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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 07.12.2006
Aktenzeichen: 19 U 53/06
Rechtsgebiete: VVG, BBUZ, ZPO, BGB


Vorschriften:

VVG § 12 Abs. 3
VVG § 15 a
BBUZ § 7
ZPO § 529
ZPO § 533
BGB § 242
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 16. März 2006 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Der Kläger begehrt Leistungen aus einer bei der Beklagten bestehenden Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, da er infolge einer Zwei-Etagen-Venen-Thrombose nicht mehr im Stande sei, den Beruf des selbständigen Tierarztes und Leiters einer Tierklinik auszuüben. Die Beklagte hatte ihre Leistungspflicht zunächst anerkannt, jedoch nach Durchführung des Nachprüfungsverfahrens mit Schreiben vom 6.12.2004, dem Kläger zugegangen am 8.12.2004, angekündigt, weitere Leistungen ab 1.02.2005 einzustellen und erneut Beiträge zu erheben, da es der Gesundheitszustand des Klägers erlaube, die bisherige Tätigkeit zu mehr als 50 % wieder auszuüben. Obwohl die Beklagte in ihrer Ankündigung, die Leistungen einzustellen, auf die Ausschlussfrist des § 12 Abs. 3 VVG hingewiesen hatte, reichte der Kläger erst am 16.06.2005 Klage ein, die am 25.07.2005 zugestellt wurde.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da die Beklagte gem. § 12 Abs. 3 VVG von ihrer Leistungspflicht frei geworden sei.

Für die Einzelheiten der erstinstanzlichen Feststellungen (insbesondere zur Korrespondenz der Parteien auf das Schreiben der Beklagten vom 6.12.2004) und für die Entscheidungsgründe wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.

Der Kläger, der in zweiter Instanz die bisherigen Ansprüche weiter verfolgt, macht geltend, § 12 Abs. 3 VVG sei auf das Nachprüfungsverfahren, das in § 7 BBUZ geregelt sei, nicht anwendbar, jedenfalls sei aber die nach dem Versicherungsvertrag maßgebliche Bedingung unwirksam, da sie hinter § 12 Abs. 3 VVG zurück bleibe. Schließlich bestünden verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 12 Abs. 3 VVG, die dazu führten, dass - wolle man eine Unwirksamkeit der Vorschrift daraus nicht folgern - zumindest die Regelungen des Verjährungsrechts analog auf die Fristberechnung anzuwenden seien, um dem Gleichheitsgebot sowie dem Sozialstaatsprinzip zu genügen. Die Zeit der erneuten Prüfung durch die Beklagte vom 20.04.2005 bis 19.05.2005 sei deshalb nicht einzurechnen und die Klagefrist erst am 7.07.2005 abgelaufen.

Auch habe das Landgericht verkannt, dass schon die Belehrung der Beklagten nicht ausreichend gewesen sei, da diese keinen Hinweis auf die Möglichkeit der Anrufung des Ärzteausschusses enthalte. Schließlich sei der Erklärung der Beklagten vom 20.04.2005 zumindest ein konkludenter Verzicht auf die Einhaltung der Klagefrist zu entnehmen.

Mit Schriftsatz vom 13.11.2006 hat der Kläger schließlich vorgebracht, die Beklagte habe auch einen neuerlichen Antrag wegen einer am 12.09.2005 erlittenen Thrombose mit Leistungsentscheidung vom 18.10.2006 abgelehnt. Dies, obwohl der begutachtende Arzt Dr. O. von einer erheblichen Verschlechterung der Erkrankung ausgehe. Er vertritt die Auffassung, der Vorfall vom 12.09.2005 müsse, unabhängig davon, ob die Thrombose nur eine weitere Folge der schon bestehenden Erkrankung oder eine neue Krankheit sei, im vorliegenden Rechtsstreit Berücksichtigung finden.

