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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 05.12.2002
Aktenzeichen: 14 Wx 130/01
Rechtsgebiete: EWGRL 335/69, KostO, UmwG, GenG


Vorschriften:

EWGRL 335/69 Art. 3 Abs. 2
EWGRL 335/69 Art. 4
KostO § 36 Abs. 2
KostO § 39
KostO § 45
KostO § 47
UmwG § 6
UmwG § 13
UmwG § 16
UmwG § 80
GenG § 1
GenG § 7
GenG § 157
1. Eingetragene Genossenschaften verfolgen einen Erwerbszweck und sind daher gem. Art. 3 Abs. 2 EWGRL 335/69 zur Anwendung der Gesellschaftssteuerrichtlinie den Kapitalgesellschaften gleichgestellt.

2. Die Verschmelzung zweier eingetragener Genossenschaften durch Aufnahme stellt eine gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. c EWGRL 335/69 der Gesellschaftssteuer unterliegende Erhöhung des Kapitals durch Einlagen dar.

3. Zur Auswirkung des Beschlusses des EuGH vom 21.03.2002 - Gründerzentrum - auf die zu erhebenden Gebühren für notarielle Leistungen, die von einem badischen Amtsnotar im Zusammenhang mit der Verschmelzung zweier eingetragener Genossenschaften erbracht worden sind.

(Fortführung von OLG Karlsruhe v. 24.09.2002, Az. 14 Wx 133/00, OLGR 2002, S. 437 ff. = Rpfleger 2002, S.655 ff. = FGPrax 2002, 275)


Oberlandesgericht Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg -

Geschäftsnummer: 14 Wx 130/01

Beschluß vom 05. Dezember 2002

Kostenrechnung des Notariats I Überlingen vom 17.05.2000 I UR 495/2000, 496/2000 und 497/2000 Kostenrechnung der Landesoberkasse Metzingen vom 21.06.2000 - 8002035965863 betreffend Notariat Überlingen I UR 495/2000, 496/2000 und 497/2000

hier: weitere Beschwerde der Kostenschuldnerin gegen den Beschluß des Landgerichts Konstanz vom 22.11.2000 - 6 T 175/00

Tenor:

1. Auf die weitere Beschwerde der Kostenschuldnerin wird der Beschluß des Landgerichts Konstanz vom 22.11.2000 - 6 T 175/00 - aufgehoben.

2. Auf die Beschwerde der Kostenschuldnerin wird unter Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts Überlingen vom 28.07.2000 - UR 2/00 - die der Kostenrechnung der Landesoberkasse Metzingen vom 21.06.2000 (Kassenzeichen 8002035965863) zugrundeliegende Kostenrechnung des Notariats I Überlingen vom 17.05.2000 - I UR 495-497/00 - aufgehoben.

3. Die Sache wird an das Notariat I Überlingen - Kostenbeamter - zur erneuten Entscheidung über die Kostenansätze hinsichtlich der Beurkundung des Verschmelzungsvertrages, der Beurkundung des Verschmelzungsbeschlusses und der Beurkundung der Anmeldung der Verschmelzung zum Genossenschaftsregister zurückgegeben.

4. Das Verfahren der weiteren Beschwerde ist gebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

A.

1. Der Notar beim Notariat I Überlingen hat beurkundet:

a) am 18.04.2000 in der Urkunde I UR 496/2000 - unter Verwendung eines Fremdentwurfs - den Verschmelzungsvertrag zwischen der V.-bank e.G. mit Sitz in Ü. (übernehmender Rechtsträger) und der S.- und K.-bank B. e.G. mit Sitz in B. (übertragender Rechtsträger) und

b) am 19.04.2000 in der Urkunde I UR 495/2000 den in der Vertreterversammlung der V.-bank e.G. vom 18.04.2000 gefaßten Verschmelzungsbeschluß.

Ferner hat der Notar am 19.04.2000 die Anmeldung der Verschmelzung zum Genossenschaftsregister beim Amtsgericht Überlingen beurkundet (UR I 497/2000).

