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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 25.10.2001
Aktenzeichen: 19 Wx 24/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1836
BGB § 1835 Abs. 1 S. 1
1. Der Berufsbetreuer kann für seinen Zeitaufwand vor der Bestellung zum Betreuer weder nach §§ 1836, 1908 i BGB, noch nach §§ 1835 Abs. 1 S. 1, 1908 i BGB eine Vergütung beanspruchen.

2. Auch nach Beendigung des Betreueramtes mit dem Tod des Betreuten ist der Zeitaufwand für die Erstellung des Schlussberichts, der Vermögensaufstellung, der Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben und für die Rückgabe der Bestallungsurkunde zu vergüten.

3. Zur Angemessenheit eines Stundensatzes von 60 DM für den Berufsbetreuer eines bemittelten Betreuten.


Oberlandesgericht Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg -

Geschäftsnummer: 19 Wx 24/01

Beschluss vom 25.10.2001

Tenor:

1. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Betreuers H. S. wird der Beschluss des Landgerichts Offenburg vom 22.06.2001 dahin abgeändert, dass die Vergütung zuzüglich Auslagen und Mehrwertsteuer auf 5151,88 DM festgesetzt wird.

2. Die weitergehende weitere sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

3. Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3952,74 DM festgesetzt.

Gründe:

Die sofortige weitere Beschwerde ist gemäß § 56 g Abs. 5 S. 2 FGG statthaft, weil das Landgericht sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob dem Betreuer für Tätigkeiten vor seiner Bestellung eine Vergütung zusteht, zugelassen hat. Da das Beschwerdegericht nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die Zulassung auf diese Frage zu beschränken (vgl. Engelhardt in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Aufl. § 56 g Rdn. 34), sondern die weitere Beschwerde in vollem Umfang zugelassen hat, ist auch zu überprüfen, ob das Landgericht zu Recht den Stundensatz auf 60 DM festgesetzt hat und ob der Betreuer für seine nach dem Tod des Betroffenen entfalteten Tätigkeiten eine Vergütung beanspruchen kann.

Die zulässige weitere sofortige Beschwerde ist nur insoweit begründet, als der Beschwerdeführer einen Teil der nach dem Tode des Betreuten aufgewendeten Arbeitszeit vergütet verlangen kann.

1. Das Landgericht hat dem Beschwerdeführer zu Recht und mit zutreffender Begründung eine Vergütung für die Tätigkeiten, die er vor seiner Bestellung als Betreuer am 6.3.2000 erbracht hat, versagt.

Der Zeitaufwand des Betreuers vor seiner Bestellung zum Betreuer ist nicht vergütungsfähig gemäß § 1908 i BGB i.V.m. §§ 1836, 1836a BGB (BayObLG BtPrax 99, 30, 31; OLG Schleswig FamRZ 98, 1536). Der Anspruch des Berufsbetreuers auf Vergütung entsteht aufgrund seiner Bestellung mit Beginn seiner Tätigkeit. Gemäß § 69a Abs. 3 S. 1 FGG beginnt das Amt des Betreuers mit der Bekanntmachung der Bestellung an ihn. Eine Betreuerbestellung mit rückwirkender Kraft ist nicht möglich (BayObLG NJW-RR 2001, 1160).

Einen Vergütungsanspruch kann der Beschwerdeführer auch nicht aus § 1908 i, § 1835 Abs. 1 S. 1 BGB herleiten, wonach der Betreuer seine Aufwendungen nach den für den Auftrag geltenden Vorschriften ersetzt verlangen kann. Auch diese Bestimmung stellt nämlich wie § 1836 BGB darauf ab, dass der Betreuer bereits bestellt ist und aufgrund seines Amtes Aufwendungen zum Zwecke der Führung der Betreuung macht (BayObLG NJW-RR 2001, 1160).

Der Senat lässt offen, ob einer Person, deren Bestellung als Betreuer in Aussicht genommen ist, für ihre Teilnahme an einer mündlichen Anhörung, die auf Veranlassung des Vormundschaftsgerichts erfolgt ist, Ansprüche nach dem Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen zustehen, da dies im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden ist (vgl. § 56g Abs. 1 S. 1 FGG). Für die Festsetzung einer solchen Entschädigung sieht das ZSEG ein besonderes Verfahren vor (§ 16 ZSEG).

2. Auch nach Beendigung des Betreueramts mit dem Tod des Betreuten ist - was das Landgericht nicht berücksichtigt hat - der Zeitaufwand für die Erstellung des Schlussberichts, der Vermögensaufstellung, der Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben und für die Rückgabe der Bestallungsurkunde zu vergüten (OLG Schleswig BtPrax 00, 172, 173, BayObLG FamRZ 99, 462 und 465, 466; Zimmermann FamRZ 98, 521, 522 f). Dies ist deshalb der Fall, weil es sich um Tätigkeiten handelt, die der Betreuer in Erfüllung der Verpflichtungen nach §§ 1840 ff BGB erbringen muss (vgl. BayObLG FamRZ 99, 465, 466). Erstattungsfähig sind für die Erstellung des Schlussberichts am 2.8.00 180 Minuten und 3 Kopien. Der Senat hat die in der Abrechnung vom 18.8.00 aufgeführten 210 Minuten um 30 Minuten gekürzt, da hierin auch Tätigkeiten für Aktenvermerke und -ablage enthalten waren, die nicht erstattungsfähig sind. Von den unter dem 3.8.00 aufgelisteten Arbeiten war die Erstellung der Vermögensabrechnung erstattungsfähig, für die der Senat den anteiligen Zeitaufwand auf 120 Minuten bemisst, ferner die drei Telefoneinheiten und die 16 Kopien. Ferner war der unter dem 4.8. und 11.8.00 aufgeführte Zeitaufwand von 45 Minuten für die Abgabe des Schlussberichts und der Vermögensabrechnung sowie die Einordnung der Vermögensabrechnungsunterlagen nach Rückkehr vom Amtsgericht sowie zwei Kilometer Fahrtstrecke zu vergüten.

