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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 17.05.2006
Aktenzeichen: 16 UF 220/05
Rechtsgebiete: BGB, HausratsVO


Vorschriften:

BGB § 861
BGB § 1361 a
HausratsVO § 18
§ 1361 a BGB ist auch bei verbotener Eigenmacht eines Ehegatten vorrangig anzuwenden.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Beschluss

16 UF 220/05

Karlsruhe, 17. Mai 2006

wegen Wiedereinräumung des entzogenen Besitzes und Hausratsteilung

Gründe:

...

III.

Die Antragsgegnerin kann nicht schon deshalb Gegenstände beanspruchen, weil sie durch verbotene Eigenmacht in den Besitz des Antragstellers gelangt sind.

Der Senat schließt sich zu der Frage, in welchem Verhältnis die hier in Frage kommenden Rechtsvorschriften stehen (§ 861 ff. BGB, § 1361a BGB, § 18 HausratsVO) der Ansicht des Amtsgerichts an.

Zu der anzuwendenden Vorschrift im Falle sog. eigenmächtiger Hausratsverteilung werden folgende Meinungen vertreten:

1) Ein Teil der Rechtsprechung (so etwa OLG Düsseldorf, 9. FamS, FamRZ 1984, 1095 [1095] und 6. FamS, FamRZ 1983, 164 [165]; OLG Bamberg, FamRZ 1993, 335 [336]) und der Lehre (Hambitzer, FamRZ 1989, 236 [237]) vertritt die Auffassung, dass § 861 BGB und § 1361a BGB in freier Anspruchskonkurrenz stehen, weil sie unterschiedliche Rechtsschutzziele haben, indem § 1361a BGB durch richterliche Gestaltung das Recht zum Besitz regele, während § 861 BGB unabhängig von einem Recht zum Besitz den Besitzer schütze und dem Ausschluss des Rechts des Stärkeren diene. Dieser Auffassung zufolge soll es auch zwischen Ehegatten kein Faustrecht geben und wenigstens für eine schnelle Wiederherstellung des Rechtsfriedens gesorgt werden.

2) Die wohl überwiegende Rechtsprechung (BGH FamRZ 1982, 1200; OLG Düsseldorf, 9. FamS, FamRZ 1994, 390 [391] und 5. FamS, FamRZ 1987, 483) und die herrschende Literatur betrachten § 1361a BGB als lex specialis zu § 861 BGB. Der Vorrang von § 1361a BGB unter Ausschluss des Besitzschutzes wird vor allem damit begründet, dass dieses Verfahren speziell auf die Situation im Zusammenhang mit der Trennung von Ehegatten ausgerichtet sei. Den dort statuierten Billigkeitserwägungen, die zugleich ein Korrektiv für die verbotene Eigenmacht darstellen, müsse vorrangig Rechnung getragen werden. Im Sinne der Prozessökonomie würden so mehrere Prozesse mit ggf. widersprüchlichen Entscheidungen vermieden (OLG Düsseldorf, 9, FamS, FamRZ 1994, 390 [391]).

3) Im Rahmen einer vermittelnden Ansicht sind zwei - wenn auch zu gleichen Ergebnissen führende Ansätze - zu unterscheiden:

Nach der in Rechtsprechung (OLG Karlsruhe, FamRZ 2001, 760; OLG Köln, FamRZ 2001, 174) und Literatur (Johannsen / Henrich / Brudermüller, Eherecht, 5. Auflage, 2003, § 1361a BGB Rn. 61) teilweise vertretenen vermittelnden Auffassung wird der Besitzschutzanspruch nach § 861 BGB zwar nicht durch § 1361a BGB verdrängt, aber überlagert, gleichwohl aber die Zuständigkeit des Familiengerichts begründet. Nach dieser Auffassung können die Gegenstände von dem anderen Ehegatten entweder in analoger Anwendung des § 1361a BGB oder nach § 861 BGB "überlagert" durch den Regelungsinhalt des § 1361a BGB im Rahmen eines Hausratsverteilungsverfahrens zurückverlangt werden, soweit sie nicht der auf Herausgabe in Anspruch genommene Ehepartner zur Deckung seines eigenen notwendigen Bedarfs selbst braucht, wofür selbiger beweisbelastet ist (Johannsen / Henrich / Brudermüller, a.a.O., § 1361a BGB Rn. 62).

