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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 10.08.2007
Aktenzeichen: 16 WF 84/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 115 Abs. 3
1.) Hat eine Partei den Schonbetrag übersteigendes Vermögen ausgegeben, vermindert dies das nach § 115 Abs. 3 ZPO einzusetzende Vermögen, wenn ihr nach § 115 Abs. 2 ZPO einzusetzendes Einkommen rechnerisch unter Null liegt und die Ausgaben dem Fehlbetrag entsprechen. Andernfalls (also: die Ausgaben übersteigen den Fehlbetrag oder es liegt ein nach § 115 Abs. 2 ZPO einzusetzendes Einkommen vor) ist die Verminderung des Vermögens für § 115 Abs. 3 ZPO nur beachtlich, wenn Sonderbedarf zu befriedigen war und (oder) die Ausgaben sich nicht als grob fahrlässige, mutwillige oder böswillige (hier nicht entschieden) Vermögensminderung darstellen.

2.) Bestehen die Ausgaben aus der Zahlung auf den Honoraranspruch eines in der Sache zunächst tätig gewesenen aber dann entlassenen Rechtsanwalts, ist dies für Zwecke des § 115 Abs. 3 ZPO anzuerkennen, wenn die Mandatskündigung in Bezug auf die durch sie verursachte Vermögensminderung nicht grob fahrlässig, mutwillig oder böswillig war. Die Grundsätze, nach denen entschieden wird, ob der Partei nach Beiordnung eines Rechtsanwalts ein zweiter beigeordnet werden kann, gelten nicht.


Oberlandesgericht Karlsruhe 16. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - Beschluss

Geschäftsnummer: 16 WF 84/07

10. August 2007

In dem Rechtsstreit

wegen Ehescheidung, hier: Prozesskostenhilfe

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der ihr Prozesskostenhilfe versagende Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Rastatt aufgehoben.

Die erneute Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch der Antragsgegnerin wird dem Amtsgericht übertragen.

Gründe:

(nicht dem Antragsteller mitzuteilen)

Die Antragsgegnerin begehrt Prozesskostenhilfe als Antragsgegnerin in einer Scheidungssache, Beteiligte oder Partei in Folgesachen, Beteiligte in Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Die Einzelheiten sind dem Senat nicht bekannt, weil das Amtsgericht nur die Akten vorgelegt hat, welche für die Scheidungssache und ein Verfahren "EA III" geführt werden. Der Scheidungsantrag wurde der Antragsgegnerin am 15. September 2004 zugestellt.

Mitte Februar 2004 zahlte der Antragsteller an die Antragsgegnerin 10.000 € aus. Das Amtsgericht hat die Antragsgegnerin darauf verwiesen, mit diesen ihre Prozesskosten zu finanzieren und Prozesskostenhilfe versagt. Verschiedene von der Antragsgegnerin behauptete Ausgaben hat es nicht gelten lassen.

Das Rechtsmittel der Antragsgegnerin hat vorläufig Erfolg.

Die Antragsgegnerin hatte grundsätzlich die ihr zugeflossenen Mittel auch für die Finanzierung ihrer Prozesskosten bereitzuhalten. Sie durfte damit aber auch andere Ausgaben bestreiten. Von den geltend gemachten sind indessen - noch - nicht alle anzuerkennen. Es verbleibt gegebenenfalls ein über dem Schonbetrag liegender Betrag, mit dem die Prozesskosten ganz (Versagung der Prozesskostenhilfe) oder teilweise (Anordnung nach § 115 Abs. 3 i.V.m. § 120 Abs. 1 Satz 1 ZPO) finanziert werden können. Was der Fall ist, muss das Amtsgericht berechnen. Dieses wird auch für die Scheidungssache, die einzelnen Folgesachen und Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung oder -verfolgung zu prüfen haben.

1.) Die Ehe der Parteien war bereits Anfang Januar 2004 in einer Krise. Sie erörterten bereits im Dezember 2003 Scheidungsfolgen und lebten nach Darstellung des Antragstellers seit Januar 2004 in der Ehewohnung getrennt. Die Antragsgegnerin hatte deshalb die ihr zugeflossenen 10.000 € für die Finanzierung der zukünftigen Prozesskosten bereit zu halten. Ausgaben für andere Zwecke durfte sie machen, indessen nicht unter einseitiger Vernachlässigung ihres Prozesskostenbedarfs. Nach der - allerdings nicht unwidersprochen gebliebenen Rechtsprechung des Senats (B. v. 30. Juli 1985 - 16 WF 127/85 - Justiz 1986, 20 = MDR 1986, 151 = NJW-RR 1986, 779) ist einer Partei Prozesskostenhilfe zu versagen, wenn sie grob fahrlässig ihr Vermögen derart vermindert hat, dass sie deswegen Schwierigkeiten hat, ihre Prozesskosten aufzubringen (a.A. Zöller/Philippi ZPO 26. Auflage § 115 Rn 75 m.w.N.: Mutwilligkeit). Nicht erforderlich ist jedenfalls, dass die Partei in der Absicht gehandelt hat, Kostenbefreiung zu erlangen (Philippi a.a.O.). Soweit der Senat überhaupt Ausgaben feststellen kann, war mit diesen auch keine grob fahrlässige Vermögensminderung verbunden. Damit wäre auch eine mutwillige auszuschließen.

