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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 01.08.2006
Aktenzeichen: 17 U 359/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
BGB § 164 Abs. 3
1. Die vom Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR) zur Verfügung gestellten Nutzungsbedingungen des BankCard ServiceNetzes (Sonderbedingungen für Geldautomaten-Verbund) gelten zwischen allen beigetretenen Banken auf der Grundlage des Vertragsrechts.

2. Der mehrseitige Vertrag kommt durch entsprechende Erklärung der sich zum Verfahren anmeldenden Banken gegenüber dem BVR zu Stande, der als Empfangsvertreter der teilnehmenden Banken anzusehen ist.

3. Nach ihrem Beitritt ist jede Mitgliedsbank im Interbankenverhältnis verpflichtet, auch Kunden anderer teilnehmender Banken solange zu den Sonderkonditionen an ihren Geldautomaten auf Rechnung der kartenausgebenden Stelle verfügen zu lassen, als die Sonderrechtsbeziehung fortbesteht und nicht durch Kündigungserklärung der verpflichteten Bank gegenüber dem BVR beendet ist.


Oberlandesgericht Karlsruhe 17. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 17 U 359/05

Verkündet am 01. August 2006

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juli 2006 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Dr. Müller-Christmann Richter am Oberlandesgericht Dr. Schnauder Richter am Landgericht Dr. Schmitt

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 15. November 2005 - 11 O 66/05 KfH - wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsrechtszuges fallen der Beklagten zur Last.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung von 120 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 Prozent des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für den Berufungsrechtszug beträgt 110.286,44 EUR.

Gründe:

I.

Die Parteien, Mitgliedsbanken im Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR), streiten um die Abwicklung von Zahlungsverkehrsleistungen der Beklagten für Kunden der Klägerin.

Der BVR hat mit dem Bundesverband der Deutschen Banken e.V., dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband e.V. sowie dem Bundesverband öffentlicher Banken Deutschlands e.V. das deutsche ec-Geldautomaten-System im Jahre 1993 begründet. Es gewährleistet, dass ein ec-Karteninhaber durch Eingabe einer persönlichen Geheimzahl (PIN) in einen Geldautomaten unter Verwendung der Karte Bargeld an allen Automaten der teilnehmenden Kreditinstitute, also nicht nur an solchen seines Kreditinstituts, bekommen kann. Die Kundenbank ist gegenüber den Betreibern von ec-Geldautomaten verpflichtet, die verfügten Beträge an die Betreiber zu vergüten. Darüber hinaus erhalten die Betreiber ein Entgelt für diese Dienstleistung von der Kundenbank.

Innerhalb des BVR bestehen für den kartengestützten Zahlungsverkehr seit 1997 besondere Nutzungsbedingungen für das "BankCard ServiceNetz" zu Gunsten von Inhabern genossenschaftlicher VR-BankCards, die zu kostenlosen Barabhebungen nicht nur bei ihrer Bank, sondern bei allen teilnehmenden Instituten berechtigen. Nach den Sonderkonditionen für das Interbankenverhältnis in Ziffer 3.1 verrechnen die teilnehmenden Institute gegenüber anderen teilnehmenden Instituten bei institutsübergreifenden Geldautomatenverfügungen ein Entgelt in Höhe von höchstens 1,02 EUR pro Verfügung (mit Ausnahme der Sparda-Bank).

Die Klägerin und die Beklagte sind Teilnehmer am BankCard ServiceNetz. Nachdem die Beklagte festgestellt hatte, dass das Verhältnis der wechselseitigen Kundenabhebungen nicht ausgewogen verläuft, belastete sie die Klägerin seit März 2004 mit mindestens 3,50 EUR pro Vorgang. Die Klägerin verlangt die nach ihrer Ansicht abredewidrig verrechneten Entgelte bis einschließlich Januar 2005, insgesamt ein Betrag von 109.253,92 EUR, von der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung zurück. Ferner begehrt sie Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 1.032,52 EUR.

Die Beklagte hält sich nicht mehr an die Sonderkonditionen gegenüber der Klägerin gebunden und zu einer "Teilkündigung" der Vereinbarung über die Nutzungsbedingungen der Klägerin gegenüber für berechtigt, weil ihre Kunden die Geldautomaten der Klägerin kaum in Anspruch nähmen. Außerdem missbrauche die Klägerin die Nutzungsbedingungen in wettbewerbswidriger Weise, weil sie einerseits mit kostenloser Kontoführung werbe und andererseits auf Kosten der Betreiber von fremden Geldausgabeautomaten (GAA) den Aufbau eines eigenen flächendeckenden Filialnetzes zu ersparen versuche.

Das Landgericht hat der Rückzahlungsklage stattgegeben und auch die verlangten Anwaltskosten zugesprochen.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie hält an ihrer Rechtsposition fest und beantragt, die Zahlungsklage abzuweisen. Sie sei berechtigt, die Sonderkonditionen im Verhältnis zu der Klägerin aufzukündigen, zumindest habe sie aus dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage einen Anspruch auf Anpassung der Nutzungsbedingungen im Verhältnis zur Klägerin.

Die Klägerin tritt der Berufung entgegen und verteidigt das Urteil des Landgerichts.

Gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO wird auf das angefochtene Urteil sowie auf den Vortrag der Parteien Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist in der Sache nicht begründet. Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die von ihr vorgenommenen Belastungsbuchungen im Umfang des Klagebegehrens nach Bereicherungsrecht zu erstatten (Nichtleistungskondiktion, § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 [nicht 1 ] BGB).

