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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 30.08.2008
Aktenzeichen: 16 UF 109/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 253 Abs. 4
ZPO § 130 Nr. 1
Eine befristete Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer nicht seine Anschrift bekannt gibt, ist auch dann unzulässig, wenn damit der Verfahrensfortgang und eine Sachentscheidung in einer anderen zwischen denselben Beteiligten anhängigen Rechtssache verhindert oder jedenfalls verzögert werden soll.
Oberlandesgericht Karlsruhe

16. Zivilsenat - Senat für Familiensachen -

Beschluss

Geschäftsnummer: 16 UF 109/07

30. Januar 2008

In dem Verfahren

wegen Ehescheidung; hier: Versorgungsausgleich

Tenor:

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen Ziffer 2 des Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht - Heidelberg vom 03.05.2007 (Az.: 37 F 97/06) wird als unzulässig verworfen.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000 EUR festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

A.

Das Amtsgericht Heidelberg hat die Ehe der Parteien mit Verbundurteil vom 03.05.2007 geschieden und dabei u. a. ausgesprochen:

2. Ein Versorgungsausgleich findet nicht statt.

Hintergrund dieser Entscheidung ist folgender Sachverhalt:

Die Parteien haben am .... 992 geheiratet (Ehezeit im Sinne des § 1587 BGB: ... 1992 bis ... 2006). Aus ihrer Ehe ist der am ... 2000 geborene Sohn T. hervorgegangen. Der am ... 1961 geborene Antragsteller ist ... , die am ... 1967 geborene Antragsgegnerin ist ... . Sie lebten in ... in getrennten Wohnungen. Seit dem ... 2005 leben sie getrennt. T. hat seinen Lebensmittelpunkt bei der Mutter.

Mit Antrag vom ... .2004 beantragte der Antragsteller ein Umgangsrecht, mit Antrag vom ... 2006, ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht für T. zu übertragen. Zur Begründung führte er u. a. aus, die Antragsgegnerin sei aufgrund ihrer psychischen Disposition nicht in der Lage, ihr Verhalten am Wohl des Kindes zu orientieren und beeinflusse T. negativ. Sie behindere einen regelmäßigen Umgang von Vater und Sohn.

Das Amtsgericht hat nach Anhörung der Parteien und Einholung eines Gutachtens mit Beschluss vom 03.05.2006 eine Verfahrenspflegschaft angeordnet und im Wege der einstweiligen Anordnung dem Antragsteller das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen. Mit Schriftsatz vom 18.07.2006 beantragte der Antragsteller die Scheidung der Ehe. Umgangs- und Sorgerechtsverfahren wurden zunächst als Folgesachen behandelt und schließlich abgetrennt. Beide Folgesachen sind noch nicht beendet.

Am 19.09.2006 befand sich T. in der Obhut der damaligen Partnerin des Antragstellers in ... Er wurde dort von der Antragsgegnerin entführt. Beider Aufenthalt ist seitdem unbekannt. Die Antragsgegnerin wird mit Haftbefehl gesucht. Die Mutter der Antragsgegnerin ist wegen ihrer Beteiligung an dem Vorfall in erster Instanz vom LG ... zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt worden ist, verurteilt worden. Gegen das Urteil wurde Berufung eingelegt.

Der Antragsteller hat beim Amtsgericht beantragt, den Versorgungsausgleich auszuschließen, da die Parteien nur wenige Wochen zusammen gewohnt hätten und ein gemeinsamer Vermögenserwerb nicht stattgefunden habe.

Die Antragsgegnerin ist dem beantragten Ausschluss entgegengetreten.

Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleichs in Anwendung des § 1587c Nr.1 BGB wegen einer grob unbilligen Härte ausgeschlossen. Die Antragsgegnerin habe nur geringfügige ehebedingte Nachteile in ihrer Versorgungssituation erlitten. Versorgungsleistungen für den Antragsteller habe sie nicht erbracht. Hinzu komme die Kindesentführung. Dies mache die Durchführung des Versorgungsausgleichs, d.h. die lebenslange Teilhabe an den deutlich höheren Rentenanwartschaften des Antragstellers grob unbillig. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe der amtsgerichtlichen Entscheidung verwiesen.

