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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 11.07.2008
Aktenzeichen: 15 Verg 5/08
Rechtsgebiete: GWB, ZPO, VwVfG Baden-Württemberg


Vorschriften:

GWB § 128 Abs. 4 Satz 2
ZPO § 269 Abs. 1
ZPO § 269 Abs. 3 Satz 1
VwVfG Baden-Württemberg § 80 Abs. 1 Satz 5
1. Zur Frage, ob die vor der mündlichen Verhandlung vor dem Vergabesenat im Beschwerdeverfahren ohne Zustimmung des Beschwerdegegners erklärte Rücknahme wirksam ist.

2. Zur Frage der Kostentragungspflicht, wenn die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag des Antragstellers zurückgewiesen hat und der Antragsteller (nach Hinweis des Vergabesenats) im Beschwerdeverfahren den Nachprüfungsantrag zurücknimmt.


Oberlandesgericht Karlsruhe Vergabesenat Beschluss

Geschäftsnummer: 15 Verg 5/08

11. Juli 2008

In dem Verfahren

wegen Vergabeverfahren

Tenor:

Die Sache wird dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin machte den ... sowie ... als Baukonzession europaweit bekannt (Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union ...). Als Verfahrensart wählte die Antragsgegnerin das Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb. Der Auftragnehmer sollte ...(wird ausgeführt)

Die Antragstellerin gab innerhalb der Angebotsfrist ein Angebot ab. Nachdem die Antragsgegnerin dieses Angebot am 15. Februar 2008 vom Vergabeverfahren ausgeschlossen hatte, hat die Antragstellerin am 04. März 2008 einen Nachprüfungsantrag gestellt. Die Vergabekammer hat die Bewerbergemeinschaft ... mit Beschluss vom 13.03.2008 gemäß § 109 GWB zum Verfahren beigeladen. Mit Beschluss vom 11. April 2008, der Antragstellerin zugestellt am selben Tag, hat die Vergabekammer Baden-Württemberg beim Regierungspräsidium Karlsruhe den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurückgewiesen. Die Antragstellerin sei nicht in eigenen Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB verletzt, da die Antragsgegnerin ihr Angebot zu Recht gemäß den §§ 32 Nr. 2, 25 Nr. 1 Abs. 1 lit.b, 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 VOB/A vom Verfahren ausgeschlossen habe.

Mit ihrer am 25. April 2008 beim Oberlandesgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde hat die Antragstellerin ihren Nachprüfungsantrag weiter verfolgt. Sie hat beantragt, den Beschluss der Vergabekammer aufzuheben und die Beschwerdegegnerin anzuweisen, den mit Schreiben vom 15. Februar 2008 erklärten Ausschluss der Antragstellerin von der Wertung der Angebote und vom weiteren Verfahren rückgängig zu machen und die Angebotswertung in der ersten Angebotsrunde auf der Grundlage der mit Schreiben der Antragstellerin vom 13. November 2007 mitgeteilten korrigierten, barwertigen monatlichen Abzugsbeträge abzuschließen. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene sind der Beschwerde entgegengetreten und haben die Entscheidung der Vergabekammer verteidigt.

Mit Schriftsatz vom 23. Juni 2008 hat die Antragstellerin den Senat um Hinweis gebeten, sofern er sich den von ihr angeführten Gründen nach vorläufiger Einschätzung nicht anschließen könne, da sie in diesem Fall eine Rücknahme des Nachprüfungsantrags vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 4. Juli 2008 ernsthaft erwägen würde. Nachdem der Senat mit Beschluss vom 24. Juni 2008 (AS. 431) darauf hingewiesen hatte, dass die sofortige Beschwerde der Antragstellerin voraussichtlich keinen Erfolg haben werde, hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 27. Juni 2008 ihren Nachprüfungsantrag zurückgenommen. Sie macht nunmehr geltend, dass die Rücknahme des Nachprüfungsbegehrens dem angefochtenen Beschluss der Vergabekammer rückwirkend die Grundlage entzogen habe, so dass der Senat auch über die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer zu entscheiden habe. Wegen der Rücknahme des Nachprüfungsantrags sei die Antragstellerin nicht im Sinne des § 128 Abs. 4 Satz 1 GWB unterlegen, weshalb eine Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bei der Antragsgegnerin und der Beigeladenen entstandenen Aufwendungen nicht in Betracht käme.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene treten dieser Sichtweise entgegen.

