffentlich-rechtlichen Amtes gehandelt. Dem Kläger könne keine Pflicht zur Schadensabwehr durch Rechtsmittel vorgehalten werden. Insbesondere habe er in der nicht öffentlichen Sitzung des Amtsgerichtes W vom 22.08.2003 ausdrücklich einen Antrag auf Verzinsung nach den Bestimmungen der HintO gestellt und die Auffassung geäußert, dass die Gesamtzinsen der Verteilungsmasse hinzuzuschlagen seien. Dem Kläger sei es auch nicht möglich, auf andere Weise Ersatz zu verlangen.

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger EUR 12.795,67 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5% über dem Referenzzins der EZB zu bezahlen.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land ist der Ansicht, dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch schon deshalb nicht zu, weil er es schuldhaft unterlassen habe, Rechtsmittel einzulegen, § 839 Abs. 3 BGB. Die geplante Vorgehensweise, den Auszahlungsberechtigten auch jeweils anteilige Hinterlegungszinsen auszuzahlen, sei schon mit dem Teilungsplan vom 07.07.2003 in einem Beschluss vom selben Tage (AS 71 f. der beigezogenen Akte IJ 1/03) sowie in einem weiteren Beschluss vom 23.09.2003 bekannt gegeben worden. Der Kläger habe im Termin vom 22.08.2003 dem Teilungsplan insofern nicht widersprochen, als seiner Meinung nach die Hinterlegungszinsen der Masse hätten zugeschlagen werden müssen. Gegen den Beschluss des Amtsgerichtes W sei die sofortige Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG möglich gewesen. Zudem habe der Kläger die Möglichkeit gehabt, die Entscheidung des Präsidenten des Landgerichts H durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 23 EGGVG anzufechten (§ 3 Abs. 2 HintO).

Die Haftung des beklagten Landes sei auch deshalb ausgeschlossen, weil für den Kläger eine anderweitige Ersatzmöglichkeit im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB bestehe, da sich der Kläger hinsichtlich der seiner Ansicht nach zu Unrecht ausgezahlten anteiligen Hinterlegungszinsen an die vorrangigen Gläubiger wenden könne, § 816 Abs. 2 BGB.

Im Übrigen treffe es nicht zu, dass ab Durchführung des Verteilungsverfahrens ausschließlich die Regeln des Verteilungsverfahrens gälten. Die §§ 872 ff. ZPO enthielten keine Vorschrift, wonach die Hinterlegungszinsen im Rahmen des Verteilungsverfahrens der Masse hinzuzurechnen seien. Ebenfalls nicht zutreffend sei es, dass die Hinterlegungszinsen nur auf Antrag des Gläubigers ausbezahlt würden. Die Hinterlegungskasse dürfe Zinsen nur auf Anordnung der Hinterlegungsstelle auszahlen und berechnen. Diese Anordnung treffe die Hinterlegungsstelle in der Herausgabeanordnung gem. § 12 HintO. Aus Sinn und Zweck des Verteilungsverfahrens nach den §§ 872 ff. ZPO im Falle einer Hinterlegung nach § 853 ZPO ergebe sich, dass die Hinterlegungszinsen anteilig an die Gläubiger ausgezahlt werden müssten und nicht der Masse hinzuzurechnen seien.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil vom 24.01.2006, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Der Teilungsplan vom 07.07.2003 sei zwar insofern pflichtwidrig aufgestellt worden, als eine Verteilungsregelung zumindest für die bis zur Aufforderung nach § 873 ZPO angefallenen Hinterlegungszinsen hätte getroffen werden müssen. Hinsichtlich der noch nicht verteilten Hinterlegungszinsen müsse im Plan festgestellt werden, dass sie dem an letzter Rangstelle hebungsberechtigten, aber noch nicht voll gedeckten Gläubiger gebührten. Beides sei nicht geschehen. Diese Pflichtverletzung sei aber nicht für den beim Kläger entstandenen Schaden kausal geworden. Die nach § 8 HintO anfallenden Zinsen gehörten nicht zur Hinterlegungsmasse. Da die hinterlegten gesetzlichen Zahlungsmittel Eigentum des Bundeslandes würden, dem die Hinterlegungsstelle angehöre, gebühre die Ausgleichszahlung in Form von Hinterlegungszinsen nur dem wirklich Berechtigten, der aufgrund der Hinterlegung gehindert sei, selbst über den ihm zustehenden Geldbetrag zu verfügen. Dass vorliegend allein der Kläger einen Antrag auf Auszahlung der Hinterlegungszinsen gestellt habe, ändere nichts, denn es sei davon auszugehen, dass nach einem - entsprechend § 139 ZPO zu erteilenden - Hinweis auch die anderen Gläubiger einen entsprechenden Antrag gestellt hätten. Unabhängig davon könne der Kläger wegen der Nichtberücksichtigung der Hinterlegungszinsen im Teilungsplan auch deshalb keine Amtshaftungsansprüche geltend machen, weil er diesbezüglich kein Rechtsmittel eingelegt habe.

