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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 14.08.2006
Aktenzeichen: 2 UF 139/06
Rechtsgebiete: HKÜ


Vorschriften:

HKÜ Art. 13 Abs. 1 a)
HKÜ Art. 15
1. Zur nachträglichen (konkludenten) Genehmigung der widerrrechtlichen Entführung eines Kindes nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen durch ein "Einlassen" des (Mit-)Sorgeberechtigten auf die durch die Entführung geschaffene neue Situation.

2. Zur Bindungswirkung der Widerrechtlichkeitsbescheinigung nach Art. 15 HKÜ


Oberlandesgericht Karlsruhe 2. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - Beschluss

Geschäftsnummer: 2 UF 139/06

14. August 2006

In dem Rechtsstreit

wegen Kindesrückführung (HKÜ)

Tenor:

I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Karlsruhe vom 12.06.2006 unter 1. - 5. aufgehoben und der Antrag des Antragstellers auf Herausgabe des Kindes M. R., geboren am 28.12.2003, zum Zwecke der sofortigen Rückführung in die USA zurückgewiesen.

II. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

III. Der Beschwerdewert wird auf EUR 3.000,00 festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist amerikanischer Staatsangehöriger, die Antragsgegnerin besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit. Sie sind die Eltern des Kindes M. R., geb. am 28.12.2003. Die Eltern sind nicht miteinander verheiratet. In einer gemeinsamen Erklärung vom 09.02.2005 hat der Antragsteller die Vaterschaft anerkannt (Freiwillige Vaterschaftserklärung nach § 7574 des kalifornischen Familiengesetzbuches). Die geschiedene Antragsgegnerin hat zwei weitere Kinder, O. und A., die bei ihr leben. Auch M. R. lebt seit ihrer Geburt bei der Antragsgegnerin, die bis zu ihrem Umzug nach Deutschland in Kalifornien/USA - ...., 25 km entfernt vom Wohnsitz des Antragstellers in ... - ihren Wohnsitz hatte. Am 11.05.2005 reiste sie nach Deutschland aus, wo sie seither mit den drei Kindern wohnt.

Die Antragsgegnerin hatte in Vorbereitung ihrer Ausreise das Einverständnis ihres geschiedenen Ehemannes, des Vaters von O. (A. stammt aus einer anderen Verbindung), der mitsorgeberechtigt ist, eingeholt und gemeinsam mit diesem einen Pass für O. beantragt. Auch für M. R. erhielt die Antragsgegnerin (ohne Mitwirkung des Antragstellers) einen amerikanischen Reisepass, der nach ihrem - insoweit unbestrittenen - Vorbringen für ein Kind unter 14 Jahren in den USA nur dann ausgestellt wird, wenn alle Elternteile, die ein Sorgerecht für das Kind besitzen, bei der Antragstellung persönlich zugegen sind und den Antrag gemeinsam unterschreiben.

Das kalifornische Familiengesetzbuch enthält u.a. zur elterlichen Sorge nichtehelicher Kinder folgende Bestimmungen:

3010. (a) The mother of an unemancipated child and the father, if presumed to be the father under Section 7611, are equally entitled to the custody of the child.

....

7611. A man is presumed to be the natural father of a child if he meets the conditions provided in Chapter 1 (commencing with Section 7540) or Chapter 3 (commencing with Section 7570) of Part 2 or in any of the following subdivisions:

(c) After the child`s birth, he and the child`s natural mother have married, or attempted to marry, each other by a marriage solemnized in apparent compliance with law, although the attempted marriage is or could be declared invalid, and either of the following is trues:

...

(d) He receives the child into his home and openly holds out the child as his natural child.