II.

Nach der wirksamen Rücknahme des Nachprüfungsantrags ist für eine Sachentscheidung über die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin kein Raum mehr; der Senat hat nur noch über die Kosten zu entscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2005 - X ZB 15/05 - NZBau 2006, 392).

1. Die Rücknahme des Nachprüfungsantrags ist mit ihrem Eingang bei Gericht wirksam geworden. Einer Einwilligung der Antragsgegnerin oder der Beigeladenen bedurfte es nicht. Dabei kann dahinstehen, ob § 269 Abs. 1 ZPO im vergaberechtlichen Beschwerdeverfahren entsprechend anwendbar ist (verneinend OLG Naumburg, Beschluss vom 17. August 2007 - 1 Verg 5/07 - IBR 2007, 648; vgl. auch BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2005 - X ZB 15/05 - NZBau 2006, 392, 393, in dem eine Zustimmung der übrigen Beteiligten nicht als Voraussetzung für die Wirksamkeit der Rücknahme nach der mündlichen Verhandlung vor dem Vergabesenat angesehen, sondern ohne weiteres über die Kosten entschieden wurde). Denn die Antragstellerin hat die Rücknahme vor der mündlichen Verhandlung in der Beschwerdeinstanz erklärt. Als die eine etwaige Zustimmungspflicht auslösende mündliche Verhandlung im Sinne des § 269 Abs. 1 ZPO kann aber allein die mündliche Verhandlung vor dem Vergabesenat, nicht hingegen die mündliche Verhandlung vor der Vergabekammer angesehen werden (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. Februar 2008 - 17 Verg 11/07). Denn erst das vergaberechtliche Beschwerdeverfahren ist ein streitiges Verfahren vor einem ordentlichen Gericht, in dem mündliche Verhandlungen im Sinne der Bestimmungen über gerichtliche Verfahren stattfinden. Bei dem erstinstanzlich vor der Vergabekammer durchzuführenden Nachprüfungsverfahren handelt es sich dagegen um ein Verwaltungsverfahren (BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2003 - X ZB 14/03 - NZBau 2004, 285). Es zielt nicht auf die bloße Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines abgeschlossenen Vergabeverfahrens, sondern auf den Erlass eines Verwaltungsakts in dem noch laufenden Vergabeverfahren (ebenda; vgl. auch § 114 Abs. 3 Satz 1 GWB). Es ist deshalb gerechtfertigt, bei Zweifeln und Regelungslücken auf die allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes und dessen Grundsätze über die Behandlung von Verwaltungsakten zurückzugreifen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2003 - Vergabe 47/02- a.a.O.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 09. Dezember 2003 - X ZB 14/03 - a.a.O.). Im Verwaltungsverfahren ist die Rücknahme eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Antrags aber ohne Zustimmung des Antragsgegners wirksam (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 17. August 2007 - 1 Verg 5/07 - a.a.O.; Stelkens/Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Auflage, § 22 Rn. 68; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Auflage, § 22 Rn. 70).

2. Im Rahmen der vom Senat zu treffenden Kostenentscheidung ist zwischen den Kosten des Verfahrens der sofortigen Beschwerde und denjenigen des Verfahrens vor der Vergabekammer zu unterscheiden.

a) Die im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten der Antragsgegnerin und der Beigeladenen trägt die Antragstellerin in entsprechender Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Auf das vergaberechtliche Beschwerdeverfahren als streitiges Verfahren vor einem ordentlichen Gericht sind die Kostenvorschriften der ZPO analog anzuwenden (vgl. BGHZ 146, 202, 216; 158, 43, 59; BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2005 - X ZB 15/05 - a.a.O.).