Die der Beschwerdeführerin als Kostenschuldnerin übermittelte Kostenrechnung der Landesoberkasse Metzingen vom 21.06.2000 (AS. 65) weist folgende in der Kostenrechnung des Kostenbeamten des Notariats I Überlingen vom 17.05.2000 (AS. 63) angesetzte Gebühren und Auslagen nebst Umsatzsteuer aus:

Beurkundung des Verschmelzungsvertrags (§ 36 Abs. 2 KostO) 30.220,00 DM Geschäfte außerhalb der Amtsstelle (§ 58 Abs. 1 KostO) 60,00 DM Geschäfte außerhalb der Dienstzeit (§ 58 Abs. 3 KostO) 60,00 DM Beurkundung des Beschlusses der Vertreterversammlung (§ 47 KostO) 10.000,00 DM Geschäfte außerhalb der Amtsstelle (§ 58 Abs.1 KostO) 60,00 DM Geschäfte außerhalb der Dienstzeit (§ 58 Abs. 3 KostO) 60,00 DM Schreibauslagen (§ 136 Abs. 1, Abs. 3 KostO) 53,00 DM Beurkundung der Anmeldung zum Genossenschaftsregister (§ 38 Abs. 2 Nr. 7 KostO) 805,00 DM Geschäfte außerhalb der Amtsstelle (§ 58 Abs. 1 KostO) 60,00 DM Geschäfte außerhalb der Dienstzeit (§ 58 Abs. 3 KostO) 60,00 DM 16 % Umsatzsteuer aus 41.438,00 DM (§ 151 a KostO) 6.630,08 DM 48.068,08 DM

3. Gegen die Kostenrechnung hat die Kostenschuldnerin mit Schriftsatz vom 29.06.2000 (AS. 67/69) Erinnerung eingelegt.

Sie wendet sich weder dagegen, als Kostenschuldnerin in Anspruch genommen zu werden, noch zieht sie in Zweifel, daß die Gebührenrechnung den Vorschriften der KostO entspricht. Unter Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 29.09.1999, C-56/98 - "Modelo" - meint sie jedoch, die in Rechnung gestellten Notargebühren stellten in Wahrheit eine der - die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital betreffenden - Gesellschaftssteuerrichtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17.07.1969 widersprechende Steuer dar. Die KostO sei im vorliegenden Fall wegen Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht unanwendbar; die Kostenrechnung sei - ggfls. nach den tatsächlichen Aufwendungen für die erbrachte Dienstleistung - neu zu erstellen.

Das Amtsgericht Überlingen hat die Erinnerung durch Beschluß vom 28.07.2000 (AS. 73) zurückgewiesen.

Die dagegen gerichtete Beschwerde der Kostenschuldnerin (AS. 81/87) hat das Landgericht Konstanz durch Beschluß vom 22.11.2000 (AS. 93/101) zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, bei dem von der Beschwerdeführerin beanstandeten Gebühren handele es sich um Abgaben mit Gebührencharakter, deren Erhebung auch nach der Gesellschaftssteuerricht-linie zulässig sei. Dagegen wendet sich die - vom Landgericht zugelassene - weitere Beschwerde der Kostenschuldnerin (AS. 111/117).

B.

Die infolge Zulassung (§ 14 Abs. 3 Satz 2 KostO) statthafte und auch im übrigen zulässige weitere Beschwerde ist teilweise begründet. Die angegriffene Kostenrechnung steht zwar - von der Erhebung von Schreibauslagen abgesehen (hierzu unten zu II 4) - im Einklang mit den einschlägigen deutschen Vorschriften, namentlich denen der KostO. Indessen sind die von der Beschwerdeführerin beanstandeten Kostenansätze nicht mit der Regelung gemäß Art. 10 und Art. 12 Nr. 1 lit. e. der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17.07.1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital in der Fassung der Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10.06.1985 ("Gesellschaftssteuerrichtlinie"; im folgenden auch "Richtlinie" oder "RL") vereinbar. Da die genannten Richtlinienbestimmungen nach Auffassung des EuGH inhaltlich unbedingt und hinreichend genau abgefasst sind, begründen sie für die einzelnen Gesellschaften in den Mitgliedsstaaten Rechte, auf die sie sich auch vor den nationalen Gerichten berufen können (EuGH, Urteil vom 02.12.1997, C-188/95 - "Fantask" - Tz. 53 [ZIP 1998, Seite 206 ff.]; BayObLGZ 1998, S. 303 ff., 307; Gustavus, ZIP 1998, S. 502 ff., 503). Die nicht mit der Richtlinie vereinbaren Kostenansätze konnten daher - ebenso wie die zu Unrecht erfolgte Erhebung von Schreibauslagen - keinen Bestand haben und waren aufzuheben.