Gegen die ihr am 16.05.2007 zugestellte Entscheidung hat die Antragsgegnerin mit Faxschreiben vom 14.06.2007 - eingegangen beim OLG am gleichen Tage - Beschwerde eingelegt, mit der sie eine Durchführung des Versorgungsausgleichs erreichen will.

Zur Begründung trägt sie vor, eine grobe Unbilligkeit liege nicht vor. Es sei zwar richtig, dass sich die Antragsgegnerin "abgesetzt" habe. Um beurteilen zu können, ob dieser Umstand zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs führe, seien die Gründe hierfür und der Verlauf des Verfahrens zu berücksichtigen. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf die Schriftsätze vom ... 2007 S. 2 ff. (...) und vom ... 2007 S. 2 ff. (...) verwiesen. Es sei nicht gerechtfertigt, den Versorgungsausgleich auszuschließen. Die Beschwerde sei nicht rechtsmißbräuchlich. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf den Inhalt des Schriftsatzes vom ... 2007 (...) verwiesen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

der Versorgungsausgleich wird unter Abänderung der Ziff.2 des Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht - Heidelberg vom 03.05.2007 (Az.: 37 F 97/06) durchgeführt.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurück zu weisen.

Er verteidigt die amtsgerichtliche Entscheidung und macht geltend, die Entführung des Kindes stelle ein vorsätzliches Vergehen dar, das mit Gefängnis bis zu 5 Jahren bestraft werden könne. Die Tat richte sich auch gegen den sorgeberechtigten Vater. Das Verhalten der Antragsgegnerin sei nicht zu rechtfertigen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

B.

Die nach §§ 621e Abs.3, Abs.1, 621 Nr.6 ZPO an sich statthafte Beschwerde der Antragsgegnerin ist unzulässig. Ihr fehlt das Rechtsschutzbedürfnis wegen eines rechtsmißbräuchlichen Verhaltens.

I. Der Aufenthalt der Antragsgegnerin ist seit dem... .2006 allgemein unbekannt, weil sie "untergetaucht" ist. Ob einzelne Personen aus dem Umfeld der Antragsgegnerin deren Aufenthaltsort kennen, ist dabei unerheblich, da insgesamt betrachtet eine bewusste Verheimlichung des Aufenthaltsortes vorliegt.

Diese Situation lag auch beim Eingang der Beschwerde vor (14.06.2007). Die Antragsgegnerin lebt seit dem ... 2006 nicht mehr unter der im Rubrum angegebenen Anschrift, so dass diese den ihr zugedachten Zweck - nämlich die Partei im Rechtsverkehr zu identifizieren und zu erreichen und sie wegen der ihr zukommenden prozessualen Pflichten in Anspruch nehmen zu können - nicht mehr erfüllen kann. Um diesen Zweck erfüllen zu können gehen die Prozessordnungen allgemein davon aus, dass eine an einem Rechtsstreit beteiligte Person eine sogen. ladungsfähige Anschrift angibt (vgl. etwa § 253 Abs. 4 ZPO i.V.m. § 130 Nr.1 ZPO).

II. Fehlt eine ladungsfähige Anschrift, so kann sich dies auf die Zulässigkeit eines bei Gericht gestellten Antrags, insbesondere auch auf die Zulässigkeit eines Rechtsmittels auswirken.

1. Ohne Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Klägers liegt grundsätzlich keine ordnungsgemäße Klageerhebung i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 i.V.m. § 130 Nr. 1 ZPO vor (BGHZ 102, 332, 336; BGH WM 2004, 2325, 2326). Allerdings ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 65, 114, 117) und des Bundesarbeitsgerichts (NJW 1987, 1356 f.) eine Rechtsmittelschrift auch dann ordnungsgemäß, wenn sie die ladungsfähige Anschrift des Rechtsmittelbeklagten oder seines Prozessbevollmächtigten nicht enthält, obgleich dadurch die alsbaldige Zustellung nach § 521 Abs. 1 ZPO erschwert wird. Entsprechendes gilt nach - soweit ersichtlich - einhelliger Meinung, wenn in der Rechtsmittelschrift die ladungsfähige Anschrift des Berufungsklägers fehlt (BGHZ 102, 332, 333 f.; Zöller / Gummer / Heßler, ZPO 26. Aufl. § 519 Rdn. 30a; MünchKommZPO / Rimmelspacher, 2. Aufl. Aktualisierungsband § 519 Rdn. 15; Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO 63. Aufl. § 519 Rdn. 25; Stein / Jonas / Grunsky, ZPO 21. Aufl. § 518 Rdn. 18; Rosenberg / Schwab / Gottwald, Zivilprozessrecht 15. Aufl. S. 821).