b) Die Antragstellerin hat in jedem Fall die für die Tätigkeit der Vergabekammer anfallenden Kosten (Gebühren und Auslagen) zu tragen. Dieses Ergebnis folgt jedenfalls aus § 128 Abs. 1 Satz 2 GWB i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG (vgl. BGH, Beschluss vom 25.10.2005 - X ZB 15/05 - a.a.O., m.w.N.). Nach Auffassung des Senats hat die Antragstellerin aber auch die der Antragsgegnerin und der Beigeladenen im Verfahren vor der Vergabekammer entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

aa) Es spricht einiges dafür, dass sich die Verpflichtung der Antragstellerin zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin und der Beigeladenen im Verfahren vor der Vergabekammer bereits aus der Kostenentscheidung der Vergabekammer in ihrem Beschluss vom 11. April 2008 ergibt (so für eine vergleichbare Fallkonstellation OLG Dresden, Beschluss vom 16. November 2006 - W Verg 15/06 - NZBau 2007, 264). Es erscheint zweifelhaft, ob die einen Nachprüfungsantrag zurückweisende Entscheidung der Vergabekammer durch eine nachträglich erklärte Rücknahme des Nachprüfungsantrags insgesamt und rückwirkend wirkungslos wird (so allerdings OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.04.2003 - Verg 47/02- NZBau 2004, 64; OLG Koblenz, Beschluss vom 08.06.2008 - 1 Verg 4 und 5/06 - NZBau 2007, 128; OLG Naumburg, Beschluss vom 17. August 2007 - 1 Verg 5/07 - IBR 2007, 648; Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 08.01.2008 - Verg W 10/07 - zitiert nach juris; Summa in jurisPK-VergR, 2. Auflage 2008, Stand 18.06.2008, § 128 GWB Rn. 98; a.A. OLG Dresden a.a.O.; Weyand, ibr-online-Kommentar Vergaberecht, Stand 28.04.2008, § 128 Rn. 2863/2). Wie bereits unter Ziff. 1. ausgeführt handelt es sich bei dem Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer um ein Verwaltungsverfahren, weshalb es gerechtfertigt ist, bei Zweifeln und Regelungslücken auf die allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes und dessen Grundsätze über die Behandlung von Verwaltungsakten zurückzugreifen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.04.2003 - Verg 47/02- a.a.O.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 09. Dezember 2003 - X ZB 14/03 - a.a.O.). Im Verwaltungsverfahren gibt es aber keine Regelung, wonach das Antragsverfahren als von Anfang an nicht anhängig geworden anzusehen ist, wenn der Antrag zurückgenommen wird (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 10.09.1991 - 19 BZ 90.30695 - NVwZ-RR 1992, 328 - juris-Ausdruck Rn. 30; OLG Dresden a.a.O.). Die das gerichtliche Verfahren betreffenden Bestimmungen der § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO und § 173 VwGO sind im Verwaltungsverfahren nicht - auch nicht entsprechend - anwendbar (vgl. BGH, Beschluss vom 09.12.2003 - X ZB 14/03 - a.a.O.; Beschluss vom 25. Oktober 2005 - X ZB 22/05 - NZBau 2006, 196 - juris-Ausdruck Rn. 12 sowie die am selben Tag ergangenen Beschlüsse des X. Zivilsenats in den Parallelsachen X ZB 15, 24, 25 und 26/05; Bayerischer VGH, Beschluss vom 10.09.1991 - 19 BZ 90.30695 - a.a.O.; OLG Dresden, a.a.O., Stelkens/Schmitz, a.a.O., § 22 Rn. 71). Die Annahme, ein im Antragsverfahren ergangener Verwaltungsakt werde mit der nachträglichen Rücknahme automatisch gegenstandslos, ist nur schwer mit § 43 Abs. 2 VwVfG zu vereinbaren, wonach ein Verwaltungsakt wirksam bleibt, so lange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (vgl. Stelkens/Schmitz, a.a.O.; a.A. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 22 Rn. 72). Das Fehlen eines erforderlichen Antrags führt nicht zur Nichtigkeit eines dennoch ergangenen Verwaltungsakts, sondern lediglich zu dessen Rechtswidrigkeit, die gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG geheilt werden kann (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 10.09.1991, a.a.O.). Es spricht deshalb einiges dafür, dass die Rücknahme eines Nachprüfungsantrags lediglich ex nunc wirkt und nur dem Beschwerdebegehren - vorliegend dem Verpflichtungsantrag der Antragstellerin, ihren Ausschluss rückgängig zu machen, - der Boden entzogen wird (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 14.04.1989 - 4 C 22/88 - DVBl 1989, 874 - juris-Ausdruck Rn. 9).

