Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 05.10.2001
Aktenzeichen: 16 WF 118/01
Rechtsgebiete: Kindesunterhaltsgesetz vom 6. April 1998


Vorschriften:

Kindesunterhaltsgesetz vom 6. April 1998 Art. 5 § 3
Art. 5 § 3 Kindesunterhaltsgesetz vom 6. April 1998 ist nicht auf Unterhaltstitel anzuwenden, welche nach dem seit dem 1. Juli 1998 geltenden Recht errichtet worden sind. Hierfür besteht auch kein Bedürfnis.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Beschluss

16 WF 118/01

Karlsruhe, 05. Oktober 2001

wegen Unterhalts

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Mannheim vom 20. Juni 2001 abgeändert und folgendermaßen neu gefasst:

Das Urteil des Amtsgerichts Mainz vom... 2000 - Az.: - wird gemäß Art. 4 § 2 Unterhaltstitelanpassungsgesetz, § 655 ZPO dahin abgeändert, dass mit Wirkung vom 01. März 2001 der Abzug anteiligen Kindergeldes von 135 DM entfällt.

Im übrigen wird die sofortige Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Beschwerdewert: bis 1.800 DM

Gründe:

Der Antragsgegner wurde durch Urteil des Amtsgerichts Mainz vom ... 2000 - Az.: ... - verurteilt, an die Antragstellerin, seine am 05. August 1989 geborene Tochter, "den Mindestunterhalt in Höhe von 431 DM monatlich, abzüglich anteiliges Kindergeld in Höhe von 135 DM ab dem 01.06.2000 zu zahlen".

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht antragsgemäß dieses Urteil sowohl gemäß Art. 5 § 3 Kindesunterhaltsgesetz als auch nach Art. 4 § 2 Unterhaltstitelanpassungsgesetz in Verbindung mit § 655 ZPO abgeändert und bestimmt, dass der Antragsgegner zu zahlen habe:

"ab 01.03.2001 100 % des jeweiligen Regelbetrages der zweiten Altersstufe nach § 1 RegelbetragsVO

ab 01.08.2001 100 % des jeweiligen Regelbetrages der dritten Altersstufe nach § 1 RegelbetragsVO

Auf den Unterhalt ist das hälftige Kindergeld für ein erstes Kind anzurechnen, soweit dieses zusammen mit dem Unterhalt 135 % des Regelbetrags der jeweiligen Altersstufe übersteigt."

Die Begründung lautet:

"Nach § 1612 b Abs. 5 BGB n. F. unterbleibt eine teilweise oder ganze Anrechnung des Kindergeldes, soweit der Unterhaltspflichtige außerstande ist, Unterhalt i. H. v. 135 % des Regelbetrags nach der Regelbetrag-VO zu leisten.

Somit ist in den Altersstufen derzeit wie folgt Unterhalt zu zahlen:

 2. Altersstufe ab3. Altersstufe ab
Datum:01.03.200101.08.2001
100 % des Regelbetrags nach § 1 RegelbetragsVO431,00 DM510,00 DM
Anzurechnender Kindergeldanteil0,00 DM0,00 DM
Neuer Unterhalt431,00 DM510,00 DM

Mit seiner sofortigen Beschwerde wendet sich der Antragsgegner hiergegen. Er sei am ... 2000 vom Amtsgericht Mainz zur Zahlung von 296 DM aufgrund seines Einkommens verurteilt worden, dieses habe sich seit dieser Zeit nicht erhöht; gleichwohl solle er jetzt monatlich 214 DM mehr zahlen.

