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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 29.10.2001
Aktenzeichen: 19 Wx 21/01
Rechtsgebiete: BGB, FGG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1904
BGB § 1905
BGB § 1908i
BGB § 1904 Abs. 1
BGB § 1896 Abs. 2 S. 1
BGB § 1837 Abs. 2 S. 2
BGB § 1901 Abs. 3 S. 1
BGB § 1901 Abs. 3 S. 2
FGG § 67
FGG § 67 Abs. 2
FGG § 28 Abs. 2 S. 1
FGG § 12
FGG § 28 Abs. 2
FGG § 69d Abs. 1 S. 1
FGG § 69d Abs. 2
FGG § 27 Abs. 1 S. 2
ZPO § 561
Die Einwilligung des Betreuers eines nicht mehr entscheidungsfähigen volljährigen Betroffenen, der sich seit mehreren Jahren im Wachkoma befindet und dessen mutmaßlicher Wille feststellbar ist, in den Abbruch der künstlichen Ernährung mittels PEG-Sonde bedarf der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts analog § 1904 Abs. 1 BGB.
Oberlandesgericht Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg -

Beschluss vom 29.10.2001

Geschäftsnummer 19 Wx 21/01

Hier: Weitere Beschwerde des Verfahrenspflegers

Tenor:

Auf die weitere Beschwerde des Verfahrenspflegers werden die Beschlüsse des Amtsgerichts Freiburg vom 20. März 2001 und des Landgerichts Freiburg vom 15. Mai 2001 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - Freiburg zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Der 65 Jahre alte Betroffene erlitt am 2.8.1996 eine Lungenembolie mit Herzkreislaufstillstand. Seit der sofort durchgeführten Notoperation befindet er sich in einem Wachkoma (sog. apallisches Syndrom). Vom Koma abgesehen ist sein Zustand, der seit über fünf Jahren unverändert ist, stabil. Er kann hören, aber nicht kommunizieren. Er wird im St. C gepflegt. Ernährt wird er über eine Magensonde durch die Bauchdecke. Eine eigenständige Nahrungsaufnahme ist ihm nicht möglich. Er atmet selbständig, hat jedoch eine Trachealkanüle.

Das Amtsgericht Freiburg hat durch Beschluss vom 8.10.1996 für den Betroffenen dessen Ehefrau, Frau H. F., für die Aufgabenbereiche der Vermögenssorge, der Aufenthaltsbestimmung und der Sorge für die Gesundheit als Betreuerin bestellt. Am 20.9. 2000 hat sie den Antrag gestellt, ihr eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung dahingehend zu erteilen, dass es ihr erlaubt sei, die künstliche Ernährung des Betroffenen einzustellen bzw. einstellen zu lassen.

Mit Beschluss vom 22.9.00 hat das Amtsgericht für den Betroffenen Rechtsanwalt Dr. R. als Pfleger für das Verfahren bestellt. Am 28.9.00 hat sich der Vormundschaftsrichter einen persönlichen Eindruck vom Zustand des Betroffenen verschafft. Eine Kommunikation war nicht möglich.

Nach Anhörung der Kinder des Betroffenen (AS 525, 531 und 551) und seiner Schwester (AS 535), die sich alle für eine Beendigung der künstlichen Ernährung ausgesprochen und Umstände mitgeteilt haben, die auf einen entsprechenden Willen des Betroffenen schließen lassen, sowie des Verfahrenspflegers (AS 537 ff) hat das Amtsgericht den Antrag der Betreuerin durch Beschluss vom 20.3.01, auf den hinsichtlich der Begründung im einzelnen Bezug genommen wird, zurückgewiesen. Es hat festgestellt, dass die Entscheidung, die künstliche Ernährung des Betroffenen einzustellen oder einstellen zu lassen, nicht genehmigungsfähig sei. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die Entscheidung, die Ernährung des Betroffenen mit dem Ziel einzustellen, ihn sterben zu lassen, nicht vom Aufgabenkreis der Betreuerin umfasst sei und ihr auch nicht als Aufgabe übertragen werden könne. Selbst bei gegenteiliger Ansicht käme eine analoge Anwendung des § 1904 BGB nicht in Betracht. Ein Betreuerwechsel oder die Erteilung von Anweisungen an die Betreuerin seien nicht veranlasst, da der beabsichtigte Behandlungsabbruch in Ansehung der vom Bundesgerichtshof aufgestellten Kriterien nicht rechtswidrig sei.

Gegen diesen Beschluss hat der Verfahrenspfleger, der die Entscheidung der Betreuerin über die Einstellung der Sondenernährung für genehmigungsbedürftig hält, Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, eine Maßnahme mit derart weitreichenden Konsequenzen bedürfe der Kontrolle und Absicherung durch eine unabhängige Instanz, also durch das Vormundschaftsgericht. Aufgabe des Betreuers sei es, die Entscheidung zu treffen, die dem mutmaßlichen Willen und dem Wohle des Betreuten entspreche. Dass der Gesetzgeber den vorliegenden Sachverhalt nicht ausdrücklich geregelt habe, stehe einer analogen Anwendbarkeit des § 1904 BGB nicht entgegen. Wenn der Betreuerin die Entscheidungsbefugnis abgesprochen werde, führte dies zu dem nicht hinnehmbaren Ergebnis, dass Angehörige und Ärzte eine im Vergleich zur Betreuerin weitergehende Stellung hätten, obwohl zumindest bei Angehörigen eine Missbrauchsgefahr stärker zu befürchten sei. Eine präventive gerichtliche Kontrolle zum Schutze des Betreuten sei unabdingbar.

Das Landgericht hat durch Beschluss vom 15.5.01 die Beschwerde zurückgewiesen (AS 595). Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Antrag der Betreuerin nicht genehmigungsfähig sei, weil der beabsichtigte Abbruch der Ernährung des Betroffenen mit dem Ziel des Todes von den der Betreuerin übertragenen Aufgabenkreisen nicht gedeckt sei. Das Amtsgericht habe zu Recht auch eine analoge Anwendung des § 1904 BGB abgelehnt. Es fehle an der Vergleichbarkeit der dort geregelten Fälle mit dem hier beabsichtigten Behandlungsabbruch. Ferner fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke. Wenn schon weniger bedeutsame Maßnahmen in grundrechtsrelevanten Bereichen (Wohnungsbetretungsrecht, ambulante Zwangsmedikation) ohne ausdrückliche gesetzliche Regelungen nicht genehmigungsfähig seien, bedürfe erst recht die schwerwiegendste Entscheidung, nämlich die Entscheidung über das Leben des Betreuten selbst, einer gesetzlichen Grundlage.