2.)

a) Die Antragsgegnerin macht den Kauf von Winterkleidung und Schuhen für das gemeinsame Kind für 200 € geltend.

aa) Ausgaben zur Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs sind außer Betracht zu lassen, wenn der Partei ein nach § 115 Abs. 2 ZPO einzusetzendes Einkommen von mehr als Null verbleibt. Dann ist der Partei zuzumuten, sich mit ihrem Lebensbedarf entsprechend zu beschränken und ihr Vermögen für den Lebensbedarf erst anzugreifen, nachdem daraus die Prozesskosten gedeckt sind. Dasselbe gilt für Ausgaben für eine im Sinne des § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2b ZPO unterhaltsberechtigte Person, wenn deren Bedarf entweder durch ihr (Unterhalts-)einkommen oder (gegebenenfalls ergänzend) den dort festgelegten Freibetrag gedeckt ist und der um Prozesskostenhilfe nachsuchenden Partei ein nach § 115 Abs. 2 ZPO einzusetzendes Einkommen von mehr als Null verbleibt. Käme man zu einem einzusetzenden Einkommen unter Null, wären Ausgaben zur Deckung des allgemeinen Lebensbedarfs als solche zwar immer noch außer Betracht zu lassen; indessen wäre dann bis zur Summe dieser Ausgaben im maßgeblichen Zeitraum (Zufluss des Vermögens oder Entstehen des Prozesskostenbedarfs bis Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch) der zu Null fehlende Betrag ohne weiteres als unschädlicher Vermögensverzehr anzusehen. Im Ergebnis kann auf die Feststellung solcher Ausgaben verzichtet und braucht nur der jeweils zu Null fehlende Betrag, gegebenenfalls unter Einbeziehung zukünftiger Zeiträume, aufaddiert und vom Vermögen abgezogen zu werden. Die erforderlichen Feststellungen sind auf diese Weise dieselben wie die zur Ermittlung des nach § 115 Abs. 2 ZPO einzusetzenden Einkommens anzustellenden, ergänzt um eine Aufaddierung der jeweils zu Null fehlenden monatlichen Beträge und Abzug der Summe vom Vermögen.

bb) Was hier der Fall ist, bedarf indessen keiner Nachprüfung, weil die Ausgabe nur durch eigene eidesstattliche Versicherung und damit nicht ausreichend glaubhaft gemacht ist. Die Zurückverweisung gibt der Antragsgegnerin Gelegenheit, dies nachzuholen. Die erforderlichen Feststellungen zum nach § 115 Abs. 2 ZPO einzusetzenden Einkommen wird dann das Amtsgericht vorzunehmen haben.

b) Entsprechendes gilt für die glaubhaft gemachten Kosten der zahnärztlichen Behandlung der Antragsgegnerin von rund 150 €.

3.)

a) Als Ausgaben zur Finanzierung von Sonderbedarf sind anzusehen die für

 Kuraufenthalt mit dem gemeinsamen Kind 500 € (a)
Rechtsanwaltskosten rund 2.800 € (b)
Kaution für die eigene Mietwohnung 1.200 € (c)
darin Neueinrichtung des Kinderzimmers 620 € (d)
darin Erneuerung von Fließen 350 € (e)
Anschaffung einer Waschmaschine 500 € (f)
Reparatur des Kraftfahrzeugs 1.250 € (g)

Ausreichend glaubhaft gemacht sind nur die Positionen (b), (c) und (d). Soweit eine Glaubhaftmachung fehlt, kann diese nachgeholt werden.

b) Im übrigen stellen die Ausgaben, da unbedingt notwendig, keine in Bezug auf die jetzt behauptete Bedürftigkeit grob fahrlässige Vermögensminderung dar.

zu (b)

Dies gilt auch für die Rechtsanwaltskosten. Diese sind zwar für das laufende Verfahren entstanden. Die Antragsgegnerin bleibt indessen deshalb - abgesehen von der Frage des Vermögenseinsatzes - prozesskostenhilfsbedürftig, weil sie das Mandat der bisherigen Rechtsanwälte gekündigt hat. Mit der dadurch bedingten Notwendigkeit, andere Rechtsanwälte zu beauftragen, hat sie sich nicht in grob fahrlässiger Weise bedürftig gemacht. Sie hat das Mandat deshalb gekündigt, weil man eine Zusage, die Vertretung nur durch einen ganz bestimmten Rechtsanwalt wahrzunehmen, nicht eingehalten hatte. Angesichts des Vertrauensverhältnisses, welches überdies in familienrechtlichen Streitigkeiten im besonderem Maße erforderlich ist, ist der Antragsgegnerin die Mandatskündigung nicht vorzuwerfen.

4.) Die Höhe des Schonbetrages wurde bisher auch von dem OLG Karlsruhe mit 2.600 € zuzüglich 256 € für jede von der nachfragenden Person überwiegende unterhaltene Person angenommen (OLG Karlsruhe - 2. Senat - B. v. 11. Mai 2005 - 2 WF 51/05). Als überwiegend unterhalten gelten nicht Kinder, wenn für diese nur Betreuungsunterhalt oder nur der angemessene Barunterhalt geleistet wird. Der Betrag von 2.600 € wird neuerdings auch und gerade von sozialgerichtlicher Rechtsprechung in Frage gestellt zugunsten eines von 1.600 € (Sächs. LSG, B. v. 15. Mai 2006 - L 1 B 121/05 AL-Pkh - FamRZ 2007, 156; OLG Celle, B. v. 16. August 2006 - 6 W 82/06 - FamRZ 2007, 297).

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