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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 14.01.2005
Aktenzeichen: 15 U 13/03
Rechtsgebiete: BGB, UKlaG, BefBedV


Vorschriften:

BGB § 13
BGB § 305 Abs. 1
BGB §§ 307 ff.
BGB § 307 Abs. 1
BGB § 307 Abs. 2
BGB § 307 Abs. 3
BGB § 307 Abs. 3 Satz 1
BGB § 308
BGB § 309
UKlaG § 3
BefBedV § 4 Abs. 6
BefBedV § 6 Abs. 2
BefBedV § 6 Abs. 6
BefBedV § 8
BefBedV § 8 Abs. 1
BefBedV § 8 Abs. 2
BefBedV § 8 Abs. 3
BefBedV § 8 Abs. 1 Satz 1 1. Halbs.
BefBedV § 8 Abs. 1 Satz 2
BefBedV § 8 Abs. 3 Satz 3
1. Die Allgemeinen Beförderungsbedingungen eines Unternehmens des öffentlichen Nahverkehrs (beispielsweise eines regionalen Verkehrsverbundes) unterliegen nicht der Klauselkontrolle gemäß §§ 307 ff. BGB, soweit sie mit den Regelungen in der Verordnung über die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Straßenbahn- und Obusverkehr sowie den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen vom 27.7.1970 (Beförderungsbedingungenverordnung) inhaltlich übereinstimmen.

2. Die Beförderungsbedingungenverordnung ist nicht unwirksam wegen eines Verstoßes gegen Europäisches Recht. Die Richtlinie 93/13 EWG vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen erlaubt keine gerichtliche Kontrolle von Rechtsnormen (wie beispielsweise der Beförderungsbedingungenverordnung).


Oberlandesgericht Karlsruhe 15. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 15 U 13/03

Verkündet am 14. Januar 2005

In dem Rechtsstreit

wegen unzulässiger Allgemeiner Geschäftsbedingungen

hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 14. Januar 2005 unter Mitwirkung von

Richter am Oberlandesgericht Schulte-Kellinghaus Richter am Oberlandesgericht Doderer Richter am Oberlandesgericht Dr. Guttenberg

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 09. Dezember 2002 - 10 O 252/02 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist für die Beklagte wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.500 €, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beklagte betreibt Verkehrsverbund. Die Klägerin ist ein Verband im Sinne von § 3 UKlaG, der Verbraucherinteressen wahrnimmt.

Die Beklagte verwendet bei der Beförderung ihrer Kunden Allgemeine Geschäftsbedingungen, die in einem sogenannten "Gemeinschaftstarif" festgehalten sind (Anlagen LG K 1).

Die Klägerin hat erstinstanzlich insgesamt 13 verschiedene Klauseln aus dem Gemeinschaftstarif der Beklagten beanstandet mit der Begründung, es liege ein Verstoß gegen die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen (§§ 307 ff. BGB) vor. Die Beklagte hat die entsprechende Untersagungsklage der Klägerin für vier Klauseln anerkannt. Das Landgericht hat daraufhin der Klage entsprechend dem Anerkenntnis der Beklagten teilweise stattgegeben und im Übrigen die Verwendung einer weiteren von der Klägerin beanstandeten Klausel untersagt. Wegen der restlichen acht Klauseln, die die Klägerin beanstandet hatte, hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Von den vom Landgericht für rechtmäßig erachteten Klauseln beanstandet die Klägerin im Berufungsverfahren noch sechs Klauseln aus den Beförderungsbedingungen der Beklagten. Sie vertritt die Auffassung, die entsprechenden Bedingungen der Beklagten seien unwirksam wegen eines Verstoßes gegen §§ 307 ff. BGB und im Übrigen auch wegen eines Verstoßes gegen die Richtlinie 93/13/EWG vom 05.04.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen. Auf die Verordnung über die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Straßenbahn- und O-Bus-Verkehr sowie den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen vom 27.02.1970 (BefBedV) könne sich die Beklagte nicht berufen, da die von der Klägerin beanstandeten Beförderungsbedingungen teilweise von dieser Verordnung abwichen und im Übrigen die Verordnung nicht den Vorgaben der Richtlinie 93/13/EWG entspreche.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 09.12.2002 - 10 O 252/02 - dahingehend abzuändern, dass der Beklagten zusätzlich untersagt wird, gegenüber Verbrauchern gem. § 13 BGB die nachfolgenden oder inhaltsgleiche Klauseln in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit entgeltlichen Beförderungsverträgen zu verwenden oder sich auf diese Klauseln zu berufen:

f) Bei Verunreinigung von Fahrzeugen, Betriebsanlagen oder -einrichtungen werden die von den einzelnen Verkehrsunternehmen festgesetzten Reinigungskosten erhoben, weitergehende Ansprüche bleiben unberührt.