Gegen diese Entscheidung hat Rechtsanwalt Dr. R., den das Landgericht durch Beschluss vom 2.7.01 zum Verfahrenspfleger für den Betroffenen zur Einlegung und Begründung eines Rechtsmittels bestellt hat, weitere Beschwerde eingelegt. In der Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Mit Schriftsatz vom 3.9.2001 hat der Verfahrenspfleger eine Stellungnahme des behandelnden Hausarztes vom 22.8.01 sowie einen Arztbrief der Universitätsklinik vom 27.12.00 vorgelegt.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig. Rechtsanwalt Dr. R. hat, nachdem er mit Beschluss des Landgerichts vom 2.7.01 zum Verfahrenspfleger für den Betroffenen zur Einlegung und Begründung eines Rechtsmittels gegen den Beschluss vom 15.5.01 bestellt worden war, mit Schriftsatz vom 16.8.01 erneut weitere Beschwerde eingelegt und diese begründet, § 67 Abs. 2 FGG. Er ist gesetzlicher Vertreter des Betroffenen und in dessen Interesse auch beschwerdeberechtigt (OLG Frankfurt NJW 98, 2747, 2748; Kayser in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Aufl. § 67 Rdn. 1, 7, § 69g Rdn. 10).

Die weitere Beschwerde ist auch begründet, da die Vorentscheidungen zu Unrecht eine Genehmigungsfähigkeit der Einwilligung der Betreuerin in den Abbruch der künstlichen Ernährung analog § 1904 Abs. 1 BGB abgelehnt haben. Die Einwilligung des Betreuers eines irreversibel hirngeschädigten, nicht mehr entscheidungsfähigen, volljährigen Betreuten, bei dem der Sterbevorgang noch nicht eingesetzt hat, in den Abbruch der künstlichen Ernährung, die sich im vorliegenden Fall als Widerruf der Einwilligung in die Fortführung der künstlichen Ernährung darstellt, bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht analog § 1904 Abs. 1 BGB (BGHSt 40, 257, 261 f; OLG Frankfurt NJW 98, 2747; LG Duisburg NJW 99, 2744; AG Ratzeburg, Beschluss vom 7.12.98, Jurisausdruck; a.A. LG München I NJW 99, 1788; LG Augsburg NJW 00, 2363; AG Hanau BtPrax 97, 92; AG Frankfurt FamRZ 00, 1183; AG Garmisch-Partenkirchen FamRZ 00, 319; offen gelassen von OLG Düsseldorf Rpfleger 01, 347; OLG Brandenburg NJW 00, 2361, das eine analoge Anwendung des § 1904 Abs. 1 BGB auf einen minderjährigen Patienten mangels planwidriger Gesetzeslücke zu Recht abgelehnt hat). Der Bundesgerichtshof (BGHSt 40, 257, 261 f, unter Hinweis auf Kutzer NStZ 94,110, 114, der diesen Gedanken als erster zur Diskussion gestellt hat) hat ausgeführt:

"Nach § 1904 BGB idF des Betreuungsgesetzes vom 12. September 1990 (BGBl. I, 2002) bedarf der Betreuer zur Wirksamkeit seiner Einwilligung in bestimmte ärztliche Maßnahmen der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts. Allerdings ist die Vorschrift auf den - tödlich verlaufenden - Behandlungsabbruch nicht unmittelbar anwendbar; denn nach ihrem Wortlaut erfasst sie nur aktive ärztliche Maßnahmen wie Untersuchungen, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe. Nach ihrem Sinn und Zweck muss sie jedoch in Fällen der Sterbehilfe jedenfalls dann - erst recht - entsprechend anzuwenden sein, wenn die ärztliche Maßnahme in der Beendigung einer bisher durchgeführten lebenserhaltenden Maßnahme besteht und der Sterbevorgang noch nicht unmittelbar eingesetzt hat. Wenn schon bestimmte Heileingriffe wegen ihrer Gefährlichkeit der alleinigen Entscheidungsbefugnis des Betreuers entzogen sind, dann muss dies um so mehr für Maßnahmen gelten, die eine ärztliche Behandlung beenden wollen und mit Sicherheit binnen kurzem zum Tode des Kranken führen."

Dem tritt der Senat bei. Die gegen diese Entscheidung und die sie in das Betreuungsrecht umsetzende Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 15.7.98 (NJW 98, 2747) vorgebrachten Bedenken greifen nicht durch.

1. Die Einwilligung in den Abbruch der künstlichen Ernährung bzw. der Widerruf der Einwilligung in die künstliche Ernährung mit der sicheren Folge des Todes des Patienten ist eine Entscheidung, die dem Betreuer übertragen werden kann und dem Aufgabenbereich der Gesundheitsfürsorge unterfällt.

a. Der Senat vermag der Auffassung, diese Entscheidung könne nach der bestehenden Gesetzeslage nicht auf einen Betreuer übertragen werden, weil es sich bei der Entscheidung sterben zu wollen, um eine höchstpersönliche Angelegenheit handele, die von der Wahrnehmung durch Dritte überhaupt ausgeschlossen und damit der Verfügungsbefugnis des Betreuers entzogen sei (LG München I NJW 99, 1788, 1789; LG Augsburg NJW 00, 2363; AG Garmisch-Partenkirchen FamRZ 00, 319, 320; Seitz ZRP 98, 417, 420; Sörgel/Zimmermann, BGB, 13. Aufl. § 1904 Rdn. 42; vgl. auch Deichmann MDR 95, 983, 985), so dass Ärzte und Angehörige über den Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen zu entscheiden hätten (LG Augsburg aaO., LG München aaO), aus folgenden Gründen nicht zu folgen:

aa. Dieser Einwand ist im vorliegenden Fall schon deshalb nicht berechtigt, weil die Betreuerin die Entscheidung, die künstliche Ernährung abzubrechen, nicht anstelle des Betroffenen trifft, sondern lediglich dessen mutmaßlichen Willen, nicht weiterbehandelt zu werden, durchsetzt.

