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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 31.10.2002
Aktenzeichen: 15 AR 29/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 281
1. Bei objektiver Klagenhäufung ist ein Verweisungsbeschluss gemäß § 281 ZPO für einen Teil des Streitgegenstands nicht bindend, wenn die Voraussetzungen der Verweisung für diesen Teil nicht vorliegen. Zweckmäßigkeitserwägungen rechtfertigen die Verweisung des gesamten Rechtsstreits nicht.

2. In diesem Fall sind gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO für die unterschiedlichen Teile des Streitgegenstands verschiedene Gerichte als zuständig zu bestimmen.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 15. Zivilsenat

15 AR 29/02

Karlsruhe, 31. Oktober 2002

Beschluss

Tenor:

1. Als zuständiges 0fericht wird das Landgericht Mosbach bestimmt, soweit die Klägerin von der Beklagten Zahlung von DM 1.172,51 (Restbetrag aus der Rechnung vom 03.11.1995) nebst 12% Zinsen seit dem 26.06.1998 verlangt.

2. Als zuständiges Gericht wird das Landgericht Leipzig bestimmt, soweit die Klägerin von der Beklagten Zahlung von DM 10.585,65 (Rechnung vom 23.07.1996 über DM 625,80; Rechnung vom 20.09.1996 über DM 9.800 sowie Rechnung von 15.04.1997 über DM 159,85) nebst 12% Zinsen seit dem 26.06.1998 verlangt.

3. Als zuständiges Gericht wird das Landgericht Leipzig bestimmt, soweit die Klägerin von der Beklagten Zahlung von DM 182,95 vorgerichtlicher Mahnauslagen verlangt.

Gründe:

I.

Mit Schriftsatz vom 14.06.2000 hat die Klägerin Klage beim Landgericht Mosbach gegen die Beklagte erhoben. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Bezahlung verschiedener Rechnungen über insgesamt DM 11.758,16 nebst Zinsen und Mahnauslagen.

Mit Beschluss vom 02. Mai 2002 hat sich das Landgericht Mosbach für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf den Hilfsantrag der Klägerin an das Landgericht Leipzig verwiesen. Unter dem 23.05.2002 hat das Landgericht Leipzig die Übernahme des Verfahrens abgelehnt und die Akten an das Landgericht Mosbach zurückgesandt. Mit Beschluss vom 06.06.2002 hat das Landgericht Mosbach daraufhin die Akten dem Oberlandesgericht Karlsruhe vorgelegt zur Gerichtsstandsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Ziffer 6 ZPO.

II.

Als zuständiges Gericht waren für die aus dem Tenor der Entscheidung ersichtlichen unterschiedlichen Streitgegenstände teilweise das Landgericht Mosbach und teilweise das Landgericht Leipzig zu bestimmen.

1. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Ziffer 6 ZPO liegen vor. Sowohl das Landgericht Mosbach als auch das Landgericht Leipzig haben sich im vorliegenden Rechtsstreit rechtskräftig für unzuständig erklärt. Das Oberlandesgericht Karlsruhe ist für die Entscheidung zuständig gem. § 36 Abs. 2 ZPO.

2. Mit Verfügung vom 06.08.2002 hat der Berichterstatter die Klägerin darauf hingewiesen, wie die von der Klägerin angegebenen Teilzahlungen der Beklagten unter Berücksichtigung von § 366 Abs. 2 BGB (a.F.) - ausgehend vom Sachvortrag der Klägerin - zu verrechnen sind. Mit Schriftsatz vom 02.10.2002 hat der Kläger-Vertreter hierzu ausgeführt: "Sollte das OLG Karlsruhe der Auffassung sein, die objektive Klagehäufung sei wegen verschiedener Gerichtsstände unzulässig, so möge es den Rechtsstreit gem. § 145 ZPO trennen". Diese Ausführungen des Kläger-Vertreters sind - sinngemäß - dahingehend zu verstehen, dass sich die Klägerin den Hinweis vom 06.08.2002 zu eigen macht, soweit dies für die Entscheidung über die Zuständigkeit erforderlich ist. Dementsprechend geht der Senat geht im Rahmen der vorliegenden Entscheidung davon aus, dass sich die Klageforderung in Höhe von insgesamt DM 11.758,16 zusammensetzt aus den Rechnungen vom 03.11.995 (Restbetrag) und aus den Rechnungen vom 23.07.1996, 20.09.1996 und) 15.04.1897, wie in der Verfügung vom 06.08.2002 ausgeführt.