g) Fahrausweise, die entgegen den Vorschriften der Beförderungsbedingungen oder des Tarifs benutzt werden, sind ungültig und können eingezogen werden; dies gilt insbesondere für Fahrausweise, die nur in Verbindung mit einer Zeitkarte gelten, wenn diese nicht vorgezeigt werden kann.

h) Ein Fahrausweis, der nur in Verbindung mit einer Bescheinigung oder einem in den Tarifbestimmungen vorgesehenen Personalausweis zur Beförderung berechtigt, ist ungültig und kann eingezogen werden, wenn die Bescheinigung oder der Personalausweis auf Verlangen nicht vorgezeigt wird.

i) Fahrgeld für eingezogene Fahrausweise wird nicht erstattet.

j) Ersatzansprüche, insbesondere für Zeitverluste oder Verdienstausfälle, sind ausgeschlossen.

k) Ein Anspruch auf Erstattung besteht nicht ... 2. bei gemäß § 8 als ungültig eingezogenen Fahrausweisen, ...

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die von der Klägerin beanstandeten Klauseln in ihren Beförderungsbedingungen für wirksam. Sie sieht insbesondere eine vollständige Übereinstimmung der Klauseln mit den entsprechenden Regelungen der Beförderungsbedingungenverordnung (BefBedV).

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Es gibt keine rechtliche Grundlage, der Beklagten die Verwendung der von der Klägerin beanstandeten Klauseln in den Beförderungsbedingungen zu untersagen. Denn die Klauseln sind rechtswirksam.

1. Die von der Klägerin in ihren Beförderungsbedingungen verwendeten Klauseln sind Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB. Sie sind nicht unwirksam wegen eines Verstoßes gegen §§ 307 ff. BGB; denn es handelt sich bei den von der Klägerin im Berufungsverfahren beanstandeten Klauseln sämtlich um solche Regelungen, die nicht von Rechtsvorschriften abweichen, so dass eine Inhaltskontrolle gem. §§ 307 Abs. 1, Abs. 2, 308, 309 BGB zu unterbleiben hat. Diese Einschränkung ergibt sich aus § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. Die Privilegierung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die mit Rechtsvorschriften übereinstimmen, gilt auch im Falle einer Rechtsverordnung wie der Beförderungsbedingungenverordnung vom 27.02.1970; denn auch bei einer "Rechtsverordnung" handelt es sich um eine Rechtsvorschrift im Sinne von § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB (Art. 2 EGBGB; vgl. auch Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 64. Aufl. 2005, § 307 BGB, Rn. 64). Die Privilegierung bewirkt, dass es auf die von Klägerseite aufgezeigten inhaltlichen Bedenken gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten nicht ankommt.

Die verschiedenen beanstandeten Klauseln weichen nicht von den Regelungen in der Beförderungsbedingungenverordnung vom 27.02.1970 ab:

a) "Bei Verunreinigung von Fahrzeugen, Betriebsanlagen oder -einrichtungen werden die von den einzelnen Verkehrsunternehmen festgesetzten Reinigungskosten erhoben, weitergehende Ansprüche bleiben unberührt." (Klageantrag f):

Die Bestimmung weicht nicht ab von der Rechtsvorschrift in § 4 Abs. 6 BefBedV. Der geringfügige Unterschied im Wortlaut ("Betriebsanlagen oder -einrichtungen" statt "Betriebsanlagen" und "von den einzelnen Verkehrsunternehmen" statt "vom Unternehmer") ist inhaltlich ohne Bedeutung.

b) "Fahrausweise, die entgegen den Vorschriften der Beförderungsbedingungen oder des Tarifs benutzt werden, sind ungültig und können eingezogen werden; dies gilt insbesondere für Fahrausweise, die nur in Verbindung mit einer Zeitkarte gelten, wenn diese nicht vorgezeigt werden kann." (Klageantrag g):

aa) Der erste Halbsatz dieser Bedingung stimmt vollständig überein mit § 8 Abs. 1 Satz 1 1. Halbs. BefBedV. Die Einschränkung "können eingezogen werden" (statt: "werden eingezogen") ist für die Kunden der Beklagten günstig und kann nicht die Unwirksamkeit der Bedingung zur Folge haben.

bb) Die Regelung im zweiten Halbsatz (für Fahrausweise in Verbindung mit einer Zeitkarte) hat keinen inhaltlichen Gehalt, der über die Regelung im ersten Halbsatz hinausgehen würde. Der zweite Halbsatz enthält vielmehr lediglich einen (konkretisierenden) Unterfall der Bestimmung im ersten Halbsatz.

