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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 22.11.2001
Aktenzeichen: 16 WF 112/01
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 1603 Abs. 2 | |
BGB § 1612 b Abs. 5 | |
BGB § 1684 |
a) solche Schulden gänzlich außer Betracht zu lassen, bei deren Begründung er sich in Kenntnis seiner Unterhaltspflicht in grober Missachtung dessen, was jederman einleuchten muss oder in Verantwortungs- und Rücksichtslosigkeit gegen den Unterhaltsberechtigten über die erkannte Möglichkeit nachteiliger Folgen für seine Leistungsfähigkeit hinweggesetzt hat (zuletzt BGH FamRZ 2000, 815); dazu gehören auch Schulden, die im Zusammenhang mit der Anschaffung eines dringend benötigten Gutes begründet werden - mangels sonstiger Möglichkeiten für die Fahrt zum Arbeitsplatz unumgänglich benötigtes Kraftfahrzeug -, mit denen der Unterhaltspflichtige auch ein Prestigebedürfnis befriedigt, wenn die Anschaffung eines einfachen Gutes möglich und ausreichend gewesen wäre;
b) sonstige Schulden nur nach Ausgleich der Belange von Unterhaltsgläubiger, Unterhaltsschuldner und Drittgläubiger zu berücksichtigen (BGH FamRZ 1982, 157, 158).
2.) Kosten des Umgangs ( § 1684 BGB ) können auch dann, wenn sie wegen § 1612 b Abs. 5 BGB nicht mehr aus einem Kindergeldvorteil finanziert werden können, nur nach Grundsätzen der Billigkeit einkommensmindernd berücksichtigt werden (BGH FamRZ 1995, 215)
3.) Will sich ein Elternteil auf § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB berufen, hat er die wirtschaftlichen Verhältnisse des anderen Elternteils erschöpfend darzustellen; ein Hinweis auf dessen "gute wirtschaftliche Verhältnisse" genügt nicht.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Beschluss
Karlsruhe, 22. November 2001
wegen Kindesunterhalt hier: Prozesskostenhilfe
Tenor:
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Prozesskostenhilfe versagende Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Mosbach vom 25. Juli 2001 aufgehoben. Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach Maßgabe der Gründe dieses Beschlusses bei Vorliegen der wirtschaftlichen Voraussetzungen wird dem Amtsgericht übertragen.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Eine Gebühr ist für das Beschwerdeverfahren nicht zu erheben.
Gründe:
Der Kläger hat an den Beklagten, seinen am 26. Juli 1994 geborenen Sohn, nach dem Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Mosbach vom 14. Mai 2001 ab Januar 2001 100 % des Regelbetrages an Unterhalt zu zahlen, zur Zeit ohne Anrechnung von Kindergeld. Mit seiner Klage will er erreichen, dass dieser Beschluss abgeändert und seine Unterhaltslast für die Zeit bis Juni 2001 mit monatlich 296 DM, ab Juli 2001 mit monatlich 141 DM festgestellt wird. Das Amtsgericht hat Prozesskostenhilfe versagt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.
Die Beschwerdeentscheidung beruht auf folgenden Erwägungen:
1. Das Durchschnittseinkommen des Klägers wurde von dem Amtsgericht festgestellt mit 3.095 DM.
Hiergegen hat der Kläger, der in der Klagschrift einen geringeren Betrag angegeben hatte, nichts erinnert.
2. Fahrtkosten des Klägers hat das Amtsgericht angenommen mit 477 DM.
Soweit der Kläger stattdessen rund 573 DM angesetzt sehen möchte, vernachlässigt er Ferien und Feiertage.
3. Der Kläger besucht den Beklagten alle 2 Monate. Er legt hierfür 1000 km mit eigenem Kraftfahrzeug zurück und setzt hierfür 300 DM Benzinkosten an. Er übernachtet jeweils zweimal mit seinem Sohn und setzt hierfür 160 DM an. Er will deshalb monatlich 230 DM von seinem Einkommen absetzten.
