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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 27.02.2004
Aktenzeichen: 16 WF 197/03
Rechtsgebiete: UTAnpG, ZPO, BGB


Vorschriften:

UTAnpG § 2
ZPO § 655
BGB § 1613
Im Verfahren nach § 2 UTAnpG ist § 1613 BGB zu beachten.
16 WF 197/03

OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 16. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - Beschluss

Karlsruhe, 27. Februar 2004

gegen

wegen Unterhaltsabänderung

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Heidelberg vom 14. März 2003 abgeändert und folgendermaßen neu gefasst:

Der Unterhalt, den der Antragsgegner an das Kind S. B., geb. ...1985, nach Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Heidelberg vom 26. Januar 2000 - 302 FH 48/99 - zu zahlen hat wird gem. § 2 UTAnpG, § 655 ZPO für die Zeit ab 25. April 2002 wie folgt abgeändert:

Der Antragsgegner hat ab 25. April 2002 an das Kind S. monatlich im Voraus 123,9 % des jeweiligen Regelbetrages der 3. Altersstufe nach § 1 RegelbetragsVO zu zahlen; auf den Unterhalt ist das hälftige Kindergeld für ein erstes Kind anzurechnen, soweit dieses zusammen mit dem Unterhalt 135 % des Regelbetrages übersteigt.

Im Übrigen wird der Abänderungsantrag zurückgewiesen.

Die weitergehende Beschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen.

Die Kosten beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

Beschwerdewert: 684 €

Gründe:

Der Antragsgegner hat der Antragstellerin nach dem Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Heidelberg vom 26. Januar 2000 bis 30. Juni 2001 monatlich 507 DM - wobei die Antragstellerin nach ihrer Erklärung vom 10. März 2000 ab Januar 2000 nur über 497 DM vollstrecken will -, ab Juli 2000 123,9 % des Regelbetrages der 3. Altersstufe abzüglich hälftiges Kindergeld für ein erstes Kind zu zahlen. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht nach § 2 UTAnpG, § 655 ZPO für die Zeit ab 01. Januar 2001 § 1612 b Abs. 5 BGB umgesetzt, wonach Kindergeld nur insoweit anzurechnen ist, als es zusammen mit dem Unterhalt 135 % des Regelbetrages übersteigt. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners hat insoweit Erfolg, als die Abänderung erst ab dem 25. April 2002 möglich ist.

1. Der Abänderungsantrag des Kindes vom 21. Dezember 2000 wurde dem Antragsgegner am 25. April 2002 zugestellt. Soweit das Amtsgericht die Abänderung des Beschlusses vom 26. Januar 2000 ab diesem Datum verfügt hat, beruht dies auf der in dem ordnungsgemäß durchgeführten Verfahren nach § 2 UTAnpG, § 655 ZPO richtigen Umsetzung des § 1612 b Abs. 5 BGB. Der Antragsgegner erhebt auch insoweit keine Einwendungen.

2. Wie jede Unterhaltsleistung ist auch die Unterhaltsanpassung in der Folge des zum 01. Januar 2001 neugefassten § 1612 b Abs. 5 BGB für die Vergangenheit nur möglich unter den Voraussetzungen des § 1613 BGB, also im Wesentlichen ab dem Zeitpunkt, zu dem sich der Unterhaltsschuldner in Verzug befunden hat. Ein entsprechendes Aufforderungsschreiben des Beistandes der Antragstellerin, des Stadtjugendamtes H., datiert zwar vom 04. Dezember 2000; der Antragsgegner bestreitet jedoch, es erhalten zu haben. Den Nachweis des Zugangs dieses Schreibens hat die Antragstellerin nicht angetreten. Auch in der Zeit bis zur Zustellung des Abänderungsantrages lässt sich eine Mahnung des Antragsgegners nicht feststellen. Vielmehr lautet ein Schreiben des Beistandes vom 09. April 2001:

"Derzeit für Sie gültig ist der Beschluss des Amtsgerichtes Heidelberg vom 26.01.00, mit dem Sie zu 123,9 % des jeweiligen Regelbetrages der dritten Altersstufe verpflichtet sind."

