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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 08.09.2003
Aktenzeichen: 15 AR 21/03
Rechtsgebiete: ZPO, BJagdG


Vorschriften:

ZPO §§ 12 ff.
BJagdG § 29
BJagdG § 35
1. Die örtliche Zuständigkeit der Amtsgerichte bei Ansprüchen auf Wildschadensersatz richtet sich in Baden-Württemberg ausschließlich nach §§ 12 ZPO. Auf die Frage, wo das behördliche Vorverfahren geführt worden ist, kommt es nicht an.

2. Es ist nicht objektiv willkürlich, wenn das Amtsgericht bei Ansprüchen auf Wildschadensersatz den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung verneint.


Oberlandesgericht Karlsruhe 15. Zivilsenat Beschluss

Geschäftsnummer: 15 AR 21/03

08. September 2003

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes

hier: Gerichtsstandsbestimmung

Tenor:

Als zuständiges Gericht wird das Amtsgericht Stuttgart bestimmt.

Gründe:

I.

Die Kläger sind Eigentümer des S. bei Maulbronn. Der Beklagte ist Jagdausübungsberechtigter für das betreffende Gebiet. Die Kläger verlangen von dem Beklagten Schadensersatz wegen Wildschäden, die zu verschiedenen Zeitpunkten auf ihren landwirtschaftlichen Flächen aufgetreten seien, Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 3.242,47 € nebst Zinsen. Ein Teil der Wildschäden war Gegenstand jagdrechtlicher Vorverfahren, die zu verschiedenen Vorbescheiden seitens der Stadt Maulbronn geführt hatten.

Die Kläger haben wegen der von ihnen geltend gemachten Ansprüche Klage zum Amtsgericht Maulbronn erhoben. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 12.03.2003 hat das Amtsgericht darauf hingewiesen, es sei örtlich nicht zuständig, auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer unerlaubten Handlung gemäß § 32 ZPO. Auf den Hilfsantrag der Kläger hat sich das Amtsgericht Maulbronn mit Beschluss vom 14.05.2003 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Stuttgart verwiesen. Mit Beschluss vom 04.06.2003 hat das Amtsgericht Stuttgart die Akten dem Oberlandesgericht Karlsruhe zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts vorgelegt. Zur Begründung hat das Amtsgericht Stuttgart ausgeführt, der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Maulbronn sei fehlerhaft und für das Amtsgericht Stuttgart nicht bindend.

II.

Örtlich zuständig ist das Amtsgericht Stuttgart.

1. Das Oberlandesgericht Karlsruhe ist zur Entscheidung über die örtliche Zuständigkeit berufen gemäß § 36 Abs. 2 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Ziffer 6 ZPPO liegen vor. Denn sowohl das Amtsgericht Maulbronn als auch das Amtsgericht Stuttgart haben sich rechtskräftig für unzuständig erklärt im Sinne von § 36 Abs. 1 Ziffer 6 ZPO.

2. Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Stuttgart ergibt sich aus § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO. Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Maulbronn vom 14.05.2003 ist für das Amtsgericht Stuttgart bindend. Auf die Frage, ob die der Verweisung zugrunde liegende Rechtsauffassung des Amtsgerichts Maulbronn zutreffend ist, kommt es nach dem Gesetz nicht an.

3. Die Verweisung wäre für das Amtsgericht Stuttgart allerdings dann - entsprechend den hierzu entwickelten Rechtsprechungsgrundsätzen - ausnahmsweise nicht bindend, wenn der Verweisung jede rechtliche Grundlage fehlen würde, so dass sie als objektiv willkürlich erscheinen würde (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 281 ZPO Rn. 17). Die Entscheidung des Amtsgerichts Maulbronn kann jedoch nicht als objektiv willkürlich bewertet werden.

a) Der Anspruch auf Wildschadensersatz gemäß § 29 Bundesjagdgesetz (BJagdG) gegen den Jagdausübungsberechtigten ist ein zivilrechtlicher Anspruch, der im Zivilprozess geltend zu machen ist. Dementsprechend sind für die örtliche Zuständigkeit die Vorschriften der ZPO (§ 12 ff. ZPO) maßgeblich. Die Erforderlichkeit eines behördlichen Vorverfahrens durch die zuständige Gemeinde (§§ 29, 35 BJagdG, 32 LJagdG Baden-Württemberg) ändert an der zivilrechtlichen Rechtsnatur des Anspruchs und der Anwendbarkeit der Vorschriften der Zivilprozessordnung im Klageverfahren nichts. Wenn das erforderliche Vorverfahren durch die Stadt Maulbronn nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sein sollte - wie der Beklagte im Hinblick auf einen Teil der geltend gemachten Ansprüche meint -, könnte dies Auswirkungen auf die Zulässigkeit der Klage haben; für die Frage, welches Amtsgericht örtlich zuständig ist, ist die Durchführung des Vorverfahrens jedoch ohne Bedeutung.

