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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 10.12.2004
Aktenzeichen: 15 W 25/04
Rechtsgebiete: InsO, BGB, ZPO


Vorschriften:

InsO § 60
InsO § 61
InsO § 209 Abs. 1
InsO § 209 Abs. 1 Ziff. 1
InsO § 209 Abs. 1 Ziff. 2
InsO § 209 Abs. 1 Ziff. 3
InsO § 210
BGB § 247
ZPO § 91 Abs. 2 Satz 2 (a.F.)
ZPO § 103 Abs. 2
ZPO § 208 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 287 Abs. 2
1. Erhebt der Insolvenzverwalter nach einer Anzeige der Masseunzulänglichkeit (" 208 Abs. 1 InsO) eine Klage, so sind die Kosten, die der Insolvenzverwalter nach Klageabweisung dem Gegener erstatten muss, eine Neumasseschuld im Sinne von § 209 Abs. 1 Ziff. 2 InsO.

2. Stellt sich bei einer Neumasseschuld heraus, dass die Masse zur vollen Befriedigung der Kosten des Insolvenzverfahrens und aller Neumasseschulden (§ 209 Abs. 1 Ziff. 1 und Ziff. 2 InsO) nicht ausreicht, kommt ein Leistungstitel gegen den Insolvenzverwalter nicht in Betracht; auch im Kostenfestsetzungsverfahren kann gegen den Insolvenzverwalter in diesem Fall nur ein Feststellungstitel ergehen.


Oberlandesgericht Karlsruhe 15. Zivilsenat Beschluss

Geschäftsnummer: 15 W 25/04

10. Dezember 2004

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Heidelberg vom 25. August 2004 - 11 O 14/04 KfH - wie folgt abgeändert:

Es wird festgestellt, dass der Kläger aufgrund des vorläufig vollstreckbaren Urteils des Landgerichts Heidelberg vom 30.07.2004 - 11 O 14/04 KfH - an die Beklagte an Kosten zu erstatten hat 1.553,36 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs seit 12.08.2004. Es handelt sich hierbei um einen Neumasseanspruch gem. § 209 Abs. 1 Ziff. 2 InsO, nachdem der Kläger mit Schriftsatz vom 28.06.2002 gegenüber dem Insolvenzgericht die Unzulänglichkeit der Masse angezeigt hat.

Im übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.553,36 € festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der W.-GmbH. Das Insolvenzverfahren ist durch Beschluss des Amtsgerichts K. vom 16.07.2002 eröffnet worden. Bereits mit Schriftsatz vom 28.06.2002 hatte der Insolvenzverwalter die Unzulänglichkeit der Masse angezeigt.

Mit Schriftsatz vom 11.12.2003 hat der Insolvenzverwalter beim Landgericht H. die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage beantragt. Nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe hat der Kläger sodann mit einem am 20.04.2004 eingegangenen Schriftsatz Klage gegen die Beklagte erhoben und Zahlung in Höhe von 20.451,68 € verlangt. Mit Urteil vom 30.07.2004 hat das Landgericht H. die Klage abgewiesen.

Auf Antrag der Beklagten hat die Rechtspflegerin des Landgerichts H. mit Beschluss vom 25.08.2004 die vom Kläger zu erstattenden Kosten auf 1.553,36 € nebst Zinsen festgesetzt. Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers. Er ist der Auffassung, im Verfahren der Kostenfestsetzung sei nur noch ein Feststellungstitel und kein Leistungstitel möglich, da ein Fall der Masseunzulänglichkeit, und zwar auch bezüglich der Neumassegläubiger, vorliege. Der Kläger hält außerdem die Berücksichtigung von Reisekosten des Prozessbevollmächtigten der Beklagten in Höhe von 17,36 € im Rahmen der Kostenfestsetzung für unberechtigt.