Das Rechtsmittel hat insoweit Erfolg, als mit dem angefochtenen Beschluss dem Antragsgegner aufgegeben wurde, nunmehr 100 % des jeweiligen Regelbetrages zu zahlen. Insofern hat es dabei zu verbleiben, dass der Antragsgegner nur verurteilt ist, 431 DM monatlich zu zahlen hat und nicht, wie in dem angefochtenen Beschluss inbegriffen, ab 01.07.2001 444 DM bzw. den jeweiligen noch höheren zukünftigen Regelbetrag. Soweit der Antragsgegner sich dagegen wendet, dass Kindergeld nicht mehr angerechnet wird, hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

1.) Gemäß Art. 5 § 3 des Kindesunterhaltsgesetzes können Urteile, Beschlüsse und andere Schuldtitel im Sinne des § 794 ZPO, in denen Unterhaltsleistungen für ein minderjähriges Kind nach dem vor dem 01.07.1998 geltenden Recht zuerkannt, festgesetzt oder übernommen sind ( vor dem 01.07.1998 erwirkte Titel <vergl Schumacher/Grün FamRZ 1998, 778, 796 >), auf Antrag für die Zeit nach der Antragstellung in einem vereinfachten Verfahren durch Beschluss dahin abgeändert werden, dass die Unterhaltsrente als vom Hundertsatz des jeweiligen Regelbetrags der jeweiligen Altersstufe festgesetzt wird. Das Urteil des Amtsgerichts Mainz vom ... 2000 unterfällt nicht dieser Bestimmung. Denn in ihm sind nicht Unterhaltsleistungen für ein minderjähriges Kind nach dem vor dem 01. Juli 1998 geltenden Recht festgesetzt worden. Dies ergibt sich schon daraus, dass das Urteil auf die mündliche Verhandlung vom ... 2000 ergangen ist und deshalb das nach dem 01. Juli 1998 geltende materielle Recht anzuwenden war, im Zweifel auch angewendet wurde. Nach dem ab dem 01. Juli 1998 geltenden materiellen Recht hätte die Antragstellerin - bzw. ihre Mutter als Prozessstandschafterin - von vornherein Unterhalt als vom Hundertsatz eines oder des jeweiligen Regelbetrages nach der RegelbetragsVO verlangen können (§ 1612 a Abs. 1 BGB). Wenn dies seinerzeit nicht geschehen ist, kann dies nicht in dem Verfahren nach Art. 5 § 3 Kindesunterhaltsgesetz nachgeholt werden, weil hierfür im Gegensatz zu Unterhaltstiteln, die nach dem vor dem 01. Juli 1998 geltenden Recht errichtet worden sind, kein Bedürfnis besteht.

Hatte bis zum 30. Juni 1999 ein minderjähriges Kind einen (nur) auf einen Festbetrag lautenden Unterhaltstitel, konnte dieser in einem vereinfachten Verfahren (frühere §§ 641 e bis t ZPO) nach den jeweiligen Anpassungsverordnungen abgeändert werden, so dass dieses Kind einen Titel hatte, der in ähnlicher Weise dynamisch war, wie ein nunmehr auf § 1612 a BGB beruhender. Da §§ 641 l ff ZPO aufgehoben sind, kann die Antragstellerin ihren auf einen Festbetrag lautenden Unterhaltstitel nicht mehr in dem dort geregelt gewesenen vereinfachten Verfahren anpassen lassen, so dass bei rein äußerlicher Betrachtungsweise ein Bedürfnis für eine Umstellung ihres Titels in analoger Anwendung des Art. 5 § 3 Kindesunterhaltsgesetz gesehen werden könnte. Indessen hatte die Antragstellerin die Möglichkeit, sich von vornherein einen auf einen dynamischen Unterhalt lautenden Titel zu verschaffen. Dies hat sie entweder aus Unkenntnis oder aus Nachlässigkeit oder auch aus gutem, hier nicht bekanntem Grund unterlassen. Für eine entsprechende Anwendung des Art. 5 § 3 Kindesunterhaltsgesetz nur zum Zwecke der Korrektur dieses Unterlassens fehlt es deshalb bereits an einer Gesetzeslücke. Die Bestimmungen stellen nur einen Ausgleich dafür dar, dass dem Gläubiger eines vor dem 1. Juli 1998 errichteten Titels über Kindesunterhalt sonst keinerlei einfaches Verfahren zur Anpassung desselben zur Verfügung stünde. Folgerichtig tritt Art. 5 § 3 Kindesunterhaltsgesetz dann auch gem. Art. 8 Abs. 2 am 1. Juli 2001 außer Kraft.