Aus § 6 Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 6 der Beförderungsbedingungen der Beklagten ergibt sich, dass ein Fahrgast seine Zeitkarte auch dann immer mit sich führen und zur Prüfung vorzeigen muss, wenn er (bei Überschreiten des Geltungsbereichs der Zeitkarte) einen Zusatz-Fahrausweis benutzt, der nur in Verbindung mit der Zeitkarte Gültigkeit hat. Die Benutzung eines solchen Zusatz-Fahrausweises durch einen Fahrgast, der seine Zeitkarte nicht mit sich führt, verstößt mithin gegen die Vorschriften der Beförderungsbedingungen. Dementsprechend kann in diesem Fall der Fahrausweis bereits nach der Regelung im Klageantrag g) 1. Halbsatz (entspricht § 8 Abs. 1 Satz 1 1. Halbs. BefBedV) eingezogen werden. Da die Regelung im Klageantrag g) 2. Halbsatz mithin nicht über den ersten Halbsatz hinausgeht, gilt auch für den zweiten Halbsatz die Privilegierung gem. § 307 Abs. 3 BGB.

c) "Ein Fahrausweis, der nur in Verbindung mit einer Bescheinigung oder einem in den Tarifbestimmungen vorgesehenen Personalausweis zur Beförderung berechtigt, ist ungültig und kann eingezogen werden, wenn die Bescheinigung oder der Personalausweis auf Verlangen nicht vorgezeigt wird." (Klageantrag h):

Die Bestimmung ist inhaltlich identisch mit § 8 Abs. 2 BefBedV.

d) "Fahrgeld für eingezogene Fahrausweise wird nicht erstattet." (Klageantrag i):

Die Bestimmung ist inhaltlich identisch mit § 8 Abs. 1 Satz 2 BefBedV.

e) "Ersatzansprüche, insbesondere für Zeitverluste oder Verdienstausfälle, sind ausgeschlossen." (Klageantrag j):

Die entsprechende Regelung in den Beförderungsbedingungen der Beklagten bezieht sich nur auf eventuelle Ersatzansprüche bei der Einziehung ungültiger Fahrausweise. Dies ergibt sich unmittelbar aus der Systematik und aus dem Zusammenhang der Bestimmung in § 8 Abs. 3 Satz 3 des Gemeinschaftstarifs der Beklagten; sämtliche Bestimmungen in § 8 des Gemeinschaftstarifs befassen sich ausschließlich mit ungültigen Fahrausweisen und deren Einziehung. Der Ausschluss von Ersatzansprüchen in diesen Fällen entspricht der Gesetzeslage.

Nach den Regelungen in § 8 des Gemeinschaftstarifs ist die Beklagte in bestimmten Fällen berechtigt, ungültige Fahrausweise von Fahrgästen einzuziehen. Wenn die Beklagte gegenüber einem Fahrgast von diesem vertraglichen Recht Gebrauch macht, schließt dies - wegen der vertraglichen Regelung - eine Pflichtverletzung der Beklagten aus, so dass vertragliche Ersatzansprüche oder Ersatzansprüche aus unerlaubter Handlung von vornherein ausgeschlossen sind. Die beanstandete Klausel enthält mithin lediglich eine rechtliche Selbstverständlichkeit.

Die Beförderungsbedingungen der Beklagten regeln in § 8 Abs. 1 und Abs. 2 ausdrücklich, unter welchen Voraussetzungen Fahrausweise eingezogen werden können. § 8 Abs. 3 der Beförderungsbedingungen regelt die Folgen einer Einziehung gem. § 8 Abs. 1 und Abs. 2 der Beförderungsbedingungen. § 8 Abs. 3 der Beförderungsbedingungen kann daher von vornherein - entgegen der Auffassung der Klägerin - nur für eine (gem. § 8 Abs. 2 und Abs. 3 der Beförderungsbedingungen) berechtigte Einziehung gelten. Auf die unberechtigte Einziehung eines Fahrausweises durch die Beklagte ist § 8 Abs. 3 der Beförderungsbedingungen - einschließlich des Ausschlusses von Ersatzansprüchen - von vornherein nicht anwendbar.

f) "Ein Anspruch auf Erstattung besteht nicht ... 2. bei gemäß § 8 als ungültig eingezogenen Fahrausweisen, ..." (Klageantrag k):

Die Regelung stimmt inhaltlich überein mit § 8 Abs. 1 Satz 2 BefBedV.

