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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 10.07.2002
Aktenzeichen: 19 Wx 37/01
Rechtsgebiete: BVormVG, BGB


Vorschriften:

BVormVG § 1 Abs. 1 Satz 2
BVormVG § 1 Abs. 3
BVormVG § 1 Abs. 3 Satz 1
BVormVG § 1 Abs. 3 Satz 3
BVormVG § 2
BVormVG § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
BVormVG § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1
BGB § 1908 i Abs. 1
BGB § 1836 a
Den erhöhten Stundensatz nach § 1 III BVormVG kann auch noch nach uneingeschränkter Verlängerung der Übergangsfrist bis zum 31.12.2002 durch die VO der BWL Reg. v. 11.09.2001 (GBl. 2001, 518) ein Betreuer erhalten, der keine Nachqualifizierung gemäß § 2 BVormVG durchführen will.
Oberlandesgericht Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg -

Geschäftsnummer: 19 Wx 37/01

Beschluss vom 10.07.2002

hier: Betreuervergütung

Tenor:

1. Die sofortige weitere Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Konstanz vom 26.10.2001 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe:

1. Die Betreuerin ist seit mehr als 10 Jahren als Berufsbetreuerin tätig. Der Betreute ist mittellos. Das Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - hat mit Beschluss vom 15.08.2001 die für Juli 2001 geschuldete Vergütung anhand eines Stundensatzes von 35,00 DM bemessen, da die Voraussetzungen einer Erhöhung nach § 1 Abs. 1 Satz 2 BVormVG nicht vorlägen.

Auf die zugelassene sofortige Beschwerde der Betreuerin hat das Landgericht mit der angefochtenen Entscheidung die zu gewährende Vergütung auch für den Monat Juli mit einem Stundensatz von 60,00 DM berechnet. Die Landesregierung habe nämlich am 11.09.2001 (GBl. 2001, 518) von der in § 1 Abs. 3 Satz 3 BVormVG gewährten Möglichkeit, die in Satz 1 bestimmte Frist bis zum Ablauf des 31.12.2002 zu verlängern, Gebrauch gemacht. Mit der Übergangsvorschrift des § 1 Abs. 3 BVormVG solle den Berufsbetreuern allgemein eine Anpassung an die geänderte Vergütungssituation ermöglicht werden. Ohne Bedeutung sei, dass die Berufsbetreuerin eine Nachqualifizierung nicht anstrebe.

Hiergegen richtet sich die zugelassene sofortige weitere Beschwerde der Staatskasse. Zur Begründung trägt der Vertreter der Staatskasse vor, dass die in § 1 Abs. 3 S. 1 BVormVG vorgesehene Übergangsfrist von 2 1/2 Jahren, die zum 30.06.2001 ablaufe, den Berufsbetreuern ausreichend Gelegenheit gewährt habe, sich auf die neue Vergütungssituation einzustellen. Die Fristverlängerung durch die Landesregierung habe lediglich dazu gedient, nachqualifizierungswilligen Berufsbetreuern die Möglichkeit zu geben, die Voraussetzungen nach § 2 BVormVG zu schaffen.

2. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.

a) § 1 Abs. 3 BVormVG in der bis zum 31.12.2001 gültigen Fassung bestimmt, dass das Gericht für den Zeitraum bis zum 30.06.2001 bei der Festsetzung der Vergütung für einen Vormund, der bereits vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes über einen Zeitraum von mindestens 2 Jahren Vormundschaften berufsmäßig geführt hat, abweichend von Abs. 1 einen höheren, 60,00 DM jedoch nicht übersteigenden Stundensatz zugrunde legen kann. Nach Satz 3 der genannten Bestimmung werden die Landesregierungen ermächtigt, die in Satz 1 bestimmte Frist durch Rechtsverordnung bis zum Ablauf des 31.12.2002 zu verlängern.

Nach der ursprünglichen Fassung sollte die Übergangsfrist nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BVormVG zum 30.06.2000 enden. Sie wurde durch Art. 7 X des Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro vom 27.06.2000 (BGBl. I 897) bis zum 30.06.2001 erstreckt.

Diese Vorschriften gelten nach § 1908 i Abs. 1 i. V. m. § 1836 a BGB auch für die Vergütung eines Betreuers.

b) Die Zubilligung der erhöhten Vergütung nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BVormVG für bis zum 30.6.2001 reichende Zeiträume setzt nach einhelliger Auffassung nicht voraus, dass der Betreuer eine Nachqualifizierung nach § 2 BVormVG durchführen will (vgl. OLG Karlsruhe, FGPrax 2001, 117; BayObLG, FGPrax 2000, 146).

