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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 10.12.2002
Aktenzeichen: 16 UF 186/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1375 Abs. 2
BGB § 242
Verbindlichkeiten eines Ehegatten aus einer während der Ehe begangenen Straftat mindern dessen Endvermögen
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Beschluss

16 UF 186/02

Karlsruhe, 10. Dezember 2002

wegen Ehescheidung u.a.

Tenor:

Der Antrag der Antragstellerin vom 17. September 2002 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Berufung wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht - Familiengericht - Weinheim hat mit Verbundurteil vom 26.07.2002 (Az.: 2 F 145/00 ES) den Antragsgegner unter anderem zur Zahlung von 1.963,38 € als Zugewinnausgleich verurteilt und die weitergehende Klage auf Zugewinnausgleich in Höhe von 2.432,52 € abgewiesen. Bei der Berechnung des Endvermögens des Antragsgegners hat das Amtsgericht Verbindlichkeiten in Höhe von 9.551,86 DM abgezogen. Diese resultieren unstreitig aus einer Straftat des Antragsgegners. Der Antragsgegner wurde vom Landgericht Heidelberg am 06.09.2000 wegen Vergewaltigung einer Studentin zu fünf Jahren Haft verurteilt. Der Betrag von 9.551,80 DM rührt teilweise aus der Opferentschädigung, teilweise aus Zahlungen an die Gerichtskasse und Rechtsanwälte.

Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, nach Treu und Glauben könne eine Minderung des Endvermögens des Antragsgegners nicht erfolgen, soweit es um die Verbindlichkeiten aus der Straftat gehe. ...

II.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist zwar zulässig, aber unbegründet.

Die beabsichtigte Prozessführung bietet nach dem bisherigen Vorbringen der Parteien keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Das Amtsgericht Weinheim hat bei der Berechnung des Endvermögens des Antragsgegners berechtigterweise die aus der Straftat resultierenden Verbindlichkeiten in Höhe von 9.551,86 DM abgezogen.

Anzusetzen sind grundsätzlich alle am Stichtag bei den Ehegatten vorhandenen geldwerten rechtlich geschützten Positionen oder rechtlich geschützten Positionen mit wirtschaftlichem Wert (BGH, FamRZ 1980, 37, 39; 1981, 239; 1991, 411). Hiervon abgezogen werden alle Verbindlichkeiten, d.h. Verpflichtungen, die am Stichtag das Vermögen eines jeden Ehegatten mindern (§ 1375 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Verbindlichkeit muss rechtlich begründet sein, eine bloß sittliche Verpflichtung genügt nicht (vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, 61. Aufl., § 1375 Rn. 14). Ansonsten spielt es keine Rolle, auf welchem Rechtsgrund die Verbindlichkeit beruht. Daher finden auch Verbindlichkeiten, die aus einer Straftat resultieren, oder die im Zusammenhang mit Straftaten entstanden sind, Berücksichtigung (z.B. Haußleiter/Schulz, Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung, 3. Aufl., Kapitel 1 Rn. 308, 186).

Nur unter den streng limitierten Voraussetzungen des § 1375 Abs. 2 BGB werden Beträge dem Endvermögen hinzugerechnet, auch wenn sie nicht mehr vorhanden sind. Diese Voraussetzungen liegen vorliegend aber nicht vor. Weder hat der Beklagte unentgeltliche Zuwendungen gemacht (Abs. 2 Nr. 1), noch hat er sein Vermögen verschwendet (Abs. 2 Nr. 2), noch hat er Handlungen in der Absicht vorgenommen, den anderen Ehegatten zu benachteiligen (Abs. 2 Nr. 3), zumindest hat die Antragstellerin hierzu nichts vorgetragen.

Eine entsprechende Anwendung des § 1375 Abs. 2 BGB auf den vorliegenden Fall scheitert an der fehlenden Vergleichbarkeit der Fälle. Die Vorschrift ist nach allgemeiner Meinung erschöpfend. Sie enthält eine abschließende Regelung und ist daher zurückhaltend auszulegen (Soergel/Lange, BGB, 12. Aufl., Rn. 11, 22; Staudinger/Thiele, 13. Bearbeitung, Rn. 30, beide zu § 1375 BGB; OLG Karlsruhe, FamRZ 1986, 167, 168). Die zwischen den Ehegatten bestehende Schicksalsgemeinschaft rechtfertigt es nach Ansicht des Gesetzgebers, dass der andere Ehegatte solche Vermögensminderungen mittragen muss.

Der Senat sieht keine Veranlassung, im vorliegenden Fall von dieser Rechtssprechung abzuweichen.

Die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben nach § 242 BGB kommt vorliegend ebenfalls nicht in Betracht. Die Lehre und Rechtsprechung wenden § 242 BGB immer nur dann an, wenn das Ergebnis ansonsten schlechterdings untragbar wäre und wo die Rechtsausübung zu mit Recht und Gerechtigkeit offensichtlich unvereinbaren Ergebnissen führt (BGHZ 48, 396, 398; BGH NJW 1987, 1069, 1070; BAG DB; 90, 740, 741). Dieser Fall liegt aber nicht vor, da der Antragstellerin noch ein Restanspruch verbleibt und sie nicht völlig mittellos ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 1 GKG, 118 Abs. 1 S. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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