Der Kläger beantragt zuletzt,

nachdem er auf Hinweis in der mündlichen Verhandlung die beantragte Beitragsfreistellung im Antrag Ziff. 2 von 1.04.2019 auf 1.04.2009 und die bezifferten Zahlungsanträge unter 3. und 4. von EUR 6.135,48 auf EUR 5.112,90 und von EUR 496, 80 auf EUR 414.- rechnerisch korrigiert hat:

1. Das landgerichtliche Urteil wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab 1.07.2005 bis zum 1.04.2014 Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung Nr. 1.........7 in Höhe von monatlich EUR 1.022,58 zu erbringen und den Kläger von den Beiträgen für die genannte Versicherung vom 1.07.2005 bis längstens 1.04.2009 in Höhe von monatlich EUR 82,80 freizustellen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die Zeit von Februar bis einschließlich Juni 2005 rückständige Leistungen aus der genannten Zusatzversicherung in Höhe von insgesamt EUR 5.112,90 nebst 5 % Zins über dem gesetzlichen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere EUR 414.- nebst 5 % Zinsen über dem gesetzlichen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 734,28 an außergerichtlichen Kosten nebst 5 % Zinsen über dem gesetzlichen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte, die das landgerichtliche Urteil verteidigt, beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die rechtliche Würdigung des Landgerichts sei zutreffend und die Berufungsangriffe des Klägers nicht tragend, vor allem, da dieser in seiner Argumentation auf Bedingungen Bezug nehme, die dem Versicherungsvertrag unstreitig nicht zu Grunde lägen. Die Erwägungen zur Unwirksamkeit der Regelung zur Ausschlussfrist rechtfertigten kein anderes Ergebnis und würden nur von einer unbedeutenden Mindermeinung in der Literatur vertreten. Schließlich sei der Erklärung der Beklagten keine konkludente Verlängerung der Klagefrist zu entnehmen, zumal diese innerhalb der noch laufenden Klagefrist abschließend entschieden gehabt habe und dem Kläger weitere 19 Tage zur Verfügung gestanden hätten, eine gerichtliche Geltendmachung zu überdenken. Da schon eine konkludente Fristverlängerung ausscheide, seien die Voraussetzungen eines Verzichts der Beklagten auf die Einhaltung der Klagefrist erst recht nicht gegeben.

Die Beklagte ist weiter der Ansicht, das neue Vorbringen des Klägers sei unerheblich. Unabhängig davon, ob die Thrombose versicherungsrechtlich als neue Erkrankung anzusehen oder lediglich eine (wesentliche) Verschlechterung des ursprünglichen Gesundheitszustandes ist, schließe § 533 ZPO eine Einbeziehung in den Rechtsstreit aus.

Für das übrige Vorbringen der Parteien wird auf die zwischen diesen in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II. Die zulässige Berufung ist unbegründet.

1. Das landgerichtliche Urteil ist, soweit es ausführt, die Beklagte habe die Klagefrist weder konkludent verlängert oder auf diese verzichtet noch sei es treuwidrig, sich auf die Verfristung zu berufen, nicht zu beanstanden.

Für eine konkludente Fristverlängerung oder einen Verzicht bestehen keine Anhaltspunkte. Spätestens mit der Antwort der Beklagten vom 19.05.2005 musste dem Kläger deutlich werden, dass die Beklagte lediglich ihre ursprüngliche Entscheidung überprüft hat, jedoch in keine völlig neue ergebnisoffene Prüfung eingetreten ist. Sollte der Kläger dies aufgrund des ersten Schreibens, mit dem die Beklagte um eine längere Bearbeitungsfrist nachgesucht hatte, anders verstanden haben, so durfte er von einer Fristverlängerung nach der endgültigen Ablehnung nicht mehr ausgehen. Die Beklagte ist auch nicht gem. § 242 BGB gehindert, sich auf den Fristablauf zu berufen. Das wäre nur dann der Fall, wenn dem Kläger infolge der langen Bedenkzeit der Beklagten die Möglichkeit genommen gewesen wäre, innerhalb zumutbarer Zeit über eine Klageerhebung zu entscheiden. Ihm blieben aber nach Zugang des Ablehnungsschreibens noch mehr als zwei Wochen, also ein Zeitraum, den die Rechtsprechung auch in den Fällen, in denen der Versicherer erst nach Fristablauf antwortet, dem Versicherungsnehmer (nur) als Überlegungsfrist zubilligt.

Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts kann im Übrigen Bezug genommen werden.

2. Soweit der Kläger verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 12 Abs. 3 VVG erhebt, tragen diese nach h.M. nicht (Prölss/Martin VVG, 27. Auflage, § 12 Rn 21). Ebenso wird eine entsprechende Anwendbarkeit der Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Hemmung der Verjährung einhellig abgelehnt (BGHZ 98, 295; VersR 2001, 1497 jew. m.w.N.).

3. Zu keinem abweichenden Ergebnis führt, dass sich die Beklagte auf die einschlägige Bestimmung des Versicherungsvertrages zur Ausschlussfrist (§ 3 Nr. 6, 7) gem. § 15 a VVG nicht berufen kann, da diese zum Nachteil des Klägers von § 12 Abs. 3 VVG abweicht (BGH NJW-RR 1991, 350; OLG Hamm VersR 2002, 1139); die Bestimmung formuliert nämlich, der Versicherungsnehmer habe Klage zu erheben, während § 12 Abs. 3 VVG die gerichtliche Geltendmachung ausreichen lässt. Diese Situation ist, wenn der Versicherer einen erhobenen Anspruch des Versicherungsnehmers (vgl. Wortlaut des § 12 Abs. 3 VVG) ablehnt und ordnungsgemäß (d.h. der Formulierung des § 12 Abs. 3 VVG entsprechend) belehrt, unproblematisch, da die Vorschrift in diesen Fällen direkte Anwendung findet (BGH aaO.). Vorliegend hat die Beklagte zwar nicht einen erhobenen Anspruch abgelehnt, sondern zunächst anerkannte Leistungen auf Nachprüfung eingestellt, jedoch ist § 12 Abs. 3 VVG so auszulegen, dass die Leistungseinstellung der Ablehnung des erhobenen Anspruchs gleichsteht (BGH VersR 2006, 102).

4. Eine ordnungsgemäße Belehrung gem. § 12 Abs. 3 VVG ist dem Kläger mit dem Ablehnungsschreiben erteilt worden; der Hinweis der Berufung, die Belehrung sei nicht ausreichend, weil auch über die Möglichkeit der Anrufung des Ärzteausschusses zu belehren gewesen sei, geht fehl, da die streitgegenständlichen Bedingungen diese zusätzliche Möglichkeit nicht vorsehen.