3. Die verschiedenen Rechnungen, die nach dem Sachvortrag der Klägerin aus verschiedenen Werkverträgen und Kaufverträgen mit der Beklagten resultieren, stellen jeweils gesonderte Streitgegenstände dar. Für die unterschiedlichen Streitgegenstände ergeben sich im vorliegenden Fall nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung unterschiedliche Gerichtsstände und unterschiedliche örtliche Zuständigkeiten. Dementsprechend hatte der Senat gem. § 36 Abs. 1 Ziffer 6 ZPO für die Geltendmachung der verschiedenen Rechnungen jeweils verschiedene Gerichte (Landgericht Mosbach und Landgericht Leipzig) als zuständig zu bestimmen. Weder § 36 Abs. 1 Ziffer 6 ZPO noch eine andere Vorschrift der Zivilprozessordnung gibt in einem derartigen Fall dem Senat im Rahmen der Zuständigkeitsbestimmung die Möglichkeit, aus Zweckmäßigkeitsgründen ein einheitliches Gericht als zuständig für sämtliche verschiedenen Streitgegenstände zu bestimmen. Für eine entsprechende erweiternde Auslegung bietet das Gesetz in § 36 Abs. 1 ZPO keinen Ansatz. Die Zuständigkeitsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Ziffer 6 ZPO kann nichts daran ändern, dass verschiedene Streitgegenstände gegen dieselbe Beklagte gegebenenfalls vor verschiedenen Gerichten geltend gemacht werden müssen, wenn eine einheitliche örtliche Zuständigkeit nicht gegeben ist (vgl. BayObLG NJW-RR 1999, 1293).

4. Soweit die Klägerin mit der Klage einen Restbetrag aus der Rechnung vom 03.11.1995 über DM 1.172,51 nebst Zinsen geltend macht, ist das Landgericht Mosbach zuständig.

a) Am 03.11.1995 wohnte die Beklagte im Bezirk des Landgerichts Mosbach in Wertheim-Kembach. Dementsprechend ist das Landgericht Mosbach für die Restforderung aus dieser Rechnung, der ein Kaufvertrag zugrunde liegt, unter dem Gesichtspunkt des Erfüllungsortes zuständig (§§ 29 Abs. 1 ZPO, 269 Abs. 1 BGB). Die Voraussetzungen für eine Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Leipzig lagen hinsichtlich dieses Teiles des Streitgegenstandes nicht vor.

b) Das Landgericht Leipzig ist wegen der Restforderung aus der Rechnung vom 03.11.1995 auch nicht zuständig geworden gemäß § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO. Der Beschluss des Landgerichts Mosbach vom 02.05.2002 ist hinsichtlich der Restforderung aus der Rechnung vom 03.11.1995 - ausnahmsweise - als nicht bindend anzusehen, da die Entscheidung des Landgerichts Mosbach insoweit als objektiv willkürlich erscheint im Sinne der Grundsätze der Rechtsprechung zu § 281 ZPO (vgl. hierzu Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., 2002, § 281 ZPO Rn. 17 ff.). Das Landgericht Mosbach hat bei seiner Entscheidung, wie sich aus den Gründen des Beschlusses vom 02.05.2002 ergibt, gesehen, dass für die unterschiedlichen Streitgegenstände nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung teilweise unterschiedliche örtliche Zuständigkeiten gegeben sind. Das Landgericht Mosbach hat dennoch den Rechtsstreit als ganzes - auch hinsichtlich der restlichen Kaufpreisforderung aus der Rechnung vom 03.11.1995 - an das Landgericht Leipzig verwiesen mit der Begründung, das Landgericht Leipzig sei jedenfalls als Gericht des derzeitigen Wohnsitzes der Beklagten für alle Streitgegenstände zuständig.

Soweit für Teile des Streitgegenstandes eine örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Mosbach unter dem Gesichtspunkt des Erfüllungsortes gegeben ist, erscheint die Entscheidung des Landgerichts Mosbach willkürlich; denn es gibt für die gewählte Verfahrensweise keine gesetzliche Grundlage. § 281 ZPO erlaubt eine Verweisung des Rechtsstreits nur dann, wenn das angegangene Gericht unzuständig ist. Es gehört zu den Grundsätzen der Zivilprozessordnung, dass bei einer objektiven Klagehäufung sämtliche Prozessvoraussetzungen für jeden Anspruch gesondert zu prüfen sind (Zöller/Greger, a.a.O., § 260 ZPO Rn. 1 a m.N.). Dementsprechend hätte das Landgericht Mosbach die Voraussetzungen des § 281 Abs. 1 ZPO für jeden Anspruch gesondert prüfen und das Verfahren gegebenenfalls abtrennen müssen. Eine einheitliche Behandlung der verschiedenen Streitgegenstände (mit unterschiedlichen Gerichtsständen) aus Gründen der Prozessökonomie ist durch § 281 Abs. 1 ZPO nicht gedeckt. Eine Durchbrechung der Zuständigkeitsregelungen der Zivilprozessordnung aus Zweckmäßigkeitserwägungen würde dem Grundsatz des gesetzlichen Richters (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 1 ZPO Rn. 2) widersprechen.

