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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 04.12.2002
Aktenzeichen: 13 U 10/02
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

-
Über die Möglichkeit der Versorgung kleiner Primärnarbenhernien ohne Vorliegen erkennbarer Bindegewebsschwäche durch ein Netz war im Jahre 1996 nicht aufzuklären, weil es sich um kein übliches Alternativverfahren handelte.
Gründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Der Eingriff vom 13.05.1996, auf dessen Beurteilung der Kläger die Berufung beschränkt hat, war weder behandlungsfehlerhaft, noch besteht eine Haftung der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflichtverletzung.

1. Zu Recht hat das Landgericht festgestellt, dass es nicht ärztlichem Standard widersprochen hat, die Operationswunde konventionell mit einer Naht zu verschließen.....

Der Sachverständige hat mehrfach und ausführlich dargelegt, dass - jedenfalls - im Jahre 1996 Primärhernien standardmäßig im Wege der Nahtversorgung behandelt wurden. Dies ist dem Senat im Übrigen durch sachverständige Stellungnahmen aus anderen Arzthaftungsstreitigkeiten bekannt. Die Versorgung von kleinen Primärhernien mit einem Netz entsprach im Jahr 1996 nicht ärztlichem Standard, auch wenn einzelne Operateure jenes Verfahren auch in solchen Fällen anwendeten.

Bei Primärhernien wäre der Einsatz eines Netzes eine ernsthafte Alternative dann gewesen, wenn es sich um eine große Hernie gehandelt hätte oder wenn Hinweise auf eine Bindegewebsschwäche vorgelegen hätten......

2. Auch ein Aufklärungsfehler liegt nicht vor.

Der Arzt ist verpflichtet, den Patienten über Behandlungsalternativen in Kenntnis zu setzen, wenn er selbst beabsichtigt, eine nicht dem Standard entsprechende Behandlung vorzunehmen oder wenn eine echte Wahlmöglichkeit für den Patienten daraus folgt, dass eine gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethode mit wesentlich unterschiedlichen Risiken und Erfolgschancen gegeben ist. Jedoch ist die Wahl der Behandlungsmethode primär Sache des Arztes. Sofern er eine medizinisch indizierte, standardgemäße Behandlungsmethode wählt, gebietet es die Aufklärungspflicht nicht, über eine andere, gleichfalls medizinisch indizierte, übliche Methode aufzuklären, wenn die gewählte Therapie hinsichtlich ihrer Heilungsaussichten einerseits und ihrer Belastungen und Risiken für den Patienten andererseits der Behandlungsalternative gleichwertig oder vorzuziehen ist (BGH VersR 1992, 831; NJW 1996, 776; Geiß/Greiner, 4. Auflage 2001, C, Rd.-Nr. 21 ff. m. w. N.).

Zwar hätte - worauf der Kläger zu Recht hinweist - die Versorgung mit einem Netz wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen im Verhältnis zur Nahtversorgung geboten. Für den beim Kläger vorgefundenen - bzw. anzunehmenden - Befund (zwei kleine Primärhernien, keine Hinweise auf Bindegewebsschwäche) war jedoch, wie ausgeführt, das Mesh-Verfahren zumindest zum damaligen Zeitpunkt (1996) kein übliches Alternativverfahren. Die Netzversorgung stellte daher auch nicht etwa ein neues Verfahren dar, welches sich weitgehend durchgesetzt gehabt hätte, weshalb ein Patient wegen sich bietender entscheidender Vorteile hiervon hätte erfahren müssen ( BGH NJW 1988,763). Eine Aufklärungspflicht bestand deshalb nicht....

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