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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 25.02.2005
Aktenzeichen: 15 U 23/03
Rechtsgebiete: VVG


Vorschriften:

VVG § 67 Abs. 1
1. Der Luftfrachtbrief (Art. 5 WA 1955) dokumentiert das Vertragsverhältnis zwischen Absender und Luftfrachtführer. Überträgt der Luftfrachtführer den Transport einem Dritten als Unterfrachtführer, sind für die beiden Vertragsverhältnisse (Absender - Luftfrachtführer einerseits und Luftfrachtführer - Unterfrachtführer andererseits) zwei verschiedene Luftfrachtbriefe erforderlich.

2. Der im Verhältnis zum Unterfrachtführer ausgestellte Luftfrachtbrief führt gemäß Art. 9 WA 1955 die Haftungsbeschränkungen nach dem Warschauer Abkommen nur im Verhältnis zwischen Luftfrachtführer und Unterfrachtführer herbei, nicht jedoch im Verhältnis zwischen Absender und Luftfrachtführer.


Oberlandesgericht Karlsruhe 15. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 15 U 23/03

Verkündet am 25. Februar 2005

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 25. Februar 2005 unter Mitwirkung von

Richter am Oberlandesgericht Schulte-Kellinghaus Richter am Oberlandesgericht Doderer Richter am Oberlandesgericht Dr. Guttenberg

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 16. April 2003 - 15 O 68/01 KfH IV - wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 51.019,26 € zu zahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, maximal 9,42 %, seit dem 18.05.2001.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Hinsichtlich der Kosten der ersten Instanz verbleibt es bei der Entscheidung im Urteil des Landgerichts.

3. Die Streithelferin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beklagten; diese trägt die Beklagte selbst.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann eine Vollstreckung der Klägerin abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Es wird auf die tatsächlichen Feststellungen im Tatbestand des Urteils des Landgerichts Bezug genommen mit folgenden Ergänzungen:

Die Streitverkündete hat den Transport der Sendung wie folgt konkretisiert: Das Paket sei im Umschlaglager S. auf den Philippinen in einen Luftfrachtcontainer verbracht worden. Der Container sei verschlossen worden und mit einem Flugzeug zur Station in T. der Streitverkündeten transportiert worden. Beim Öffnen des Luftfrachtcontainers in T. sei die Sendung nicht mehr im Container vorhanden gewesen. In der fraglichen Zeitspanne des Transports des Luftfrachtcontainers von S. nach T. hätten keine Unbefugten Zugang zum Container gehabt. Der Container bleibe normalerweise auf diesem Weg zwischen S. und T. verschlossen.

Das Landgericht hat die Beklagte entsprechend dem Antrag des Klägers verurteilt. Das Landgericht hat ausgeführt, die Aktivlegitimation des Klägers ergebe sich teilweise aus eigenem Recht, teilweise aus der Rückabtretung der X.-Versicherungsgesellschaft. Inhalt und Wert der in Verlust geratenen Sendung seien nachgewiesen durch die vorgelegten Unterlagen und die Angaben der Zeugin Frau Y.. Die Beklagte habe gem. Art. 18 Abs. 1 WA 1955 den vollen Wert der in Verlust geratenen Schmuckwaren zu ersetzen. Auf eine Haftungsbegrenzung gem. Art. 22 Abs. 2 WA 1955 könne sich die Beklagte gem. Art. 25 WA 1955 nicht berufen, da der Schaden des Klägers durch ein vorsätzliches Handeln eines der "Leute" der Beklagten verursacht worden sei. Aus dem Sachvortrag der Streitverkündeten sei zwingend zu folgern, dass ein Mitarbeiter oder Subunternehmer der Streitverkündeten das Schmuck-Paket entwendet habe. Unter den gegebenen Umständen scheide jede andere Schadensursache aus.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Streitverkündeten. Sie greift die Ausführungen des Landgerichts zur qualifizierten Haftung der Beklagten an. Die Schlussfolgerung des Landgerichts, das Schmuckpaket müsse von einem Mitarbeiter entwendet worden sein, sei unzulässig. Die Beklagte habe ausreichend dargelegt, dass sie durch eine entsprechende Transportorganisation (Sicherheitsvorkehrungen und Schnittstellenkontrollen) alles Erdenkliche getan habe, um Schadensfälle zu vermeiden.