Die Beklagte tritt der sofortigen Beschwerde entgegen. Sie ist der Auffassung, im Rahmen der Kostenfestsetzung sei ein normaler Leistungstitel möglich, da der Kläger die Klage erst nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit erhoben habe. Die Reisekosten des Prozessbevollmächtigten der Beklagten seien nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen erstattungsfähig.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist überwiegend begründet.

1. Im Kostenfestsetzungsverfahren kann gegen den Kläger kein Leistungstitel ergehen. Vielmehr ist im Rahmen der Kostenfestsetzung nur die Feststellung einer Leistungspflicht möglich. Dies ergibt sich aus dem vom Kläger im Rahmen der Kostenfestsetzung erhobenen Einwand der Masseunzulänglichkeit.

a) Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass die Anzeige der Masseunzulänglichkeit vom 28.06.2002 einem Leistungstitel im vorliegenden Verfahren nicht entgegensteht. Denn die vom Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten sind eine Neumasseschuld im Sinne von § 209 Abs. 1 Ziff. 2 InsO. Bei Neumasseverbindlichkeiten steht die frühere Anzeige der Masseunzulänglichkeit einem Leistungstitel nicht entgegen, so dass die Anzeige vom 28.06.2002 keine rechtlichen Auswirkungen auf die Kostenfestsetzung im vorliegenden Rechtsstreit hat. Die Anzeige vom 28.06.2002 stünde einem Leistungstitel gegen den Kläger nur dann entgegen, wenn es um Altmasseverbindlichkeiten im Sinne von § 209 Abs. 1 Ziff. 3 InsO gehen würde (vgl. Hefermehl in MünchKomm z. InsO, Band 2, 2002, § 208 InsO Rn. 62, 65).

b) Einem Leistungstitel im Rahmen der Kostenfestsetzung steht allerdings entgegen, dass der Kläger im Kostenfestsetzungsverfahren eine neue Masseunzulänglichkeit auch für die Neumasseverbindlichkeiten geltend gemacht hat. Ein Leistungstitel kommt auch für Neumasseverbindlichkeiten nicht mehr in Betracht, wenn sich nachträglich herausstellt, dass auch für die Neumasseverbindlichkeiten im Sinne von § 209 Abs. 1 Ziff. 2 InsO voraussichtlich keine ausreichenden Mittel zur vollen Befriedigung mehr vorhanden sind (vgl. hierzu Hefermehl, a.a.O., § 208 InsO Rn. 60). Für die Befriedigung der Massegläubiger gilt die Rangfolge in § 209 Abs. 1 InsO. Das heißt: Der Kläger kann den Kostenerstattungsanspruch der Beklagten (Neumasseverbindlichkeit im Sinne von § 209 Abs. 1 Ziff. 2 InsO) nicht befriedigen, wenn die vorrangigen Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 209 Abs. 1 Ziff. 1 InsO) die Masse übersteigen. Ist die Masse zwar einerseits größer als die Summe der Kosten, andererseits aber nicht ausreichend zur vollen Befriedigung aller Ansprüche im Sinne von § 209 Abs. 1 Ziff. 2 InsO, kann der Kostenerstattungsanspruch der Beklagten im Rahmen von § 209 Abs. 1 Ziff. 2 InsO nur quotal - gleichrangig mit den anderen Neumasseverbindlichkeiten - befriedigt werden. Eine erneute Masseunzulänglichkeit muss daher einem Leistungstitel, der den Kläger zur vollen Zahlung verpflichten würde, entgegenstehen (vgl. BGH, ZInsO 2003, 465). Der Kläger kann insoweit nicht auf einen Einwand im Rahmen einer Vollstreckung der Beklagten verwiesen werden; denn das Vollstreckungsverbot gem. § 210 InsO gilt nach der ausdrücklichen Gesetzesformulierung nicht für Neumasseverbindlichkeiten im Sinne von § 209 Abs. 1 Ziff. 2 InsO.

c) Bei einer erneuten Masseunzulänglichkeit kommt daher für die Neumasseverbindlichkeiten gem. § 209 Abs. 1 Ziff. 2 InsO nur noch ein Feststellungstitel in Betracht (vgl. BGH a.a.O.). Ein solcher feststellender Beschluss ist auch im Kostenfestsetzungsverfahren in derartigen Fällen möglich (vgl. LAG Baden-Württemberg, ZInsO 2001, 429; anders anscheinend im Rahmen der früheren Rechtslage nach der Konkursordnung OLG München, ZIP 2000, 555).

