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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 01.02.2005
Aktenzeichen: 16 UF 267/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 11
BGB § 1671
Wird einem Elternteil nur das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen, hat dies allein keinen Einfluss auf den Wohnsitz des Kindes.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE

16 UF 267/04

Karlsruhe, 01. Februar 2005

wegen Regelung der elterliche Sorge

Beschluss

Tenor:

1. Auf die Beschwerde des Antragstellers vom 23. Dezember 2004 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Mosbach vom 22. November 2004 aufgehoben. Das Verfahren wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Mosbach zurückverwiesen.

2. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt. Ihm wird Rechtsanwalt ..., beigeordnet.

3. Der Antragsgegnerin wird Prozesskostenhilfe bewilligt ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt ....

4. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Aus ihrer Ehe sind drei Kinder hervorgegangen, die bei der Antragsgegnerin leben.

Mit Beschluss vom 02. April 2003 hat das Amtsgericht Bad Kreuznach der Antragsgegnerin das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Antragstellers wurde vom Oberlandesgericht Koblenz mit Beschluss vom 23. Oktober 2003 zurückgewiesen. Der Antragsteller lebt im Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts Mosbach, die Antragsgegnerin gegenwärtig im Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts Simmern. Der Antragsteller hat beim Amtsgericht Mosbach der Antrag gestellt, ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht über die Kinder zu übertragen. Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten. Sie hat die Zuständigkeit des Amtsgerichts Mosbach gerügt, weil sie im Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts Simmern wohne. Einen Abgabeantrag hat der Antragsteller trotz eines richterlichen Hinweises nicht gestellt.

Das Amtsgericht Mosbach hat mit Beschluss vom 22. November 2004 den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Amtsgericht Mosbach sei örtlich nicht zuständig. Zwar hätten in die Kinder zunächst einen Doppelwohnsitz gehabt. Dies habe sich jedoch mit der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Antragsgegnerin geändert. Dem Sinn dieser Übertragung entspreche es, dass nunmehr die Mutter allein in den Aufenthalt und Wohnsitz der Kinder bestimme. Örtlich zuständig sei daher das Amtsgericht Simmern. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des amtsgerichtlichen Beschlusses verwiesen.

Gegen den ihm am 02. Dezember 2004 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2004 - eingegangen beim Oberlandesgericht am 27. Dezember 2004 - "sofortige Beschwerde" eingelegt. Mit dieser macht er geltend, das Amtsgericht Mosbach sei örtlich zuständig, da die Kinder der Parteien einen Doppelwohnsitz hätten. Daran habe sich durch die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrecht des auf die Antragsgegnerin nichts geändert.

Die Antragsgegnerin hat sich der Auffassung des Amtsgerichts angeschlossen und ist der Beschwerde entgegengetreten.

Beide Parteien haben für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe beantragt. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg.

Die örtliche Zuständigkeit für den vom Antragsteller gestellten Antrag richtet sich nach §§ 621 a Abs. 1 S. 1, 621 Abs. 1 Nr. 2 ZPO i.V.m. §§ 64 Abs. 3 S. 2, 36, 43 FGG. Danach ist für die Zuständigkeit der Wohnsitz der Kinder entscheidend, solange keine Ehesache zwischen den Eltern rechtshängig ist (vgl. § 621 Abs. 3 ZPO). Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FGG ist dasjenige Familiengericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Kinder zu dem Zeitpunkt ihren Wohnsitz haben, indem das Familiengericht mit der Sache befasst wird. Dies ist hier auch das Amtsgerichts Mosbach.

Wo die Kinder der Parteien ihren Wohnsitz haben, ergibt sich aus § 11 BGB. Danach teilt ein minderjähriges Kind den Wohnsitz der Eltern (§ 11 Satz 1 BGB). Kinder getrennt lebender Eltern haben damit einen von beiden Elternteilen abgeleiteten doppelten Wohnsitz (vgl. BGHZ 48, 228, 233 = FamRZ 1967, 606). Dies gilt nur dann nicht, wenn einem in der Elternteile "das Recht fehlt, für die Person des Kindes zu sorgen" (so § 11 Satz 1, 2. Halbs. BGB). Im vorliegenden Fall steht beiden Elternteilen die elterliche Sorge gemeinsam zu. Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass der Antragsgegnerin das Aufenthaltsbestimmungsrecht alleine zusteht, denn dem Antragsteller verbleibt das Recht der Personensorge in allen übrigen Belangen. Die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes auf einen Elternteilen führt nicht zum vollständigen Verlust der elterlichen Sorge beim anderen Elternteil und ändert damit nichts an dem Grundsatz, dass das minderjährige Kind den Wohnsitz eines sorgeberechtigten Elternteiles teilt (so OLG Stuttgart in FamRZ 2003,395; OLG Frankfurt, Beschluss vom 5. Mai 1998 - 3 WF 96/98, zitiert nach JURIS; BGH in NJWE-FER 1997, 136; OLG Brandenburg in FamRZ 2003, 1559). Dass dies möglicherweise anders zu beurteilen ist, wenn die Eltern einvernehmlich beschlossen haben, dass die Kinder bei einem Elternteil leben, kann dahinstehen (vgl. die Entscheidung des BGH in NJW-RR 1992, 578; s.a. Palandt / Heinrichs, BGB, 64.Aufl., § 11 Rn. 4 m.w.N.). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

Der Antragsteller kann daher wählen, bei welchem der beiden zuständigen Wohnsitzgerichte er seinen Antrag anhängig macht (vgl. BGH in NJWE-FER 1997, 136). Das Amtsgericht Mosbach - das im Übrigen seiner Rechtsansicht folgend von Amts wegen das Verfahren an das Amtsgericht Simmern hätte abgegeben müssen (vgl. hierzu OLG Stuttgart FamRZ 2003, 395, 396 unter Hinweis auf Bumiller / Winkler, FGG, 7.Aufl., vor §§ 3 - 5 Rz. 5) - wird daher als für den Wohnsitz des Vaters zuständiges Amtsgericht das Verfahren durchzuführen haben, wenn es nicht nach §§ 46, 64 FGG, 621 a ZPO vorgehen will (vgl. Keidel / Weber, FGG, 15. Aufl., § 64 Rn. 36 c; Engelhardt, a.a.O., § 46 Rn. 51). Im vorliegenden Fall erscheint es zweckmäßig, das Verfahren an das Amtsgericht zurückzugeben. Denn eine Zurückverweisung ist regelmäßig dann geboten, wenn das Gericht erster Instanz aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht zu einer sachlichen Nachprüfung des Sachverhaltes gelangt ist und dies vom Beschwerdegericht nicht gebilligt wird (vgl. Keidel / Kuntze / Kayser, FGG, 14. Aufl., § 12 Rn. 37 m.w.N.).

III.

Da das Rechtsmittel des Antragstellers Erfolg hat, ist diesem Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Der Senat hat die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers geprüft. Die Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen vor.

IV.

Der Antragsgegnerin war Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligten (§ 119 S. 2 ZPO).

V.

Die Beschwerde ist gemäß § 131 Abs. 3 KostO gerichtsgebührenfrei. Im Übrigen ist eine Kostenentscheidung nicht zu treffen, da das Verfahren noch nicht abgeschlossen ist (BayObLG NJW-RR 2002, 1086).

Gemäß § 31 Abs. 1 S. 1 § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 3 S. 1 und Abs. 2 S. 1 und 2 KostO ist der Geschäftswert für die Beschwerde auf 1.000 EUR wegen des geringen Umfangs der Sache herabzusetzen.

Ende der Entscheidung

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