5. Soweit die Klägerin Forderungen aus den Rechnungen vom 23.07.1996, vom 20.09.1996 und vom 15.04.1997 geltend macht, ist das Landgericht Leipzig zuständig. Die Zuständigkeit des Landgerichts Leipzig ergibt sich hinsichtlich dieser Forderungen aus § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO. Der Beschluss des Landgerichts Mosbach vom 02.05.2002 ist - wegen dieser Rechnungen - bindend. Der Verweisungsbeschluss kann insoweit nicht als objektiv willkürlich angesehen werden.

a) Im Bezirk des Landgerichts Leipzig ist ein Gerichtsstand für die Geltendmachung der Ansprüche gegen die Beklagte gegeben, da die Beklagte heute dort wohnt (Gerichtsstand des Wohnsitzes gem. § 13 ZPO).

b) Soweit das Landgericht Mosbach eine eigene Zuständigkeit - auch unter dem Gesichtspunkt des Erfüllungsortes - für die genannten Rechnungen verneint hat, ist die Entscheidung des Landgerichts Mosbach zumindest vertretbar und daher nicht objektiv willkürlich.

aa) Die Rechnungen vorn/20.09.1996 und vom 15.04.1997 betreffen Kaufpreisansprüche der Klägerin gegen die Beklagte. Die Beklagte ist nach ihren Angaben im Schriftsatz vom 17.01.2002 am 15.09.1996 umgezogen und wohnte seit diesem Zeitpunkt nicht mehr in Wertheim-Kembach (andere Feststellungen zum früheren Wohnsitz der Beklagten nicht vor). Dementsprechend lässt sich ein Gerichtsstand des Erfüllungsortes gem. § 269 Abs. 1 BGB (Wohnsitz zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses) für die Rechnungen vom 20.09.1996 und vom 15.04.1997 nicht feststellen.

bb) Die Rechnung vom 23.07.1996 betrifft - nach dem Sachvortrag der Klägerin - eine Kfz-Reparatur. Am 23.07.1996 hat die Beklagte zwar noch im Bezirk des Landgerichts Mosbach gewohnt. Das Landgericht Mosbach hält bei einer Klage auf Zahlung des Werklohnes nach einer Kfz-Reparatur jedoch den Ort der Reparaturwerkstatt für maßgeblich im Rahmen von § 29 ZPO. Diese Rechtsauffassung erscheint zumindest vertretbar (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 29 ZPO Rn. 26 "Werkvertrag"). Die Reparatur wurde nach der vorgelegten Rechnung durchgeführt in 63928 Eichenbühl im Bezirk des Landgerichts Aschaffenburg. Für die Klage auf Zahlung des Werklohnes war das Landgericht Mosbach daher - hinsichtlich des Erfüllungsortes von der vertretbaren Auffassung des Landgerichts Mosbach ausgehend - auch unter dem Gesichtspunkt des Erfüllungsorts nicht zuständig.

6. Hinsichtlich der Mahnkosten ist das Landgericht Leipzig zuständig gem. § Abs. 2 S. 4 ZPO. Der Beschluss des Landgerichts Mosbach vom 05.043.2002 ist auch hinsichtlich der Mahnkosten nicht willkürlich.

In Leipzig ist der Gerichtsstand des Wohnsitzes (§ 3 ZPO) gegeben. Soweit das Landgericht Mosbach in seinem Bezirk für die Mahnkosten keinen Gerichtsstand gesehen hat, ist dies zumindest vertretbar. Aus dem Sachvortrag des Kläger-Vertreters ergibt sich nicht, welcher der verschiedenen Rechnungen (verschiedenen Hauptforderungen) die Mahnkosten in welcher Höhe zuzuordnen sind. Da für die Hauptforderungen unterschiedliche Erfüllungsorte gelten (siehe oben), ist ein/ Erfüllungsort für die Mahnkosten in Höhe von DM 182,95 im Bezirk des Landgericht Mosbach nicht sicher festzustellen.

7. Das Verfahren ist derzeit anhängig beim Landgericht Mosbach. Durch die Entscheidung des Senats wird das Landgericht Mosbach teilweise örtlich unzuständig. Auf einen von der Klägerin im weiteren Verfahren zu stellenden Antrag gem. § 281 Abs. 1 ZPO wird das Landgericht Mosbach den Teil der Klage, für den der Senat die Zuständigkeit des Landgerichts Leipzig bestimmt hat, abzutrennen und an das Landgericht Leipzig zu verweisen haben. Die Entscheidung des Senats bewirkt nach dem Wortlaut des Gesetzes in § 36 Abs. 1 ZPO nur eine rechtliche Festlegung der Zuständigkeit, nicht jedoch eine unmittelbare Veränderung der Anhängigkeit des Rechtsstreits. Dementsprechend kann das Landgericht Leipzig über den Teil der Klage, für welchen dieses Gericht zuständig ist, erst nach einer entsprechenden (Teil-) Verweisung durch das Landgericht Mosbach entscheiden (vgl. zur Verfahrensweise bei nachträglicher Unzuständigkeit aufgrund einer Gerichtsstandsbestimmung OLG Düsseldorf, Rechtspfleger 1978, 184; BayObLGZ 1992, 89, 90; OLGR Zweibrücken 1998, 454; Vollkommen Rechtspfleger 1977, 143; anders - keine Verweisung erforderlich - Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 37 ZPO Rn. 7; Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl., 1993, § 36 ZPO Rn. 2).

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