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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 18.06.2004
Aktenzeichen: 15 AR 8/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 33
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3
1. Erhebt der Beklagte in einem Verfahren vor dem Landgericht eine streitgenössische Drittwiderklage über einen Betrag von nicht mehr als 5000 €, so ist das Landgericht nur für die Widerklage gegen den Kläger, nicht jedoch für die Widerklage gegen den Drittwiderbeklagten sachlich zuständig.

2. Eine Bestimmung des zuständigen Gerichts für die Widerklage analog § 36 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO kommt in einem derartigen Fall nicht in Betracht, wenn der Beklagte die Möglichkeit gehabt hätte, die Ansprüche gegen den Kläger und den Drittwiderbeklagten als Streitgenossen im Wege der Klage bei einem Amtsgericht geltend zu machen, das für beide Streitgenossen örtlich zuständig ist.


Oberlandesgericht Karlsruhe 15. Zivilsenat Beschluss

Geschäftsnummer: 15 AR 8/04

18. Juni 2004

In dem Rechtsstreit

wegen Gerichtsstandsbestimmung

Tenor:

1. Der Antrag der Antragstellerin auf Gerichtsstandsbestimmung wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Gegenstandswert für das Verfahren der Gerichtsstandsbestimmung wird auf 800 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsgegner Ziffer 1 hat im Verfahren 5 O 292/03 des Landgerichts Heidelberg Klage erhoben gegen die Antragstellerin. Er macht einen Betrag in Höhe von 11.330,36 € nebst Zinsen geltend.

Mit Schriftsatz vom 05.02.2004 hat die Antragstellerin - Beklagte im Verfahren des Landgerichts Heidelberg - Widerklage gegen den Antragsgegner Ziffer 1 - Kläger im Verfahren des Landgerichts Heidelberg - über einen Betrag in Höhe von 2.903,96 € nebst Zinsen erhoben. Die Widerklage richtet sich in gleicher Höhe auch gegen den Antragsgegner Ziffer 2, der im Verfahren des Landgerichts Heidelberg bis dahin nicht beteiligt war, als Drittwiderbeklagten. Der Antragsgegner Ziffer 1 hat seinen Wohnsitz im Bezirk des Landgerichts Heidelberg, während der Antragsgegner Ziffer 2 (Drittwiderbeklagter) seinen Wohnsitz im Bezirk des Landgerichts Mannheim hat.

Mit Schriftsatz vom 23.02.2004 hat der Drittwiderbeklagte im Verfahren des Landgerichts Heidelberg die örtliche und die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts Heidelberg hinsichtlich der gegen ihn gerichteten Widerklage gerügt.

Die Antragstellerin bittet um eine Gerichtsstandsbestimmung für die Widerklage im Verfahren des Landgerichts Heidelberg. Sie beantragt, das Landgericht Heidelberg als sachlich und örtlich zuständig zu bestimmen für die dortige Widerklage gegen beide Antragsgegner. Die Antragsgegner treten diesem Antrag entgegen.

II.

Der Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung war zurückzuweisen. Denn die Voraussetzungen für eine Entscheidung gemäß § 36 Abs. 1 Ziffer 3 ZPO liegen nicht vor.

1. Das Oberlandesgericht Karlsruhe ist zur Entscheidung im Verfahren der Gerichtsstandsbestimmung zuständig gemäß § 36 Abs. 1 ZPO.

2. Das Landgericht Heidelberg ist nur für die Widerklage gegen den Antragsgegner Ziffer 1 (örtlich und sachlich) zuständig. Wird gegen den Kläger in einem Verfahren vor dem Landgericht eine Widerklage gemäß § 33 Abs. 1 ZPO erhoben, so ist die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts für die Widerklage auch dann gegeben, wenn sie als Klage (bei einem Streitwert bis 5.000 €) vor das Amtsgericht gehören würde (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl. 2004, § 33 ZPO Rn. 12 m.N.). Dies gilt allerdings nicht für die Drittwiderklage gegen den Antragsgegner Ziffer 2. § 33 Abs. 1 ZPO begründet für die Einbeziehung eines Drittwiderbeklagten weder die örtliche noch die sachliche Zuständigkeit. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der gegen einen - bisher am Prozess nicht beteiligten - Dritten gerichteten Widerklage müssen sich vielmehr aus den allgemeinen Vorschriften der Zivilprozessordnung ergeben (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl. 2002, § 33 ZPO Rn. 13). Bei einem Streitwert von weniger als 5.000 € ist dementsprechend die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts Heidelberg für die (Dritt-) Widerklage gegen den Antragsgegner Ziffer 2 nicht gegeben.

