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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 25.05.2005
Aktenzeichen: 15 W 23/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 247
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1
Die Beauftragung eines Rechtsbeistands im Mahnverfahren verursacht zusätzliche Kosten, wenn sich ein streitiges Verfahren vor einem Landgericht anschließt, in dem ein Rechtsanwalt für den Kläger auftreten muss. Die Kosten des Rechtsbeistands sind in diesem Fall nur dann erstattungsfähig, wenn der Kläger wirtschafltich sinnvolle Gründe dafür hatte, dass er den Rechtsanwalt nicht schon im Mahnverfahren beauftragt hat.
Oberlandesgericht Karlsruhe 15. Zivilsenat Beschluss

Geschäftsnummer: 15 W 23/05

25. Mai 2005

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Heidelberg vom 04. März 2005 - 11 O 81/04 KfH - wie folgt abgeändert:

Aufgrund des vorläufig vollstreckbaren Urteils des Landgerichts Heidelberg vom 10.12.2004 sind an Kosten zu erstatten: 1.819,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs seit 15.12.2004 von der Beklagten an die Klägerin.

Im Übrigen wird der Kostenfestsetzungsantrag der Klägerin zurückgewiesen.

2. Die weitergehende sofortige Beschwerde der Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

4. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 633,36 € festgesetzt.

5. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin, die ihren Sitz in Italien hat, hat Kaufpreisansprüche gegen die Beklagte, die ihren Sitz im Bezirk des Landgerichts Heidelberg hat, geltend gemacht. Nach verschiedenen eigenen Mahnungen beauftragte die Klägerin zunächst das Inkassounternehmen X. mit Sitz in Y. (Bayern) mit der weiteren außergerichtlichen Beitreibung der Forderungen. Nachdem die Bemühungen der X. erfolglos geblieben waren, beauftragte die Klägerin Rechtsbeistand H. X. mit Geschäftssitz in Y. (vom Inkassounternehmen X rechtlich verschieden) mit der Durchführung eines gerichtlichen Mahnverfahrens.

Rechtsbeistand X. erwirkte für die Klägerin beim Amtsgericht Schöneberg in Berlin einen Mahnbescheid über 10.079,50 € nebst Zinsen, wobei in der Hauptforderung - im Mahnbescheid nicht gesondert ausgewiesen - Inkassokosten des Inkassounternehmens X. in Höhe von 586,96 € enthalten waren (Schriftsatz des Klägervertreters vom 25.08.2004, S. 3, AS. 57). Nach Widerspruch der Beklagten beauftragte die Klägerin Rechtsanwalt A. (Kanzleisitz in Y.) mit der Durchführung des streitigen Verfahrens vor dem Landgericht Heidelberg.

Mit Urteil vom 10.12.2004 verurteilte das Landgericht Heidelberg die Beklagte zur Zahlung im Wesentlichen entsprechend den Anträgen der Klägerin. Die Verfahrenskosten wurden der Beklagten auferlegt. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 04.03.2005 setzte der Rechtspfleger des Landgerichts Heidelberg die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 2.432,86 € nebst Zinsen fest. In diesem Betrag sind - neben den im Verfahren des Landgerichts Heidelberg entstandenen Anwaltskosten - insbesondere enthalten die Kosten des Rechtsbeistands X. in Höhe von 633,36 € für die Durchführung des Mahnverfahrens beim Amtsgericht Schöneberg.

Gegen die Berücksichtigung der Kosten von Rechtsbeistand X. wendet sich die Beklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 23.03.2005. Die Beklagte ist der Auffassung, die Kosten des Rechtsbeistands X. seien zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich gewesen. Die Beklagte weist darauf hin, dass die Kosten des Rechtsbeistands nicht entstanden wären, wenn die Beklagte bereits im Mahnverfahren den Rechtsanwalt beauftragt hätte, der später auch im streitigen Verfahren vor dem Landgericht Heidelberg tätig wurde.

Die Klägerin tritt der sofortigen Beschwerde entgegen. Sie meint, sie habe mit einem Widerspruch der Beklagten gegen den Mahnbescheid nicht zu rechnen brauchen. In einem derartigen Fall sei sie berechtigt gewesen, Rechtsbeistand X. im Mahnverfahren zu beauftragen, auch wenn nach Einleitung des streitigen Verfahrens zusätzliche Kosten entstanden seien, weil für das Verfahren vor dem Landgericht Heidelberg ein Rechtsanwalt beauftragt werden musste.

II.

Die zulässige Beschwerde der Beklagten ist überwiegend begründet. Der Klägerin steht ein Kostenerstattungsanspruch gegen die Beklagte lediglich in Höhe von 1.819,50 € zu.

1. Die von der Beklagten zu erstattenden Kosten errechnen sich wie folgt:

Kosten des Rechtsanwalts der Klägerin (wie KfB Landgericht): 1.142,50 € Verauslagte Gerichtskosten (wie KfB Landgericht): 657,00 € Kosten Rechtsbeistand X.: 20,00 € Summe: 1.819,50 €.