Der Antragsteller ließ noch vor der Ausreise der Antragsgegnerin, die sie ihm nach seinem Vorbringen nicht mitgeteilt habe, ein gerichtliches Sorgerechtsverfahren in Kalifornien einleiten: Am 10.05.2005 stellte er beim Superior Court of California Antrag auf Feststellung einer elterlichen Beziehung betreffend Sorge- und Besuchsrecht und beantragte ein gemeinsames Sorgerecht. Unter dem 11.05.2005 erging eine gerichtliche Verfügung an die Mutter zur Vorbringung von Einwendungen gegen dieses Klagebegehren des Vaters; zugleich wurde Termin auf 12.05.2005 bestimmt. Als Anhang erließ der Richter eine einstweilige Anordnung, wonach die Mutter die minderjährigen Kinder der Parteien nicht aus dem Bundesstaat Kalifornien entfernen durfte, sowie als weiteren Anhang einen Gerichtsbeschluss, durch den zur Verhinderung einer Kindesentführung angeordnet wurde, dass die Mutter die Kinder nicht ohne schriftliche Erlaubnis des Vaters oder eines Gerichtsbeschlusses aus dem Regierungsbezirk entfernen und mit den Kindern Kalifornien nicht verlassen durfte. Eine Zustellung/Bekanntgabe dieser gerichtlichen Verfügung und Entscheidungen an die Antragsgegnerin erfolgte vor ihrer Ausreise aus den USA nicht, da sie ihren Wohnort bereits verlassen hatte.

Am 02.05.2006 hat der Antragsteller, vertreten durch den Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, beim Amtsgericht Karlsruhe nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen die Herausgabe von M. R. zum Zwecke der sofortigen Rückführung in die USA beantragt.

Der Antragsteller hat vorgetragen, er habe sich seit der Geburt intensiv um das Kind gekümmert. Ihm stehe daher gemäß §§ 3010, 7611 d des kalifornischen Familiengesetzbuches das Mitsorgerecht mit der Antragsgegnerin zu. Durch die Ausreise mit dem Kind habe die Antragsgegnerin sein Mitsorgerecht, das er bis dahin auch tatsächlich ausgeübt habe, verletzt. Er und die Antragsgegnerin hätten zwar getrennt gewohnt, im Jahr 2004 habe er aber viel Zeit in ihrem Haus verbracht, ebenfalls im Jahr 2005, als sie nicht mehr zusammen gewesen seien. M. R. sei daher sofort an ihren letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort zurückzuführen.

Zutreffend sei, dass er M. R. nach mehreren Telefonaten im Februar 2006 in Deutschland - für ursprünglich acht Tage - besucht habe, an den letzten drei Tagen habe die Antragsgegnerin jedoch gesagt, dass er das Kind nicht mehr sehen dürfe. In den ersten fünf Tagen dieses Besuchs habe man gemeinsam Unternehmungen gemacht und auch über künftige Besuchsmöglichkeiten gesprochen. Sein Anwalt habe ihm geraten, das Thema Sorgerecht und Verbleib des Kindes nicht telefonisch anzusprechen. Auch in einem Telefonat im März sei ihm ein neuer Besuch verwehrt worden. Er wolle soviel Kontakt wie möglich zu seinem Kind haben.

Im Verlaufe des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Antragsteller eine Widerrechtlichkeitsbescheinigung des Obersten Gerichtshofes von Kalifornien vom 05.05.2006 vorgelegt.

Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, das HKÜ finde keine Anwendung, da ein Mitsorgerecht des Antragstellers nie bestanden habe. Sie habe das alleinige Sorgerecht. Eine Entscheidung über die Mitsorge oder ein Umgangsrecht sei nie erfolgt, durch die bloße Antragstellung bei Gericht habe der Antragsteller noch kein Mitsorgerecht erhalten. M. R. habe immer nur bei ihr gelebt, sie sei niemals in den Haushalt des Antragstellers aufgenommen worden. Der Antragsteller habe M. R. auch nur sporadisch besucht und im Frühjahr 2005 lediglich samstags, während sie von 09.00 Uhr bis 17.00 Uhr Unterricht gehabt habe, auf sie aufgepasst. Auch habe sie den Antragsteller von ihrer Ausreiseabsicht informiert.