I.

1. Gemäß Art. 1 RL können die Mitgliedsstaaten der EG eine als "Gesellschaftssteuer" bezeichnete harmonisierte Abgabe auf Kapitalzuführungen an Kapitalgesellschaften im Sinne der Richtlinie (Art. 3 Abs. 1 RL) oder ihnen gemäß Art. 3 Abs. 2 RL gleichzusetzende Vereinigungen erheben. Die Vorgänge, die der Gesellschaftssteuer unterliegen oder ihr unterworfen werden können, sind in Art. 4 RL abschließend aufgeführt. In Art. 10 RL ist bestimmt, daß von Gesellschaften, Personenvereinigungen oder juristischen Personen mit Erwerbszweck abgesehen von der Gesellschaftssteuer "Steuern oder Abgaben" auf die dort genannten auf Art. 4 RL bezogenen Vorgänge (lit. a und b) nicht erhoben werden, ferner nicht auf "die der Ausübung einer Tätigkeit vorausgehende Eintragung oder sonstige Formalität, der eine Gesellschaft, Personenvereinigung oder juristische Person mit Erwerbszweck aufgrund ihrer Rechtsform unterworfen werden kann" (lit. c). Art. 12 Abs. 1 RL normiert Ausnahmen von diesem Verbot.

2. Demgemäß sind die von der Kostenschuldnerin angegriffenen Kostenansätze dann - und nur dann - mit der Gesellschaftssteuerrichtlinie unvereinbar, wenn sie, ohne unter die Ausnahmeregelung nach Art. 12 Abs. 1 RL zu fallen, vom Verbotstatbestand des Art. 10 RL erfaßt werden.

Da die den hier angegriffenen Kostenansätzen zugrundeliegenden notariellen Leistungen - unter der Voraussetzung, daß die Richtlinie überhaupt auf eingetragene Genossenschaften anwendbar ist - im Vorfeld der in Art. 4 RL genannten Vorgänge liegen und somit von den diese in Bezug nehmenden Verbotstatbeständen nach Art. 10 lit. a und b nicht erfaßt werden, kommt insoweit allenfalls ein Verbot nach Art. 10 lit. c RL in Betracht. Dabei ist das darin normierte Besteuerungsverbot - trotz fehlender ausdrücklicher Bezugnahme auf Art. 4 RL - auf solche aufgrund der Rechtsform der Gesellschaft vorgeschriebene Formalien beschränkt, die im Zusammenhang mit den in Art. 4 RL aufgeführten Vorgängen stehen (vgl. EuGH, Urteil vom 27.10.1998, C-152/97 - "Agas" - Tz. 21 [WM 1999, Seite 343 ff., 345]; Görk, DNotZ 1999, Seite 851 ff., 868; ders., ZIP 2002, S. 667 ff., 668).

Die grundsätzliche Frage, ob die Gebühren für die notarielle Beurkundung eines unter die Gesellschaftssteuerrichtlinie fallenden Vorgangs durch einen beamteten Notar im Oberlandesgerichtsbezirk Karlsruhe als "Steuer" im Sinne der Richtlinie anzusehen sind, hat der EuGH inzwischen mittels Hinweis auf Tz. 23 seines allerdings die Verhältnisse in Portugal betreffenden "Modelo"-Urteils vom 29.09.1999, C 56/98 (ZIP 1999, S. 1681 ff.) bejaht (Tz. 27 f. des Beschlusses vom 21.03.2002, C-264/00 - "Gründerzentrum" - [ZIP 2002, S. 663 ff.]).

II.