bb) Letztlich kann die unter aa) aufgeworfene Frage jedoch offen bleiben. Denn nach der Auffassung des Senats ist § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB dahingehend auszulegen, dass ein Unterliegen im Sinne dieser Bestimmung unabhängig von einer nachträglichen Rücknahme des Nachprüfungsantrag dann anzunehmen ist, wenn die Vergabekammer tatsächlich eine Entscheidung getroffen hat, die das sachliche Begehren des Antragstellers ganz oder teilweise als unzulässig oder unbegründet zurückweist. Die nach einer solchen Entscheidung der Vergabekammer erklärte Rücknahme des Nachprüfungsantrags führt nach Auffassung des Senats nicht dazu, dass das - auf Grund einer das Begehren des Antragstellers zurückweisenden Entscheidung der Vergabekammer zu bejahende (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2005, X ZB 22/05, a.a.O.) - Unterliegen des Antragstellers im Sinne des § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB nachträglich entfällt (vgl. auch OLG Dresden a.a.O.). Denn der Erfolg des Begehrens des Antragstellers im Sinne des § 128 Abs. 4 GWB ist allein am tatsächlichen Verfahrensgang zu messen (vgl. zu § 80 VwVfG: BVerwGE 101, 64 - Juris-Ausdruck Rn. 14 f.). Weist die Vergabekammer das sachliche Begehren des Antragstellers zurück, so war die Anrufung der Vergabekammer erfolglos und der Antragsteller unterlegen im Sinne des § 128 Abs. 4 GWB. Diesen Umstand kann der Antragsteller zumindest kostenrechtlich nicht nachträglich dadurch ungeschehen machen, dass er nach der ihm nachteiligen Entscheidung der Vergabekammer den Nachprüfungsantrag zurücknimmt.

Andernfalls träte die vom Gesetzgeber ersichtlich nicht bezweckte Folge ein, dass sich ein Antragsteller nachträglich - nämlich dann, wenn er alle Rechtschutzmöglichkeiten ausgeschöpft und erkannt hat, dass sein Nachprüfungsbegehren endgültig keinen Erfolg haben wird, - der in § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB angeordneten Kostentragungspflicht entziehen könnte. Der Gesetzgeber hat durch die Bestimmung in § 128 Abs. 3 Satz 3 GWB, wonach nur die Hälfte der Gebühr zu entrichten ist, wenn sich der Antrag vor Entscheidung der Vergabekammer durch Rücknahme oder anderweitig erledigt, zu erkennen gegeben, dass er als kostenrechtlich privilegiert allein die vor einer Entscheidung der Vergabekammer erklärte Rücknahme angesehen hat.

c) An einer Entscheidung im vorstehenden Sinn ist der Senat allerdings durch die entgegenstehenden Beschlüsse des Brandenburgischen OLG vom 08.01.2008 (Verg W 10/07 a.a.O.) und des OLG Koblenz vom 08.06.2006 (1 Verg 4 und 5/06 a.a.O.) gehindert. Die Entscheidung des Brandenburgischen OLG beruht auf einem anderen Verständnis des Begriffs des Unterliegens im Sinne des § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB. Ihr liegt als tragende Begründung der Rechtssatz zugrunde, das trotz einer zunächst ergangenen, das Nachprüfungsbegehren der dortigen Antragstellerin zurückweisenden Entscheidung der Vergabekammer von einem Unterliegen der Antragstellerin dann nicht auszugehen ist, wenn der Nachprüfungsantrag in der Beschwerdeinstanz zurückgenommen wird. Der Entscheidung des OLG Koblenz liegt als tragende Begründung der Rechtssatz zugrunde, dass im Fall einer Rücknahme des Nachprüfungsantrags in der Beschwerdeinstanz nach einer das Begehren des Antragstellers zurückweisenden Entscheidung der Vergabekammer Kostenerstattungsansprüche (des Antragsgegners und) des Beigeladenen nur nach Landesrecht wegen anderweitiger Erledigung des Nachprüfungsantrags bestehen. Kostenerstattungsansprüche (des Antragsgegners und) des Beigeladenen wegen Unterliegens der Antragstellerin aus § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB werden damit, ohne das dies ausdrücklich ausgeführt wird, verneint.

