Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 01.07.2004
Aktenzeichen: 12 U 85/04
Rechtsgebiete: AKB, HGB, BGB


Vorschriften:

AKB § 2 b Nr. 3 b
HGB § 93
BGB § 652
BGB § 280
BGB § 254
Dem Versicherungsmakler obliegt regelmäßig eine umfassende Betreuung der Versicherungsinteressen seines Kunden und eine dementsprechende Beratung.

Ein normales, nicht als Übungsfahrt zur Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten ausgerichtetes Sicherheitstraining auf einer Rennstrecke unterfällt nicht dem Risikoausschluss des § 2 b Nr. 3 b AKB.


Oberlandesgericht Karlsruhe 12. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 12 U 85/04

Verkündet am 01. Juli 2004

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 01. Juli 2004 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Zöller Richterin am Oberlandesgericht Lampel-Meyer Richter am Oberlandesgericht Dr. Stecher

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 08. Januar 2004 - 8 O 438/03 - im Kostenpunkt aufgehoben sowie im Übrigen wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 17.817,64 € nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.05.2003 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten beider Rechtszüge tragen der Kläger 53 % und die Beklagte 47 %.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger, Besitzer mehrerer Fahrzeuge, erkundigte sich bei der Beklagten, mit der eine Maklervereinbarung bestand, nach der sie seine Versicherungsgeschäfte zu erledigen und ihn insoweit exklusiv zu beraten hatte, ob sich ein Vollkasko-Versicherungsschutz für sein neues Cabriolet auch auf "Fahrten auf Rennstrecken, insbesondere auf dem Hockenheim-Ring oder dem Nürburg-Ring" erstrecken würde. Eine Mitarbeiterin der Beklagten verneinte dies, weshalb der Kläger von einem Vollkasko-Versicherungsschutz absah. Bei einem Fahrsicherheitstraining auf dem Hockenheimring erlitt das Cabriolet einen Totalschaden.

Der Kläger begehrt Schadensersatz und will so gestellt werden, als habe eine Fahrzeugvollversicherung bestanden. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, die Mitarbeiterin der Beklagten habe die konkrete Frage des Klägers verstehen dürfen als Frage nach Durchführung eines Rennens. Die Berufung des Kläger hat teilweise Erfolg.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die beklagte Versicherungsmaklerin wegen schuldhafter Falschberatung in Anspruch.

Der Kläger erwarb im Jahre 2001 ein 2-türiges Cabriolet der Marke Maserati-Spyder Cambiocorse. Am 13.11.2001 begab er sich zur Beklagten, mit der eine Maklervereinbarung bestand, nach der sie seine Versicherungsgeschäfte zu erledigen und ihn insoweit exklusiv zu beraten hatte. Der Kläger fragte die für ihn zuständige Angestellte E, ob "Fahrten auf Rennstrecken, insbesondere auf dem Hockenheim-Ring oder dem Nürburg-Ring" unter den - von ihm gewünschten - Vollkasko-Versicherungsschutz fielen. Frau E verneinte dies; der Kläger schloss deshalb keine Fahrzeug-Vollkasko-Versicherung ab.

Am 02.03.2003 nahm der Kläger an einem Fahrsicherheitstraining auf dem Hockenheim-Ring teil. Er verunfallte mit dem Maserati-Spyder. Der Sachschaden betrug 41.612,49 EUR. Abzüglich eines Selbstbehalts und erstatteter Teilkaskoleistung verblieb dem Kläger ein Schaden von 37.555,17 EUR.

Der Kläger ist der Auffassung, die Mitarbeiterin der Beklagten habe ihn falsch beraten bzw. ihm eine falsche Auskunft erteilt. Ausgenommen vom Versicherungsschutz auf Rennstrecken seien solche Fahrten, bei denen es auf die Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten ankomme. Sonstige Fahrten, insbesondere auch solche im Rahmen eines Fahrsicherheitstrainings, könnten - was unstreitig ist - durch eine Vollkasko-Versicherung abgesichert werden. Wäre er dementsprechend von der Mitarbeiterin der Beklagten richtig beraten worden, hätte er eine Vollkasko-Versicherung abgeschlossen und der entstandene Fahrzeugschaden wäre versichert gewesen und ausgeglichen worden.

Der Kläger hat im ersten Rechtszug beantragt,

die Beklagte zur Zahlung von 37.555,17 EUR nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.05.2003 zu verurteilen.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.

