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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 07.05.2007
Aktenzeichen: 15 W 22/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 148
ZPO § 252
ZPO § 302
BGB § 781
BGB § 812 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Landgerichts Heidelberg vom 14.03.2007 - 3 O 411/04 - aufgehoben.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Die Kläger verlangen im Verfahren vor dem Landgericht Heidelberg von der Beklagten Zahlung auf Grund eines Schuldanerkenntnisses vom 09.02.2000 (Anlage K 9) und auf Grund von zwei weiteren Schuldanerkenntnissen, jeweils vom 19.07.2001 (Anlage K 1 und K 2). Der Kläger Ziffer 1 macht Ansprüche in Höhe von insgesamt 28.694,64 EUR geltend, die Klägerin Ziffer 2 Ansprüche in Höhe von 18.037,25 EUR.

Die Beklagte verteidigt sich mit verschiedenen Einwendungen. Unter anderem hat sie im Prozess mit Schadensersatzansprüchen in Höhe von 105.607,32 EUR aufgerechnet. Wegen dieser Schadensersatzansprüche ist derzeit eine Zahlungsklage der Beklagten im Berufungsverfahren vor dem Senat (15 U 68/04) anhängig. Im Rahmen dieser Zahlungsklage nimmt die Beklagte (Klägerin im Parallelverfahren) den Kläger Ziffer 1 (Beklagter im Parallelverfahren) in Anspruch, und zwar als Gesamtschuldner mit zwei weiteren Beklagten. Die Klägerin Ziffer 2 ist am Parallelverfahren nicht beteiligt.

Mit Beschluss vom 14.03.2007 hat das Landgericht Heidelberg das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtstreits des Oberlandesgerichts Karlsruhe - 15 U 68/04 - ausgesetzt. Das Landgericht hält das Parallelverfahren für vorgreiflich, da im Parallelverfahren die Berechtigung der von der Beklagten zur Aufrechnung gestellten Forderung geklärt werde. Zur Vermeidung unterschiedlicher Entscheidungen über diese Forderung sei es angezeigt, das Verfahren vor dem Landgericht Heidelberg auszusetzen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich sofortige Beschwerde der Kläger. Sie sind der Auffassung, eine Entscheidung des Senats im Parallelverfahren sei für den vorliegenden Rechtstreit nicht vorgreiflich. Sie weisen insbesondere darauf hin, dass die Klägerin Ziffer 2 an dem Parallelverfahren (OLG Karlsruhe 15 U 68/04) nicht beteiligt ist.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Die Parteien hatten im Beschwerdeverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme.

II. Die gemäß § 252 ZPO statthafte sofortige Beschwerde der Kläger ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 148 ZPO liegen nicht vor, da - zumindest nach gegenwärtigem Verfahrensstand - das Parallelverfahren vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe (15 U 68/04) nicht als vorgreiflich angesehen werden kann. Der Aussetzungsbeschluss des Landgerichts Heidelberg vom 14.03.2007 war daher aufzuheben.

1. Wird eine Forderung einerseits in einer Klage geltend gemacht und andererseits - gleichzeitig - in einem weiteren Prozess (hilfsweise) zur Aufrechnung gestellt, kann eine Aussetzung eines der beiden Prozesse wegen Vorgreiflichkeit gemäß § 148 ZPO in Betracht kommen (vgl. beispielsweise Zöller/Greger, Zivilprozessordnung, 26. Auflage 2006, § 145 ZPO Rn. 18 a). In Rechtsprechung und Literatur bestehen insoweit nur gewisse Meinungsverschiedenheiten, ob eher das Klageverfahren oder eher der Prozess, in welchem die Hilfsaufrechnung geltend gemacht wurde, auszusetzen sind (vgl. einerseits Zöller/Greger aaO; andererseits OLG Dresden, NJW 1994, 139; Lindacher, JZ 1972, 429, 430). Auf diese Meinungsverschiedenheiten kommt es für die Entscheidung des Senats im vorliegenden Fall allerdings nicht an.

Voraussetzung einer Aussetzung ist die Identität der Klageforderung des einen Prozesses mit der Aufrechnungsforderung des anderen Prozesses. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall gegeben: Die Beklagte macht im Parallelverfahren (OLG Karlsruhe 15 U 68/04) einen Schadensersatzanspruch gegen den Kläger Ziffer 1 in Höhe von 105.607,32 EUR nebst Zinsen wegen Verletzung bestimmter Aufklärungs- und Beratungspflichten geltend. Genau diesen Anspruch hat die Beklagte im vorliegenden Verfahren (hilfsweise) zur Aufrechnung gestellt.