Die Auszahlungsanordnung des Rechtspflegers vom 22.04.2004 sei rechtmäßig. Auch soweit sie Auszahlung der Hinterlegungszinsen nach Maßgabe des Teilungsplans an alle Gläubiger bestimme, entspreche sie der Rechtslage; ein Anspruch allein des Klägers auf Erhalt sämtlicher Hinterlegungszinsen sei nicht ersichtlich. Schließlich sei auch nicht dargetan, dass durch die konkrete Auszahlung der Hinterlegungszinsen an alle Gläubiger gegen die Amtspflicht eines Beamten verstoßen worden sei.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter. Er vertieft sein Vorbringen, wonach im Verteilungsverfahren gemäß § 853 ZPO, das sich allein nach §§ 872 ff. ZPO und nicht nach der Hinterlegungsordnung richte, die Zinsen zur Hinterlegungsmasse gehörten. Im Verteilungsverfahren herrsche der Grundsatz "wer zuerst kommt, mahlt zuerst". Um aber eine möglichst umfassende Befriedigung der Gläubiger zu erreichen, müsse die Verteilungsmasse um die Hinterlegungszinsen vergrößert werden. Anderenfalls erhielten die erstberechtigten Gläubiger nicht nur den vollen Ersatz ihrer Hauptforderung, sondern auch ihre vollen Hinterlegungszinsen, während die nachrangigen Gläubiger nur teilweise oder gar nicht mehr befriedigt würden; dies sei unbillig. Auch im Verteilungsverfahren gelte das Antragsprinzip, so dass die Hinterlegungszinsen hier allein dem Kläger zustünden. Der Kläger habe keine Möglichkeit gehabt, dies durch Rechtsmittel gegen den Teilungsplan zu erreichen.

Das beklagte Land verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter erneutem Hinweis auf § 839 Abs. 3 BGB und auf die Möglichkeit anderweitigen Ersatzes durch Klagen gegen die Gläubiger. Es hält an der Auffassung fest, dass es keine Regelung gebe, der zufolge die Hinterlegungszinsen insgesamt dem an letzter Stelle hebungsberechtigten, nicht voll gedeckten Gläubiger zustünden.

Die Hinterlegungsakte HL 9/00 des Amtsgerichtes W sowie die Akten des Verteilungsgerichtes des Amtsgerichtes W mit dem Geschäftszeichen IJ 1/03 sowie IJ 1-18/03 wurden beigezogen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Ein Ersatzanspruch des Klägers aus § 839 BGB besteht nicht. Zudem hat es der Kläger zumindest fahrlässig versäumt, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden, § 839 Abs. 3 BGB.

1. Der Teilungsplan vom 07.07.2003 und die auf diesem beruhende Auszahlungsanordnung vom 22.04.2004 waren auch insoweit rechtmäßig, als sie (zumindest implizit, dazu unten 2.) davon ausgingen, dass die Hinterlegungszinsen nicht die Hinterlegungsmasse vermehrten, sondern anteilig mit den jeweiligen Hauptforderungsbeträgen an die erstberechtigten Gläubiger auszuzahlen waren. Hinterlegungszinsen, die nach § 8 HintO während der Dauer des Hinterlegungsverfahrens aus dem hinterlegten Betrag anfallen, stehen auch im Verteilungsverfahren nach §§ 853, 872 ff. ZPO den berechtigten Gläubigern im Verhältnis ihrer Berechtigung zu. Die abweichende Auffassung des Klägers, die sich auf die Kommentierung von Eickmann (in: Münchener Kommentar ZPO, 2. Aufl., § 874 Rz. 5; dem folgend Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 874 Rz. 3) stützt, begegnet durchgreifenden systematischen Bedenken.