Sie hat ausgeführt: "Rennstrecken" wie der Nürburg-Ring oder der Hockenheim-Ring dienten der Veranstaltung von Autorennen, bei denen es um die Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten gehe, um siegen zu können. Von einer Teilnahme an einem Fahrsicherheitstraining sei - wie wiederum unstreitig ist - nicht die Rede gewesen. Ihre Mitarbeiterin habe auch nicht gewusst, dass ein solches Training auf Rennstrecken stattfinden könne. Hätte der Kläger korrekt gefragt und seine Teilnahme an einem Fahrsicherheitstraining erwähnt, wäre ihm die korrekte Antwort gegeben worden, dass ein solches Training in den Schutz der Vollkasko-Versicherung falle.

Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen verwiesen wird, hat die Klage abgewiesen. Die Mitarbeiterin der Beklagten habe die konkrete Frage des Klägers nach Wortlaut und Inhalt objektiv vom Empfängerhorizont aus gesehen als Frage nach Durchführung eines Rennens, dem die Rennstrecke diene, und nicht etwa nach einem Fahrsicherheitstraining oder einer auf dem Nürburg-Ring/Hockenheim-Ring möglichen Besichtigungs- oder Erprobungsfahrt mit einem schnellen Sportwagen verstehen dürfen. Die Auskunft sei daher zutreffend und ohne schuldhaftes Verhalten abgegeben worden.

Im Berufungsverfahren verfolgt der Kläger sein Begehren unter Aufrechterhaltung seines Standpunktes weiter. Die Beklagte beantragt unter Verteidigung des landgerichtlichen Urteils, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.

Die Berufung hat teilweise Erfolg. Die Beklagte ist dem Kläger wegen falscher Beratung durch ihre Mitarbeiterin in Höhe eines Betrages von 17.817,64 € nebst Zinsen zum Schadensersatz verpflichtet.

1. Abweichend von der Beurteilung des Landgerichts sieht der Senat eine Verletzung der Pflichten der Beklagten aus dem zwischen den Parteien bestehenden Exklusiv-Maklervertrag als gegeben an.

Zwar ist es zunächst Sache des Versicherungsnehmers selbst, sich um den von ihm benötigten Versicherungsschutz zu kümmern und sich die dazu erforderlichen Kenntnisse zu verschaffen. Jedoch schuldete die Beklagte dem Kläger aus dem Exklusiv-Maklervertrag eine umfassende Betreuung seiner Versicherungsinteressen und eine dementsprechende Beratung (vgl. Prölss/Martin/Kollhosser, VVG, 27. Aufl., nach § 48 Rn. 5). Die Mitarbeiterin der Beklagten war daher auf seine Frage hin, ob "Fahrten auf Rennstrecken, insbesondere auf dem Hockenheim-Ring oder dem Nürburg-Ring" unter den Vollkasko-Versicherungsschutz für den Maserati fielen, zu einer vollständigen und richtigen Auskunft und Beratung gehalten.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts umfasste die Frage nach ihrem objektiven Erklärungswert sämtliche Arten von "Fahrten auf Rennstrecken" und nicht lediglich Fahrten im Rahmen einer Rennveranstaltung. Da jedoch gemäß § 2 b Nr. 3 b der in Versicherungsverträgen üblicherweise vereinbarten Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) der Vollkasko-Versicherungsschutz lediglich für solche Schäden ausgeschlossen ist, die bei Beteiligung an Fahrveranstaltungen, bei denen es auf Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit ankommt, oder bei den dazugehörigen Übungsfahrten entstehen, wäre die Mitarbeiterin gehalten gewesen, dieses dem Kläger so auch mitzuteilen und gegebenenfalls zu erläutern. Damit wäre für ihn deutlich geworden, dass ein Vollkaskoschutz für das von ihm - wovon auszugehen ist - beabsichtigte Fahrsicherheitstraining eingeschlossen gewesen wäre.

In der vollständigen, nicht differenzierenden Verneinung der Frage durch die Mitarbeiterin der Beklagten liegt eine pflichtwidrige, weil unvollständige Auskunft über den möglichen Versicherungsschutz. Hierfür hat die Beklagte gemäß §§ 276, 278 BGB auch einzustehen. Dass die Mitarbeiterin die Frage subjektiv nur in dem eingeschränkten, auf Rennveranstaltungen bezogenen Sinne aufgefasst hat, vermag die Beklagte nicht zu entlasten. Denn die Mitarbeiterin hätte bei gehöriger Sorgfalt erkennen müssen, dass dieses Verständnis nicht dem objektiven Erklärungswert der von dem Kläger gestellten Frage entsprach.