Die Streitverkündete beantragt,

das am 16. April 2003 verkündete Urteil des Landgerichts Karlsruhe, Az.: 15 O 68/01 KfH IV -, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das Urteil des Landgerichts. Wenn man den Sachvortrag der Streitverkündeten als richtig unterstelle, scheide - entsprechend den Feststellungen des Landgerichts - jede andere Möglichkeit als ein Diebstahl eines Mitarbeiters der Streitverkündeten als Schadensursache aus. Fürsorglich bestreitet der Kläger die Darstellung der Beklagten zu ihrer Transportorganisation. Außerdem seien die Darlegungen der Beklagten zu Organisation und Ablauf des Transports teilweise unzureichend.

Die Beklagte tritt der Berufung der Streitverkündeten nicht entgegen; sie stellt jedoch keinen Antrag.

II.

Die zulässige Berufung, die die Streitverkündete im Namen der Beklagten eingelegt hat (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, Zivilprozessordnung, 25. Aufl. 2005, vor § 511 ZPO Rn. 24), ist lediglich wegen der Zinsen in geringem Umfang begründet. Wegen der Hauptforderung ist die Berufung unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht die Beklagte zum Schadensersatz in Höhe von 51.019,26 € verurteilt.

1. Die Haftung der Beklagten beruht auf Art. 18 Abs. 1 WA 1955.

Die Voraussetzungen für eine Anwendung der Haftungsregelungen des Warschauer Abkommens von 1955 liegen vor. Zwischen dem Kläger und der Beklagten ist ein Vertrag im Sinne von Art. 1 Abs. 1, Abs. 2 WA 1955 zustande gekommen über eine internationale Beförderung durch Luftfahrzeuge von Deutschland nach Japan. Beide Länder gehören zu den Vertragsstaaten des Warschauer Abkommens von 1955 (vgl. Koller, Transport, 5. Aufl. 2004, Art. 1 WA 1955 Rn. 11). Es handelt sich um einen Vertrag zu festen Kosten, der den Normen des Warschauer Abkommens unterworfen ist (vgl. Koller, a.a.O., Art. 1 WA 1955, Rn. 4). Die Beklagte ist Luftfrachtführerin im Sinne des Warschauer Abkommens. Der Umstand, dass die Beklagte den Lufttransport nicht selber ausführen wollte, sondern schon bei Vertragsschluss beabsichtigt hatte, die Streitverkündete als Unterfrachtführerin zu beauftragen, ändert hieran nichts (vgl. Koller, a.a.O., Art. 1 WA 1955 Rn. 3).

Die Beklagte hat dem Kläger den Wert der Schmucksendung zu ersetzen, da das Paket während der Luftbeförderung in Verlust geraten ist (Art. 18 Abs. 1, Abs. 2 WA 1955). Der Verlust während des Zeitraums der Luftbeförderung ist unstreitig.

Der Kläger ist teilweise als Absender aus eigenem Recht aktiv legitimiert (vgl. zur Berechtigung des Absenders Koller, Art. 13 WA 1955 Rn. 4). Soweit der Schadensersatzanspruch des Klägers gem. § 67 Abs. 1 VVG teilweise auf den Versicherer übergegangen ist, ergibt sich die Aktivlegitimation aus der Rückabtretung der X.-Versicherungsgesellschaft. Die entsprechenden Feststellungen des Landgerichts hat die Berufung nicht angegriffen.

Der Wert der verlorenen Sendung beträgt entsprechend der vorgelegten Verkaufsrechnung (Anlagen LG K 1) 99.785 DM = 51.019,26 €. Die Feststellungen des Landgerichts zum Inhalt und zum Wert des Schmuckpakets sind im Berufungsverfahren unstreitig.