a) Nach § 853 ZPO ist der Drittschuldner im Falle der Pfändung einer Geldforderung für mehrere Gläubiger berechtigt und auf Verlangen eines Gläubigers, dem die Forderung überwiesen wurde, verpflichtet, unter Anzeige der Sachlage und unter Aushändigung der ihm zugestellten Beschlüsse an das Amtsgericht, dessen Beschluss ihm zuerst zugestellt ist, den Schuldbetrag zu hinterlegen. Das dann einzuhaltende sog. formelle Hinterlegungsrecht richtet sich, vorbehaltlich speziellerer Vorschriften, nach der Hinterlegungsordnung (vgl. Bülow/Schmidt, HintO, 4. Aufl., Vorbem. Rz. 2 ff.). Diese regelt u.a. Zuständigkeiten und einzuhaltendes Verfahren, und zwar für alle Fälle, in denen das Gesetz eine Hinterlegung anordnet oder zulässt, etwa für die Hinterlegung nach §§ 372, 383 oder 1279, 1281 BGB. Die Hinterlegungsordnung bestimmt insbesondere auch das Verfahren der Herausgabe der hinterlegten Vermögensgegenstände (§§ 12 ff. HintO). Die Herausgabeverfügung nach § 12 HintO ergeht auf Antrag, wenn die Berechtigung des Empfängers nachgewiesen ist (§ 13 Abs. 1 HintO), und zwar insbesondere wenn die Beteiligten des Hinterlegungsverfahrens eingewilligt oder die Berechtigung anerkannt haben (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 HintO) oder wenn die Berechtigung des Empfängers durch rechtskräftige Entscheidung mit Wirkung gegen die Beteiligten festgestellt ist (§ 13 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt HintO).

Das Verteilungsverfahren nach §§ 872 ff. ZPO setzt die Hinterlegung eines Geldbetrages im Fall der Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen voraus. Auch in diesem Fall richtet sich also das formelle Hinterlegungsrecht grundsätzlich - entgegen der vom Kläger geäußerten Ansicht - nach der Hinterlegungsordnung (Bülow/Schmidt, a.a.O., Vorbem. Rz. 7). Das Verteilungsverfahren tritt ein, wenn der hinterlegte Geldbetrag zur Befriedigung der beteiligten Gläubiger nicht hinreicht, § 872 ZPO. Das Verteilungsverfahren dient dazu, die Berechtigung und das Rangverhältnis der Pfändungsgläubiger verbindlich zu klären und damit die Auszahlung des hinterlegten Betrages nach Maßgabe des Rangverhältnisses zu ermöglichen. Hierzu ist die Aufstellung eines Teilungsplans (§ 874 ZPO) durch das Vollstreckungsgericht als Verteilungsgericht (§ 873 ZPO; funktionelle Zuständigkeit des Rechtspflegers: § 20 Nr. 17 RPflG) vorgesehen, gegen den die beteiligten Gläubiger im Termin Widerspruch und - wenn es zu keiner Einigung kommt - Widerspruchsklage zum Verteilungsgericht (oder zum Landgericht, in dessen Bezirk das Verteilungsgericht seinen Sitz hat) erheben können (§§ 876 - 879 ZPO). In dem Urteil, durch das über einen erhobenen Widerspruch entschieden wird, ist im Regelfall zugleich zu bestimmen, an welche Gläubiger und in welchen Beträgen der streitige Teil der Masse auszuzahlen ist; ansonsten ist die Anfertigung eines neuen Teilungsplanes und ein anderweites Verteilungsverfahren anzuordnen (§ 880 ZPO). Auf Grund des erlassenen Urteils wird die Auszahlung oder das anderweite Verteilungsverfahren von dem Verteilungsgericht angeordnet (§ 881 ZPO). Damit stellen §§ 872 ff. ZPO besondere Regelungen für die Frage auf, unter welchen Voraussetzungen und an wen welcher Teil des hinterlegten Betrages herauszugeben ist. Im übrigen verbleibt es aber bei der Geltung der Hinterlegungsordnung.