Für die einzelnen von der Kostenschuldnerin angegriffenen Kostenansätze ergibt sich danach folgendes:

1. Beurkundung des Verschmelzungsvertrags

a) Der im vorliegenden Fall für die Beurkundung des Verschmelzungsvertrags erfolgte Ansatz einer Beurkundungsgebühr (§ 36 Abs. 2 KostO) von 30.220,00 DM sowie einer Auswärts- und einer Unzeitgebühr (§ 58 Abs. 1 bzw. Abs. 3 KostO) von jeweils 60,00 DM widerspricht der Gesellschaftssteuerrichtlinie.

aa) Die Gebühren unterfallen dem Verbotstatbestand gemäß Art. 10 lit. c RL:

(1) Als eingetragene Genossenschaft (e. G.) ist die Kostenschuldnerin zwar keine "Kapitalgesellschaft" im Sinne der Richtlinie (vgl. den abschließenden Katalog in Art. 3 Abs. 1 RL). Indessen werden in Art. 3 Abs. 2 RL zur Anwendung der Gesellschaftssteuerrichtlinie "den Kapitalgesellschaften alle anderen Gesellschaften, Personenvereinigungen oder juristische Personen gleichgestellt, die einen Erwerbszweck verfolgen". Diese Merkmale sind bei der e. G. gegeben. Etwas anderes gilt nicht etwa deshalb, weil die e. G. als Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft auf die Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft "ihrer Mitglieder" gerichtet ist (vgl. § 1 Abs. 1 GenG). Denn die Mitgliedernützlichkeit des Erwerbszwecks ist keine spezifische, sie von den anderen auf Erwerb gerichteten Vereinigungen unterscheidende Besonderheit der e. G. (hierzu etwa Beuthien, GenG mit Umwandlungsrecht, 13. Auflage 2000, Rn. 6 zu § 1).

(2) Die Beurkundung des Verschmelzungsvertrags ist auf einen von Art. 4 Abs. 1 lit. c RL erfaßten Vorgang bezogen.

Nach der genannten Vorschrift unterliegt der Gesellschaftssteuer "die Erhöhung des Kapitals einer Kapitalgesellschaft durch Einlagen jeder Art". Wie der EuGH für die französische Aktiengesellschaft entschieden hat, fällt darunter auch eine Kapitalansammlung, die durch Verschmelzung zweier Kapitalgesellschaften in der Weise erfolgt, daß das Kapital der übernehmenden Gesellschaft durch Einbringung des gesamten Vermögens der übertragenden Gesellschaft erhöht wird (Urteil vom 13.02.1996, C-197/94 und C-252/94 - "Bautiaa" bzw. "Société fran(aise maritime" - insbesondere Tz. 33-36 [ABl. EG 1996 Nr. C 133/3-4]; vgl. ferner Vogt, WuB II N. Art. 12 RL 69/335 EWG 2.99 [Anm. zu EuGH, C-152/97 - "Agas" -]).

Für die hier vorliegende Verschmelzung zweier eingetragener Genossenschaften durch Aufnahme gilt nichts anderes. Dabei ist die Verschmelzung zweier eingetragener Genossenschaften - anders als das etwa bei der Verschmelzung zweier GmbHs oder zweier Aktiengesellschaften durch Aufnahme der Fall ist (vgl. §§ 54, 55 bzw. §§ 68, 69 UmwG) - gemäß § 80 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 UmwG stets mit einer Bildung weiterer Geschäftsanteile für die Genossen der übertragenden e. G., auf die im Rahmen des § 7 Nr. 1 GenG Mindesteinlagen zu erbringen bzw. zu belassen sind, und damit mit einer Erhöhung des Eigenkapitals der aufnehmenden e. G. verbunden.

(3) Da gemäß § 6 UmwG der Verschmelzungsvertrag zu seiner Wirksamkeit der notariellen Beurkundung bedarf, stellt diese im Sinne von Art. 10 lit. c RL eine "sonstige Formalität" dar, der die Gesellschaft zur Ausübung ihrer Tätigkeit unterworfen ist (vgl. EuGH, C-56/98 - "Modelo" -, Tz. 26; C-264/00 - "Gründerzentrum" -, Tz. 29).

bb) Die für die Beurkundung des Verschmelzungsvertrags angesetzte Gebühr stellt - entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung - keine "Abgabe mit Gebührencharakter" dar, die gemäß Art. 12 Abs. 1 lit. e RL in Abweichung von Art. 10 RL erhoben werden kann.

