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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 20.09.2000
Aktenzeichen: 14 Wx 92/00
Rechtsgebiete: KostO


Vorschriften:

KostO § 36 Abs. 2
KostO § 39 Abs. 2
KostO § 44
1. § 44 KostO betrifft nur die Zusammenbeurkundung von rechtsgeschäftlichen Erklärungen unter Lebenden. Die Vorschrift ist daher nicht bei Verfügungen von Todes wegen oder bei solchen Verträgen anwendbar, die sowohl Erklärungen unter Lebenden als auch Verfügungen von Todes wegen zum Gegenstand haben.

2. Werden Erbvertrag und Verzicht auf das Pflichtteilsrecht zusammen beurkundet, sind die Gebühren so zu erheben, wie wenn getrennte Urkunden aufgenommen worden wären.

3. Sind für zwei in einer Urkunde beurkundete Verträge gesonderte Gebühren anzusetzen, so ist für eine Bestimmung des Geschäftswertes nach § 39 Abs. 2 KostO von vornherein kein Raum.


Oberlandesgericht Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg -

Geschäftsnummer 14 Wx 92/00

Beschluß vom 20. September 2000

Kostenansatz betreffend die Urkunde des Notariats L. vom 19.08.1998 - 6 UR 1567/98 -

hier: weitere Beschwerde der Kostenschuldnerin gegen den Beschluß des Landgerichts Freiburg vom 29.05.2000 - 4 T 343/99 -

Tenor:

1. Die weitere Beschwerde der Kostenschuldnerin G. E. gegen den Beschluß des Landgerichts Freiburg vom 29.05.2000 - 4 T 343/99 - wird als unbegründet zurückgewiesen.

2. Das Verfahren der weiteren Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die notarielle Urkunde des Notariats Lörrach vom 19.08.1998 - 6 UR 1567/98 - (As. 1/13) enthält zum einen einen Erbvertrag zwischen der Kostenschuldnerin und Herrn B. M., in welchem beide vertragsmäßig letztwillig verfügt haben (§ 2), und zum anderen einen gegenüber der Kostenschuldnerin erklärten Verzicht der Frau P. R. (in § 2 als Erbin bzw. Vermächtnisnehmerin eingesetzte Tochter der Kostenschuldnerin) auf sämtliche ihr auf Ableben ihrer Mutter zustehende "Pflichtteilsansprüche" - gemeint sein dürfte der Verzicht auf das Pflichtteilsrecht nach § 2346 Abs. 2 BGB - (§ 3). In § 4 der Urkunde hat die Kostenschuldnerin die Kosten der Beurkundung übernommen.

In der Kostenrechnung vom 27.08.1998 (As. 21) hat der Kostenbeamte des Notariats zusätzlich zu einer doppelten Gebühr aus einem Geschäftswert von 300.000,00 DM für die Beurkundung des Erbvertrags nach § 46 Abs. 1 KostO eine doppelte Gebühr aus einem Geschäftswert von 75.000,00 DM für die Beurkundung des Pflichtteilsverzichts nach § 36 Abs. 2 KostO in Ansatz gebracht.

Auf die Erinnerung der Kostenschuldnerin vom 21.09.1998 (As. 17/19) hat das Amtsgericht Lörrach mit Beschluß vom 02.08.1999 - 20 UR II 41/98 - (As. 47/53) den Kostenansatz dahin abgeändert, daß die Gebühr in Höhe von 420,00 DM für die Beurkundung des Verzichts auf das Pflichtteilsrecht in Wegfall kommt. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, ein Vertrag über den Verzicht auf den Pflichtteil sei - entgegen der bisherigen Auffassung in Literatur und Rechtsprechung - als Erbvertrag im Sinne von § 46 Abs. 1 KostO anzusehen. Der Geschäftswert sei dann trotz des zusätzlichen Erbverzichts alleine nach dem Nachlaß der Erblasser gemäß § 46 Abs. 4 KostO zu bestimmen. § 39 Abs. 2 KostO sei insoweit analog anzuwenden, da der Pflichtteilsverzicht als Gegenleistung für die Erbeinsetzung anzusehen sei.

Auf die Beschwerde des Bezirksrevisors (As. 57) hat das Landgericht mit Beschluß vom 29.05.2000 (As. 77/87), auf dessen Begründung Bezug genommen wird, den Beschluß des Amtsgerichts geändert und den Kostenansatz des Notariats wiederhergestellt. Dagegen richtet sich die - vom Landgericht zugelassene - weitere Beschwerde der Kostenschuldnerin (As. 99/101), mit der sie ihr Ziel, Nichtansatz der Gebühr nach § 36 Abs. 2 KostO zu erreichen, weiterverfolgt.

Der Bezirksrevisor verteidigt die Entscheidung des Landgerichts und beantragt die Zurückweisung der weiteren Beschwerde (As. 107/111).

II.