Bei ihrer Schadensabrechnung im Parallelverfahren hat die Beklagte sich einen Vorteil in Höhe von 125.000 DM in voller Höhe anrechnen lassen, weil sie in dieser Höhe im Zusammenhang mit bestimmten Versicherungsverträgen von der ... eine Kick-Back-Provision erhalten hat (im Parallelverfahren unstreitig). Die Beklagte ist bei ihrer Schadensabrechnung im Parallelverfahren davon ausgegangen, dass dieser Vorteil nicht durch einen Erfolg der Kläger im vorliegenden Rechtstreit kompensiert wird. Sollte die Klage der beiden Kläger im vorliegenden Verfahren Erfolg haben, würde sich diese Annahme der Beklagten - bei ihrer Schadensabrechnung im Parallelverfahren - nachträglich als unzutreffend herausstellen. Das heißt: Bei einem Erfolg der Klage im vorliegenden Rechtstreit wäre der Schaden - auf der Basis des Sachvortrags der Beklagten - möglicherweise höher als im Parallelverfahren (OLG Karlsruhe 15 U 68/04) von der Klägerin berechnet. Es käme - auf der Basis des Sachvortrags der Beklagten - bei einem Erfolg der Klage im vorliegenden Verfahren ein zusätzlicher Schaden der Beklagten in Höhe von 125.000 DM in Betracht, auf den aber wohl der restliche Erlös der Beklagten aus der Anlage ... in Höhe von ca. 30.000 EUR zu verrechnen wäre.

Für die Frage der Identität der Aufrechnungsforderung mit der Klageforderung im Parallelprozess spielen diese Überlegungen zu einem eventuellen zusätzlichen Schaden der Klägerin (bei einem Erfolg der Klage im vorliegenden Prozess) keine Rolle. Denn die Klägerin hat die Aufrechnungsforderung ausdrücklich nur auf denselben Sachverhalt und dieselbe Berechnung gestützt, die sie auch im Parallelverfahren ihrer Klage zu Grunde gelegt hat. Ein eventueller zusätzlicher Schaden der Beklagten, der bei einem Erfolg des Rückforderungsverlangens der Kläger in Betracht kommt, ist weder Gegenstand der Klage im Parallelprozess noch - nach dem Sachvortrag der Beklagten im vorliegenden Verfahren - Gegenstand der Aufrechnungsforderung.

2. Die Identität der Aufrechnungsforderung mit der Klageforderung im Parallelprozess ist als Grundlage für eine Aussetzung gemäß § 148 ZPO allerdings nicht ausreichend. Eine Aussetzung käme nur in Betracht, wenn die Entscheidung des Rechtstreits ganz oder zum Teil vom Bestehen eines Rechtsverhältnisses abhängen würde, das den Gegenstand des Parallelverfahrens bildet. Eine solche Vorgreiflichkeit ist jedoch - zumindest nach derzeitigem Sachstand - nicht ersichtlich.

a) Zutreffend haben die Kläger darauf hingewiesen, dass die Aufrechnungsforderung gegenüber der Klägerin Ziffer 2 keine Rolle spielen kann. Da die Beklagte im Parallelverfahren Schadensersatzansprüche nur gegenüber dem Kläger Ziffer 1 und nicht gegenüber der Klägerin Ziffer 2 geltend macht, kommt auch eine Aufrechnung nur gegenüber dem Kläger Ziffer 1 und nicht gegenüber der Klägerin Ziffer 2 in Betracht. Dementsprechend könnte das Parallelverfahren - allenfalls - im Verhältnis zum Kläger Ziffer 1, nicht jedoch im Verhältnis zur Klägerin Ziffer 2 vorgreiflich sein (vgl. zu einer Teilaussetzung bei einer Mehrheit von Streitgegenständen BGH, NZBau 2007, 172).

b) Auch im Verhältnis zum Kläger Ziffer 1 ist das Parallelverfahren jedoch - zumindest gegenwärtig - nicht vorgreiflich.

aa) Bei der von der Beklagten erklärten Aufrechnung handelt es sich um eine Hilfsaufrechnung. Dies ergibt sich aus den entsprechenden Formulierungen im Schriftsatz vom 14.02.2005. Auch die Ausführungen im Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 02.02.2007 sind als Hilfsaufrechnung zu verstehen; denn die Beklagte hat auch in diesem Schriftsatz ihre bereits früher erklärten anderweitigen Einwendungen gegen die Hauptforderung nicht fallengelassen.

bb) Bei einer Hilfsaufrechnung kann es zu einer Entscheidung über die Aufrechnungsforderung nur dann kommen, wenn das erkennende Gericht das Bestehen der Hauptforderung bejaht. Dementsprechend kommt eine Vorgreiflichkeit des Parallelverfahrens auch nur dann in Betracht, wenn das Landgericht Heidelberg im vorliegenden Rechtstreit das Bestehen der Hauptforderung des Klägers Ziffer 1 feststellt. Eine solche Feststellung hat das Landgericht bisher nicht getroffen. Insbesondere ist aus den Gründen der Aussetzungs-Entscheidung vom 14.03.2007 nicht ersichtlich, welche Auffassung das Landgericht Heidelberg hinsichtlich der Hauptforderung vertritt.