d) Die vom Senat beabsichtigte Abweichung von den genannten Entscheidungen ist entscheidungserheblich. aa) Allerdings stände der Antragsgegnerin vorliegend auch dann ein Anspruch auf Erstattung der ihr im Verfahren vor der Vergabekammer entstandenen außergerichtlichen Kosten zu, wenn man mit den Oberlandesgerichten Koblenz und Brandenburg ein Unterliegen der Antragstellerin im Sinne des § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB verneinte und kostenrechtlich von einer Erledigung des Nachprüfungsantrags in sonstiger Weise ausginge. Ein entsprechender Anspruch der Antragsgegnerin ergäbe sich aus § 128 Abs. 4 Satz 3 GWB in Verbindung mit § 80 Abs. 1 Satz 5 VwVfG Baden-Württemberg. Nach dieser Bestimmung ist dann, wenn der Widerspruch, d.h. hier der Nachprüfungsantrag, nicht erfolgreich oder erfolglos geblieben ist, sondern sich auf andere Weise erledigt hat, über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sachstands zu entscheiden. Da die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren unterlegen wäre (vgl. die Ausführungen im Hinweisbeschluss des Senats vom 24.06.2008), hätte sie die der Antragsgegnerin im Verfahren vor der Vergabekammer entstandenen außergerichtlichen Kosten zu tragen.

bb) Anders stellt sich dagegen die Situation für die Beigeladene dar. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht dem Beigeladenen aus § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB - auch wenn diese Bestimmung ausdrücklich nur den Antragsgegner als Anspruchsberechtigten nennt - ein Anspruch auf Erstattung der ihm im Verfahren vor der Vergabekammer entstandenen außergerichtlichen Kosten gegen den Antragsteller dann zu, wenn dieser im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen war (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2005 - X ZB 24/05 - IBR 2006, 113; Beschluss vom 25. Oktober 2005 - X ZB 25/05 - NZBau 2006, 393; Beschluss vom 25. Oktober 2005 - X ZB 26/05 - ZfBR 2006, 187). Die Beigeladene kann vorliegend dagegen keine Kostenerstattung beanspruchen, wenn man ein Unterliegen der Antragstellerin verneint. Ein Erstattungsanspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 128 Abs. 4 Satz 3 GWB in Verbindung mit § 80 Abs. 1 Satz 5 VwVfG Baden-Württemberg. Denn anders als Artikel 80 BayVwVfG (vgl. dazu OLG München, Beschluss vom 06.02.2006 - Verg 23/05 - NZBau 2006, 740) sieht § 80 Abs. 1 Satz 5 VwVfG Baden-Württemberg nur Erstattungsansprüche des Antragstellers gegen den Antragsgegner und umgekehrt vor, nicht aber Ansprüche anderer Beteiligter (vgl. zur insoweit vergleichbaren Regelung in Rheinland Pfalz: OLG Koblenz, Beschluss vom 08.06.2006, 1 Verg 4 und 5/06 - a.a.O.). § 80 Abs. 1 Satz 5 VwVfG Baden-Württemberg ist im Regelungszusammenhang des § 80 Abs. 1 VwVfG Baden-Württemberg zu sehen. Abs. 1 und 2 dieser Bestimmung sehen einen Anspruch des Antragstellers auf Erstattung der ihm entstandenen notwendigen Aufwendungen vor, soweit sein Widerspruch erfolgreich ist. Abs. 1 Satz 3 und 4 regeln einen Anspruch der Behörde gegen den Antragsteller auf Erstattung der der Behörde entstandenen notwendigen Aufwendungen, soweit der Widerspruch erfolglos geblieben ist. Gemäß Abs. 1 Satz 5 ist über "die Kosten" nach billigem Ermessen zu entscheiden, wenn sich der Widerspruch auf andere Weise erledigt. Unter den "Kosten" in diesem Sinne sind auf Grund des Regelungszusammenhangs und der Stellung im Gesetz die in den Sätzen zuvor genannten Kosten, d. h. die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen entweder des Antragstellers oder der Behörde, nicht aber die Kosten anderer dort nicht genannter Beteiligter zu verstehen.