Der zweite vermittelnde, zu gleichen Ergebnissen führende Ansatz geht davon aus, dass § 1361a BGB zwar die Besitzschutzvorschrift des § 861 BGB verdrängt, andererseits aber nicht die aus der wortlautgetreuen Anwendung des § 1361a BGB folgende Konsequenz eintritt, dass der von verbotener Eigenmacht betroffene Ehepartner lediglich den Hausrat zurückverlangen kann, den er zur Führung eines abgesonderten Haushalts benötigt (Menter, FamRZ 1997, 76 [78f.]).

4) Gegen die unter 1) aufgeführte Meinung spricht entscheidend, dass sie das besondere Verhältnis zwischen den Ehegatten ignoriert, das der Gesetzgeber durch die besondere und flexible Lösung in § 1361a BGB berücksichtigen wollte und zwar gerade auch in der komplizierten Situation, in der sich die Bindung lockert oder sogar ganz auflöst.

Mangels abweichender Ergebnisse der unter 2) und 3) dargestellten Auffassungen bedarf der Meinungsstreit im übrigen keiner abschließenden Entscheidung. Ob nun § 1361a BGB als lex specialis gegenüber § 861 BGB angesehen wird oder ob davon ausgegangen wird, dass die grds. anwendbare Vorschrift des § 861 BGB durch § 1361a BGB im Falle verbotener eigenmächtiger Hausratsverteilung überlagert wird, ist lediglich eine dogmatische Frage, die mangels differierender Ergebnisse dahingestellt bleiben kann.

Der vermittelnden Meinung wird entgegengehalten, dass durch die Anwendung des den § 861 BGB verdrängenden § 1361a BGB eine Regelungslücke entstünde. Der Ehegatte, dem der Besitz in verbotener Eigenmacht entzogen wurde, könne die Herausgabe von Haushaltsgegenständen über § 1361a BGB nur dann verlangen, wenn er die betreffenden Gegenstände zur Führung eines abgetrennten Haushalts benötige. Damit würde der Rechtsschutz gegenüber demjenigen, der eine Herausgabeklage erhebe, ungerechtfertigterweise verkürzt, weil der andere Ehegatte ggf. mit Erfolg einwenden könne, ihm stünden diese Gegenstände als Eigentümer zu; des weiteren würde dies zu einer Veränderung der Beweislast führen. Der illoyal handelnde Ehegatte verschaffe sich damit eine bessere Rechtsposition. Aufgrund dieser Ausgangslage dürfe der grundsätzliche Ausschluss petitorischer Einwendungen im Besitzschutzprozess, der der Erhaltung des Rechtsfriedens diene, nicht aus prozessökonomischen Gründen aufgegeben werden (vgl. etwa Staudinger / Hübner / Voppel, BGB-Kommentar, 4. Buch, 2000, § 1361a Rn 56, 58). Vielmehr dürften die im Verfahren der Hausratsverteilung nach § 1361a BGB Platz greifenden Billigkeitserwägungen im Prozess um die Wiederherstellung des Rechtsfriedens keinen Platz haben (Münchner Kommentar / Wacke, § 1361a BGB Rn 17).