Vom Landgericht sind zunächst die in Betracht kommenden Einwendungen gegen die Hauptforderung des Klägers Ziffer 1 zu prüfen. Die Beklagte hat verschiedene rechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit, bzw. gegen den Inhalt der schriftlichen "Bestätigungen" vorgebracht. In Abhängigkeit von dem festzustellenden Inhalt der Verpflichtungen der Beklagten ist sodann zu prüfen, ob die vereinbarten Voraussetzungen für eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten vorliegen. Außerdem ergeben sich - auf der Grundlage des Sachvortrags der Beklagten - möglicherweise Einwendungen aus dem rechtlichen Verhältnis zwischen der Beklagten und der ...: Im Parallelverfahren ist zwischen der Beklagten und dem Kläger Ziffer 1 (Klägerin und Beklagter Ziffer 2 im Parallelverfahren) unstreitig, dass die Beklagte im Jahr 2001 125.000 DM Kick-Back-Provision erhalten hat und zwar nicht von den Klägern des vorliegenden Rechtstreits sondern von der ..., die ihrerseits einen entsprechenden Provisionsanspruch gegenüber der ... erworben hatte. Bei den von den Klägern im Rechtstreit vorgelegten Scheck-Zahlungen dürfte es sich - auf der Basis des unstreitigen Sachvortrags im Parallelverfahren - um Leistungen der ... an die Beklagte gehandelt haben, und nicht etwa um eigenständige Leistungen der beiden Kläger des vorliegenden Rechtstreits. Wenn man in den vorgelegten Bestätigungen vom 19.07.2001 Schuldanerkenntnisse im Sinne von § 781 BGB sieht, dürften diese Schuldanerkenntnisse ihren Rechtsgrund in der Provisionsabsprache zwischen der ... und der Beklagten haben, da es offenbar darum ging, Rückforderungsansprüche gegen die Beklagte im Falle einer Stornohaftung abzusichern. Bei rechtlichen Mängeln im Verhältnis zwischen der Beklagten und der ... - im Rahmen der Vereinbarung einer Kick-Back-Provision einschließlich Stornohaftung der Beklagten - kann dementsprechend eine Kondiktion der beiden Schuldanerkenntnisse vom 19.07.2001 im Verhältnis zu den Klägern gemäß § 812 Abs. 2 BGB in Betracht kommen.

cc) Das Landgericht wird - vor einer eventuellen erneuten Aussetzung - zunächst das Bestehen der Hauptforderung zu prüfen haben. Wenn das Landgericht nicht von der Möglichkeit eines Vorbehaltsurteils hinsichtlich der Hauptforderung gemäß § 302 ZPO Gebrauch macht, wäre die Begründetheit der Hauptforderung - und die sich daraus ergebende Vorgreiflichkeit des Parallelverfahrens - in einer erneuten Aussetzungsentscheidung des Landgerichts darzulegen.

Dem Senat ist es verwehrt, im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens das Bestehen der Hauptforderung selbstständig zu prüfen. Die entsprechende Prüfung muss bei einer Aussetzung dem Landgericht überlassen bleiben. Dies muss jedenfalls in einem Fall der vorliegenden Art gelten, wenn zum einen zum Bestehen der Hauptforderung möglicherweise noch weitere Feststellungen vom Landgericht zu treffen sind und zum anderen das Landgericht zum Bestand der Hauptforderung eine Beweisaufnahme (durch Vernehmung mehrerer Zeugen) durchgeführt hat, die nur vom Landgericht selbst gewürdigt werden kann (vgl. zur vorrangigen Feststellung des Bestands der Hauptforderung vor einer Aussetzungsentscheidung im einem derartigen Fall OLG Dresden, NJW 1994, 139).

3. Eine Kostenentscheidung ist im Beschwerdeverfahren nicht veranlasst (vgl. Zöller/Greger, aaO., § 252 ZPO Rn. 3).

4. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor (§ 574 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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