Solange der Patient eigenverantwortlich über die Frage entscheiden kann, ob er sich einer ärztlichen Behandlung unterzieht oder nicht, ist sein verfassungsrechtlich verbürgtes Selbstbestimmungsrecht vom Arzt zu beachten. Dies gilt auch dann, wenn der Patient die Einwilligung in eine Operation verweigert mit der sicheren Folge, dass er dann stirbt. Wird eine ärztliche Behandlung - auch wenn sie objektiv geboten erscheint - trotz verweigerter Einwilligung durchgeführt, stellt dieser Eingriff eine Körperverletzung dar. Auch eine intensivmedizinische Maßnahme wie die künstliche Ernährung mit einer Magensonde stellt eine solche medizinische Maßnahme dar, die abzubrechen wäre, wenn der noch entscheidungsfähige Patient seine Einwilligung widerriefe (vgl. Dodegge NJW 00, 2704, 2709). Ist der Patient zu einer solchen Entscheidung nicht mehr in der Lage, weil er sich - wie im vorliegenden Fall - in einem Wachkoma befindet, endet sein Selbstbestimmungsrecht nicht (Fröschle JZ 00, 72, 74). Vielmehr ist - wie der Bundesgerichtshof (BGHSt 40, 257) zutreffend entschieden hat - beim einwilligungsunfähigen Patienten die mutmaßliche Einwilligung maßgebend. Lässt sich also unter Beachtung der im Hinblick auf den Lebensschutz des Patienten anzulegenden strengen Anforderungen ein mutmaßlicher Wille des Patienten sicher dahin feststellen, dass er in seiner konkreten Situation die Weiterbehandlung, also die weitere künstliche Ernährung nicht mehr wünscht, ist sie zu beenden.

Der Betreuer als gesetzlicher Vertreter des einwilligungsunfähigen Patienten trifft also - wie ausgeführt - dann, wenn er an dessen Stelle die Einwilligung in die weitere Behandlung, also in die Fortsetzung der künstlichen Ernährung widerruft, nicht für den Patienten die höchstpersönliche Entscheidung, sterben zu wollen, sondern setzt dessen mutmaßlichen Willen um, in seiner konkreten Situation nicht weiterbehandelt zu werden, auch wenn er daran stirbt.

Selbst wenn man mit der Gegenansicht davon ausginge, der Betreuer treffe mit dem Widerruf der Einwilligung anstelle des Betroffenen eine höchstpersönliche Entscheidung, wäre dies dem Betreuungsrecht nicht fremd. Höchstpersönliche Entscheidungen trifft der Betreuer als gesetzlicher Vertreter des Betroffenen auch bei gewöhnlichen Heilbehandlungen, bei "gefährlichen" Heilbehandlungen im Sinne von § 1904 Abs. 1 BGB und vor allem bei der Frage der Einwilligung in die Sterilisation des Betroffenen nach § 1905 BGB. Im übrigen ist es nicht konsequent, wenn argumentiert wird, eine derartige höchstpersönliche Entscheidung könne einem Betreuer nicht übertragen werden, wenn die Entscheidung bei einem volljährigen Betreuten dann in die Hände der Angehörigen und des Arztes gelegt werden soll. Wenn es sich tatsächlich um eine nicht übertragbare Entscheidung handeln würde, könnte sie nur der Betroffene selbst treffen. Damit endete aber das verfassungsrechtlich verbürgte Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen mit dem Eintritt der Einwilligungsunfähigkeit. Es wäre entscheidend entwertet (Fröschle JZ 00, 72, 74).

bb. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts (so auch LG München I NJW 99, 1788, 1789 m.w.Nachw.) ist diese Fallkonstellation auch nicht mit der einer Organspendeerklärung vergleichbar, die der Betreuer nicht für den Betreuten abgeben kann. Zum einen setzt der Betreuer bei der Einwilligung in den Behandlungsabbruch nur den mutmaßlichen Willen des Betroffenen durch. Zum anderen ist die Einwilligung des Betreuers in eine Organspende zu Lebzeiten des einwilligungsunfähigen Betreuten schon deshalb unzulässig, weil diese Organspende ausschließlich auf das Wohl eines Dritten und nicht auf das des Betreuten gerichtet ist (§ 1901 Abs. 1 S. 1 BGB; so auch die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Betreuungsgesetzes vom 11.5.89, BT-Dr. 11/4528. S. 142).

cc. Der Gesetzgeber hat zudem - wie das OLG Frankfurt (NJW 98, 2747, 2748) zutreffend ausgeführt hat - in den Gesetzgebungsmaterialien zu § 1904 BGB (BT-Drs. 11/4528, S. 142) zum Ausdruck gebracht, dass er den Betreuer ermächtigen will, die mutmaßliche Weigerung des Betroffenen bezüglich einer lebensverlängernden Maßnahme zur Geltung zu bringen. Dort heißt es:

"Der grundsätzliche Willensvorrang des Betreuten auch im Bereich der Heilbehandlung..... hat z.B. zur Folge, dass der Betreuer den Wunsch eines nicht einwilligungsfähigen Betreuten auch dann zu beachten hat, wenn dieser darauf gerichtet ist, in der letzten Lebensphase nicht sämtliche denkbaren lebens-, aber auch schmerzverlängernden medizinischen Möglichkeiten einzusetzen."