Die über den Betrag von 20 € hinausgehenden Kosten des Rechtsbeistands X. kann die Klägerin hingegen nicht erstattet verlangen.

2. Die außergerichtlichen Kosten eines Rechtsbeistands im Mahnverfahren sind nur insoweit zu erstatten, als sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Beauftragung von Rechtsbeistand X. im Mahnverfahren hatte zur Folge, dass nach dem Widerspruch der Beklagten im streitigen Verfahren ein Rechtsanwalt beauftragt werden musste, weil X. als Rechtsbeistand zur Vertretung im Rechtsstreit vor dem Landgericht Heidelberg nicht berechtigt war. Es sind insoweit zusätzliche Kosten entstanden. Wenn die Klägerin bereits im Mahnverfahren Rechtsanwalt A. beauftragt hätte, wären nach dem bei Beauftragung geltenden Gebührenrecht die Kosten von Rechtsbeistand X. - jedenfalls überwiegend - nicht entstanden, weil die Gebühren eines Rechtsanwalts im Mahnverfahren auf die Gebühren im späteren streitigen Verfahren angerechnet worden wären (vgl. § 43 Abs. 2 BRAGO). Daran hat sich durch RVG Nr. 3305 VV nichts geändert.

Die rechtliche Situation ist vergleichbar mit den Fällen, in denen zwar bereits im Mahnverfahren ein Rechtsanwalt beauftragt wird, jedoch sodann ein Anwaltswechsel eintritt, weil die Partei aus bestimmten Gründen für das streitige Verfahren einen anderen Rechtsanwalt beauftragen möchte. Auch in diesen Fällen entstehen durch den Anwaltswechsel zusätzliche Kosten, die nur unter der Voraussetzung einer Notwendigkeit im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu erstatten sind. Entscheidend ist, ob eine "verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei" die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte (vgl. BGH, FamRZ 2004, 866). Da ein Gläubiger grundsätzlich immer zumindest mit der Möglichkeit eines Widerspruchs im Mahnverfahren rechnen muss, hat er sich - im Hinblick auf eine spätere Kostenerstattung im Rahmen von § 91 Abs. 1 ZPO - insoweit wirtschaftlich vernünftig zu verhalten, als er die Möglichkeit zusätzlicher Kosten bei einem Anwaltswechsel nach Übergang ins streitige Verfahren einkalkulieren muss. Es ist daher - für die Frage eines Anwaltswechsels - anerkannt, dass wirtschaftlich sinnvolle Gründe erforderlich sind, wenn der Gläubiger nach einem Anwaltswechsel die vollen Kosten sowohl des Rechtsanwalts des Mahnverfahrens als auch des Rechtsanwalts des streitigen Verfahrens erstattet bekommen möchte (vgl. BGH, FamRZ 2004, 866).

Die gleichen Grundsätze müssen auch für die Kosten eines für das Mahnverfahren beauftragten Rechtsbeistands gelten. Das heißt: Die Kosten von Rechtsbeistand X. wären im Rahmen von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur dann erstattungsfähig, wenn es für die Klägerin wirtschaftlich sinnvolle Gründe gegeben hätte, einen Rechtsbeistand für das Mahnverfahren zu beauftragen statt sofort einen Rechtsanwalt zu beauftragen (ebenso OLG Karlsruhe Rechtspfleger 1987, 422 am Ende; diese Frage wird in der von der Klägerin vorgelegten Entscheidung des Landgerichts Augsburg vom 12.11.2001 - 10 T 3597/01 - nicht geprüft). Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht gegeben. Es sind keine wirtschaftlich sinnvollen Gründe für die Verfahrensweise der Klägerin erkennbar.

a) Nicht selten beauftragt ein Gläubiger im Mahnverfahren zunächst einen Rechtsanwalt, der seine Kanzlei am Sitz des Gläubigers hat. In der Rechtsprechung wird eine solche Verfahrensweise teilweise unter bestimmten Voraussetzungen wegen der räumlichen Nähe zwischen Gläubiger und Rechtsanwalt für wirtschaftlich sinnvoll erachtet (vgl. beispielsweise OLG Stuttgart, JurBüro 1992, 406). Unter welchen Voraussetzungen Gesichtspunkte der räumlichen Nähe im Mahnverfahren die Beauftragung eines Anwalts oder Rechtsbeistands am Gläubigersitz rechtfertigen können, kann vorliegend dahinstehen; denn die Klägerin hat ihren Sitz in Italien und nicht in Y. am Sitz von Rechtsbeistand X.