Grundsätzlich hat der Umgangsberechtigte die üblichen Kosten, die ihm bei der Ausübung des Umgangsrechts entstehen, wie Fahrt-, Übernachtungs-, Verpflegungskosten und ähnliches, selbst zu tragen und kann sie weder unmittelbar im Wege einer Erstattung noch mittelbar im Wege einer Einkommensminderung geltend machen (BGH Urteil vom 09. November 1994 - 12 ZR 206/93 - FamRZ 1995, 215). Daran hat sich nichts dadurch geändert, dass der Kläger nunmehr den dem Beklagten geschuldeten Unterhalt nicht mehr um anteiliges Kindergeld mindern kann, weil dem nunmehr § 1612 b Abs. 5 BGB entgegensteht. Für den Bundesgerichtshof war die Entlastung des umgangsberechtigten Elternteils durch staatliche Vergünstigungen, wie das Kindergeld, nur einer der Gründe, welche es verbieten, Umgangskosten einkommensmindernd anzusetzen. Es soll dann eben auch vermieden werden, die Lebenshaltung des Kindes zu beeinträchtigen (BGH a.a.O.). Umgangskosten könnten danach auch weiterhin allenfalls dann einkommensmindernd berücksichtigt werden, wenn dies aus Grundsätzen der Billigkeit erforderlich ist, weil etwa angesichts beengter wirtschaftlicher Verhältnisse die Kostenbelastung für den Umgangsberechtigten schlechthin unzumutbar ist und dazu führt, dass dieser sein Umgangsrecht nicht oder nur noch in erheblich eingeschränktem Umfang ausüben könnte und dem Unterhaltsgläubiger zugemutet werden kann, sich in seiner eigenen Lebensführung einzuschränken. Genau letzteres ist nicht der Fall. Für den Beklagten ist nur das Existenzminimum (100 % des Regelbetrages ohne Anrechnung des Kindergeldes) tituliert. Der Kläger kann nicht verlangen, dass nur das Existenzminimum des beklagten Kindes einseitig beeinträchtigt wird. Darüber hinaus ist zu beachten, dass der Kläger, anders als das beklagte Kind, durch besondere Anstrengungen, etwa eine Nebenbeschäftigung, sich die erforderlichen Mittel verschaffen kann.
4. Der Kläger hat Schulden, die er gegenüber seiner Mutter mit monatlich 200 DM und gegenüber einer Bank mit monatlich rund 255 DM bedient. Bei der Frage, ob er diese Schuldentilgung dem Beklagten entgegenhalten kann, ist folgendermaßen zu differenzieren:
a) Soweit Schuldentilgung zur beschränkten Leistungsfähigkeit führen würde, können solche Schulden gänzlich außer Betracht gelassen werden, die der Unterhaltsschuldner eingegangen ist in Kenntnis seiner Unterhaltspflicht; wenn er sich unter grober Mißachtung dessen, was jedem einleuchten muss oder in Verantwortungs- und Rücksichtslosigkeit gegen den Unterhaltsberechtigten über die erkannte Möglichkeit nachteiliger Folgen für seine Leistungsfähigkeit hinweggesetzt hat (vgl. zu dem Fall des zur Leistungsunfähigkeit führenden unfreiwilligen Arbeitsplatzverlusts BGH, Urteil vom 12. April 2000 - XII ZR 79/98 - FamRZ 2000, 815). Zu denken ist in diesem Zusammenhang an die Schulden, die der Kläger aus Anlass der Anschaffung von Kraftfahrzeugen machte: Pkw Mitsubishi Pajero 27.500 DM; Pkw Toyota 20.000 DM; Pkw BMW 320 i Cabrio 20.000 DM; Ausstattung des Fahrzeuges Toyota mit Phonogerät 830 DM. Es mag sich, wie etwa bei dem Fahrzeug BMW, um ältere Gebrauchtfahrzeuge mit mehreren Vorbesitzern gehandelt haben. Gleichwohl liegt auf der Hand, dass der Kläger mit der Anschaffung dieser Fahrzeuge sich nicht nur in den Stand versetzt hat, seine Arbeitsstelle erreichen zu können. Er hat vielmehr auch ein Prestigebedürfnis befriedigt, und dafür einen gegenüber bescheideneren, aber ebenso geeigneten Fahrzeugen erheblich höheren Kaufpreis aufgewendet. Ihm zu gestatten, die daraus verbliebenen Schulden über eine Reduzierung des Unterhaltes für seinen 7-jährigen Sohn zu finanzieren, würde auf deutliches Unverständnis aller billig und gerecht Denkenden stoßen.
Zwar entspricht es der Rechtsprechung des Senats, Prozesskostenhilfe nicht mangels hinreichender Erfolgsaussicht zu versagen, weil der Ausschluss eines Unterhaltsanspruches wegen grober Unbilligkeit nach § 1579 BGB in Frage kommt (Beschluss vom 01. Dezember 1994 - 16 WF 153/94 - FamRZ 1996, 1288). Im vorliegenden Fall liegt jedoch die Anwendung des § 242 BGB nach dem Maßstab des § 1579 Nr. 3 BGB (BGH a.a.O.) so sehr auf der Hand, dass dies auch schon im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden kann.