(1) "Abgaben mit Gebührencharakter" im Sinne der Gesellschaftssteuerrichtlinie sind nur solche Abgaben, deren Berechnung auf der Grundlage der Kosten für die erbrachte Leistung erfolgt (EuGH, C-56/98 - "Modelo" -, Tz. 29; Urteil vom 21.06.2001, C-206/99 "SONAE" -, Tz. 32 [EuZW 2001, S. 500 ff.]; Fabis, ZIP 1999, S. 1683 f.; Görk, DNotZ 1999, S. 851 ff., 862 ff.). Dabei kommt dem Umstand, daß die Gebühren für die Beurkundung von Verschmelzungsverträgen nach oben hin begrenzt sind (vgl. § 39 Abs. 4 KostO), keine entscheidende Bedeutung zu. Seine insoweit mißverständliche Rechtsprechung (vgl. Tz. 30-32 des "Modelo"-Urteils), auf die sich das Landgericht gestützt hatte, hat der EuGH inzwischen im "SONAE"-Urteil dahin präzisiert, daß das Bestehen einer Obergrenze für Abgaben der hier vorliegenden Art für sich allein diesen Abgaben einen Gebührencharakter dann nicht verleihen kann, wenn die Obergrenze nicht so festgelegt ist, daß sie den Kosten der Dienstleistung angemessen ist, für die die Abgaben die Gegenleistung darstellen (Nr. 2 der Urteilsformel sowie Tz. 36).

(2) Nicht nur unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Beurkundung des Verschmelzungsvertrags unter Verwertung eines Fremdentwurfs erfolgt ist, stehen die hierfür angesetzten Gebühren von insgesamt 30.340,00 DM (Beurkundungsgebühr zzgl. Auswärtsgebühr zzgl. Unzeitgebühr) in einem deutlichen Mißverhältnis zu dem konkret erbrachten Aufwand. Eine Qualifizierung der für die Beurkundung des Verschmelzungsvertrags angesetzten Gebühren als "Abgabe mit Gebührencharakter" scheidet deshalb aus.

b) Damit widersprechen die diesbezüglichen Kostenansätze dem Gemeinschafts-recht mit der Folge, daß die Kostenrechnung insoweit aufzuheben war.

Da dem Senat der für die Beurkundung entstandene Aufwand nicht bekannt ist und es sich bei der Ermittlung des Aufwandes um Tatsachenfeststellungen handelt, kann er in der Sache selbst nicht entscheiden. Die Sache wird daher an den Kostenbeamten des Notariats I Überlingen zur Festsetzung einer im Einklang mit der Gesellschaftssteuerrichtlinie stehenden Gebühr für die Beurkundung des Verschmelzungsvertrags zurückgegeben. Da der Gesetzgeber bislang noch keine richtlinienkonforme Gebührenregelung zur Verfügung gestellt hat, wird der Kostenbeamte den berücksichtigungsfähigen Aufwand in pauschalierender Weise zu ermitteln haben. Dabei können - wie der EuGH in seinem Urteil vom 02.12.1997, C-188/95 - "Fantask" -, Tz. 33 (ZIP 1998, S. 206 ff., 210) für die Eintragung von Aktiengesellschaften ins Handelsregister ausgeführt hat - "sämtliche Kosten (berücksichtigt werden), die mit den Eintragungen zusammenhängen, einschließlich des auf diese Vorgänge entfallenden Teils der allgemeinen Kosten".

Es bestehen keine Bedenken dagegen, daß der Kostenbeamte bei Ermittlung der dem Land aufgrund der Protokollierung des hier in Rede stehenden Verschmelzungsvertrags entstandenen Kosten die im Erlaß des Justizministeriums Baden-Württemberg vom 22.05.2002 - Az. 5656/0227 - aufgeführten Pauschalsätze je Arbeitsstunde vorläufig und vorbehaltlich der noch zu ermittelnden tatsächlichen Kosten zugrundelegt.