Diese Passage lässt sich nur dahin verstehen, dass der Betreuungsgesetzgeber von einer Vertretungsmacht des Betreuers auch für den höchstpersönlichen Bereich der Sterbehilfe ausgegangen ist. Denn es wäre inkonsequent, den Betreuer im Innenverhältnis (Willensvorrang gemäß § 1901 Abs. 3 S. 1 BGB) zur Berücksichtigung von Sterbehilfewünschen des Betreuten anzuhalten, ihm im Außenverhältnis aber die Vertretungsmacht zur Wahrnehmung dieser Wünsche zu versagen. Das entspricht nicht zuletzt dem Grundanliegen des neuen Betreuungsrechts, die Autonomie des Betreuten bei der Personensorge größtmöglich zu wahren (so zutreffend Saliger JuS 99, 16, 18; in dieselbe Richtung Lipp DRiZ 00, 231, 235).

b. Nicht gefolgt werden kann der auch von den Vorinstanzen geteilten Meinung, es sei kein Aufgabenkreis ersichtlich, der die Einwilligung des Betreuers in lebensbeendende Maßnahmen umfasse (Staudinger-Bienwald, § 1904 Rdn. 45; Jürgens/ Marschner, Betreuungsrecht, 2. Aufl., § 1904 Rdn. 7), insbesondere nicht der Aufgabenkreis der Gesundheitsfürsorge (LG München I, NJW 99, 1788, 1789; Erman/Roth, BGB, 10. Aufl., § 1904 Rdn. 23; Seitz ZRP 98, 417,420). Zur Begründung dieser Ansicht wird ausgeführt, dass das "Sterbenlassen" des Patienten mit Gesundheitsfürsorge nichts zu tun habe.

Die Einwilligung in den Abbruch der künstlichen Ernährung fällt vielmehr in den Aufgabenkreis der Gesundheitsfürsorge (LG Duisburg NJW 99, 2744; Gründel NJW 99, 3391, 3392; hinsichtlich des Aufgabenkreises nicht näher präzisiert von OLG Frankfurt NJW 98, 2747, 2748; Coeppicus NJW 98, 3381, 3387). Es ist zu eng, hierunter nur die Einwilligung in Maßnahmen zu sehen, die der Erhaltung der Gesundheit dienen. Es ist nämlich z.B. auch vom Aufgabenkreis der Gesundheitsfürsorge gedeckt, wenn der Betreuer die Einwilligung in eine Operation verweigert, durch die der sicher in Kürze bevorstehende Tod unter Inkaufnahme weiterer Nachteile für den Betreuten nur unwesentlich hinausgeschoben würde. Auch diese Maßnahme dient nicht mehr der Erhaltung der Gesundheit des Betreuten.

c. Entgegen der u.a. von Bienwald (aaO Rdn. 45) vertretenen Ansicht scheitert eine Betreuerbestellung auch nicht am Erforderlichkeitsgrundsatz des § 1896 Abs. 2 S. 1 BGB. Bienwald begründet dies damit, dass der Betreuer keine eigene Entscheidung treffe, da auf den mutmaßlichen Willen des Betroffenen abzustellen sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass der Betreuer, der ja auch sonst die Wünsche des Betreuten zu berücksichtigen hat, zwar durch den mutmaßlichen Willen des Betroffenen gebunden ist; dennoch willigt er ein und setzt er den Willen des aufgrund seines Zustands entscheidungsunfähigen Betroffenen durch (Fröschle JZ 00, 72, 74; Gründel NJW 99, 3391; Lipp DRiZ 00, 231, 235).

d. Gegen das Erfordernis einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung wird ferner eingewandt, dem Richter solle angesonnen werden, eine Entscheidung gerade mit dem Ziel des Todes des Betroffenen zu treffen, er werde hier allein zum Herrn über Leben und Tod. Dies sehe die deutsche Rechtsordnung in keiner Bestimmung vor und dies dürfe letztlich auch, nicht zuletzt aus rechtsethischen und - historischen Gründen und dem fehlenden Richterprivileg im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit, vom Richter nicht verlangt werden (AG Hanau BtPrax 97, 82, 83). Der Rechtsordnung sei es fremd, im Vorfeld darüber zu entscheiden, ob es zulässig sei, einen Menschen sterben zu lassen (Deichmann MDR 95, 983, 985).

Diese Einwände sind schon im Ansatz verfehlt. Eine Entscheidung über Leben und Tod des Patienten treffen der Betreuer und das Vormundschaftsgericht nicht. Sie setzen nur das Selbstbestimmungsrecht des einwilligungsunfähigen Patienten durch, indem sie ermitteln, ob der mutmaßliche Wille des Patienten in seiner hoffnungslosen Situation dahin geht, dass die Ernährung abgebrochen wird mit der sicheren Folge seines Todes.

Die präventive Kontrolle der Einwilligung des Betreuers in den Behandlungsabbruch durch den Vormundschaftsrichter erhöht den Lebensschutz des Betroffenen, dient dem Schutz seines Selbstbestimmungsrechts und gibt den Beteiligten ein erhöhtes Maß an Rechtssicherheit (Frister JR 99, 73, 74; Verrel JR 99, 5, 8; Knieper NJW 98, 2720 f; Saliger JuS 99, 16, 21; Lipp DRiZ 00, 231, 238).

Die Entscheidung, ob die künstliche Ernährung abgebrochen wird mit der Folge, dass der Patient stirbt, wird auf eine verlässliche, in einem justizförmigen Verfahren ermittelte Tatsachengrundlage gestellt. Die Erforschung des nicht auf der Hand liegenden mutmaßlichen Willens des Patienten kann im klinischen Alltag kaum geleistet werden (Verrel JR 99, 3, 8), der Betreuer, der oft ein persönlich betroffener Angehöriger ist, ist hiermit häufig überfordert. Der Vormundschaftsrichter dagegen hat von Amts wegen alle Ermittlungen anzustellen, die erforderlich sind, um den Willen oder den mutmaßlichen Willen des Betroffenen zu erforschen. Er hat zu prüfen, ob der Betroffene ein Patiententestament errichtet hat. Er kann die Angehörigen, den Hausarzt, den behandelnden Arzt und andere Personen anhören oder auf sonstigem Wege befragen, um festzustellen, ob es dem mutmaßlichen Willen des im Wachkoma liegenden Patienten entspricht, die künstliche Ernährung abzubrechen. Ferner hat er sich einen persönlichen Eindruck vom Betroffenen zu verschaffen (§ 69 d Abs. 1 S. 2 FGG analog). Durch diese umfassende Amtsaufklärung, die mangels eigener persönlicher Betroffenheit bestehende Objektivität und die Spezialisierung des Vormundschaftsrichters auf die Willensermittlung von Personen, die aufgrund ihrer Krankheit und Behinderung ihre eigenen Angelegenheiten nicht mehr allein regeln können, wird eine verlässliche Ermittlung des Patientenwillens gewährleistet und eventuellen Missbrauchsgefahren vorgebeugt. Der Vormundschaftsrichter wird in solchen Fällen zudem zwingend einen Verfahrenspfleger gemäß § 67 FGG für den Betroffenen zu bestellen haben (zutr. Deichmann MDR 95, 983, 985), der sich zur Wahrnehmung von dessen Interessen am Verfahren zu beteiligen hat, bei der Aufklärung des Patientenwillens behilflich sein und vor allem durch die Einlegung eines Rechtsmittels die Entscheidung des Vormundschaftsrichters zur Überprüfung stellen kann.