2. Die beanstandeten Klauseln in den Beförderungsbedingungen der Beklagten sind auch nicht unwirksam wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen.

a) Art. 1 Abs. 2 RL 93/13/EWG enthält eine Regelung, die inhaltlich § 307 Abs. 3 BGB entspricht. Der Begriff "bindende Rechtsvorschriften" ist insoweit weit auszulegen. Es sind insbesondere auch solche Rechtsvorschriften gemeint, die dann zwischen den Vertragsparteien gelten sollen, wenn nichts Anderes vereinbart wurde (vgl. hierzu die 13. Erwägung der Richtlinie). Das heißt: Die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen steht den beanstandeten Beförderungsbedingungen der Beklagten gem. Art. 1 Abs. 2 RL 93/13/EWG nicht entgegen, da die Beförderungsbedingungen der Beklagten nicht über die gesetzlichen Regelungen, insbesondere die Regelungen in der Beförderungsbedingungenverordnung vom 27.02.1970 hinausgehen (ebenso für die Vorschriften der Eisenbahnverkehrsverordnung AG Berlin-Lichtenberg, Transportrecht 2001, 212, 213; AG Frankfurt, NZV 2001, 132; LG Frankfurt, NJW 2003, 3641; LG Dortmund, NJW-RR 2004, 638; Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 307 BGB Rn. 56 möchte das gleiche Ergebnis aus Art. 4 Abs. 2 RL 93/13/EWG herleiten).

b) Die Frage, ob und inwieweit die Beförderungsbedingungenverordnung den Grundsätzen der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen entspricht, hat der Senat nicht zu prüfen. Die Richtlinie geht davon aus, dass Bestimmungen, die auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, keine missbräuchlichen Vertragsklauseln enthalten und daher vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen werden (vgl. hierzu den Bericht der Kommission über die Anwendung der Richtlinie 93/13/EWG vom 27.04.2000 S. 16). Aus der 14. Erwägung der Richtlinie ergibt sich zwar, dass die Mitgliedsstaaten dafür sorgen sollen, dass ihre Rechtsvorschriften - wie beispielsweise die Beförderungsbedingungenverordnung - keine missbräuchlichen Klauseln im Sinne der Richtlinie enthalten. Die 14. Erwägung der Richtlinie sowie Art. 1 Abs. 2 RL 93/13/EWG verdeutlichen jedoch, dass sich diese Erwägung nur an den jeweiligen nationalen Gesetzgeber richten kann; die nationalen Gerichte können aufgrund dieser Erwägung keine Befugnis erhalten, nationale Rechtsvorschriften, die Vertragsbedingungen regeln, unter Berufung auf die Bestimmung in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie für unwirksam zu erklären (ebenso für die Vorschriften der Eisenbahnverkehrsordnung AG Berlin-Lichtenberg a.a.O.; AG Frankfurt a.a.O. und LG Dortmund a.a.O.; anders - für die Vorschriften der Eisenbahnverkehrsordnung - Staudinger, NJW 1999, 3664, 3668 und NJW 2004, 646).

Es gibt aus der Sicht der Richtlinie einen wesentlichen Unterschied zwischen einer Regelung von Vertragsbedingungen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen eines Unternehmers einerseits und durch Rechtsvorschriften des nationalen Gesetzgebers andererseits. Für die Richtlinie ist u.a. der Gesichtspunkt des Machtmissbrauchs eines Unternehmers bei der Formulierung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen wesentlich (vgl. die 9. Erwägung der Richtlinie). Dieser Umstand eines einseitigen Machtmissbrauchs kann bei einer Festlegung von Vertragsbedingungen durch den Gesetzgeber keine Rolle spielen. Es dürfte in diesem Zusammenhang manches dafür sprechen, dass dem deutschen Gesetzgeber ein gewisser Beurteilungsspielraum zustehen muss, wenn es um die Frage geht, ob und inwieweit in Rechtsvorschriften geregelte Vertragsbedingungen als missbräuchlich anzusehen sind (vgl. AG Frankfurt a.a.O.; LG Dortmund a.a.O.). Ein solcher Beurteilungsspielraum muss dem Gesetzgeber nicht nur bei der Regelung von Beförderungsbedingungen zustehen, sondern in gleicher Weise beispielsweise auch bei der Regelung von Vertragsbedingungen zum Werkvertragsrecht oder zum Kaufrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch.

c) Zu Unrecht beruft sich die Klägerin für ihre entgegenstehende Auffassung auf eine Entscheidung des EuGH vom 21.11.2002 (NJW 2003, 275). Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich dieser Entscheidung nicht entnehmen, dass die nationalen Gerichte die Befugnis hätten, nationale Rechtsvorschriften wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie für unwirksam zu erklären. Die Entscheidung des EuGH betraf lediglich die formelle Prüfungskompetenz der französischen Gerichte bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Hinblick auf ihre Missbräuchlichkeit nach Ablauf einer bestimmten Zeit. In der Entscheidung des EuGH ging es - anders als im vorliegenden Fall - nicht um materielle nationale Rechtsvorschriften, aus denen sich die Regelung bestimmter vertraglicher Bedingungen ergibt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.

4. Die Zulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO. Die Frage, ob den deutschen Gerichten eine Kompetenz zusteht, die Regelung von Vertragsbedingungen in Rechtsvorschriften im Hinblick auf die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen zu prüfen, hat nach Auffassung des Senats grundsätzliche Bedeutung.

Ende der Entscheidung

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