Der neue Vortrag der Beklagten im zweiten Rechtszug, bei dem Fahrsicherheitstraining des Klägers handle es sich um ein solches "im Bereich der Höchstgeschwindigkeiten der Fahrzeuge", weshalb es gemäß § 2 b Nr. 3 b AKB nicht versichert sei, ist gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO nicht zuzulassen, da dieser Vortrag bereits im ersten Rechtszug hätte geltend gemacht werden können. Ein normales, nicht als Übungsfahrt zur Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten ausgerichtetes Sicherheitstraining unterfällt nicht dem Risikoausschluss des § 2 b Nr. 3 b AKB (vgl. Prölss/Martin/Knappmann, a.a.O., § 2 b AKB Rn. 62; OLG Hamm RUS 1990, 43).

2. Durch die pflichtwidrige Auskunft ist dem Kläger auch ein Schaden entstanden.

Es ist davon auszugehen, dass der Kläger bei pflichtgemäßer, vollständiger Beratung die Beklagte mit der Vermittlung eines Vollkasko-Versicherungsvertrages (zumindest) für die Dauer des Fahrsicherheitstrainings im März 2003 beauftragt oder wenigstens beim Veranstalter des Sicherheitstrainings nach einem solchen Schutz speziell für die Trainingszeiten selbst nachgesucht hätte. Den ihr obliegenden Beweis dafür, dass der Kläger einen solchen Vertrag nicht abgeschlossen hätte (vgl. BGHZ 94, 356 unter III), hat die Beklagte nicht angetreten.

Der Schaden des Klägers besteht in der ihm entgangenen Vollkaskodeckung abzüglich der erhaltenen Teilkaskoleistung. Zwar hat die Beklagte unter Hinweis auf § 61 VVG bestritten, dass der Versicherungsfall eingetreten wäre, weil der Kläger den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt habe. Dieser Vortrag ist jedoch im Ergebnis unerheblich. Denn der Kläger hat bereits im ersten Rechtszug unwidersprochen behauptet, von den Versicherungsgesellschaften würden ohne Prämienerhöhungen Vollkaskoversicherungen angeboten, bei denen auch bei grob fahrlässiger Herbeiführung Versicherungsschutz bestehe, sofern es sich nicht um Fahrzeugdiebstahl oder Unfall infolge Alkohol- oder Drogengenusses handle. Demnach ist anzunehmen, dass der Kläger bei richtiger Beratung einen solchen Vertrag abgeschlossen hätte und Vollkaskoschutz daher auch im Falle grob fahrlässiger Herbeiführung des Unfalls bestanden hätte.

3. Der Kläger muss sich hinsichtlich der Schadensentstehung gemäß § 254 Abs. 1 BGB ein hälftiges Mitverschulden zurechnen lassen. Ihm wäre es - ungeachtet der überlegenen versicherungsrechtlichen Sachkenntnisse der Beklagten - ohne Weiteres möglich gewesen, seine Fragestellung zu präzisieren bzw. sich nach der verneinenden Auskunft der Mitarbeiterin der Beklagten zu vergewissern, ob auch für Fahrten im Rahmen eines Sicherheitstrainings kein Vollkaskoschutz erhältlich ist. Auch als versicherungsrechtlichem Laien musste sich ihm aufdrängen, dass seitens der Versicherer insoweit eine andere Risikoeinstufung vorgenommen werden könnte, als bei einem - naturgemäß eher schadensträchtigen - Autorennen. Den Mitverschuldensanteil des Klägers bewertet der Senat mit 50 %.

4. Gemäß § 287 ZPO ergibt sich folgende Berechnung des Erstattungsbetrages:

Reparaturkosten (inklusive Mehrwertsteuer) gemäß DEKRA-Gutachten vom 31.03.2003: 41.612,49 €

- Teilkaskoleistung: 3.210,32 €

- Beitrag für eine (vom Kläger selbst anerkannte einjährige) Vollkaskoversicherung gemäß dem Versicherungsvorschlag der Beklagten vom 14.11.2001 mit 2.000 DM Selbstbeteiligung: 3.411,60 DM = 1.744,32 €

- Selbstbeteiligung 2.000 DM = 1.022,58 €

also insgesamt: 35.635,27 €

abzüglich hälftigem Mitverschuldensanteil: 17.817,64 €

5. Zinsen sind unter dem Gesichtspunkt des - unstreitig am 01.05.2003 bestehenden - Zahlungsverzuges der Beklagten zu erstatten.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf die §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO bestehen nicht.

Ende der Entscheidung

Zurück