Dem ist zwar zuzugeben, dass es auf den ersten Blick so erscheint, als ermögliche diese herrschende Auffassung die Einführung eines Faustrechts in das Hausratsverteilungsverfahren im Falle vorangegangener eigenmächtiger Hausratsverteilung. Jedoch ist insoweit zu berücksichtigen, dass die zur schnellen Wiederherstellung des Rechtsfriedens vorgenommene Hausratsrückführung nach § 861 BGB zwar kurzzeitig die alten Besitzverhältnisse herzustellen geeignet, jedoch oftmals im Falle eines nachgeschalteten Verfahrens nach § 1361a BGB nur von kurzer Dauer ist, weil anschließend sogleich eine Korrektur durch die Verteilung nach § 1361 a BGB erfahren kann. Dies gilt insbesondere auch für die hier vorliegende Konstellation, dass der andere Ehegatte einen Antrag nach der HausratsVO stellt. Deshalb sprechen die besseren Gründe für die vermittelnden Meinungen. Für eine vorrangige Anwendung von § 1361a BGB unter Ausschluss bzw. Überlagerung von § 861 BGB spricht vor allem, dass dieses Verfahren speziell auf die Situation im Zusammenhang mit der Trennung ausgerichtet ist und somit erlaubt, dort statuierten Billigkeitserwägungen vorrangig Rechnung zu tragen.

Mehrere Prozesse mit ggf. widersprüchlichen Ergebnissen und ein Hin und Her im possessorischen und auf § 1361 a BGB gestützten Verfahren werden vermieden (vgl. etwa OLG Düsseldorf, FamRZ 1994, 390 [391]). Zwar verfolgt der Rechtsschutz im Rahmen von § 1361a BGB nicht das Ziel der Wiederherstellung des früheren Zustandes. Es erscheint aber wenig sinnvoll, dass der zuständige Familienrichter gemäß § 861 BGB die Zurückschaffung aller Hausratsgegenstände anordnet, den früheren Rechtszustand also wieder herstellt, um alsdann in einer weiteren Entscheidung die Hausratsgegenstände möglicherweise gerade dem zuzuordnen, der die verbotene Eigenmacht begangen hat. Wenn auch mit dem Ergebnis der herrschenden Meinung verbunden ist, dass die verbotene Eigenmacht im Hausratsverfahren in der Regel sanktionslos bleibt (wobei zu berücksichtigen ist, dass sie im Rahmen der Billigkeitserwägungen gleichwohl Berücksichtigung finden darf), sich das Faustrecht also durchsetzt, so kann doch alsbald und umfassend mit der Gestaltungsmöglichkeit des Richters über den Hausrat entschieden werden und der Rechtsfrieden in dieser Hinsicht wieder hergestellt werden (OLG Düsseldorf, a.a.O.).

5) Hier kommt hinzu, dass nicht nur über die vom Antragsgegner durch verbotene Eigenmacht in Besitz genommenen Gegenstände zu entscheiden ist, sondern auch über die Zuweisung weiterer Hausratsgegenstände, die der Antragsgegner zur Entscheidung gestellt hat. Es ist jedoch nicht einsichtig, weshalb über den Besitz eines Teil des Hausrats aufgrund anderer Vorschriften zu entscheiden sein soll als den anderen Teil betreffend.

IV.

1. Hausratsgegenstände sind alle Gegenstände, die - unabhängig vom Anschaffungszeitpunkt und -motiv oder Wert oder Eigentumsverhältnissen - nach den Vermögens- und Lebensverhältnissen der Ehegatten für ihr Zusammenleben sowie für die Wohn- und Hauswirtschaft bestimmt sind (Palandt / Brudermüller, a.a.O., § 1361a BGB Rn. 3). Dieser Definition zufolge handelt es sich bei allen von der Antragstellerin herausverlangten Gegenständen um Hausrat, weil sie im Rahmen des einen hohen Standard aufweisenden ehelichen Zusammenlebens als Haushaltsgegenstände benutzt worden sind.