2. Die zitierten Entscheidungen (BGHZ 65, 114, 117; NJW 1987, 1356 f.) können auf den vorliegenden Sachverhalt jedoch nicht angewandt werden, denn ihnen lag jeweils ein Versehen zugrunde (fehlende bzw. unzutreffende Anschrift eines Prozessbeteiligten). Etwas anderes gilt bei rechtsmißbräuchlichem Verhalten. So hat der BGH entschieden, dass ein Kläger, der ohne triftige Gründe für die Vorenthaltung seiner Adresse eine Klage erhebt und dadurch zu erkennen gibt, dass er den Prozess aus dem Verborgenen führen will, um sich einer möglichen Kostenpflicht zu entziehen, sich rechtsmissbräuchlich verhält und seine Klage für unzulässig gehalten (BGHZ 102, 332, 336). In der Entscheidung FamRZ 2006, 116 hat der BGH diesen Ansatz bestätigt und ausgeführt (dort Rn 11f.), dass die bewusste Weigerung der Angabe einer ladungsfähigen Anschrift wie in der Entscheidung BGHZ 102, 332 zur Annahme eines Rechtsmissbrauches führen kann.

Im vorliegenden Fall verhält sich die Antragsgegnerin rechtsmißbräuchlich. Die Antragsgegnerin ist beteiligt an einem noch nicht beendeten Verbundverfahren. Sie hat selbst (auch) die Scheidung beantragt. Sie konnte vom Amtsgericht nicht gemäß § 613 Abs.1 ZPO angehört werden, weil ihr Aufenthalt unbekannt war und ist. Die zum Verbund gehörenden Folgesachen Umgang und Sorgerecht können aus dem gleichen Grund nicht beendet werden. Dass die Ehe bereits geschieden und der Versorgungsausgleich geregelt worden ist, liegt nur daran, dass das Amtsgericht diese Folgesachen gemäß § 623 Abs.2 ZPO abgetrennt hat. Andererseits nimmt die Antragsgegnerin für sich in Anspruch, dass alle Beteiligten dieses Verhalten folgenlos hinnehmen und beansprucht ihrerseits Rechtschutz gegen einen Teil der Entscheidung des Amtsgerichts. Damit manipuliert sie das laufende Verfahren in ihrem Interesse und stellt sich ganz allgemein gegen die Rechtsordnung. Sie kann daher schlechterdings nicht erwarten, dass ein Beschwerdeverfahren unter diesen Umständen durchgeführt wird.

3. Einer Wertung des Verhaltens als rechtsmißbräuchlich steht nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin nach wie vor Mieterin ihrer bisherigen Wohnung ist und an diese Adresse gerichtete Schreiben sie möglicherweise - auf welchem Weg auch immer - erreichen. Der Rechtsmissbrauch besteht nicht darin, dass die Antragsgegnerin völlig unerreichbar wäre, sondern dass die Antragsgegnerin sich im Rahmen des auch vor ihr betriebenen Verfahrens nicht vorbehaltlos der Rechtsordnung unterwirft, vielmehr für sich in Anspruch nimmt, zu entscheiden, inwieweit sie ihr Verhalten an der Rechtsordnung ausrichten will. Unter derartigen Bedingungen ist weder ein geordneter Ablauf des Verfahrens des Scheidungsverfahrens noch des Beschwerdeverfahrens möglich.

Gleiches gilt für die Hinweise, auch einem Straffälligen müsse das Einlegen von Rechtsmitteln möglich sein und die Kosten des Verfahrens könnten durch Vollstreckung in das Vermögen der Antragsgegnerin beigetrieben werden. Der vorzuwerfende Rechtsmissbrauch liegt nicht in der Straftat als solcher, sondern in der Beeinträchtigung des aktuellen Verfahrens (vgl. etwa BGHZ 102, 332, 336).

III. Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist deshalb als unzulässig zu verwerfen, nach § 97 Abs. 1 ZPO hat sie die Kosten zu tragen.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 49 Nr.3 GKG.



Ende der Entscheidung

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