Überdies legt ein Schreiben des späteren Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin vom 18. April 2001 nahe, das diese Unterhaltsabänderung erst ab Erlass eines Anpassungsbeschlusses verlangt. Das Schreiben lautet auszugsweise:

"..., wir vertreten Ihre geschiedene Frau .... und Ihre Tochter S.

Aus dem Beschluss des Amtsgerichts Heidelberg vom 26.01.00 schulden Sie Kindesunterhalt i.H.v. DM 497,- monatlich. Diesen Unterhalt haben Sie in den Monaten Januar und Februar 2001 nicht bezahlt.

Da sich die gesetzlichen Regelung zur Anrechnung des Kindergeldes seit dem 01.01.01 geändert hat, schulden Sie nach unserer Berechnung monatlich DM 554,- an Kindesunterhalt, sobald der o.g. Beschluss abgeändert ist. Ein entsprechendes Abänderungsverfahren ist, soweit wir informiert sind, vom Jugendamt eingeleitet."

Eine Mahnung kann deshalb erst in dem Zugang des Anpassungsantrages vom 21. Dezember 2000 gesehen werden, also erst ab dem 25. April 2002. Die Zustellung hat sich deshalb verzögert, weil mit dem Antrag ein solcher auf Anordnung des Ruhens des Verfahrens verbunden war und das Amtsgericht deshalb den Antrag nicht zugestellt hat.

Allerdings bestimmt § 2 UTAnpG, dass die Abänderung "für die Zeit nach der Antragstellung" möglich ist. Unter Antragstellung ist der Eingang des Abänderungsantrages bei dem Familiengericht zu verstehen [so auch Graba, Zur Neuregelung der Kindergeldanrechnung, NJW 2001, 256 unter 3. a) cc)]. Damit ist jedoch nur die verfahrensrechtliche Zulässigkeit einer Abänderung ausgesprochen, nicht jedoch auch gleichzeitig eine materiellrechtliche Aussage gemacht, welche § 1613 BGB korrigieren würde. Dies folgt nicht zuletzt daraus, dass § 2 UTAnpG einschränkungslos auf § 655 ZPO verweist und diese Bestimmung in ihrem Abs. 6 auf § 646 Abs. 1 Nr. 5, wo vorgeschrieben ist, dass für den Fall, dass Unterhalt für die Vergangenheit verlangt wird, die Angabe, wann die Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 2 BGB eingetreten sind, in den (Abänderungs-) Antrag aufgenommen werden muss. Die Bestimmung in § 2 UTAnpG, wonach die Abänderung erst ab Antragstellung verfügt werden darf, schränkt zwar den Anwendungsbereich des § 1613 BGB ganz wesentlich ein (so auch Graba a.a.O.), lässt aber Raum für die Anwendung im Zeitraum zwischen Antragstellung und Zustellung des Antrags. Im Übrigen ist der in § 1613 BGB zum Ausdruck kommende Grundsatz, dass in der Vergangenheit nicht gelebt wird ("in praeterito non vivitur") von so überragender Bedeutung, dass kaum angenommen werden kann, er werde durch § 2 UTAnpG auch nur teilweise außer Kraft gesetzt.

Auch spricht die ausdrücklich gewollte Vereinfachung des Abänderungsverfahrens nicht dagegen, dass die Voraussetzungen des § 1613 BGB geprüft werden. § 646 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 655 ZPO, dieser i.V.m. § 2 UTAnpG, sehen eine solche Prüfung ausdrücklich vor. Während das Vereinfachte Verfahren nach § 645 ff. ZPO für die Anwendung des § 1613 BGB in § 648 Abs. 1 ZPO vereinfachte Feststellungsmöglichkeiten vorsieht, sind diese in § 655 ZPO nicht vorgesehen, da auf § 648 Abs. 1 ZPO dort nicht verwiesen wird. Es ist deshalb im Verfahren nach § 655 ZPO ebenso wie im Verfahren nach § 2 UTAnpG in vollem Umfang zu prüfen und ggf. darüber Beweis zu erheben, ob die Voraussetzung des § 1613 BGB vorliegen (so zutreffend OLG Hamm, Beschluss vom 15. Januar 2002 - 2 UF 602/01 - FamRZ 2002, 1048 für das Verfahren nach § 655 ZPO).

Ende der Entscheidung

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