5. Bei der Entscheidung über die Berufung ist - wie schon in erster Instanz - das Vorbringen des Klägers zu seinem erneuten - auf einer am 12.09.2005 erlittenen Thrombose beruhenden - Antrag auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nicht zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen für die Zulassung dieses, die Klage erweiternden, Vorbringens gem. § 533 ZPO liegen nicht vor. Insbesondere kann die Entscheidung über eine Leistungspflicht der Beklagten wegen der erneut erlittenen Thrombose nicht auf Tatsachen gestützt werden, die der Berufung ohnehin gem. § 529 ZPO zugrunde zu legen sind (§ 533 Nr. 2 ZPO), sondern bedarf der Einholung eines Sachverständigengutachtens. Das neue Vorbringen des Klägers, die Beklagte habe seinen neuen Leistungsantrag vom 26.09.2005 mit Schreiben vom 18.10.2006 abgelehnt, stellt - unabhängig von der Frage, ob die zur Begründung angeführten Gesundheitsbeeinträchtigungen eine wesentliche Verschlechterung des Krankheitsbildes bedingen oder nur Symptom der bereits der Nachprüfungsentscheidung zu Grunde gelegten Erkrankung sind - einen neuen Streitgegenstand dar. Der Streitgegenstand einer Klage bestimmt sich, jedenfalls für Leistungsanträge auf Geld oder Gattungsschulden nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff, also anhand des Leistungsantrags und des dem Klagebegehren zugrunde liegenden Lebenssachverhalts (Vollkommer in Zöller, ZPO, 26. Auflage, Einleitung Rn. 83 m.z.w.N.). Im zu entscheidenden Fall überschneiden sich zwar die Leistungszeiträume, für die der Kläger sowohl mit der Behauptung, die Nachprüfungsentscheidung vom 6.12.2004 sei unrichtig als auch gestützt auf eine weitere Thrombose Rente begehrt, jedoch ist der den Ansprüchen zu Grunde liegende Lebenssachverhalt nicht identisch. Dies gilt unabhängig von der - auch für § 12 Abs. 3 VVG - maßgeblichen Frage, ob mit der erneuten Erkrankung des Klägers eine wesentliche Verschlechterung und damit ein "neuer Versicherungsfall" eingetreten ist. Wäre nämlich allein die Frage der wesentlichen Verschlechterung entscheidendes Kriterium für die Bestimmung des Streitgegenstandes, so wäre in der Berufungsinstanz darüber Beweis zu erheben, da bei nur unerheblicher weiterer gesundheitlicher Einschränkung der Senat abschließend - über den deshalb unveränderten Streitgegenstand - zu entscheiden hätte. Der den Anspruch begründende Lebenssachverhalt umfasst jedoch nicht nur den für die Berufsunfähigkeit maßgeblichen Gesundheitszustand, sondern - jedenfalls in der vorliegenden Konstellation - auch das mit einer Leistungsentscheidung verbundene versicherungsrechtliche Verfahren (ähnlich auch OLG München ZfS 2003, 607 m. Anm. Rixecker). Dieses versicherungsrechtlich einzuhaltende Verfahren folgt nämlich im Fall des Klägers auch dann unterschiedlichen Voraussetzungen, wenn es sich bei dem weiteren Antrag nicht um eine neu eingetretene Erkrankung handelt (so aber im Fall von OLG München aaO.). Die Beklagte hatte ihre Leistungspflicht (unbefristet) anerkannt und dann im Wege einer Nachprüfungsentscheidung weitere Leistungen eingestellt, so dass die zunächst erhobene Klage darauf gestützt war, die Nachprüfungsentscheidung sei nicht zutreffend und die Beklagte aufgrund ihres Anerkenntnisses weiterhin leistungspflichtig, während der neu eingeführte Sachverhalt eine Leistungspflicht aus dem neuen Antrag ableiten will. Die Nachprüfungsentscheidung hat (nach allg. Meinung: vgl. Veith/Gräfe, Der Versicherungsprozess § 8 Rn. 195 f.; BGHZ 137, 178) anderen formalen Anforderungen zu entsprechen, um die Wirkungen des erklärten Anerkenntnisses, also eine Leistungspflicht zu beseitigen, als eine auf Antrag stattfindende Leistungsprüfung. So ist der Versicherer gehalten, die Nachprüfungsentscheidung durch eine nachvollziehbare Vergleichsbetrachtung zu begründen und in dieser die Grundlagen (z.B. medizinische Gutachten) genau zu bezeichnen und ggf. der Entscheidung beizulegen. Genügt die Nachprüfung diesen Anforderungen nicht, bleibt der Versicherer (unabhängig vom Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers) aus dem gegebenen Anerkenntnis verpflichtet. Dem Klageantrag, auf dem die Rentenansprüche (ab 12.09.2005) fußen könnten, liegt deshalb auch dann, wenn die weitere Erkrankung des Klägers keinen neuen Versicherungsfall darstellen sollte, ein anderer Streitgegenstand zugrunde, über den gem. § 533 ZPO mit der Berufung nicht zu entscheiden ist. Ob diese Annahme auch für die Konstellation zweier, in zeitlichem Abstand gestellter Leistungsanträge gälte, kann für den gegebenen Sachverhalt dahinstehen.

Der Kläger wird deshalb erneut Klage zu erheben haben, in der dann auch die Frage, ob Leistungen aufgrund des neuen Antrags ebenfalls nach § 12 Abs. 3 VVG ausgeschlossen sind (vgl. zu den unterschiedlichen Auffassungen nur: OLGR Saarbrücken 2004, 532; OLG Frankfurt RuS 2005, 116; OLG Nürnberg VersR 2002, 693; OLG Karlsruhe VersR 1993, 873; OLG Hamm VersR 1992, 1249), zu prüfen sein wird.

III. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. §§ 708 Nr.10, 711 ZPO. Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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