Ansprüche auf Herausgabe des Kindes habe der Antragsteller anlässlich der Telefonate und bei seinem Besuch - unstreitig - nie erhoben. Im Februar 2006 habe der Antragsteller bei seinem Besuch den Aufenthalt von M. R. in Deutschland widerspruchslos und kommentarlos akzeptiert, der Aufenthalt sei damit zumindest nachträglich konkludent genehmigt worden. Er habe sogar geäußert, dass er M. R. gut versorgt sehe und beabsichtige, sie ungefähr dreimal jährlich hier zu besuchen, Flugreisen wolle er ihr nicht zumuten, solange sei noch so klein sei. Er würde niemals versuchen, sie von ihrer Mutter und ihren Geschwistern zu entfernen. Anlass des Konfliktes während des Besuches sei gewesen, dass er hinsichtlich der finanziellen Unterstützung für M. R. untätig geblieben sei. Später habe sie, die Antragsgegnerin, ihm telefonisch mitgeteilt, dass er zuerst die finanzielle Seite klären lassen solle, bevor er wieder anrufe.

Eine Trennung von der Mutter und den Geschwistern würde eine schwerwiegende Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind und eine unzumutbare Lage im Falle der Rückführung zur Folge haben. Da beim Antragsteller als Mitglied einer Sekte die Lebensumstände nicht gesichert seien, widerspreche die Rückführung dem Kindeswohl.

Mit Beschluss vom 12.06.2006 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Karlsruhe die Antragsgegnerin verpflichtet, das Kind M. R. unverzüglich in die USA/Kalifornien in den Bezirk des Gerichts - Superior Court of California, Nevada City - zurückzuführen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Antragsgegnerin habe das Kind widerrechtlich nach Deutschland verbracht. Denn der Antragsteller habe zum Zeitpunkt der Ausreise der Antragsgegnerin ein Mitsorgerecht nach kalifornischem Recht gehabt. Anhaltspunkte dafür, dass die vorgelegte Widerrechtlichkeitsbescheinigung offensichtlich nicht zutreffend sei, seien nicht auszumachen. Am Tag der Ausreise habe der Antragsteller auf seinen Antrag hin das gemeinsame Sorgerecht für das gemeinsame Kind erwirkt und daneben einen Beschluss, der die Kindesentführung habe verhindern sollen. Eine nachträgliche Genehmigung liege nicht vor, das Schweigen des Antragstellers könne nicht als solche gewertet werden. Das (Mit)Sorgerecht habe der Antragsteller auch ausgeübt, da er bis zur Ausreise im Mai 2005 wöchentlich einmal Kontakt zu dem Kind gehabt habe.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin. Sie macht geltend, eine Entscheidung eines Gerichts oder einer Behörde zum Sorgerecht habe zum Zeitpunkt ihrer Ausreise nicht vorgelegen. Gegeben habe es lediglich ein Ersuchen, ein Klagebegehren des Antragstellers, zu dem sie eine Eingabe habe machen sollen. Eine Entscheidung habe damit erst noch getroffen werden sollen. Die Widerrechtlichkeitsbescheinigung stelle zum einen auf den wahrheitswidrigen Vortrag des Antragstellers gegenüber dem Gericht ab, Anspruch auf die elterliche Sorge nach § 7611 d erheben zu können, zum anderen habe er auch keinen Anspruch auf Mitsorge nach § 7611 c gehabt, da dessen Voraussetzungen - unstreitig - nie vorgelegen hätten. Selbst wenn aber eine Entscheidung des kalifornischen Gerichts ergangen wäre, sei diese mangels Zustellung an sie am darauf folgenden Tag wieder außer Kraft gesetzt worden, das eingeleitete Verfahren sei zurückgewiesen und der vorläufige Eilbeschluss aufgehoben worden.

Darüber hinaus sei das Verhalten des Antragstellers nach der Ausreise im Rahmen der Telefonate, Briefkontakte und des Besuchs als Einverständnis zu werten.

Das bisherige Obhutsrecht werde durch eine etwaige Rückführung gerade nicht wieder hergestellt, da sich M. R. schon immer nur in ihrer Obhut befunden habe. Folge einer Wegnahme des Kindes wäre eine schwerwiegende Traumatisierung.