2. Ausschlaggebend für die Verteilung der von der Antragstellerin herausverlangten Gegenstände sind in erster Linie die Eigentumsverhältnisse am jeweiligen Gegenstand, aufgrund derer dann auf zweiter Stufe - je nach Eigentumslage - Notwendigkeits- und Billigkeitserwägungen anzustellen sind (vgl. § 1361a Abs.1 BGB). Weist die Antragstellerin, die sich bzgl. aller herausverlangter Gegenstände auf Miteigentum beruft (Schriftsatz vom 28.02.2005 S. 17 = AS. I, 197), nach, dass die Gegenstände in ihrem Miteigentum stehen, bzw. greift zu ihren Gunsten die gesetzliche Miteigentumsvermutung des § 8 Abs.2 Hausrats VO und wird diese vom Antragsgegner nicht widerlegt, hat die Verteilung nach dem Grundsatz der Billigkeit gemäß § 1361a Abs.2 BGB zu erfolgen. Kann die Antragstellerin den ihr mit Ausnahme des § 8 Abs.2 Hausrats VO obliegenden Beweis des (Mit-) Eigentums an den streitbefangenen Gegenständen dagegen nicht führen, ist von Alleineigentum des Ehemannes auszugehen, sodass die Antragstellerin die Gegenstände nur unter den engen Voraussetzungen des § 1361a Abs. 1 S. 2 BGB herausverlangen kann; kann deren Vorliegen nicht festgestellt werden, geht dies zu ihren Lasten.

Hinsichtlich des Vorliegens von Miteigentum wird in analoger Anwendung des § 8 Abs.2 HausratsVO auch für das Verfahren nach § 1361a Abs.2 BGB vermutet, dass während bestehender Ehe für den gemeinsamen Haushalt angeschaffter Hausrat im Miteigentum der Eheleute steht, sofern nicht das Alleineigentum des anderen Ehegatten feststeht (Staudinger / Hübner / Voppel, a.a.O., § 1361a Rn 39). Beim Erwerb von Hausrat für den gemeinsamen Haushalt sind die dinglichen Erklärungen von Veräußerer und Erwerber ohne Vorliegen besonderer Umstände, denen es vorliegend ermangelt, als Übereignung an den, den es angeht, zu verstehen, so dass sie in der Regel zu gemeinsamen Eigentum der Ehepartner führen (BGH, FamRZ 1991, 923 [924]).

Im Übrigen bleibt es bei den allgemeinen Regeln. § 1362 Abs.1 BGB gilt nur im Verhältnis zu Gläubigern der Parteien.

Bei Mitbesitz - der hier vorliegt - wird gemäß § 1006 BGB Erwerb des Miteigentums vermutet (BGH NJW 1993, 935). Beim Erwerb während nichtehelicher Lebensgemeinschaft gilt nichts anderes. Soweit die Gegenstände von den Parteien während der nichtehelichen Lebensgemeinschaft in Besitz genommen wurden, wird daher Miteigentum vermutet, es sei denn, dass ein Partner den Nachweis führt, dass er die streitbefangene Sache schon vor dem Zusammenleben besaß (BGH NJW 1992, 1162 = LM H. 8/1992 § 1006 BGB Nr.18 = WM 1992, 877 f.). Nach § 1000 BGB wird vermutet, dass der Besitzer mit der Erlangung des Besitzes Eigentümer geworden und während der Dauer seines Besitzes geblieben ist (vgl. BGH a.a.O.). Die Frage, an wen die Rechnung gestellt ist, ist dabei zweitrangig, da sie hier jedenfalls nicht eindeutig erkennen lässt, wer Käufer ist und dass mit dem Kauf nur der Käufer Eigentümer werden sollte.

Besaß ein Partner die Sache also bereits vor dem Zusammenwohnen, braucht er später den Fortbestand seines Eigentums nicht zu beweisen. Vielmehr wird in einem solchen Fall zumindest für die Dauer seines Besitzes vermutet, dass er Eigentümer geblieben ist (BGH, NJW 1976, 238 ( 239) = LM § 1362 BGB Nr.4).

Liegt nach diesem Grundsätzen Miteigentum vor, so ist der Hausrat nach Billigkeit zu verteilen , § 1361a Abs. 2 BGB

V.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze gilt im Einzelnen folgendes:

...

D.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 20 HausratsVO.

Eine weitere Beschwerde ist nach den §§ 621 Abs.1 Nr.7 i.V.m. § 621e Abs.2 ZPO nicht vorgesehen.

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