Durch diese präventive richterliche Kontrolle der Einwilligung des Betreuers in den Behandlungsabbruch wird ferner das Risiko von Betreuern und Ärzten reduziert, wegen Totschlags strafrechtlich verfolgt zu werden, da eine hohe Gewähr dafür besteht, dass der Patientenwille richtig ermittelt wurde. Es erscheint mit dem Lebensschutz kaum vereinbar und ist Betreuern und Ärzten kaum zumutbar, auf eine solche präventive richterliche Kontrolle weiterhin zu verzichten, und erst im Nachhinein durch die Strafgerichte prüfen zu lassen, ob Arzt und Betreuer bei der Abbruchentscheidung den Patientenwillen richtig ermittelt haben (Verrel JR 99, 5, 7).

Das Risiko, mit einem Strafverfahren überzogen zu werden, kann auch dazu führen, dass in Fällen, in denen der mutmaßliche Wille des Patienten nicht auf der Hand liegt, der Betreuer die Einwilligung in den Behandlungsabbruch oder der Arzt trotz Erteilung der Einwilligung den Behandlungsabbruch aus Angst vor strafrechtlichen Konsequenzen verweigert. Dies hätte die Konsequenz, dass ein Wachkomapatient wie der Betroffene trotz seines entgegenstehenden mutmaßlichen Willens jahrelang zwangsweise weiterbehandelt würde, was seinem Selbstbestimmungsrecht in eklatanter Weise zuwiderliefe. Hätte dagegen ein Vormundschaftsrichter die Genehmigung nach Ermittlung des mutmaßlichen Willens des Betroffenen erteilt, würde seinem Selbstbestimmungsrecht entsprochen werden.

Der Hinweis auf rechtshistorische Gründe, also die Euthanasieverbrechen in der NS-Zeit, ist verfehlt, da die Vernichtung "lebensunwerten Lebens" weder vom Zustand noch vom Willen des Opfers abhängig gemacht wurde (zutr. OLG Frankfurt NJW 98, 2747, 2748 m.w.Nachw.; Müller-Freienfels JZ 98, 1123, 1126; Saliger JuS 99, 16, 18 f). Damals ging es um fremdbestimmte Tötungen aus niedrigen Beweggründen und nicht um die Durchsetzung des verfassungsrechtlich verbürgten Selbstbestimmungsrechts eines Patienten.

2. Auch die weiteren gegen eine analoge Anwendbarkeit des § 1904 BGB gerichteten Bedenken teilt der Senat nicht.

a. Eine planwidrige Gesetzeslücke liegt vor. Sie kann nicht mit dem Argument verneint werden, dass dem Gesetzgeber des Betreuungsgesetzes vom 12.9.90 (BGBl. I, 2002) der mögliche Wunsch von Menschen, in der letzten Lebensphase nicht sämtliche denkbaren lebens- und auch leidensverlängernden medizinischen Möglichkeiten einzusetzen, bekannt gewesen sei, er aber gleichwohl ein Verhalten des Betreuers, diesen Willen durchzusetzen, nicht dem Genehmigungserfordernis des § 1904 BGB unterworfen habe (so aber Alberts NJW 99, 835). Die Zulässigkeit eines Behandlungsabbruchs bei einem irreversibel geschädigten Patienten, bei dem der Sterbevorgang noch nicht eingesetzt hat, wurde in strafrechtlicher Hinsicht erstmals in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13.9.94 (BGHSt 40, 257) bejaht, so dass für den Gesetzgeber zuvor kein Anlass bestand, dessen Genehmigungsfähigkeit zu regeln. Auch aus dem Umstand, dass § 1904 BGB durch das Betreuungsrechtsänderungsgesetz vom 25.6.98 nicht geändert wurde, obgleich zu dieser Zeit die Diskussion um die Entscheidung BGHSt 40, 257 schon in vollem Gange war (vgl. Knieper NJW 98, 2720, 2721), kann nicht abgeleitet werden, dass eine planwidrige Gesetzeslücke nicht gegeben ist (so aber Alberts NJW 99, 835; Jürgens/Marschner, Betreuungsrecht, 2. Aufl. § 1904 Rdn. 7; Laufs NJW 98, 3399, 3400). Da der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs die Gesetzeslücke durch richterliche Rechtfortbildung geschlossen hatte, bestand nämlich trotz kontroverser Diskussion dieser Entscheidung keine Notwendigkeit für den Gesetzgeber des Betreuungsrechtsänderungsgesetzes, dessen Zielsetzung vor allem war, die finanzielle Belastung des Justizetats zu reduzieren (Knieper NJW 98, 2720, 2721; Zöller ZRP 99, 317, 318), diese Frage zu regeln. Ob die Vormundschaftsgerichte dem Bundesgerichtshof folgen würden, war zwar zu diesem Zeitpunkt nicht absehbar. Spätestens die zur Entscheidung über die weitere Beschwerde zuständigen Oberlandesgerichte waren jedoch gemäß § 28 Abs. 2 S. 1 FGG zur Vorlage an den Bundesgerichtshof verpflichtet, wenn sie von dieser Entscheidung hätten abweichen wollen. Entgegen verbreiteter Ansicht (z.B. Lipp DRiZ 00, 231; wohl auch Müller-Freienfels JZ 98, 1123, 1124) handelt es sich bei den Ausführungen zur analogen Anwendbarkeit des § 1904 Abs. 1 BGB nämlich nicht um ein obiter dictum, sondern um tragende Erwägungen, da der Bundesgerichtshof bei Vorliegen einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung von der Rechtfertigung des Unterlassens ausgegangen wäre. In diesem Fall hätte es der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung zur Aufklärung des mutmaßlichen Willens der Patientin nicht bedurft.