Die Antragsgegnerin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt die kostenpflichtige Zurückweisung der sofortigen Beschwerde.

Er verweist darauf, die Antragsgegnerin habe bei ihrer Ausreise am 11.05.2005 sein Mitsorgerecht verletzt. Zu dem Zeitpunkt habe nämlich bereits eine Sorgerechtsentscheidung vorgelegen, was sich aus der eidesstattlichen Versicherung seines kalifornischen Anwaltes Lange und aus der Widerrechtlichkeitsbescheinigung ergebe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung und die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Der Senat hat die Beteiligten im Termin angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

II.

Die nach §§ 40 Abs. 2 IntFamRVG, 22 FGG zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts, das unter Anwendung des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980 (HKÜ; BGBl. II 1990, 206) die Rückführung des Kindes M. R. in die USA/Kalifornien angeordnet hat, hat der Antragsteller die Verbringung von M. R. nachträglich konkludent genehmigt (dazu unten Ziff. 3). Der Senat sieht daher von einer Anordnung der Rückführung des Kindes M. R. ab, Art. 13 Abs. 1 a) HKÜ.

1.

Das HKÜ, das in der Bundesrepublik Deutschland seit dem 01.12.1990 und in den Vereinigten Staaten von Amerika seit dem 01.07.1988 gilt (MüKo-Siehr, BGB, 4. Aufl., Art. 21 EGBGB Anh. II Rdn. 12), findet Anwendung.

2.

Das Übereinkommen sieht vor, dass die sofortige Rückgabe eines Kindes anzuordnen ist, das im Sinne von Art. 3 HKÜ widerrechtlich verbracht oder zurückgehalten wird. Danach gilt das Verbringen oder Zurückhalten eines Kindes als widerrechtlich, wenn

- dadurch das Sorgerecht verletzt wird, das einer Person, Behörde oder sonstigen Stelle allein oder gemeinsam nach dem Recht des Staates zusteht, in dem das Kind unmittelbar vor dem Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und

- dieses Recht im Zeitpunkt des Verbringens oder Zurückhaltens allein oder gemeinsam tatsächlich ausgeübt wurde oder ausgeübt worden wäre, falls das Verbringen oder Zurückhalten nicht stattgefunden hätte. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob dem Antragsteller im Zeitpunkt der Ausreise der Antragsgegnerin am 11.05.2005 ein Mitsorgerecht zustand. Der Antragsteller begründet seine diesbezügliche Rechtsauffassung mit den §§ 3010, 7611 d des Familiengesetzbuches von Kalifornien. Nach der vom Antragsteller vorgelegten Übersetzung von § 7611 d ist Voraussetzung für eine Vaterschaftsvermutung, die nach § 3010 zu einem gemeinsamen Sorgerecht führt, dass der Vater das Kind "in sein Haus aufgenommen" hat und ganz offen als sein natürliches Kind behandelt. Diese Voraussetzungen dürften bereits nach dem eigenen Vorbringen des Antragstellers nicht erfüllt sein, da er M. R. fast ausschließlich bei der Antragsgegnerin besucht hat und M. R. nie bei ihm gewohnt hat. Aber auch wenn für die "Aufnahme in das Haus des Vaters" ("He receives the child into his home") lediglich ein Umgangs- und Besuchskontakt beim Vater erforderlich sein sollte (wofür auch die Übersetzung bei Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Kalifornien S. 20, spricht: "er empfängt das Kind in seiner Wohnung und bekennt sich offen dazu, der leibliche Vater des Kindes zu sein"), dürfte auch dies nicht dahin zu verstehen sein, dass bereits ein einmaliger Besuch oder zwar mehrere, aber dennoch insgesamt seltene - sporadische - Besuche beim Vater bereits zu einer Vaterschaftsvermutung und damit zu einem gemeinsamen Sorgerecht der nicht verheirateten Eltern führen (zu verlangen ist wohl nach Recherchen des Senats eine "regular visitation with child in father's home"). Diese Frage, die letztlich nur durch ein Sachverständigengutachten zum kalifornischen Recht geklärt werden könnte, kann jedoch im Ergebnis mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen, da der Rückführungsantrag - wie Eingangs bereits erwähnt und unten unter Ziff. 3 ausgeführt wird - bereits aus anderen Gründen abgelehnt wird,.