b) Bei der Hinterlegung von Bargeld geht dieses nach § 7 Abs. 1 HintO in das Eigentum des Landes über, dem die Hinterlegungsstelle angehört. Nach § 8 HintO wird Geld, das in das Eigentum des Staates übergegangen ist, nach Maßgabe der dortigen Bestimmungen verzinst. Die Vorschrift wird wegen der Gleichwertigkeit barer und unbarer Zahlungen auch auf die Hinterlegung unbar eingezahlter Beträge angewandt; auch diese werden also verzinst (Bülow/Schmidt, a.a.O., § 8 Rz. 4).

Aus der Anknüpfung der Verzinsungspflicht an den Eigentumserwerb des Staates ergibt sich der Sinn der Vorschrift: Der Staat, dem der Geldbetrag zur treuhänderischen Verwaltung übergeben wird, erlangt die Verfügungsberechtigung und kann das Geld zinsbringend anlegen (Bülow/Schmidt, a.a.O., § 8 Rz. 4) oder zur Minderung seiner eigenen Zinslast einsetzen. Die Ausgleichszahlung in Form von Hinterlegungszinsen kann daher nur dem wirklichen Berechtigten zugedacht sein, der allein aufgrund der Hinterlegung vorübergehend gehindert ist, selbst über den ihm zustehenden Geldbetrag nutzbringend zu verfügen (OLG Köln, Urt. v. 25.03.1997, OLGR Köln 1997, 289 f.). Das gilt auch im Falle des Verteilungsverfahrens über hinterlegte Geldbeträge nach §§ 853, 872 ff. ZPO: Dem Drittschuldner wird nach mehrfacher Pfändung der Forderung die Möglichkeit eingeräumt, den geschuldeten Betrag zu hinterlegen und sich damit (ohne dass es des Verzichts auf Rücknahme bedürfte, vgl. Stöber in: Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 853 Rz. 5) von der Schuld zu befreien. Der erstberechtigte Gläubiger muss dann aber u.U. den Ausgang des Verteilungsverfahrens (mit der Möglichkeit der Widerspruchsklage) abwarten, bevor der ihm zustehende Betrag an ihn ausbezahlt wird. Solange die Sache hinterlegt ist, ist der Schuldner nicht verpflichtet, Zinsen zu zahlen oder Ersatz für nicht gezogene Nutzungen zu leisten, § 379 Abs. 2 BGB; das Verteilungsgericht hat daher zu Recht im Teilungsplan die titulierten Zinsen nur bis zum Zeitpunkt der Hinterlegung ausgewiesen. Hierfür schafft die Verzinsung des hinterlegten Betrages nach § 8 HintO einen Ausgleich.

c) Das Rangverhältnis zwischen den berechtigten Gläubigern, das im Verteilungsverfahren ermittelt wird, richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen der Vollstreckung wegen Geldforderungen. Es gilt also der Grundsatz der Priorität (vgl. Eickmann, a.a.O., § 878 Rz. 24): Der Gläubiger mit dem vorrangigen Pfändungspfandrecht wird zuerst vollständig befriedigt, bevor nachrangige Gläubiger befriedigt werden, § 804 Abs. 3 ZPO; nur bei Gleichrang wird der Erlös verhältnismäßig geteilt (vgl. Stöber, a.a.O., § 804 Rz. 5).

Für das Verteilungsverfahren gilt insoweit trotz des Umstandes, dass es gerade dann eintritt, wenn der hinterlegte Betrag nicht zur Befriedigung aller Gläubiger ausreicht, keine Ausnahme. Die Hinterlegungszinsen stehen also auch hier den berechtigten Gläubigern im Verhältnis ihrer Ansprüche auf die Hinterlegungsmasse zu. Es gibt keinen Grund, beim Verteilungsverfahren - wie es die zwingende Konsequenz der Auffassung des Klägers wäre - den erstberechtigten Gläubigern das Recht auf die anteiligen, auf ihren Forderungsbetrag entfallenden Hinterlegungszinsen abzusprechen und diese an die nachrangigen Gläubiger auszukehren. Eine solche Ausnahme sieht das Gesetz nicht vor; sie ist auch aus Billigkeitsgründen nicht geboten.