b) Soweit dem Kläger die Berufung auf eingeschränkte Leistungsfähigkeit nicht schon aus den vorgenannten Gründen versagt werden muss, ist immer noch zu beachten, dass die dieser eingeschränkten Leistungsfähigkeit zugrunde liegenden Verbindlichkeiten nicht ohne Rücksicht auf die Unterhaltsinteressen des beklagten Kindes getilgt werden dürfen. Vielmehr bedarf es eines Ausgleichs der Belange von Unterhaltsgläubiger, Unterhaltsschuldner und Drittgläubiger (vgl. bereits BGH Urteil vom 25. November 1981 - IV b ZR 611/80 - FamRZ 1982, 157, 158). Wenn, wie hier, der Mindestbedarf eines unterhaltsberechtigten Kindes beeinträchtigt würde, ist von Bedeutung der Zweck der eingegangenen Verpflichtungen, der Zeitpunkt und die Art ihrer Entstehung, die Dringlichkeit der beiderseitigen Bedürfnisse, die Kenntnis des Unterhaltsschuldners von Grund und Höhe der Unterhaltsschuld und seine Möglichkeiten, die Leistungsfähigkeit in zumutbarer Weise wieder herzustellen. Eine Unterschreitung des Regelbedarfs kommt ausnahmsweise dann in Betracht, wenn und soweit dem Unterhaltsschuldner wegen Grund und Höhe seiner anderweitigen Schulden die Berufung auf diese Verpflichtungen nicht nach Treu und Glauben versagt ist und ihm deshalb billigerweise deshalb nicht abverlangt werden kann, ohne Bedienung der anderen Schulden weiterhin Unterhalt in Höhe des vollen Bedarfs des Kindes zu leisten, also Unterhalt auf Kosten einer durch Zinsen ständig weiter wachsenden Verschuldung (so BGH Urteil vom 11.12.1985 - IV b ZR 80/84 - FamRZ 1986, 254, 257).
Dies vorausgeschickt ist zu den einzelnen Ursachen der Verschuldung zu erwägen:
Kreditfinanzierter Unterhaltsvorschuss für das Kind X über 4.500 DM:
Angesetzt werden können hier allenfalls Zinsen, da das Kapital aus den für den laufenden Unterhalt bereitzustellenden Mitteln zurückzuzahlen war.
Schulden aus Kraftfahrzeugkäufen können, wie oben ausgeführt, nur in wesentlich geringerem Umfang angesetzt werden.
Aufwendungen für das Abschleppen und Verwahren eines unfallbeschädigten Fahrzeuges - 1.560 DM - mögen im Prozesskostenhilfeverfahren berücksichtigt werden.
Aus welchen Gründen Kosten für die Beschädigung einer Leitplanke - rund 2.660 DM - nicht vom Haftpflichtversicherer getragen wurden, bleibt dunkel.
Kosten für die Reparatur des durch einen selbst verschuldeten Verkehrsunfall beschädigten nicht mehr kaskoversicherten Kraftwagens BMW - rund 3.550 DM - können allenfalls teilweise angesetzt werden, da die Reparatur eines weniger aufwendigen Fahrzeuges billiger gewesen wäre.
Angesetzt werden mag auch, dass der Kläger für eine abgebrochene Umschulungsmaßnahme rund 1.210 DM aufwenden musste.
Außer Betracht zu bleiben hat die mit der allmählichen Kontoüberziehung verbunden gewesene Verschuldung des Klägers, da der Kläger insoweit im Zweifel nur seinen eigenen Lebensunterhalt finanziert hat. Dasselbe gilt für rückständige Telefongebühren. Außer Betracht zu bleiben hat auch, dass der Kläger seit 1994 gegenüber dem Beklagten mit Unterhalt in Rückstand geraten ist und insoweit Raten leistet.
Angesetzt werden mag ein Betrag von 200 DM Rückzahlung eines von der Bundesanstalt für Arbeit gewährten Darlehens zur Förderung der Arbeitsaufnahme.
Insgesamt kommt allenfalls ein Betrag von 150 DM in Frage, den der Kläger einkommensmindernd ansetzen kann.
5. Der Kläger hat sonach für seinen und der Söhne Y, geb. am ... 1994 (Beklagter) und X, geb. am ... 1989 Unterhalt insgesamt zu Verfügung 2.468 DM.
Bei einem Selbstbehalt von 1.500 DM kann mit verbleibenden 968 DM
der Unterhalt dieser Söhne in vollem Umfang finanziert werden.
Ab Juli 2001 beträgt der Selbstbehalt 1.640 DM. Es verbleiben für den Unterhalt der Söhne 828 DM.
Deren Bedarf beträgt X 525 DM Beklagter Y 444 DM bei anteiliger Kürzung entfallen auf den Beklagten 380 DM.
6. Auf § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB ist der Senat nicht eingegangen. Hierzu ist der Vortrag des Klägers zu dürftig. Er spricht nur von guten wirtschaftlichen Verhältnissen der Mutter des Beklagten und ihrem Bruttoeinkommen von 6.000 DM monatlich. Genauere und dann im Unterhaltsprozess auch verwertbare Tatsachen kann sich der Kläger von der Mutter des Beklagten verschaffen (vgl. OLG Köln, FamRZ 1992, 469).
Dem Kläger wird nach allem bei Vorliegen der wirtschaftlichen Voraussetzungen - die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers hat das Amtsgericht dem Senat nicht vorgelegt - Prozesskostenhilfe zu bewilligen sein, soweit er beantragen will, den Beschuss des Amtsgerichts Mosbach vom 14. Mai 2001 - 2 FH 93/00 - dahin abzuändern, dass der von dem Kläger an den Beklagten zu zahlende Unterhalt ab Juli 2001 monatlich 380 DM beträgt.
Ende der Entscheidung
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