Das gilt auch für die weitere Frage, ob die am 11.05.2005 (ohne Anhörung der Antragsgegnerin) ergangene Entscheidung des kalifornischen Gerichts, wonach die Antragsgegnerin das Kind nicht ohne schriftliche Zustimmung des Antragstellers oder eines Gerichtsbeschlusses aus dem Regierungsbezirk entfernen und Kalifornien mit dem Kind nicht verlassen darf, ohne Zustellung/Bekanntgabe an die Antragsgegnerin vor ihrer Ausreise nach Deutschland überhaupt wirksam geworden ist. Zwar ist mit diesem Beschluss das der Antragsgegnerin zustehende Aufenthaltsbestimmungsrecht zugunsten des Antragstellers teilweise eingeschränkt worden, so dass die Missachtung der Auflage - als Verletzung des Einspruchsrechts des Antragstellers zu einer Änderung des Kindesaufenthaltes - die Widerrechtlichkeit im Sinne von Art. 3 HKÜ grundsätzlich begründen dürfte (vgl. hierzu MüKo, aaO Rdn. 28 mwN). Fraglich und ohne Gutachten zum kalifornischen Recht ungeklärt erscheint dem Senat aber, ob das kalifornische Recht - ähnlich wie grundsätzlich das deutsche Recht (vgl. § 16 FGG) - für die Wirksamkeit der gerichtlichen Entscheidung die Zustellung bzw. Bekanntgabe erfordert.

Ob bei der Beurteilung der Widerrechtlichkeit die vom Antragsteller vorgelegte Widerrechtlichkeitsbescheinigung gemäß Art. 15 HKÜ für den Senat bindend ist (vgl. zum Meinungsstand MüKo-Siehr, aaO Rdn 98 mwN; Palandt/Heldrich, BGB, 65. Aufl., Anh. zu Art. 24 EGBGB Rdn 81 mwN; KG FamRZ 1997, 1098, 1099; OLG Hamm FamRZ 2000, 370), bedarf aus den nachfolgend in Ziff. 3 genannten Gründen ebenfalls keiner Entscheidung. Nur angemerkt sei daher, dass unabhängig von der grundsätzlichen - und nach vorgenannten Zitaten streitigen - Frage der Bindungswirkung der Widerrechtlichkeitsbescheinigung gemäß Art. 15 HKÜ Zweifel an der Bindungswirkung im vorliegenden Fall daraus resultieren, dass sich die Widerrechtlichkeitsbescheinigung mit den aufgezeigten Problemen des vorliegenden Falles ersichtlich nicht befasst und darüber hinaus bei Zugrundelegung der im vorliegenden Verfahren ermittelten Sachlage zumindest einige Zweifelsfragen aufwirft (z.B. bzgl. Art. 7611 c des kalifornischen Familiengesetzbuches: "... and either of the following is true: ..."; vgl. zur fehlenden Bindungswirkung bei Zugrundelegung einer anderen Sachlage OLG Stuttgart FamRZ 2001, 645, 646).

3.

Die in vorstehender Ziffer 2 aufgeworfenen Fragen bedürfen keiner Entscheidung, da der Senat die beantragte Rückführung des Kindes M. R. ablehnt, weil der Antragsteller - seine Mitsorgeberechtigung unterstellt - das Verbringen des Kindes durch die Antragsgegnerin nachträglich konkludent genehmigt hat (Art. 13 Abs. 1 a) HKÜ).

Nach Art 13 Abs. 1 a) HKÜ ist das Gericht des ersuchten Staates nicht verpflichtet, die Rückgabe des Kindes anzuordnen, wenn die Person, die sich der Rückgabe widersetzt, hier die Antragsgegnerin, nachweist, dass die Person, der die Sorge für die Person des Kindes zustand, dem Verbringen oder Zurückhalten zugestimmt oder dieses nachträglich genehmigt hat. Von einer solchen nachträglichen, und zwar konkludenten, Genehmigung des Antragstellers ist vorliegend auszugehen.