§ 1 Abs. 3 BVormVG will nämlich Übergangsschwierigkeiten von Berufsbetreuern, die bereits langjährig tätig sind, abmildern, die sich aus der Änderung des Vergütungssystems bei Betreuungen und damit teilweise verbundenen erheblichen Einkommenseinbußen ergeben. Die Betreuer sollen ohne Nachteil die Möglichkeit erhalten, durch eine Fortbildung nach § 2 BVormVG die für einen höheren Stundensatz erforderliche Qualifikation zu erreichen oder durch wirtschaftliche Anpassung, beispielsweise Reduzierung der Kosten oder Erhöhung der Einnahmen durch Übernahme weiterer Betreuungen trotz geringerer Vergütung eine ausreichende Existenzgrundlage zu sichern. Der Wortlaut der Übergangsvorschrift spricht nicht dafür, diese nur für nachqualifizierungswillige Berufsbetreuer anzuwenden. Die beschriebene Notwendigkeit einer Anpassung an die neue Rechtslage besteht erst recht für Berufsbetreuer, die, wie vorliegend, aus persönlichen Gründen praktisch eine Fortbildung nicht mehr in Anspruch nehmen können. Auch diesen Übergangsschwierigkeiten will die Vorschrift begegnen.

Auch systematisch ist § 1 Abs. 3 Satz 1 BVormVG nicht auf die sich aus § 2 BVormVG ergebende Möglichkeit der Umschulung und Fortbildung von Berufsvormündern beschränkt. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BVormVG darf nämlich zu einer nachqualifizierenden Prüfung nur der Betreuer zugelassen werden, der mindestens 3 Jahre lang Vormundschaften oder Betreuungen berufsmäßig geführt hat, während § 1 Abs. 3 Satz 1 BvormVG bereits eine zweijährige berufsmäßige Tätigkeit als Betreuer ausreichen lässt. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BVormVG beträgt die Mindestfrist für die Gleichstellung mit einer abgeschlossenen Ausbildung an einer Hochschule sogar 5 Jahre.

3. Diese Überlegungen gelten auch für den Fall, dass der Betreuer den nach § 1 Abs. 3 S. 1 BVormVG erhöhten Vergütungsanspruch für einen Zeitraum bis Ablauf der nach § 1 Abs. 3 Satz 3 BVormVG durch Rechtsverordnung einer Landesregierung bestimmten Fristverlängerung geltend macht. Zwar ist nicht zu verkennen, dass Art. 7 X des Gesetzes vom 27.06.2000 auf die vom Bundesrat gegebene Anregung zurückgeht, wonach eine Verlängerung der in § 1 Abs. 3 BVormVG bestehenden Frist (30.06.2000) in Betracht zu ziehen sei, weil noch nicht alle Länder die von § 2 BVormVG ermöglichten landesrechtlichen Regelungen für die Umschulung und Fortbildung von Berufsvormündern getroffen hätten (vgl. BT-Drucksache 14/2920 S. 11). Auf Empfehlung des Rechtsausschusses des deutschen Bundestages wurde in § 1 Abs. 3 Satz 3 BVormVG bestimmt, dass die Frist nochmals durch Rechtsverordnung eines Landes verlängert werden kann. Der Rechtsausschuss bezog sich hierbei auf die bereits dargestellte Begründung, dass in den meisten Ländern die durch § 2 des Gesetzes ermöglichte Nachqualifizierung von Betreuern und Anerkennungsmaßnahmen nicht bis zum 30.06.2000 abgeschlossen werden könne. Die den Landesregierungen eingeräumte Verlängerungsmöglichkeit wurde mit der besonderen Situation in einigen Ländern begründet (BT-Drucksache 14/3195 S. 37).

Die damit sowohl für die Fristverlängerung in § 1 Abs. 3 Satz 1 BVormVG wie auch für die Verlängerung nach § 1 Abs. 3 Satz 3 BVormVG gegebenen Begründungen haben jedoch im Gesetz keinen ausreichenden Niederschlag gefunden, weshalb für bis zum 30.6.2001 entstehende Vergütungsansprüche einhellige die Auffassung vertreten wird, dass der Wille zur Nachqualifizierung im Sinne von § 2 BVormVG keine Rolle spielt und auch ohne eine solche Absicht die erhöhte Vergütung nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BVormVG zugebilligt werden kann.

Die nochmalige Fristverlängerung durch Rechtsverordnung eines Landes rechtfertigt eine anderweitige Beurteilung nicht. Auch insoweit bestimmt sich die dem Betreuer geschuldete Vergütung nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BVormVG in der dargestellten Auslegung. Nur die Verlängerung der Frist, nicht aber die Vergütung beruht auf einer anderen Rechtsnorm.

Selbst wenn § 1 Abs. 3 BVormVG hiermit möglicherweise über das verfassungsrechtlich Notwendige hinausgeht (vgl. BVerfG, FamRZ 2000, 1277) sprechen Wortlaut, Zweck und Systematik des Gesetzes für die hier vertretene Auffassung.

4. Ersichtlich hat sich das Landgericht bei der Ermessenausübung davon leiten lassen, dass die Betreuerin sich in Anbetracht ihrer persönlichen Verhältnisse, insbesondere ihres Alters nicht mehr sinnvoll auf die neue Rechtslage umstellen kann. Die Betreuerin ist, da sie bereits voll berufstätig ist, auch nicht in der Lage, den Lebensunterhalt durch Erhöhung der Anzahl der von ihr geführten Betreuungen zu sichern. Schließlich hat sie unangefochten vorgetragen, dass sie im Vertrauen auf die nach bisheriger Rechtslage zu erwartende Vergütung eine noch nicht abbezahlte Eigentumswohnung erworben habe.

5. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet (§ 13 a FGG). Die Festsetzung des Gegenstandswertes ist nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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