Die Beklagte kann sich für den Einzug der Gebühren in der beanstandeten Höhe auf eine Ermächtigung nicht berufen; damit fehlt es an einem Rechtsgrund für die Vermögensverschiebung. Sie kann insbesondere die Klägerin nicht so behandeln, als sei sie nicht Mitgliedsbank des BVR und stünde außerhalb des BankCard ServiceNetzes. Vielmehr kann die Klägerin von der Beklagten verlangen, ebenso wie andere Mitglieder des BVR gestellt zu werden. Der Grund dieses Anspruchs ist vertraglicher Natur.

1. Zwischen den Parteien bestehen unmittelbar vertragliche Beziehungen, wonach die Beklagte verpflichtet ist, die Abhebungen der Kunden der Klägerin an ihren Geldautomaten zu den Sonderkonditionen der Nutzungsbedingungen für das "BankCard ServiceNetz" vorzunehmen.

Die Nutzungsbedingungen für das BankCard ServiceNetz gelten zwischen den teilnehmenden Banken auf vertraglicher Grundlage. Ihnen liegt ein mehrseitiger schuldrechtlicher Vertrag zu Grunde, der unmittelbar Rechte und Pflichten zwischen den beteiligten Kreditinstituten zur Folge hat. Anders als bei Interbankenabkommen der Spitzenverbände des Kreditgewerbes (dazu BGHZ 69, 82, 88; 69, 180/187; 72, 343, 345, BGH WM 1990, 96; BGHZ 108, 386) stellt hier ein einzelner Verband, der BVR, den angeschlossenen Mitgliedsbanken die Bedingungen für den institutsübergreifenden Zahlungsverkehr an Geldautomaten zur Verfügung. Der Dachverband vertritt dabei allerdings nicht seine Mitglieder. Die angeschlossenen Banken können vielmehr über ihre Teilnahme am BankCard ServiceNetz selbst durch eigene Erklärung gegenüber dem BVR entscheiden (Anl. K 1). Der BVR handelt daher nicht namens seiner Mitglieder, wie das die Spitzenverbände bei Interbankenabkommen für ihre angehörigen Kreditinstitute tun (Jörg Schäfer, Die zivilrechtliche Qualifizierung der Interbankenabkommen, 1990, S. 100 ff.). Demgegenüber kommt hier die institutsübergreifende Vereinbarung über den privilegierten Geldverkehr an Geldautomaten auf Vermittlung des BVR unmittelbar zwischen den teilnehmenden Banken zustande, denen der BVR die Lizenz zur Benutzung des eingetragenen Zeichens verleiht. Dem Vorgang liegt eine andere Vertragsabschlusstechnik zu Grunde.

Der BVR schlägt die einheitlichen Vertragsbedingungen seinen Mitgliedern vor, die abweichend von der Regelform eines Vertragsschlusses die vorgeschlagenen Bedingungen durch gleichgerichtete Erklärungen anerkennen und sich damit zur Teilnahme am Verfahren anmelden. Durch die Teilnahmeerklärung gegenüber dem BVR, der insoweit als Empfangsvertreter für alle übrigen teilnehmenden Institute fungiert (§§ 133, 157, 164 Abs. 3 BGB), begründet die Beklagte eine unmittelbare schuldrechtliche Verbindung auch gegenüber der Klägerin. Es verhält sich damit ebenso, wie wenn nach Ausarbeitung von Vertragsentwürfen durch die Rechtsabteilung von zwei oder mehreren Großunternehmen deren Organe die beiderseitige oder mehrseitige Zustimmung gegenüber einer bestimmten Stelle erklären. Mit Abgabe dieser Erklärung besteht eine vertragliche Verbindung zu allen Beigetretenen.

2. Danach ist die Beklagte verpflichtet, auch Kunden anderer teilnehmender Banken, etwa die der Klägerin, ohne weitere Unterscheidung zu den Sonderkonditionen an ihren Geldautomaten auf Rechnung der kartenausgebenden Stelle verfügen zu lassen. Die Beklagte als betreibende Bank kann von der Klägerin neben dem verfügten Betrag nur das im Rahmen des Abkommens vereinbarte Entgelt von 1,02 Euro pro Geldabhebung verlangen. Ein weiter gehender Entgeltanspruch besteht zwischen den vertraglich gebundenen Teilnehmerbanken nicht.

Von dieser vertraglichen Verpflichtung kann sich die Beklagte nur nach Maßgabe der Ziffer 6 (Austrittsklausel) der Nutzungsbedingungen lösen. Hiernach ist vorgesehen, dass die Beendigung der Teilnahme eine Kündigung mit einer Frist von einem halben Jahr zum Jahresende voraussetzt. Die Kündigungserklärung hätte wiederum gegenüber dem BVR zu erfolgen, § 164 Abs. 3 BGB. Die Vertragsbeziehung kann daher nur gegenüber allen, nicht aber, wie das die Beklagte unternommen hat, gegenüber einem einzelnen teilnehmenden Institut gelöst werden. Eine solche Einzel- oder Teilkündigung ist nach dem allein maßgeblichen Vertragsinhalt nicht möglich.

Auf Grund des Fortbestehens der Sonderrechtsbeziehung zwischen den Parteien ist der Einzug eines erhöhten Entgelts per Lastschrift der Beklagten nicht gerechtfertigt und vertragswidrig. Die Beklagte ist verpflichtet, die ihr gemäß der gültigen Entgeltvereinbarung nicht zustehenden Gebührenanteile an die Klägerin zurückzugewähren.

Die Beklagte schuldet schließlich auch Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten, gegenüber deren Feststellung und Höhe sich die Berufung nicht gesondert zur Wehr setzt.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich, da die Entscheidung allein auf der Auslegung der Vertragsbedingungen beruht, weitere Rechtsstreitigkeiten nach Auskunft der Parteien in dieser Angelegenheit nicht anhängig sind und man sich außerdem für die Zukunft verbandsintern geeinigt hat. Der Streitwert wurde gem. § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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