cc) Die Hinzuziehung von Verfahrensbevollmächtigten im Nachprüfungsverfahren durch die Antragsgegnerin und die Beigeladene war auch zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen im Beschluss der Vergabekammer vom 11.04.2008 Bezug genommen, die sich der Senat nach Überprüfung zu eigen macht. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es sich vorliegend um ein besonders komplexes Vergabeverfahren handelt und sich im Nachprüfungsverfahren nicht nur vergaberechtliche, sondern auch allgemein zivilrechtliche Fragen (Auswirkungen eines Kalkulationsirrtums auf den Inhalt eines Angebots) gestellt haben, deren Beherrschung weder von der Vergabestelle noch von der Beigeladenen erwartet werden kann. Die Beigeladene hat sich auch aktiv am Verfahren beteiligt und eigene Anträge gestellt.

e) Der Senat hält eine Vorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 124 Abs. 2 GWB trotz der Tatsache für erforderlich, dass es vorliegend um kostenerstattungsrechtliche Fragen geht. Zwar wird vertreten, die Vorlagepflicht erstrecke sich nicht auf Abweichungen in der Beurteilung von kostenrechtlichen Fragen (vgl. Otting in Bechthold, GWB, 4. Auflage, § 124 Rn. 6 m.w.N.; Jaeger in Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Auflage, Rn. 1244 m.w.N.). Der Senat sieht jedoch keinen Anlass für eine derartige, von dem Wortlaut der Vorschrift nicht umfasste einschränkende Auslegung. Nach der Gesetzesbegründung verfolgt die Vorlagepflicht den Zweck, eine bundeseinheitliche Rechtsprechung in Vergabesachen zu sichern (vgl. BT-Drs. 13/9340, Seite 22). Eine Verzögerung der Vergabeverfahren sei damit nicht verbunden, weil die Vorlage nur in seltenen Fällen stattfinden würde und für die Eilverfahren ausdrücklich ausgeschlossen sei. In Eilverfahren würden im Interesse der Beschleunigung Divergenzen hingenommen. Dafür, dass auch in anderen Bereichen Divergenzen in der Beurteilung vergaberechtlicher Fragen hingenommen werden sollen, findet sich in der Gesetzesbegründung kein Anhalt.

Durch eine divergierende Rechtsprechung zum Anwendungsbereich des § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB wird das vom Gesetzgeber mit der Einführung der Vorlagepflicht verfolgte Ziel gefährdet. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen Antragsteller und Beigeladene Kostenerstattungsansprüche gegen den Antragsteller aus § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB zustehen, stellt sich ausschließlich in Vergabeverfahren. Angesichts der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung dieser Frage - der Gegenstandswert von Vergabenachprüfungsverfahren ist in aller Regel sehr hoch, im Streitfall liegt er im zweistelligen Millionenbereich - erscheinen Divergenzen in der Rechtsprechung verschiedener Oberlandesgerichte nicht hinnehmbar.

f) Da eine mündliche Verhandlung über kostenerstattungsrechtliche Fragen nicht geboten ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.07.2005 - VII Verg 17/05 - IBR 2006, 48) und lediglich zusätzliche Kosten verursachen würde, hat der Senat den Termin zur mündlichen Verhandlung vom 04.07.2008 aufgehoben. Er hat die Beteiligten schriftlich auf seine Absicht, gemäß § 124 Abs. 2 GWB zu verfahren, hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Ende der Entscheidung

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