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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 14.03.2000
Aktenzeichen: 2 UF 174/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1666
BGB § 1666 a
Leitsatz

Auch eine psychische Erkrankung eines Elternteils kann die Entziehung der elterlichen Sorge und die Trennung des Kindes von ihm rechtfertigen.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 2. Zivilsenat - Senat für Familiensachen -

2 UF 174/99 3 F 230/96

Karlsruhe, 14. März 2000

Familiensache

wegen elterlicher Sorge

Beschluß

Tenor:

1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Entscheidung zur elterlichen Sorge im Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - B. vom 06.08.1999 (3 F 230/96) wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin hat dem Antragsgegner dessen notwendige außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

3. Der Beschwerdewert wird auf 5.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die am 24.07.1956 geborene Ehefrau und Mutter (Antragstellerin) und der am 14.08.1960 geborene Ehemann und Vater (Antragsgegner) haben am 03.04.1985 die Ehe geschlossen. Aus dieser sind die am 09.12.1988 geborene Tochter K. und die am 28.04.1991 geborene Tochter R. hervorgegangen. Die Eheleute leben seit dem 28.10.1994 getrennt. Nach der Trennung der damals noch beide in H wohnenden Eltern stellte die Ehefrau den Antrag, ihr für die Dauer des Getrenntlebens die elterliche Sorge für die beiden Töchter zu übertragen. Der Ehemann, der zunehmend Schwierigkeiten hatte, seine Kinder zu sehen, trat dem Begehren entgegen und stellte seinerseits den Antrag, sein Umgangsrecht mit den Kindern zu regeln. Am 06.04.1995 erging ein Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - B. (7 F 392/94), in dem dem Ehemann im Wege der vorläufigen Anordnung ein Umgangsrecht mit den beiden Kindern jeden ersten und dritten Samstag eines Monats in der Zeit zwischen 13.00 und 18.30 Uhr eingeräumt wurde. Nach Einholung eines kinderpsychologischen Gutachtens der Klinischen Psychologin und Psychotherapeutin S. vom 30.05.1995 gab das Amtsgericht B. mit Beschluß vom 29.01.1996 dem Antrag der Mutter statt, ihr die elterliche Sorge für die beiden Kinder für die Zeit des Getrenntlebens der Eltern zu übertragen. In der Entscheidung des Amtsgerichts B., das gleichzeitig das Verfahren wegen Umgangsrechts abtrennte, ist ausgeführt, die elterliche Sorge sei der Empfehlung der Gutachterin S. folgend der Mutter zu übertragen. Letztlich gebe es zu dieser Regelung keine Alternative. Die Kinder seien eng an die Mutter als Bezugsperson gebunden, was auch vom Vater eingestanden worden sei. Auch nach dessen Auffassung wäre eine Trennung von der Mutter für die Kinder kaum zu verarbeiten. Allerdings widerspreche die mütterliche zielstrebige Beeinflussung der Kinder gegen den Vater dem Kindeswohl. Die Mutter vermittle ihnen ein äußerst negatives und angstvolles Bild vom Vater, obgleich die Töchter in kindlicher Weise an diesem hingen. Sie lehnten den Vater nur ab, weil es die Mutter tue. Sie hätten keine eigenen Negativ-Erfahrungen mit ihm. Eine Übertragung des Sorgerechts auf den Vater, der sich selbst in einer Lebenskrise befinde, sei gleichwohl nicht in Betracht gekommen.

Zwischenzeitlich, am 01.09.1995, verzog die Ehefrau mit den Kindern nach B. Am 30.07.1996 leitete sie beim Familiengericht B. das Scheidungsverfahren ein und beantragte in dessen Rahmen, die elterliche Sorge für die Kinder K. und R. für die Zeit ab Rechtskraft der Scheidung ihr zu übertragen. Der Ehemann seinerseits stellte den Antrag, die Sorge für die Kinder der Ehefrau zu entziehen und ihm selbst, hilfsweise dem Jugendamt, zu übertragen. Die vom Familiengericht in einem weiter anhängigen Umgangsrechtsverfahren angeordnete Einholung eines Sachverständigengutachtens auch zur Erziehungsfähigkeit der Mutter scheiterte zunächst daran, daß diese eine Begutachtung ablehnte. Ebenso weigerte sich die Mutter, dem Vater ein Umgangsrecht mit den Kindern einzuräumen. In der Folgezeit lehnte die Ehefrau im vorliegenden Verfahren den zuständigen Familienrichter erfolglos wegen Besorgnis der Befangenheit ab (vgl. hierzu Senatsbeschluß in vorliegender Sache vom 18.02.1999, 2 WF 154/98).

Am 16.03.1999 stellte das beteiligte Amt für Familien, Soziales u. Jugend der Stadt B. (künftig: Jugendamt) den Antrag, der Ehefrau im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht mit der Möglichkeit zu entziehen, die beiden Kinder vorübergehend getrennt von der Mutter unterzubringen. Das Jugendamt teilte dem Familiengericht mit, die Mutter habe die Kinder aus dem Unterricht in der V.-Grundschule in B. abgeholt. Hierbei habe sie gegenüber dem Schulleiter, Rektor S., geäußert, sie habe die Kinder mitgenommen, weil sie und diese hätten ermordet werden sollen. Rektor S. teilte dem Jugendamt mit, die Mutter habe ihm gegenüber am Telefon verschiedene Äußerungen folgenden Inhalts gemacht:

"Ich habe sie (die Kinder) mitgenommen, weil ich und die Kinder ermordet werden sollen. Ich weiß, da ist was im Busch. Wenn es mir schlecht geht, geht die Sonne unter. Die Welt ist nah am Abgrund. Das sagt mir meine Intuition.