2. Beurkundung des Verschmelzungsbeschlusses der Vertreterversammlung

Auch der für die Beurkundung des Verschmelzungsbeschlusses der Vertreterversammlung der übernehmenden e. G. erfolgte Ansatz einer Beurkundungsgebühr (§ 47 Satz 1 KostO) von 10.000,00 DM sowie einer Auswärts- und einer Unzeitgebühr (§ 58 Abs. 1 bzw. Abs. 3 KostO) von je 60,00 DM widerspricht der Gesellschaftssteuerrichtlinie. Die Ausführungen oben zu 1. - Beurkundung des Verschmelzungsvertrags - gelten entsprechend:

Die Gebühr unterfällt dem Verbotstatbestand gemäß Art. 10 lit. c RL, weil die notarielle Beurkundung des von den Anteilsinhabern gefaßten Verschmelzungsbeschlusses Voraussetzung für dessen Wirksamkeit ist (§ 13 Abs. 3 Satz 1 UmwG) und der Verschmelzungsbeschluß Bedingung für die Ausübung und Fortführung der eingetragenen Genossenschaft in der von ihren Anteilsinhabern gewollten Form ist (vgl. § 13 Abs. 1 UmwG).

Die für die Beurkundung angesetzten Gebühren stehen auch hier in einem erkennbaren Mißverhältnis zu dem vom Land im konkreten Fall erbrachten Aufwand, so daß eine Erhebung auch nicht nach der Ausnahmevorschrift Art. 12 Abs. 1 lit. e RL erfolgen durfte.

Auch insoweit war die Kostenrechnung daher aufzuheben und die Sache zur Festsetzung einer richtlinienkonformen Gebühr an den Kostenbeamten zurückzuverweisen.

3. Beurkundung der Anmeldung zum Genossenschaftsregister

Ob auch der Gebührenansatz für die Beurkundung der Anmeldung zum Genossenschaftsregister (§ 38 Abs. 2 Nr. 7 KostO) von 805,00 DM nebst einer Auswärts- und einer Unzeitgebühr (§ 58 Abs. 1 bzw. Abs. 3 KostO) von je 60,00 DM nach den oben zu 1. dargelegten Grundsätzen der Gesellschaftssteuerrichtlinie widersprechen, vermag der Senat nicht abschließend zu beurteilen.

Freilich handelt es sich auch bei der diesen Gebührenansätzen zugrundeliegenden notariellen Tätigkeit um "Formalitäten" im Sinne von § 10 lit. c RL, weil die Anmeldung der Verschmelzung zur Eintragung in das Genossenschaftsregister gesetzlich vorgeschrieben ist (§ 16 Abs. 1 UmwG), und zwar in öffentlich beglaubigter Form (§ 157 GenG).

Indessen steht einerseits nicht fest, ist andererseits aber auch nicht auszuschließen, daß die diesbezüglich angesetzten Gebühren von insgesamt 825,00 DM den konkreten Aufwand des Landes - insbesondere die Prüfungs- und Vollzugstätigkeit des Notars sowie die damit verbundenen Vor- und Nacharbeiten weiterer Notariatsbediensteter - nicht unwesentlich übersteigen. Damit steht nicht fest, ist aber auch nicht ausgeschlossen, daß auch diesen Gebühren kein "Gebührencharakter" im Sinne von Art. 12 Abs. 1 lit. e RL zukommt. Daher war auch insoweit die Kostenrechnung aufzuheben und die Sache an den Kostenbeamten zur Festsetzung einer im Einklang mit der Richtlinie stehenden Gebühr zurückzuverweisen.

4. Schreibauslagen

Die Erhebung von Schreibauslagen in Höhe von 53,00 DM für die Herstellung von Ausfertigungen bzw. beglaubigten Abschriften der Urkunden I UR 495 und 496/00 ist zu Unrecht erfolgt, die Kostenrechnung war daher auch insoweit aufzuheben. Der Akte ist nämlich nicht zu entnehmen, daß über die für die Behörden notwendigen und daher gemäß § 53 BeurkG von Amts wegen zu erteilenden Abschriften hinaus Abschriften erteilt worden sind. Für von Amts wegen - und somit nicht auf Antrag - zu erteilende Abschriften sind aber, wie sich aus § 136 Abs. 1 KostO ergibt - Schreibauslagen nicht zu erheben (vgl. Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO, 15. Auflage 2002, Rn. 36 zu § 136).

C.

Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 14 Abs. 7, 131 Abs. 5 KostO.

Ende der Entscheidung

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