Ein gesonderter Feststellungsantrag der Beklagten ist im Kostenfestsetzungsverfahren nicht erforderlich; es reicht aus, dass der Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten den Anforderungen des § 103 Abs. 2 ZPO entspricht.

d) Es steht eine erneute Masseunzulänglichkeit zur Überzeugung des Senats fest. Die vorhandene Masse wird voraussichtlich nicht ausreichen (§ 208 Abs. 1 Satz 2 InsO), um den Kostenerstattungsanspruch der Beklagten in voller Höhe zu befriedigen.

Es ist nicht erforderlich, dass die Unmöglichkeit einer vollständigen Befriedigung der Forderung der Beklagten feststeht; vielmehr reicht gem. § 208 Abs. 1 Satz 2 ZPO eine Prognose aus, dass die Masse voraussichtlich nicht ausreicht. Die tatsächlichen Voraussetzungen einer solchen Prognose sind grundsätzlich vom Insolvenzverwalter nachzuweisen. Für die Überzeugungsbildung des Gerichts reicht hierbei eine Schätzung gem. § 287 Abs. 2 ZPO aus (vgl. BGH, ZInsO 2003, 465, 468). Von diesen Grundsätzen ausgehend, ist vorliegend eine (erneute) Masseunzulänglichkeit anzunehmen.

Grundlage für die Entscheidung des Senats ist in erster Linie der Bericht des Klägers im Insolvenzverfahren vom 18.09.2002 (AS. 293 ff.). Der Senat hat keine grundsätzlichen Bedenken, die Feststellung der Masseunzulänglichkeit in erster Linie auf den eigenen Bericht des Insolvenzverwalters zu stützen; denn im Hinblick auf die Stellung des Verwalters im Insolvenzverfahren ist davon auszugehen, dass der Verwalter im Regelfall einen objektiven Bericht gegenüber dem Insolvenzgericht abgibt (vgl. zur Berücksichtigung eines vom Insolvenzverwalter erstellten Berichts bzw. eines "Status" bei der Frage der Masseunzulänglichkeit Hefermehl, a.a.O., § 207 InsO Rn. 67).

Aus der Abrechnung auf Seite 15 des Berichts (AS. 321) ergeben sich vom Insolvenzverwalter für den damaligen Zeitpunkt geschätzte Masseverbindlichkeiten von ca. 41.000 € (Verfahrenskosten sowie sonstige Masseverbindlichkeiten) bei Aktiva von etwa 52.000 €. Die Aktiva bestehen - wie aus dem Bericht ersichtlich - im Wesentlichen aus - vom Insolvenzverwalter bei Abfassung des Gerichts angenommenen - Ansprüchen gegen die Beklagte (im Bericht 19.000 €) und gegenüber einer Sparkasse (im Bericht 18.000 €). Weitere nennenswerte Aktiva sind aus dem Bericht nicht ersichtlich. Nachdem die Klage gegen die Beklagte erstinstanzlich abgewiesen worden ist, sind im Rahmen der Prognosebetrachtung die angesetzten 19.000 € von den Aktiva abzusetzen. Darauf beruht die vom Kläger geltend gemachte erneute Masseunzulänglichkeit. Es ist nicht ersichtlich, dass andere Aktiva nachträglich - unerwartet - zur Masse gezogen werden konnten. Die Angaben des Klägers im Schriftsatz vom 19.10.2004 im Zusammenhang mit den als Beleg vorgelegten Kontoauszügen erscheinen dem Senat ausreichend für die Feststellung im Rahmen von § 287 Abs. 2 ZPO, dass sich nach dem Bericht des Insolvenzverwalters vom 18.09.2002 keine wesentlichen - unerwarteten - Veränderungen ergeben haben, durch die die Masse deutlich vergrößert worden wäre.