Die Rechtsprechung hat in derartigen Fällen, in denen der Kläger und ein Dritter im Wege der Widerklage als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden sollen, vielfach eine Gerichtsstandsbestimmung in entsprechender Anwendung von § 36 Abs. 1 Ziffer 3 ZPO vorgenommen, um eine gemeinsame Verhandlung der Widerklage gegen beide Widerbeklagte zu ermöglichen (vgl. für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit bei einer Widerklage BGH, NJW 2000, 1871). Eine solche Gerichtsstandsbestimmung kommt vorliegend jedoch nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Ziffer 3 ZPO - bei einer entsprechenden Anwendung dieser Vorschrift - nicht gegeben sind.

3. Eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Ziffer 3 ZPO scheidet aus, wenn an sich ein gemeinschaftlicher Gerichtsstand gegeben ist. Dies gilt auch dann, wenn die Klageansprüche im Wege der Widerklage verfolgt werden sollen (BGH, NJW 2000, 1871). Die Bestimmung eines gemeinsam zuständig Gerichts kommt generell dann nicht in Betracht, wenn die Antragstellerin auch ohne Gerichtsstandsbestimmung die Möglichkeit hat - oder die Möglichkeit gehabt hätte - ihre Ansprüche gegen die beiden Widerbeklagten vor einem gemeinsam zuständigen Gericht geltend zu machen. So liegt der Fall hier: Die Antragstellerin hätte eine gemeinsame Verhandlung über ihre Ansprüche gegen die beiden Widerbeklagten erreichen können, wenn sie eine entsprechende Klage beim Amtsgericht Heidelberg erhoben hätte. Wenn es bereits ein gemeinsam zuständiges Gericht (das Amtsgericht Heidelberg) gibt, besteht für eine Gerichtsstandsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Ziffer 3 ZPO (analog) kein Bedürfnis.

Die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Heidelberg für eine etwaige gemeinsame Klage der Antragstellerin gegen die beiden Antragsgegner ergibt sich aus dem Streitwert (§ 23 Ziffer 1 GVG). Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Heidelberg ergibt sich aus § 29 Abs. 1 ZPO (Gerichtsstand des Erfüllungsorts). Die Antragstellerin macht Ansprüche geltend gegen die Widerbeklagten in deren Eigenschaft als Gesellschafter der E. Networking GbR. Die Forderungen sind nach dem Sachvortrag der Antragstellerin Anfang 2001 entstanden. Nach den vorhandenen Unterlagen (Rechnungen der Antragstellerin an die E. Networking und eigene Rechnungen der E. Networking) hatte die E. Networking GbR noch 2001 einen (Verwaltungs-) Sitz unter der Anschrift I. B. in H.. Gemäß § 269 Abs. 1 BGB ist der Verwaltungssitz der GbR zum Zeitpunkt der Entstehung des Schuldverhältnisses maßgeblich für den Erfüllungsort, an dem die GbR ihre Zahlungsverpflichtung zu erfüllen hatte (vgl. BayObLG, MDR 2002, 1360). Dieser Erfüllungsort ist auch maßgeblich für den Erfüllungsort, an dem die beiden Gesellschafter ihre Verpflichtungen zu erfüllen hatten (vgl. BayObLG a.a.O.). Daraus ergibt sich auch für die beiden Antragsgegner Heidelberg als Erfüllungsort.

4. Die Entscheidung des Senats bedeutet im Ergebnis zwar, dass eine gemeinsame Verhandlung der Widerklage gegen die beiden Widerbeklagten nicht mehr möglich ist (wenn die Antragstellerin die Widerklage im Verfahren vor dem Landgericht Heidelberg nicht vollständig zurücknimmt), weil das Landgericht Heidelberg nur für die Widerklage gegen den Antragsgegner Ziffer 1 zuständig ist. Diese Konsequenz entspricht jedoch der gesetzlichen Regelung in § 36 Abs. 1 Ziffer 3 ZPO: Wenn die Antragstellerin sich entschließt, eine Klage gegen mehrere Streitgenossen vor einem Gericht geltend zu machen, das nur für die Klage gegen einen Streitgenossen zuständig ist, obwohl eine Klageerhebung vor einem gemeinsam zuständigen Gericht möglich gewesen wäre (Amtsgericht Heidelberg), ist dies nachträglich nicht mehr durch eine Gerichtsstandsbestimmung korrigierbar.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

6. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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