2. Die Beklagte kann sich nicht auf eine Haftungsbeschränkung gem. Art. 22 Abs. 2 WA 1955 (250 Franken für das Kilogramm) berufen. Einer Haftungsbeschränkung steht Art. 9 WA 1955 entgegen. Es fehlt ein dieser Vorschrift entsprechender Luftfrachtbrief, in welchem der Kläger als Absender auf die Haftungsbeschränkung der Beklagten als Luftfrachtführerin hingewiesen worden wäre.

a) Einen Luftfrachtbrief, der Art. 9 WA 1955 genügen würde, gibt es nicht. Insbesondere kann sich die Beklagte nicht auf den als Anlagen LG K 5 vorgelegten "Internationalen Luftfrachtbrief" berufen.

Ein Luftfrachtbrief dokumentiert grundsätzlich - ebenso wie die Frachtbriefe bei anderen Transporten - nicht einen Transport als solchen, sondern einen bestimmten Vertrag zwischen zwei Vertragspartnern. Im vorliegenden Fall sind zwei verschiedene Lufttransportverträge abgeschlossen worden: Zum einen hat der Kläger als Absender die Beklagte als Luftfrachtführerin mit einem Transport beauftragt; zum anderen hat die Beklagte - insoweit als Absenderin - die Streitverkündete als (Unter-)Frachtführerin beauftragt. Der vorliegende Luftfrachtbrief (Anlagen LG K 5) dokumentiert ausschließlich das Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und der Streitverkündeten, nicht jedoch den Vertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Luftfrachtbrief auf einem Formular der Streitverkündeten ausgestellt worden ist. Außerdem ist die Beklagte - und nicht etwa der Kläger - als Absenderin aufgeführt. Dementsprechend kann der Luftfrachtbrief im Hinblick auf Art. 8 c) WA 1955 (erforderlicher Hinweis auf die Haftungsbeschränkungen nach dem Warschauer Abkommen) in Verbindung mit Art. 9 WA 1955 von vornherein nur im Verhältnis zwischen der Beklagten und der Streitverkündeten Bedeutung erlangen und nicht im Verhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten.

b) Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Luftfrachtbrief darüber hinaus auch in keiner Weise geeignet war, die Warnfunktion gem. Art. 8 c) WA 1955 (Hinweis auf die Haftungsbeschränkungen nach dem Warschauer Abkommen) gegenüber dem Kläger zu erfüllen. Der Luftfrachtbrief ist weder unmittelbar vom Kläger noch auf Verlangen des Klägers (vgl. Art. 6 Abs. 1, Abs. 5 WA 1955) ausgestellt worden. Er ist auch nicht vom Kläger unterschrieben worden. Der Luftfrachtbrief enthält auf seiner Rückseite auch nur Hinweise auf Haftungsbeschränkungen der Streitverkündeten, jedoch keine Hinweise auf Haftungsbeschränkungen der Beklagten (vgl. die "Begriffsbestimmungen" und den "Hinweis zum Lufttransport" auf der Rückseite des Formulars, I 369). Schließlich lag der Luftfrachtbrief dem Kläger auch nicht zum Zeitpunkt der Verladung (in das Flugzeug am Frankfurter Flughafen) vor (vgl. hierzu Koller, a.a.O., Art. 5-11 WA 1955, Rn. 41).

c) Die Frage, ob der Kläger eventuell von der Beklagten auf andere Weise Kenntnis von einer möglichen Haftungsbeschränkung nach dem Warschauer Abkommen erlangt hat, ist ohne Bedeutung. Art. 9 WA 1955 (keine Haftungsbeschränkung ohne Luftfrachtbrief mit Hinweis gem. Art. 8 c) WA 1955) ist zwingendes Recht, so dass jede abweichende Absprache zwischen den Parteien über eine Haftungsbeschränkung unwirksam wäre (vgl. OLG Hamburg, Transportrecht 1988, 201, 205). Es kommt auch nicht darauf an, inwieweit das Fehlen eines Hinweises in einem entsprechenden Luftfrachtbrief für den eingetretenen Schaden kausal war (vgl. Koller, a.a.O., Art. 5-11 WA 1955, Rn. 31).

3. Dem Kläger stehen Zinsen lediglich in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu (§ 288 Abs. 1 BGB, Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB). Der Zinsausspruch des Landgerichts war entsprechend zu korrigieren.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 101 Abs. 1, 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.

5. Für eine Zulassung der Revision bestand kein Anlass (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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