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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 04.07.2002
Aktenzeichen: 12 U 69/02
Rechtsgebiete: ARB


Vorschriften:

ARB § 15 Abs. 1 d) aa)
Zur Obliegenheit des Versicherungsnehmers in der Rechtsschutzversicherung eine Teilklage zu erheben (hier: Klage auf Vertragshändlerausgleichsanspruch).
Oberlandesgericht Karlsruhe

12 U 69/02

Urteil vom 4.7.02

Tatbestand:

Die Klägerin beansprucht aufgrund einer Rechtsschutzversicherung von der Beklagten Deckungsschutz für eine Klage gegen die R. AG auf Zahlung eines Vertragshändlerausgleichsanspruchs in Höhe von rund 1,2 Mio. DM. Der beklagte Rechtsschutzversicherer meint, dass es der Klägerin gem. § 15 Abs. 1 d) aa) ARB 75 obliege, eine Teilklage zu erheben. Nur insoweit habe sie Deckungsschutz zu leisten. Die beabsichtigte Klage sei im übrigen nur in Höhe von DM 530.000,00 schlüssig.

Die Beklagte ist in beiden Instanzen zur Gewährung von Deckungsschutz für die Klage auf vollen Ausgleich verurteilt worden.

Gründe:

......

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat jedoch keinen Erfolg.

Mit der gerichtlichen Geltendmachung eines Vertragshändlerausgleichsanspruchs gegen die R. AG in Höhe von etwa 1,2 Mio. DM verletzt die Klägerin nicht ihre Obliegenheiten nach § 15 Abs. 1 d) aa) ARB 75. Nach dieser Vorschrift hat ein Versicherungsnehmer, der Versicherungsschutz begehrt, soweit seine Interessen nicht unbillig beeinträchtigt werden, vorab nur einen angemessenen Teil der Ansprüche einzuklagen und die etwa nötige gerichtliche Geltendmachung der restlichen Ansprüche bis zur Rechtskraftentscheidung über die Teilansprüche zurückzustellen. Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass die Klägerin nicht daran gehindert ist, ihren Ausgleichsanspruch in voller Höhe geltend zu machen.

Ob ein Versicherter sich nach § 15 Abs. 1 d) aa) ARB darauf verweisen lassen muss, zunächst nur einen Teil der Ansprüche einzuklagen, und gehalten ist, die etwa nötige gerichtliche Geltendmachung der restlichen Ansprüche bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Teilansprüche zurückzustellen, ist danach zu beurteilen, wie sich ein nicht rechtsschutzversicherter Rechtssuchender, der auf Kostenüberlegungen keine Rücksicht nehmen muss, in gleicher Lage verhalten würde. Zweck einer Rechtsschutzversicherung ist es, dass ein Versicherungsnehmer, der sich die Abwälzung von Rechtskostenrisiken durch freiwillige Beitragszahlung zu einer Rechtsschutzversicherung erkauft, seine Rechte ohne die Kostenüberlegungen wahrnehmen kann, die ein Nichtrechtsschutzversicherter in gleicher Lage anstellen würde. Lediglich die Finanzierung sinnloser oder wirtschaftlicher in hohem Maße unvernünftiger rechtlicher Maßnahmen einzelner muss mit Rücksicht auf die Gefahrengemeinschaft der Versicherten ausgeschlossen sein, wobei beachtet werden muss, dass dem Versicherten aus demselben Gesichtspunkt unwirtschaftliche Teilmaßnahmen gerade versagt sein können (dazu: Senat VersR 1987, 152). Die Grenze ist daher dort zu ziehen, wo sich das Verhalten des Versicherungsnehmers mit dem einer vernünftigen unversicherten Partei, bei der finanzielle Überlegungen keine Rolle spielen, nicht mehr in Einklang bringen lässt (OLG Hamm VersR 1993, 310; VersR 1989, 736; Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 4. Aufl. § 15 Rdn. 13).

Selbst wenn man dem nicht folgen wollte, kann dem Versicherten eine Beschränkung auf eine Teilklage allenfalls dann abverlangt werden, wenn die rechtskräftige Entscheidung über die Teilklage eine endgültige Klärung der streitigen Tat- und Rechtsfragen erwarten lässt (OLG Köln VersR 1989, 359; Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 15 Rdn. 3; vgl. auch OLG Nürnberg VersR 1982, 695). Zweifel müssen sich dabei zugunsten des Versicherungsnehmers auswirken (OLG Hamm OLGR 1999,395).

Die von der Beklagten auch im Berufungsrechtszug dargelegten Gründe reichen nicht aus, um anzunehmen, dass eine Teilklage eine Klärung des Rechtsstreits der Klägerin mit der R. AG in dem dargelegten Maße herbeizuführen verspricht. Dazu reicht nicht aus, dass mit einer gerichtlichen Entscheidung über die Teilklage die grundlegenden Fragen geklärt würden. Entscheidend ist, dass bei einem in vollem Umfang dem Begehren der Klägerin stattgebenden Urteil keine Tat- und Rechtsfragen mehr offen blieben. Damit kann jedoch nicht gerechnet werden. Bei einem Urteil über eine Teilklage können Fragen offen bleiben, die für die Entscheidung eines über den Teilanspruch hinausgehenden Anspruchs von Bedeutung sind. Selbst mit einer Klärung der Berechnungsmethode ist nicht zwingend zu rechnen. Ob sich nach einer Entscheidung über die Teilklage ein Vergleich zwischen den Parteien abzeichnen könnte und ob über eine Teilklage so rechtzeitig rechtskräftig entschieden wird, dass eine Verjährung der Restansprüche ausgeschlossen ist, ist aus den dargelegten Gründen nicht entscheidungserheblich.

Der Verpflichtung der Beklagten zum Deckungsschutz für eine 530.000,00 DM übersteigende Klage steht auch nicht eine insoweit fehlende hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 1 Abs.1 Satz 2 ARB 75) entgegen. Die hier seitens der Beklagten angesprochenen Fragen sind - auch - rechtlicher Natur und bislang nicht eindeutig geklärt. Eine Klärung im Deckungsschutzprozess hat insoweit nicht zu erfolgen. Vielmehr ist in Zweifelsfällen seitens des Rechtsschutzversicherers Deckung zu leisten (Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 4. Aufl., § 1 Rdn. 32).

.......

Ende der Entscheidung

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