Allerdings kann dem minderjährigen Kind in der Form der notariellen Urkunde oder der sogenannten Jugendamtsurkunde nach § 59 SGB VIII ein Unterhaltstitel über einen statischen Betrag aufgedrängt werden mit der Folge, dass ihm das vereinfachte Verfahren nach § 645 ff ZPO verschlossen ist, in welchem es einen dynamischen Titel erstreiten könnte (vergl. § 645 Abs. 2 ZPO). In diesem Fall bliebe bei strenger Anwendung des § 645 Abs. 2 BGB dem Kind nur die Möglichkeit, sich den dynamischen Titel im Wege der Abänderungsklage oder der Zusatzklage zu verschaffen. Dies wäre besonders unerträglich, wenn der aufgedrängte Unterhaltstitel möglicherweise gezielt über einen hinter dem geschuldeten Unterhalt zurückbleibenden Betrag errichtet wird. Es böte sich dann vordergründig das Verfahren nach Art. 5 § 3 Kindesunterhaltsgesetz an. Auch in diesem Zusammenhang wäre es dann aber kaum verständlich, dass die genannten Bestimmungen am 1. Juli 2003 außer Kraft treten. In Fällen der aufgedrängten statischen Unterhaltstitel könnte erwogen werden, § 645 Abs. 2 ZPO einschränkend auszulegen und nur auf Titel anzuwenden, an deren Errichtung des Kind mitgewirkt hat oder die auf Verlangen des Kindes errichtet wurden. Diese Frage muss aber im vorliegenden Verfahren nicht beantwortet werden.

Der Senat sieht deshalb keine Möglichkeit, die durch das Amtsgericht vorgenommene Anpassung nach Art. 5 § 3 des Kindesunterhaltsgesetzes, welche der Antragsgegner auch stillschweigend gerügt hat ("... aber ich soll jetzt dennoch mtl. 214.- DM mehr zahlen.") aufrecht zu erhalten.

2.) Mit der Regelung, dass auf den Unterhalt das hälftige Kindergeld für ein erstes Kind (nur) anzurechnen ist, soweit dieses zusammen mit dem Unterhalt 135 % des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe übersteigt, setzt das Amtsgericht richtig § 1612 b Abs. 5 BGB um. Dort wird bestimmt, dass eine Kindergeldanrechnung unterbleibt, soweit der Unterhaltspflichtige außerstande ist, Unterhalt in Höhe von 135 % des Regelbetrages nach der Regelbetragverordnung zu leisten. Für diese Umsetzung hat der Gesetzgeber die in Art. 4 § 2 des Unterhaltstitelanpassungsgesetzes enthaltenen Regelungen zur Verfügung gestellt, welche das Amtsgericht auch richtig angewendet hat. Sachlich bedeutet dies folgendes: Da nach neuerer Erkenntnis das Existenzminimum eines Kindes wesentlich höher ist, als der Regelbedarf - für die Antragstellerin bis 30. Juni 2001 431 DM, ab 1. Juli 2001 444 DM, ab 1. August 2001 525 DM, ab 1. Januar 2002 269 € -, der Antragsgegner aber nur, bereits seit 1. Juli 2001, sogar weniger als den um halbes Kindergeld verminderten Regelbedarf zahlt, ist der auf ihn entfallende Kindergeldanteil nicht mehr zu seiner Entlastung abzuziehen, sondern dient jetzt zur Finanzierung des Existenzminimums der Antragstellerin.

Ende der Entscheidung

Zurück