b) Die örtliche Zuständigkeit bei Wildschäden ist - jedenfalls in Baden-Württemberg - nicht durch Spezialvorschriften geregelt, die den allgemeinen Vorschriften der Zivilprozessordnung vorgehen würden. § 23 Ziffer 2 d) GVG enthält für Wildschäden lediglich eine Regelung zur sachlichen Zuständigkeit (Zuständigkeit der Amtsgerichte unabhängig vom Streitwert), jedoch keine Regelung zur örtlichen Zuständigkeit. In den Kommentierungen zur Zivilprozessordnung wird zwar teilweise auf landesrechtliche Sondervorschriften zur Zuständigkeit bei Wildschäden hingewiesen (vgl. beispielsweise Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 32 ZPO Rn. 2). Für Baden-Württemberg gibt es eine solche Sondervorschrift jedoch nicht. § 25 a LJagdG Baden-Württemberg und die Vorschriften der Durchführungsverordnung zum Landesjagdgesetz vom 05.09.1996 regeln zwar Einzelheiten des behördlichen Vorverfahrens. In § 22 der Durchführungsverordnung zum Landesjagdgesetz finden sich auch Regelungen zur gerichtlichen Zuständigkeit im Rahmen der Zwangsvollstreckung aus einem jagdrechtlichen Vorbescheid. Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit im Erkenntnisverfahren finden sich in der Durchführungsverordnung zum Landesjagdgesetz jedoch nicht. Demgemäß gelten entgegen dem formularmäßigen Hinweis in den Vorbescheiden der Stadt Maulbronn, wonach für die Klage wegen Wildschadensersatzes dasjenige Amtsgericht örtlich zuständig sei, "in dessen Bezirk die mit dem Vorverfahren befasste Gemeinde ihren Sitz" habe (ebenso Rienhardt, Das Jagdrecht in Baden-Württemberg, 1981, § 25 a LJagdG, Erläuterungen 2 f am Ende), allein die Zuständigkeitsvorschriften der Zivilprozessordnung.

c) Die Auffassung des Amtsgerichts Maulbronn, nach den allgemeinen Vorschriften der Zivilprozessordnung sei in Maulbronn keine örtliche Zuständigkeit gegeben, ist zumindest vertretbar. Insbesondere erscheint es nicht objektiv willkürlich, wenn das Amtsgericht Maulbronn einen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) ablehnt.

Zwar ist anerkannt, dass der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) auch auf die Fälle der sogenannten Gefährdungshaftung Anwendung findet (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 32 ZPO Rn. 7). Der Anspruch auf Wildschadensersatz wird in der Literatur teilweise als ein Fall der Gefährdungshaftung angesehen (vgl. beispielsweise Palandt/Thomas, BGB, 62. Aufl. 2003, § 835 BGB Rn. 1), was zu einer Anwendung von § 32 ZPO führen könnte. Die wohl überwiegende Auffassung in der Literatur sieht in der Wildschadenshaftung allerdings keine Gefährdungshaftung, sondern einen Ausgleichsanspruch, der dem Aufopferungsgedanken entspringt (vgl. Enneccerus-Lehmann, Schuldrecht, 1958, S. 1044; Belling/Eberl-Borges in Staudinger, BGB 2002, § 835 BGB Rn. 3; Schiemann in Erman, BGB, 10. Aufl. 2000, Band I, § 835 BGB Rn. 2; Mitzschke/Schäfer, Kommentar zum Bundesjagdgesetz, 1982, § 29 BJagdG Rn. 6; Metzger in Lorz/Metzger/Stöckel, Jagdrecht - Fischereirecht, 3. Aufl. 1998, § 29 BJagdG Rn. 2). Auf einen Anspruch, der dem Aufopferungsgedanken entspringt, kann § 32 ZPO jedenfalls unmittelbar keine Anwendung finden. Ob man insoweit eventuell - trotz dieser dogmatischen Einordnung - an eine analoge Anwendung von § 32 ZPO denken könnte, kann dahinstehen. Entscheidend für die Bindungswirkung der Verweisungsentscheidung des Amtsgerichts Maulbronn ist allein der Umstand, dass die Ablehnung von § 32 ZPO bei Wildschäden aus den angegebenen Gründen keinesfalls objektiv willkürlich erscheinen kann.

d) Eine Verweisung an das Amtsgericht Stuttgart war möglich gemäß § 13 ZPO, da der Beklagte seinen Wohnsitz in Stuttgart hat.

Ende der Entscheidung

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