Der Gesetzgeber hat sich bei der Pfändung, anders als bei der Gesamtvollstreckung, für das Gerechtigkeitsprinzip der Priorität entschieden. Zwar kann es bei seiner Anwendung zu Härten kommen; diese können aber auch durch abweichende Lösungen nicht völlig vermieden werden (zur Diskussion vgl. Schilken in: Münchener Kommentar ZPO, 2. Aufl., § 804 Rz. 28 m.w.N.). Für die Anwendung des Prioritätsprinzips auch auf die Hinterlegungszinsen spricht entscheidend, dass durch die anteilige Auszahlung der Hinterlegungszinsen an die erstberechtigten Gläubiger ein vergleichbarer Zustand hergestellt wird, wie wenn die Drittschuldnerin den Forderungsbetrag von vornherein an die richtigen Berechtigen in der richtigen Reihenfolge ausgezahlt hätte. Auch dann wäre der Kläger nicht vollständig befriedigt worden; ein Grund dafür, dass er allein wegen der Dauer des Verteilungsverfahrens auf Kosten der erstberechtigten Gläubiger besser stehen soll als ohne das Verteilungsverfahren, ist nicht ersichtlich.

d) Im Ergebnis standen die Hinterlegungszinsen daher den erstberechtigten Gläubigern im Verhältnis ihrer Forderungsbeträge zu. Der Anspruch auf ihre Auszahlung wurde nach § 8 Nr. 3 HintO spätestens mit der Herausgabe der jeweiligen Teilbeträge an die Gläubiger fällig (vgl. Bülow/Schmidt, a.a.O., § 8 Rz. 11). Auf die Frage, ob und ggf. welche Gläubiger einen Antrag auf Auszahlung der Zinsen gestellt haben, kommt es nicht an, denn der Kläger konnte keinen höheren Anteil an den gesamten Zinsen verlangen als denjenigen, der seinem Anteil am hinterlegten Betrag entsprach und den er unstreitig erhalten hat.

2. Damit kann dahinstehen, ob der Umstand, dass der Teilungsplan vom 07.07.2003 keine ausdrückliche Regelung über die Auszahlung der Hinterlegungszinsen enthält, eine Amtspflichtverletzung des als Verteilungsgericht handelnden Rechtspflegers (§§ 827, 853, 873 ZPO i.V.m. § 20 Nr. 17 RPflG) beim Amtsgericht W darstellt. Selbst wenn eine Verpflichtung zur Aufnahme einer solchen Regelung bestünde, hätte ihre Verletzung, wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, nicht zu einem Schaden des Klägers geführt, denn die Regelung hätte nach dem Ausgeführten nur darin bestehen können, dass die Hinterlegungszinsen - wie es geschehen ist - anteilig an die berechtigten Gläubiger auszuzahlen sind. Soweit in der Kommentarliteratur (ohne nähere Begründung Eickmann a.a.O. § 874 Rz. 5; Musielak a.a.O. § 874 Rz. 3) abweichende Auffassungen vertreten werden, kann ihnen aus den dargelegten Gründen nicht gefolgt werden.

3. Unabhängig vom zuvor Ausgeführten teilt der Senat auch die Auffassung des Landgerichts, dass ein Anspruch des Klägers nach § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen ist, weil dieser es schuldhaft versäumt hat, mit Rechtsmitteln gegen das aus dem Teilungsplan vom 07.07.2003 ersichtliche geplante Auszahlungsschema vorzugehen.

Der Kläger hat im Termin vom 22.08.2003 gegen den Teilungsplan vom 07.07.2003 nicht unter Hinweis auf seine Rechtsauffassung Widerspruch erhoben. Zwar hat er sich dem Widerspruch des Gläubigers Sch angeschlossen; dieser hatte aber nur die Frage zum Gegenstand, ob bestimmte vorrangige Gläubiger wirksam gepfändet hatten (vgl. Protokoll vom 22.08.2003, S. 2 [AS 115 der beigezogenen Akte IJ 1/03]); der vom Gläubiger Schleiff später erhobenen Widerspruchsklage hat sich der Kläger nicht angeschlossen. Nach dem Termin im August 2003 und der Erhebung der Widerspuchsklage wurde zunächst die Auszahlung der im Teilungsplan enthaltenen Beträge an diejenigen Gläubiger veranlasst, die nicht Beklagte der Widerspruchsklage waren (vgl. AS 125 ff., 261 ff. der beigezogenen Akte IJ 1/03); nach rechtskräftiger Abweisung der Widerspruchsklage wurden die restlichen Beträge ausgezahlt.