Die infolge Zulassung (§ 14 Abs. 3 Satz 2 KostO) statthafte und auch im übrigen zulässige weitere Beschwerde kann in der Sache keinen Erfolg haben. Der angegriffene Beschluß ist nicht rechtsfehlerhaft. Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, daß die Festsetzung eines einheitlichen Geschäftswerts für die beiden in einheitlicher Urkunde beurkundeten Geschäfte - Erbvertrag und Pflichtteilsverzicht - nicht in Betracht kommt.

1. Entgegen der Auffassung von Amtsgericht und Kostenschuldnerin kann im vorliegenden Fall die Festsetzung eines einheitlichen Geschäftswerts nicht in Anwendung von § 44 KostO erfolgen. Daß diese Vorschrift - von den Fällen der Inbezugnahme abgesehen - nur die Zusammenbeurkundung von rechtsgeschäftlichen Erklärungen unter Lebenden, also solche nach den §§ 36-38, 42 und 43 KostO, betrifft und demgemäß nicht auch bei Verfügungen von Todes wegen (§ 46 KostO) oder bei solchen Verträgen anwendbar ist, die sowohl Erklärungen unter Lebenden als auch Verfügungen von Todes wegen zum Gegenstand haben, entspricht seit jeher allgemeiner Auffassung in Literatur (vgl. nur etwa Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO, 14. Aufl. 1999, Rnrn. 5 und 6 zu § 44; Rohs/Wedewer, KostO [Loseblattsammlung, Stand: April 2000], Rnr. 2 zu § 44) und Rechtsprechung (vgl. etwa OLG Frankfurt a. M., JurBüro 1965, Sp. 74 ff., 76, sowie die weiteren Nachweise auf S. 4 der angefochtenen landgerichtlichen Entscheidung). Von dieser Auffassung, für deren Richtigkeit schon die Stellung des § 44 innerhalb der KostO spricht, abzuweichen sieht der Senat ebenso wie das Landgericht keinen Anlaß: Ein Wille des Gesetzgebers, daß § 44 KostO nicht auch bei der Beurkundung von Verfügungen von Todes wegen Anwendung finden soll, kommt in der gesetzlichen Regelung hinreichend deutlich zum Ausdruck. Sollte das allgemeine Verständnis vom Inhalt diese Regelung nicht - oder nicht mehr - dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, etwa weil er mit dem Amtsgericht (As. 53) der Auffassung ist, daß "die Gebühren für die Notare gerade im erbrechtlichen Bereich als eher hoch zu beurteilen sind", so wäre dem durch eine entsprechende Gesetzesänderung Rechnung zu tragen. Nicht ist es dagegen Sache der Gerichte, einer genügend klaren gesetzlichen Vorschrift ohne Not einen anderen Inhalt beizulegen, als von Wissenschaft und Praxis seit jeher angenommen.

2. Ist somit die Anwendbarkeit des § 44 KostO auf die Zusammenbeurkundung von rechtsgeschäftlichen Erklärungen unter Lebenden beschränkt, so hat dies für Fälle der hier vorliegenden Art, in denen Erbvertrag und Verzicht auf das Pflichtteilsrecht zusammen beurkundet wurden, zur Folge, daß die Gebühren so zu erheben sind, wie wenn getrennte Urkunden aufgenommen worden wären (Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, aaO, Rnr. 6 zu § 44 m. zahlreichen N.). Dabei kommt es nicht darauf an, ob man den Verzicht auf das Pflichtteilsrecht mit der absolut herrschenden Meinung (vgl. BGHZ 37, S. 319 ff., 329 m. w. N.; Palandt/Edenhofer, BGB, 59. Aufl. 2000, Rnr. 5 vor § 2346) als Rechtsgeschäft unter Lebenden oder aber mit dem Amtsgericht ebenfalls als Erbvertrag - jedenfalls im Sinne von § 46 Abs. 1 KostO - ansieht. Mit Recht hatte daher das Notariat in seine Kostenrechnung Gebühren sowohl gemäß § 46 Abs. 1 KostO als auch gemäß § 36 Abs. 2 KostO eingesetzt und mit Recht hat das Landgericht diesen durch das Amtsgericht abgeänderten Kostenansatz wiederhergestellt.

Mit dem Landgericht ist der Senat der Auffassung, daß die Nichterhebung einer Gebühr nach § 36 Abs. 2 KostO auch nicht mit einer analogen Anwendung von § 39 Abs. 2 KostO begründet werden kann. Dies hat das Amtsgericht auch nicht getan, es hat vielmehr nach - wie ausgeführt: verfehlter - Anwendung von § 44 Abs. 1 KostO auch auf den Fall einer Zusammenbeurkundung von Erbvertrag und Vertrag über den Verzicht auf das Pflichtteilsrecht § 39 Abs. 2 KostO zur Bestimmung des Geschäftswerts herangezogen. Da aber in Fällen der hier vorliegenden Art § 44 Abs. 1 KostO nicht anwendbar ist, vielmehr für beide Verträge gesonderte Gebühren anzusetzen sind, ist nach Auffassung des Senats für eine Bestimmung des Geschäftswerts nach § 39 Abs. 2 KostO von vornherein kein Raum.

III.

Nach alledem war die weitere Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 14 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 KostO.

Ende der Entscheidung

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