Eine nachträgliche Genehmigung des Mitsorgeberechtigten kann nicht nur ausdrücklich, sondern auch stillschweigend, d.h. konkludent, erklärt werden (MüKo, aaO Rdn. 72; Staudinger/Pirrung, BGB, 13. Bearb. 1994, Vorbem. zu Art. 19 EGBGB, Rdn 682; Vomberg/Nehls, Rechtsfragen der internationalen Kindesentführung, S. 39; Bach/Gildenast, Internationale Kindesentführung, S. 48, 49).

Bei der Beurteilung, ob der Antragsteller durch sein Verhalten das (dauerhafte) Verbringen des Kindes durch die Antragsgegnerin nach Deutschland nachträglich konkludent genehmigt hat, kommt es darauf an, wie die Antragsgegnerin das Verhalten des Antragstellers bei objektiver Betrachtung auffassen musste. Für die Auslegung des Verhaltens des Antragstellers im Rahmen des Art. 13 Abs. 1 a) HKÜ ist also der objektive "Empfängerhorizont" entscheidend. Diese Auslegung aus objektivem Empfängerhorizont entspricht allgemeinen - auch internationalen und damit zur autonomen Auslegung des HKÜ heranzuziehenden - Grundsätzen (vgl. etwa auch Art. 8 CISG; vgl. auch MüKo-Westermann, BGB, 4. Aufl., Art. 8 CISG Rdn. 1, in FN 7 auch unter Hinweis auf Urteil des U.S. Court of Appeals [9th Cir] 05.05.2003,CISG-online Nr. 767).

Eine nachträgliche (konkludente) Genehmigung kann sich aus einer Erklärung oder aus den Umständen - insbesondere dem Verhalten - ergeben. Nicht ausreichend ist allerdings die bloße Untätigkeit oder zeitweilige Hinnahme des Aufenthalts des Kindes beim "Entführer" (MüKo-Siehr, aaO; Staudinger/Pirrung, aaO mwN zur Rechtsprechung; Bach/Gildenast, aaO, Rdn. 118, S. 48). Ebensowenig reicht, dass die Genehmigung unter bestimmten Voraussetzungen nur in Aussicht gestellt wird oder dass lediglich die Zustimmung zum vorläufigen Verbleib - während des Versuchs, die Angelegenheit einvernehmlich zu regeln - erklärt wird (Staudinger/Pirrung, aaO). Bei einem aktiven Tätigwerden kann jedoch dann auf eine Genehmigung geschlossen werden, wenn der "beraubte" Elternteil nicht hinreichend deutlich macht, dass seine Aktivitäten keine Genehmigung der Entführung bedeuten sollen (MüKo-Siehr, aaO).

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend von einer konkludenten Genehmigung seitens des Antragstellers auszugehen:

Der Antragsteller hat nach der - unterstellt: widerrechtlichen - Ausreise der Antragsgegnerin aus den USA zunächst telefonischen Kontakt zur Antragsgegnerin gehabt. Im Rahmen eines Telefonats im Jahr 2005 wurde nach seinen Angaben darüber gesprochen, wie es in Zukunft weitergehen solle, konkret: wie oft er nach Deutschland reisen könnte (eine der erwogenen Möglichkeiten: drei Mal). Im Februar 2006 folgte der Antragsteller dann der Einladung der Antragsgegnerin und besuchte diese und seine Tochter M. R. in Deutschland. Fünf Tage lang machte man gemeinsam Unternehmungen (Spaziergänge; Ausflüge; Besichtigungen) und besprach auch wiederum die Zukunft: Es wurden finanzielle Dinge erörtert (Lebensversicherung oder Sparbuch für M. R.); die Antragsgegnerin fragte, ob für den Antragsteller ein Umzug nach Deutschland in Betracht käme; auch erwähnte die Antragsgegnerin, dass der Antragsteller auch zukünftig zu Besuch kommen solle. Der Besuch war - so ausdrücklich der Antragsteller in seiner erstinstanzlichen Anhörung - während dieser fünf Tage "in Ordnung, es lief gut". In diesen Situationen blieb der Antragsteller nach seinen eigenen Ausführungen vor dem Senat "ziemlich vage" in seinen Antworten, lehnte einen Umzug nach Deutschland nicht ab, sondern hielt ihn für "sehr unwahrscheinlich". Zu keinem Zeitpunkt - weder vor dem Besuch bei den Telefonaten noch bei dem Besuchsaufenthalt selbst - hat der Antragsteller jemals in irgend einer Form deutlich gemacht oder auch nur angedeutet, dass er mit dem dauerhaften Aufenthalt von M. R. in Deutschland nicht einverstanden ist. Das ganze vom Antragsteller selbst berichtete eigene Verhalten in den Telefonaten und bei dem Besuch im Februar 2006 konnte die Antragsgegnerin nur so verstehen, dass sich der Antragsteller auf die neue Situation "eingelassen" hat und "einlassen" wollte, also mit dem weiteren (dauerhaften) Verbleib von M. R. in Deutschland einverstanden ist und es ihm einzig darum geht, auf dieser - geradezu als selbstverständlich hingenommenen - Grundlage nunmehr Umgang und Besuch zu besprechen und zu regeln. Diese Haltung des Antragstellers lag aus Sicht der Antragsgegnerin auch nicht fern: Denn auch in den USA hatten die Parteien niemals zusammen gewohnt, der Antragsteller hatte zu M. R. auch nach Beendigung der Beziehung der Parteien im Juli 2004 fast ausschließlich in der Wohnung der Antragsgegnerin Kontakt. Die Antragsgegnerin hat zu diesem Verhalten des Antragstellers "passend" bezüglich der im Rahmen der Telefonate und des Besuchs im Februar 2006 einzig erwogenen Regularien des Umgangs und weiterer Besuche bekundet, dass es für sie aus der Situation heraus ziemlich klar gewesen sei, dass sie es in dieser Weise - nämlich möglichst drei Besuche des Antragstellers pro Jahr in Deutschland, wobei er bereits beim nächsten Mal mit einem Freund kommen werde - machen würden.

Das Motiv des Antragstellers für sein dargestelltes Verhalten und sein damit verbundener innerer (geheimer) Vorbehalt, nach außen jeglichen Widerspruch zu vermeiden und das Verfahren nach dem HKÜ "verdeckt" weiter zu betreiben, waren für die Antragsgegnerin bei der Deutung des Verhaltens des Antragstellers in keiner Weise erkennbar (sollte der Antragsteller das Betreiben des HKÜ-Verfahrens zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich überhaupt so beabsichtigt haben, woran bereits aufgrund der Zeitdauer bis zur gerichtlichen Geltendmachung im Mai 2006 gewisse Zweifel bestehen).

Zwar hat der Senat gemäß Art. 13 Abs. 1 a) HKÜ Ermessen. In Anbetracht der gesamten Rahmensituation hält es der Senat aber für angemessen, die Rückführung des Kindes in die USA nicht anzuordnen. Insbesondere ist auch insoweit zu berücksichtigen, dass die Parteien auch in den USA niemals zusammen gewohnt hatten und der Antragsteller zu M. R. nur äußerst selten in seiner Wohnung Kontakt hatte, also seit jeher einzig die Wohnung der Antragsgegnerin Forum der Umgangskontakte des Antragstellers war, der von Anbeginn reiner "Umgangsvater" gewesen ist.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 131 Abs. 3 KostO, 13 a FGG, der Beschwerdewert ergibt sich aus §§ 131 Abs. 2, 30 KostO.

Eine weitere Beschwerde zum Bundesgerichtshof findet gemäß § 40 Abs. 2 S. 3 IntFamRVG nicht statt.

Ende der Entscheidung

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