Für die weiteren, nach dem Tod des Betroffenen am 5.7.00 erbrachten Leistungen hat das Landgericht einen Anspruch auf Aufwendungsersatz und Vergütung nach §§ 1908i, 1893, 1698b BGB mit zutreffender Begründung verneint.

3. Nicht zu beanstanden ist, dass das Landgericht einen Stundensatz von 60 DM zuzüglich 16% Mehrwertsteuer bewilligt hat. Für die Bemessung der Vergütung sind gemäß § 1836 Abs. 2 S. 2 BGB die für die Führung der Betreuung nutzbaren Fachkenntnisse des Betreuers sowie der Umfang und die Schwierigkeit der Betreuungsgeschäfte maßgebend. Diese Regelung gilt sowohl für die Betreuung vermögensloser als auch bemittelter Betreuter. Dementsprechend hat das Vormundschaftsgericht im Rahmen einer Ermessensentscheidung die angemessene Höhe der Vergütung zu bestimmen. Dieses Ermessen wird für die Betreuung vermögensloser Betreuter gemäß §§ 1836a BGB dahin eingeschränkt, dass für Vergütungen, die aus der Staatskasse bezahlt werden, die Stundensätze des § 1 Abs. 1 BVormVG gelten. Bei der Bemessung der Vergütung des Betreuers eines bemittelten Betreuten sind diese Stundensätze zwar nicht zwingend, stellen aber eine wesentliche Orientierungshilfe dar. Dies bedeutet zum einen, dass es sich um Mindestsätze handelt, die nicht unterschritten werden dürfen, und zum anderen, dass sie im Regelfall angemessen sind und nur überschritten werden dürfen, wenn dies die Schwierigkeit der Betreuungsgeschäfte ausnahmsweise gebietet (BGHZ 145, 104, 109, 115). Dass die Gründe des angefochtenen Beschlusses eine Ermessensaus- übung nicht erkennen lassen (vgl. BGHZ 145, 104, 112), führt nicht zur Aufhebung der Entscheidung, da Gründe für eine Überschreitung des vom Landgericht zugebilligten Höchststundensatzes des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, Abs. 2 und 3 BVormVG von 60 DM zuzüglich Mehrwertsteuer nicht ersichtlich sind. Der an einer chronischen paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie erkrankte Betroffene lebte ausweislich des Schlussberichts vom 2.8.00 (AS 153 ff) nach seiner Entlassung aus dem ZPE in einer therapeutischen Wohnung der Arbeiterwohlfahrt. Er beabsichtigte, zum 1.12.00 in seine Eigentumswohnung zu ziehen, wobei für den Fall des Scheiterns seine Aufnahme in eine neue Außenwohngruppe gesichert war. Neben zahlreichen vermögensrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit seiner vermieteten Eigentumswohnung, der Rückzahlung von Leistungen nach dem BaföG an das Bundesverwaltungsamt und der Selbstanzeige beim Sozial- und Arbeitsamt wegen zu Unrecht bezogener Leistungen, war es aufgrund der Krankheit des Betroffenen auch schwierig, ein Vertrauensverhältnis zu ihm aufzubauen. Die vom Beschwerdeführer dargelegte Betreuung in den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge und Gesundheitsfürsorge war zwar sehr zeitaufwendig und intensiv, wies aber keine Schwierigkeiten auf, die über das mit der Vergütung besonders befähigter Betreuer nach § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BVormVG abgegoltene Maß hinausgingen. Der wegen der persönlichkeits- und krankheitsbedingten Einschränkungen des Betreuten erforderliche hohe Betreuungsaufwand ist im übrigen mit der Anerkennung der dafür erforderlichen Anzahl der Stunden durch das Landgericht abgegolten.

4. Erstattungsfähig sind 4320 Minuten (5150 abzüglich 450 Minuten vor Bestellung zum Betreuer und abzüglich weiterer 380 Minuten für die Zeit nach dem Tod des Betreuten), also 4320 DM, 46,80 DM für 90 Kilometer, 45,60 DM für 152 Kopien, 14 DM für Porto und 14,88 DM an Telefongebühren, also 4441,28 DM zuzüglich 710,60 DM Mehrwertsteuer, also insgesamt 5151,88 DM.

5. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 131 Abs. 1 KostO. Der Geschäftswert war nur für den zurückgewiesenen Teil der weiteren sofortigen Beschwerde festzusetzen (vgl. BayObLG JurBüro 87, 382).

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