b) Es kann auch dahinstehen, ob eventuell die Beauftragung eines ortsfernen Rechtsbeistands für das Mahnverfahren gerechtfertigt wäre, wenn beispielsweise die Kosten des Rechtsbeistands im Mahnverfahren deutlich niedriger wären als die Kosten eines Rechtsanwalts für das Mahnverfahren (für den Gläubiger könnte in diesem Fall die Beauftragung eines - ortsfernen - Rechtsbeistands wirtschaftlich sinnvoll sein, wenn er nicht mit einem Widerspruch des Schuldners im Mahnverfahren rechnet). Die Frage spielt vorliegend keine Rolle, weil Rechtsbeistand X. in ihrer Kostenrechnung vom 05.05.2004 Kosten nach der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte in gleicher Höhe wie ein Rechtsanwalt abgerechnet hat.

c) Andere wirtschaftlich sinnvolle Gründe für die Beauftragung von Rechtsbeistand X. in Y. für das Mahnverfahren vermag der Senat nicht zu erkennen (vgl. zu solchen Umständen bei einem Großgläubiger beispielsweise BGH, a.a.O.). Die Klägerin hat keine besonderen Umstände vorgetragen, die aus ihrer Sicht die Beauftragung von Rechtsbeistand X. wirtschaftlich zweckmäßig erscheinen lassen könnten. Es kann nach Auffassung des Senats kein Zweifel daran bestehen, dass jeder Rechtsanwalt - beispielsweise auch der später beauftragte Rechtsanwalt A. - in gleicher Weise wie Rechtsbeistand X. in der Lage gewesen wäre, das Mahnverfahren beim Amtsgericht Schöneberg in Berlin für die Klägerin zu führen.

3. Die zusätzlichen Kosten von Rechtsbeistand X. wären im Übrigen auch dann nicht erstattungsfähig, wenn die Klägerin von vornherein mit einem Widerspruch im Mahnverfahren rechnen musste. Die Frage, wann ein Kläger im Mahnverfahren mit einem Widerspruch rechnen muss, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet. Teilweise wird für die Erstattungsfähigkeit der zusätzlichen Kosten des Mahnverfahrens verlangt, dass der Kläger konkrete Anzeichen dafür vortragen muss, dass der säumige Schuldner weder Einwendungen gegen die Forderung erheben, noch wenigstens zur Erzielung eines Zeitgewinns von der Möglichkeit der Widerspruchseinlegung Gebrauch machen wird (vgl. OLG Naumburg, OLGR 2004, 387). Andere Gerichte gehen davon aus, dass ein Kläger jedenfalls dann immer mit einem Widerspruch rechnen müsse, wenn - wie auch vorliegend - im Mahnbescheid bereits vorgerichtliche Inkassokosten festgesetzt wurden (vgl. beispielsweise OLG Koblenz, Beschluss vom 16.03.1994 - 14 W 147/94 - zitiert nach Juris). Schließlich wird auch die Auffassung vertreten, nach erfolgloser vorgerichtlicher Einschaltung eines Inkassobüros könne ein Gläubiger in der Regel nicht mehr davon ausgehen, die Angelegenheit werde sich noch ohne Widerspruch im Mahnverfahren erledigen (so OLG Hamm, MDR 1994, 103). Der Senat braucht zu diesen Fragen keine Stellung zu nehmen. Die Frage, ob und inwieweit die Klägerin mit der Möglichkeit eines Widerspruchs im Mahnverfahren rechnen musste, kann dahinstehen, da es bereits an wirtschaftlich sinnvollen Gründen für die Einschaltung eines Rechtsbeistands im Mahnverfahren gefehlt hat (siehe oben 2.).

4. Da die Beauftragung von Rechtsbeistand X. zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig war, kann die Klägerin nur diejenigen Kosten erstattet verlangen, die bei einer Beauftragung von Rechtsanwalt A. bereits im Mahnverfahren entstanden wären. Rechtsanwalt A. hätte in diesem Fall für das Mahnverfahren wegen der Anrechnung keine gesonderte Gebühr verlangen können (vgl. RVG Nr. 3305 VV). Allerdings hätte Rechtsanwalt A. - bei einer Beauftragung bereits im Mahnverfahren - eine gesonderte Postpauschale von 20 € für das Mahnverfahren geltend machen können (§ 26 Satz 2 BRAGO), für welche eine Anrechnung auf das streitige Verfahren im Gebührenrecht nicht vorgesehen ist. Daher sind 20 € Postpauschale für das Mahnverfahren zusätzlich zu berücksichtigen. Zu der Postpauschale kommt keine Mehrwertsteuer hinzu, da die Klägerin vorsteuerabzugsberechtigt ist (Schriftsatz des Klägervertreters vom 10.01.2005, AS. 155).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO.

6. Der Gegenstandswert entspricht den von der Beklagten beanstandeten Rechtsbeistandskosten.

7. Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand kein Anlass (§ 574 Abs. 2 ZPO). Der Senat ist der Auffassung, dass die für die vorliegende Entscheidung maßgeblichen Grundsätze durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23.03.2004 (BGH, FamRZ 2004, 866) geklärt sind.

Ende der Entscheidung

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