Dass die Frage der analogen Anwendung des § 1904 BGB Rechtsprechung und Literatur überlassen werden sollte, ergibt sich ferner aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des Abgeordneten Hüppe (BT-Drs. 13/11345, Frage Nr. 14, S. 11; Saliger JuS 99, 16, 18), die wie folgt lautet:

"Die Entscheidung des OLG Frankfurt wirft danach nicht nur tiefgreifende juristisch-ethische Fragen, sondern auch vielfältige forensisch-praktische Fragen auf, die einer gründlichen Aufarbeitung bedürfen, bevor die Frage nach der Notwendigkeit einer gesetzgeberischen Maßnahme durch die Bundesregierung beantwortet werden kann."

b. Gegen eine Analogie wird ferner eingewandt, es fehle an einer Vergleichbarkeit der in § 1904 BGB geregelten Fallgruppen mit dem Fall des Ernährungsabbruchs. Das Oberlandesgericht Frankfurt übersehe, dass ein Erst-Recht-Schluss voraussetze, dass der nicht geregelte Tatbestand nach dem Zweck der Vorschrift ein "mehr" sei als der geregelte, so dass die Vorschrift für ersteren "erst recht" gelten müsse; er sei hingegen nicht möglich, wenn der geregelte Tatbestand nicht ein "mehr", sondern etwas anderes sei. Dies sei aber der Fall, denn ein ärztlicher Heileingriff mit dem Risiko des Todes (geregelter Tatbestand in § 1904 BGB) sei etwas anderes als ein ärztlicher Eingriff mit dem Ziel bzw. der sicheren Folge des Todes, da er gerade nicht dem Schutz der Gesundheit des Betroffenen diene, deren Schutz das Genehmigungsverfahren nach § 1904 BGB aber gerade bezwecke. Der Normzweck "Schutz des Lebens" würde bei einer analogen Anwendung in sein Gegenteil verkehrt. Ein gezielter Abbruch diene nicht der Erhaltung des Lebens, sondern dessen Beendigung (LG München I NJW 99, 1788,1789; LG Augsburg NJW 00, 2363, 2364; Alberts NJW 99, 835).

Diese Einwände greifen nicht durch. Der Gesetzgeber wollte die Einwilligung des Betreuers in besonders riskante und folgenschwere ärztliche Maßnahmen nicht der alleinigen Entscheidung des Betreuers überlassen, sondern sie an die vorherige Zustimmung des Vormundschaftsgerichts binden (Lipp DRiZ 00, 231, 237 f). Sinn und Zweck des § 1904 BGB ist es, Entscheidungen des Betreuers über lebensgefährliche Maßnahmen am Betroffenen einer präventiven staatlichen Kontrolle zu unterwerfen (Gründel NJW 99, 3391, 3392). Dadurch sollen das körperliche Wohl und die Selbstbestimmung des Betreuten geschützt werden (Saliger JuS 99, 16, 18). Bedarf also die Einwilligung des Betreuers schon dann der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung, wenn die begründete Gefahr besteht, dass der Betreute aufgrund der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauernden Schaden erleidet, muss - wie der Bundesgerichtshof überzeugend ausgeführt hat - die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erst recht eingeholt werden, wenn die ärztliche Maßnahme nicht nur mit einer Gefährdung des Rechtsguts Leben verbunden ist, sondern wenn sie mit Sicherheit binnen kurzem zum Tod des Betroffenen führt (OLG Frankfurt NJW 98, 2747, 2748; LG Duisburg NJW 99, 2744; Coeppicus NJW 98, 3381, 3383).

Unterwirft man die Einwilligung des Betreuers in den Behandlungsabbruch im Wege der analogen Anwendung des § 1904 Abs. 1 BGB der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts, wird der Zweck der Vorschrift, das Leben des Betroffenen zu schützen, auch nicht in sein Gegenteil verkehrt. Vielmehr dient das Genehmigungserfordernis - wie bereits ausgeführt wurde - auch dem Lebensschutz des Betreuten, da ein unabhängiges und gutachterlich beratenes Gericht ein höheres Maß an Entscheidungsrationalität verbürgt als der Betreuer und/oder die Ärzte und die Angehörigen (Saliger JuS 99, 16, 18).

c. Gegen eine analoge Anwendung des § 1904 BGB werden ferner im Hinblick darauf Bedenken geäußert, dass die Vorschrift nach ihrem Wortlaut nur auf aktives ärztliches Tun abstelle, der Schwerpunkt des finalen Behandlungsabbruchs aber in einem Unterlassen bestehe. Diese Unterscheidung sei von erheblicher Bedeutung, da die Verweigerung ärztlicher Behandlung für den Betreuer nicht genehmigungspflichtig sei. Wenn der Betreuer aber genehmigungsfrei von vornherein auf eine medizinische Behandlung verzichten könne, warum solle er dann, wenn er sich zunächst für eine Behandlung ausspreche, diese Entscheidung jedoch später nach reiflicher Überlegung widerrufe, einer Genehmigungspflicht unterliegen (Deichmann MDR 95, 983, 985; Alberts NJW 99, 835; vgl. auch Steffen NJW 96, 1581).

Auch diese Bedenken teilt der Senat nicht. Zwar hat der Bundesgerichtshof die Einstellung der künstlichen Ernährung durch Arzt und Betreuer in strafrechtlicher Hinsicht als Unterlassen gewertet (BGHSt 40, 257, 265 f). Er hat ausgeführt, dass in der Nichtvornahme der gebotenen Handlung, also der künstlichen Ernährung, das strafrechtlich relevante Geschehen liege. Er hat den eigentlichen Unwert des Verhaltens von Arzt und Betreuer im Verstoß gegen die Verpflichtung, die Grundversorgung der Patientin sicherzustellen, gesehen. Diese spezifisch strafrechtliche, den Besonderheiten des unechten Unterlassungsdelikts entspringende Betrachtungsweise ist auf das Zivilrecht nicht übertragbar. Die Einstellung der künstlichen Ernährung, die zumindest mit einer Entfernung des die Nahrung zuführenden Schlauchs verbunden ist, stellt im zivilrechtlichen Sinn eine Handlung dar.