Zwar führte die Unterlassung des Widerspruchs noch nicht zu einem endgültigen Rechtsverlust des Klägers. Trotz Unterlassung des Widerspruchs hätte der Kläger nach § 878 Abs. 2 ZPO noch Widerspruchsklage erheben können. Auch das ist aber nicht geschehen. Der Kläger hat es damit versäumt, seinen Rechtsstandpunkt im Wege des Primärrechtsschutzes geltend zu machen. Dies war auch - wenn man den Rechtsstandpunkt des Klägers als zutreffend unterstellt - ursächlich für den Schadenseintritt, denn die Auszahlungsanordnung konnte, nachdem der Teilungsplan nicht (mehr) angefochten war, nur dem dort vorgeseshenen Auszahlungsschema folgen (vgl. § 878 Abs. 1 S. 2 ZPO; vgl. auch Wieser, ZZP 103 [1990], 171, 181).

Im Hinblick auf dieses Versäumnis fällt dem Kläger auch Fahrlässigkeit zu Last. Entgegen seiner Auffassung war bereits aus dem Teilungsplan selbst erkennbar, dass das Verteilungsgericht die Hinterlegungszinsen nicht der Verteilungsmasse zuschlagen und zur Befriedigung der ansonsten ausfallenden Gläubiger verwenden würde. Der Teilungsplan sieht auf S. 11 f. vor:

"Zur Verteilung gelangt hiernach:

 Hinterlegungsmasse345.678,00 EUR
abzüglich Gerichtskosten 5/10-Gebühr gem. GKG, KV Nr. 1646:1.103,00 EUR
Verteilungsmasse:344.575,00 EUR

Bei Ausführung des Teilungsplans in der oben bezeichneten Rangfolge erhalten:

...

18. Sillmann, Dieter

(Adresse) 8.992,34 EUR

Mit der teilweisen Befriedigung des Gläubigers Rangziffer 18 ist die vorhandene Hinterlegungsmasse verbraucht. Nachrangige Vollstreckungsgläubiger können keine Auszahlungen erhalten."

Damit war unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass an den Kläger nicht mehr als der genannte Betrag von 8.992,34 EUR ausgezahlt wird. Auch wenn die Hinterlegungszinsen nicht ausdrücklich erwähnt wurden, ergab sich daraus zugleich, dass sie die Verteilungsmasse eben nicht vermehrten und damit nicht zur vollständigen oder weiteren Befriedigung des Klägers zur Verfügung standen. Damit hatte der Kläger auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Anlass, gegen den Teilungsplan vorzugehen und den Rechtsbehelf des Widerspruchs und ggf. der Widerspruchsklage zu ergreifen. Der vorliegende Fall ist mit demjenigen, der der - ebenfalls ein angeblich fehlerhaftes Verteilungsverfahren betreffenden - Entscheidung RGZ 166, 255 ff. zugrunde lag, nicht vergleichbar. Anders als dort wurde der Teilungsplan hier rechtzeitig vor dem Termin am 22.08.2003 bekannt gemacht; zudem war der Kläger anwaltlich vertreten. Dem vom Reichsgericht entschiedenen Fall lag eine komplexere Situation im Verteilungsverfahren zugrunde, die der dort nicht anwaltlich vertretene Kläger im Termin nicht überblicken konnte und musste. Vorliegend war hingegen deutlich, dass nach dem Teilungsplan die Hinterlegungsmasse für die volle Befriedigung des Klägers nicht ausreichen würde; es oblag ihm damit, den drohenden Schaden durch den Gebrauch der genannten Rechtsmittel abzuwenden.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, denn die auf § 839 Abs. 3 BGB gestützten Entscheidungsgründe tragen die Zurückweisung der Berufung auch allein (BGH NJW 2003, 1125).

Ende der Entscheidung

Zurück