e) Der im Rahmen der Kostenfestsetzung ergehende Feststellungstitel hat die Wirkung, dass die der Höhe nach festgestellte Forderung der Beklagten im Rahmen von § 209 Abs. 1 Ziff. 2 InsO vom Kläger zu befriedigen ist, das heißt, nachrangig gegenüber den Forderungen gem. § 209 Abs. 1 Ziff. 1 InsO und ggf. quotal im Verhältnis zu den anderen Verbindlichkeiten gem. § 209 Abs. 1 Ziff. 2 InsO. Sollten - unerwartet - weitere Mittel vom Kläger zur Masse gezogen werden, könnte sich nachträglich ggf. auch eine volle Befriedigung der Beklagten ergeben.

f) Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich nichts Anderes aus §§ 60, 61 InsO. Ob und inwieweit die vom Kläger erhobene Klage völlig unbegründet und willkürlich war, wie die Beklagte meint, spielt für die Haftung des Klägers gem. § 209 Abs. 1 InsO keine Rolle, da sich eine Haftung gem. § 209 Abs. 1 InsO in jedem Fall auf die Insolvenzmasse beschränken muss. Davon zu trennen ist eine eventuelle persönliche Haftung des Insolvenzverwalters gem. §§ 60, 61 InsO, die im vorliegenden Kostenfestsetzungsverfahren keine Rolle spielt.

2. Die sofortige Beschwerde des Klägers hat hingegen insoweit keinen Erfolg, als er sich gegen die Berücksichtigung von Reisekosten des Prozessbevollmächtigten der Beklagten in Höhe von 17,36 € (Gerichtstermin in Heidelberg am 14.05.2004) wendet.

a) Allerdings weist der Kläger zutreffend darauf hin, dass Mehrkosten der Beklagten durch Reisekosten ihres Prozessbevollmächtigten zum Gericht nach H. grundsätzlich nicht erstattungsfähig sind. Denn die ausdrückliche Regelung in § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO (a.F.) schließt eine Erstattung solcher Reisekosten für den Rechtsanwalt aus, der zwar beim Prozessgericht (Landgericht H.) zugelassen ist, jedoch seinen Kanzleisitz nicht in H., sondern in einem anderen Ort des Landgerichtsbezirks hat. Die demgegenüber von der Beklagten und im Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts H. zitierten Gerichtsentscheidungen stehen diesem Ergebnis nicht entgegen. Denn sämtliche zitierten Entscheidungen betreffen einen anderen Fall, nämlich die Reisekosten eines Rechtsanwalts der nicht beim Prozessgericht (Landgericht H.) zugelassen ist und für den dementsprechend die Regelung in § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO (a.F.) keine Anwendung finden kann.

b) Die Reisekosten des Rechtsanwalts der Beklagten sind dennoch nicht abzusetzen. Denn es handelt sich nicht um Mehrkosten. Wenn die Beklagte einen in H. ansässigen Rechtsanwalt beauftragt hätte, wären Parteikosten des Geschäftsführers der Beklagten für eine Reise zum Rechtsanwalt in H. angefallen. Diese Kosten (abzurechnen nach den Vorschriften des ZSEG) wären gem. § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO erstattungsfähig gewesen. Der Senat geht davon aus, dass diese fiktiven Parteikosten die Reisekosten des Rechtsanwalts zum Termin in H. in Höhe von 17,36 € mindestens erreicht (oder überstiegen) hätten (vgl. zur Berücksichtigung fiktiver Parteikosten in einem derartigen Fall auch die Entscheidung des Senats vom 06.10.2004 -15 W 19/04 -).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO.

4. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 574 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO. Die Berücksichtigung einer erneuten Masseunzulänglichkeit im Kostenfestsetzungsverfahren ist nach Auffassung des Senats von grundsätzlicher Bedeutung.

Ende der Entscheidung

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