Dass ein Betreuer, der von vornherein die Einwilligung in eine ärztliche Behandlung verweigert, nicht der Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht bedarf, trifft zwar zu. Dieser Fall liegt aber bei einem Abbruch der künstlichen Ernährung nicht vor. Der Betreuer verweigert in diesen Fällen nicht von vornherein die Einwilligung in eine medizinische Maßnahme, sondern widerruft, wenn er die Einwilligung in den Behandlungsabbruch erteilt, die Einwilligung in die Fortsetzung der künstlichen Ernährung, trägt also aktiv zu deren Beendigung bei. Dies stellt einen genehmigungsfähigen Rechtsakt dar, da der Betreuer als gesetzlicher Vertreter des Betroffenen handelt (vgl. Lipp DRiZ 00, 231, 237 f; Taupitz, Verhandlungen des 63. Deutschen Juristentages, Bd. I, Gutachten, A 87).

Dem weiteren Einwand, wenn der Betreuer von vornherein genehmigungsfrei auf eine medizinische Behandlung verzichten könne, sei nicht einzusehen, dass er dann, wenn er sich zunächst für eine solche Behandlung ausspreche, diese aber später widerrufe, der Genehmigungspflicht unterliege, kommt wenig Gewicht zu. Der Betreuer unterliegt der Aufsicht des Vormundschaftsgerichts gemäß §§ 1908i, 1837 Abs. 2 S. 2 BGB. Verweigert er von vornherein die Einwilligung in eine ärztliche Maßnahme, können Arzt und Angehörige das Vormundschaftsgericht anrufen, das dann dieselben Überlegungen anzustellen hat wie bei einer Genehmigung analog § 1904 Abs. 1 BGB.

d. Dass § 1904 BGB keine materiellen Kriterien für eine Genehmigung der Einwilligung des Betreuers in den Behandlungsabbruch bietet (Alberts NJW 99, 835; Laufs NJW 98, 3399, 3400), trifft zu, steht aber der analogen Anwendung der Vorschrift auf diesen Fall nicht entgegen. Bei der Genehmigung einer ärztlichen Maßnahme gemäß § 1904 Abs. 1 BGB ist zwischen dem Risiko der Maßnahme und den Folgen, die eintreten, wenn die Maßnahme nicht durchgeführt wird, abzuwägen. Diese Kriterien sind auf den Fall des Behandlungsabbruchs nicht übertragbar. Einer Gefährlichkeitsabwägung bedarf es nicht, da die Einstellung der künstlichen Ernährung unweigerlich zum Tod des Patienten führt.

Die Entscheidungskriterien für die Genehmigung der Einwilligung des Betreuers in einen Behandlungsabbruch bei einem noch nicht im Sterben begriffenen Wachkomapatienten ergeben sich vielmehr aus § 1901 Abs. 3 S. 1 und 2 BGB und dem Erfordernis, dem Lebensschutz und dem Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen Rechnung zu tragen.

Das Vormundschaftsgericht muss im Wege der Amtsermittlung feststellen, also sich davon überzeugen, dass der Betreute unfähig ist, seinen Willen zu äußern (krankheitsbedingte Entscheidungsunfähigkeit), sein Zustand nach ärztlicher Erfahrung mit hoher Wahrscheinlichkeit irreversibel ist (vgl. Taupitz aaO, A 125) und sein mutmaßlicher Wille dahin geht, nicht länger behandelt und künstlich ernährt zu werden, sondern dem natürlichen Gang der Dinge seinen Lauf zu lassen (zutreffend LG Duisburg NJW 99, 2744, 2745; vgl. auch OLG Frankfurt NJW 98, 2747, 2749). An die Voraussetzungen für die Annahme eines solchen mutmaßlichen Einverständnisses des entscheidungsunfähigen Betroffenen sind im Interesse des Schutzes menschlichen Lebens in tatsächlicher Hinsicht strenge Anforderungen zu stellen. Entscheidend ist der mutmaßliche Wille des Betroffenen zum Zeitpunkt des Behandlungsabbruchs, wie er sich nach sorgfältiger Abwägung aller Umstände darstellt. Hierbei sind frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen des Betroffenen ebenso zu berücksichtigen wie seine religiöse Überzeugung, seine sonstigen persönlichen Wertvorstellungen, seine altersbedingte Lebenserwartung oder das Erleiden von Schmerzen (BGHSt 35, 246, 249; 40, 257, 263). Lässt sich ein mutmaßlicher Willen des Betroffenen dahin, dass er in seiner konkreten, praktisch aussichtslosen Situation einen Abbruch der künstlichen Ernährung mit der sicheren Folge seines Todes wünscht, nicht feststellen, darf die Genehmigung nicht erteilt werden.

Erhebliche Bedenken hat der Senat aber gegen die Auffassung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 40, 257, 263), soweit dieser es ausnahmsweise für zulässig erachtet, auf Kriterien zurückzugreifen, die allgemeinen Wertvorstellungen entsprechen, wenn sich konkrete Umstände für die Feststellung eines individuellen mutmaßlichen Willens des Betroffenen nicht finden lassen. Der Rückgriff auf allgemeine Wertvorstellungen erscheint mit der hohen Bedeutung des Rechtsguts Leben nicht vereinbar. Abgesehen davon, dass allgemeine Wertvorstellungen nicht den isolierten Nahrungsentzug gegenüber einem sonst lebensfähigen Menschen rechtfertigen, dient der Rückgriff auf allgemeine Wertvorstellungen ohne einen entsprechenden eindeutigen mutmaßlichen Willen nicht der Durchsetzung der Patientenautonomie, also des aus der Verfassung ableitbaren Selbstbestimmungsrechts des Betreuten. Ein solcher fremdbestimmter Behandlungsabbruch stellt einen Eingriff in das Rechtsgut Leben dar, der einer gesetzlichen Grundlage bedürfte, wobei der Senat Zweifel hat, ob eine derartige Regelung mit der Verfassung vereinbar wäre. Der Senat musste über die Zulässigkeit des Rückgriffs auf allgemeine Wertvorstellungen und die Notwendigkeit einer Vorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 28 Abs. 2 FGG aber nicht entscheiden, da das Amtsgericht einen auf Abbruch der künstlichen Ernährung gerichteten mutmaßlichen Willen des Betroffenen festgestellt hat.

Die verfahrensrechtlichen Anforderungen an eine solche Entscheidung ergeben sich aus § 12 FGG sowie einer analogen Anwendung der auch für Entscheidungen nach § 1904 Abs. 1 BGB geltenden Vorschrift des § 69d Abs. 1 und Abs. 2 FGG. Der Vormundschaftsrichter hat im Wege der Amtsermittlung sämtliche entscheidungserheblichen Umstände aufzuklären. Er muss sich gemäß § 69d Abs. 1 S. 1 FGG analog vom Zustand des Betroffenen einen persönlichen Eindruck verschaffen.

Soweit § 69d Abs. 2 FGG vorschreibt, dass der Vormundschaftsrichter vor der Erteilung der Genehmigung nach § 1904 Abs. 1 BGB das Gutachten eines Sachverständigen einzuholen hat, der nicht mit dem ausführenden Arzt identisch sein soll, sind im Rahmen der analogen Anwendung der Vorschrift die Besonderheiten von Fallkonstellationen wie der vorliegenden zu berücksichtigen. Liegt bei einem Wachkomapatienten, der sich schon mehrere Jahre in einem solchen Zustand befindet, eine neuere ärztliche Stellungnahme einer Neurologischen Universitätsklinik vor, die den Anforderungen an ein Sachverständigengutachten genügt, der also auch eine Untersuchung des Patienten zugrunde liegt, kann der Vormundschaftsrichter, wenn er sich die Überzeugung verschafft hat, dass diese Stellungnahme zutreffend ist, seine Entscheidung hierauf stützen. In diesen Fällen kann die Einholung eines zusätzlichen Sachverständigengutachtens durch das Gericht entbehrlich sein. An die Überzeugungsbildung des Vormundschaftsrichters sind zwar im Hinblick auf den Lebensschutz des Betroffenen hohe Anforderungen zu stellen; kann er sich im Einzelfall aufgrund vorliegender ärztlicher Befunde und Stellungnahmen aber seine Überzeugung verschaffen, wäre es mit dem Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen nicht vereinbar, ein weiteres Gutachten einzuholen.

3. Das Amtsgericht hat sich unter Beachtung der vom Bundesgerichtshof aufgestellten Kriterien aufgrund der Anhörung der Angehörigen des sich seit über fünf Jahren in einem Wachkoma befindenden Betroffenen rechtsfehlerfrei die Überzeugung verschafft, dass es seinem mutmaßlichen Willen entspricht, dass die künstliche Ernährung mit einer Magensonde beendet wird, mit der sicheren Folge des Eintritts seines Todes.

Der Senat kann die Sache aber nicht abschließend entscheiden und die Genehmigung nicht selbst erteilen, weil weder das Amtsgericht noch das Landgericht ein Sachverständigengutachten zur Frage eingeholt haben, ob der Zustand des Betroffenen nach ärztlicher Erfahrung mit hoher Wahrscheinlichkeit irreversibel ist, und den Vorinstanzen auch keine neueren ärztlichen Befunde oder Stellungnahmen vorlagen, die die Einholung eines solchen Gutachtens hätten entbehrlich machen können. Die Feststellung des Amtsgerichts, dass sich der Betroffene über viereinhalb Jahre in einem gleichbleibenden Komazustand befindet, weswegen eine Besserung seines Zustandes - selbst unter Berücksichtigung vereinzelt bekannt gewordener Fälle wiedererwachter Patienten - zunehmend unwahrscheinlicher wird, entbehrt daher einer tragfähigen Grundlage.

Der Verfahrenspfleger hat zwar im Verfahren der weiteren Beschwerde einen Arztbrief der Neurologischen Universitätsklinik vom 27.12.00, in dem die Befunde der Untersuchungen während eines stationären Aufenthalt des Betroffenen vom 29.11. bis 2.12.00 mitgeteilt werden, und eine erläuternde Stellungnahme des behandelnden Hausarztes Dr. A. vom 22.8.01 hierzu vorgelegt, die die Feststellung, dass sich der Betroffene in einem nach ärztlicher Erfahrung mit hoher Wahrscheinlichkeit irreversiblen Zustand befindet, nach Auffassung des Senats tragen. Dr. A., dem in den vergangenen Jahren keine Anzeichen für eine sich verbessernde Situation aufgefallen sind, rechnet aufgrund der dauerhaften Hirnschädigungszeichen nicht mehr mit einem sich verbessernden Gesamtzustand.

Der Senat ist aber als Rechtsbeschwerdegericht dahin gehindert, diese neuen Tatsachen und Beweise in das Verfahren einzuführen. Nach § 27 Abs. 1 S. 2 FGG i.V.m. § 561 ZPO sind für die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts die in der angefochtenen Entscheidung festgestellten Tatsachen, der Sachverhalt zur Zeit des Erlasses der Entscheidung des Beschwerdegerichts maßgebend, wobei nicht festgestellte, sich aber aus dem Akteninhalt unzweideutig ergebende Tatsachen herangezogen werden können (Kahl in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Aufl. § 27 Rdn. 42, 43 m.w.Nachw.). Da bereits die Entscheidung des Amtsgerichts an diesem Mangel leidet, macht der Senat von seinem Ermessen dahin Gebrauch, dass er die Sache an das Amtsgericht zur Nachholung der entsprechenden Feststellungen und zur Entscheidung in der Sache zurückverweist (Kahl aaO § 27 Rdn. 66c).

Die Beschwerde ist gerichtsgebühren- und auslagenfrei (§ 131 Abs. 3 KostO).

Ende der Entscheidung

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