Haben sie gemerkt, daß gestern der Strom ausgefallen ist? Ich habe das gemacht. Ich habe gestern das Weltall verändert. Ich verkörpere das Gute, das ganze Weltall steht hinter mir.

Mein Freund kämpft gegen das Böse. Das Schlechte kommt weg, die Hölle kämpft gegen den Himmel.

Aber die Telekom steht hinter uns. Die wollen mit uns wegfliegen, damit wir den Krieg im Kosovo und anderswo beenden.

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Schwarze Autos z. B., das bedeutet der Tod. Vogelgezwitscher dagegen ist positiv. Wenden sie sich nur an deutsche Polizisten, nicht an ausländische! Und essen und trinken sie nichts von anderen! Schwarz-weiß gekleidete Menschen sind falsch, bunt gekleidete sind positiv. Sie können es auch daran erkennen, daß positive Menschen winken, wenn man sie anschaut, die anderen schütteln den Kopf."

Mit Beschluß vom 16.03.1999 entzog das Familiengericht der Ehefrau das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder unter gleichzeitiger Übertragung auf das Jugendamt als Pfleger. Am 17.03.1999 wurden die Kinder vom Jugendamt in einer Außenwohngruppe des Jugend- u. Kinderheims B. untergebracht. Seit 01.09.1999 befinden sich K. und R. in einer sozialpädagogischen Erziehungsstelle in W.-O. (Pflegefamilie A.).

Am 30.06.1999 erstattete der Sachverständige Dr. R., nachdem die Mutter inzwischen der Untersuchung der Kinder zugestimmt hatte, dem Familiengericht ein kinderpsychiatrisches Gutachten. Der Sachverständige, der zum Ergebnis kommt, der psychische Befund bei der Mutter lege die Diagnose einer paranoiden Psychose nahe, verneint deren Erziehungsfähigkeit. Sowohl die Induktion des "parental alienation syndroms" bei ihren Kindern, wie auch die eigene schwere psychiatrische Erkrankung, die wesentlich das Verhältnis der Kinder zu ihrem Vater und der erweiterten Familie betreffe, machten die Mutter ungeeignet, weiterhin für das Wohl der Kinder verantwortlich zu sorgen. Die derzeitige Unterbringung sollte fortgeführt werden, um eine gesicherte und kontinuierliche Annäherung an den Vater, bei gleichzeitiger Distanzierung zur Mutter ohne vollständigen Kontaktverlust zu ermöglichen (zu den Einzelheiten vgl. das Gutachten vom 30.06.1999, I, 353 ff.).

In der mündlichen Verhandlung vom 27.07.1999 (I, 57 ff.) hörte das Familiengericht die Eltern, den Sachverständigen Dr. R., den Sachbearbeiter G. vom Jugendamt (in Ergänzung der schriftlichen Stellungnahme des Jugendamts vom 26.07.1999, I, 453 ff.) sowie die inzwischen für die Kinder gerichtlich bestellte Verfahrenspflegerin Rechtsanwältin S. (sie hatte am 28.06.1999 gegenüber dem Gericht eine ausführliche schriftliche Stellungnahme abgegeben, I, 305 ff.) und in einem weiteren Termin vom 28.07.1999 (I, 461) die Kinder K. und R. persönlich an.

Mit Beschluß vom 06.08.1998 trennte das Familiengericht die Folgesache elterliche Sorge von der Scheidungssache ab (Nr. 1 des Beschlusses), ordnete in Abänderung des Beschlusses des Familiengerichts B. vom 29.01.1996 für die Kinder K. und R. unter gleichzeitiger Bestellung des Jugendamts der Stadt B. als Vormund die Vormundschaft an (Nr. 2 des Beschlusses) und sprach aus, daß die Trennung der Kinder von der Mutter zulässig ist (Nr. 3). Weiter hielt es seine einstweilige Anordnung vom 16.03.1999 aufrecht.

Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt:

Die Entziehung der elterlichen Sorge und Anordnung der Vormundschaft sei erforderlich, weil die Mutter das geistige und seelische Wohl durch mißbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge gefährde. Sie verweigere seit der Trennung der Eltern den - auch betreuten - Umgang des Vaters mit den Kindern und habe dadurch deren völlige Entfremdung vom Vater herbeigeführt. Sie habe den Töchtern in massiver Weise Angst vor dem Vater eingeredet, so daß sie ihn ablehnten. Diese negative Beeinflussung der Kinder habe sie noch nach deren Inobhutnahme durch das Jugendamt weitergeführt. Nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens Dr. R. sei die Mutter nicht in der Lage, die gesunde Entwicklung der Kinder zu ermöglichen. Vielmehr sei eine Distanzierung zur Mutter, wenn auch ohne vollständigen Kontaktverlust, erforderlich, um die nunmehr eingetretene positive Entwicklung der Kinder weiter zu fördern. Die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater komme zumindest derzeit noch nicht in Betracht, denn es würde für die Kinder eine große Verängstigung und Verunsicherung bedeuten, wenn sie nunmehr erklärt bekämen, daß anstelle der Mutter der Vater das Sorgerecht inne hätte.

Auf die Gründe des Beschlusses vom 06.08.1999 im einzelnen wird Bezug genommen.

Gegen den am 10.08.1999 zugestellten Beschluß hat die Ehefrau am 24.08.1999 beim Oberlandesgericht eingegangenes, gleichzeitig begründetes Rechtsmittel eingelegt.

Gründe für die Trennung der Kinder von ihr als radikalster und elementarster Eingriff in deren Leben lägen nicht vor. Beide wollten zurück nach Hause zu ihr und insbesondere R. leide erheblich unter der Trennung. Sie selbst werde sich jeder möglicher Hilfen bedienen, um Bedenken an ihrer Erziehungsfähigkeit auszuräumen.

Sie stellt den Antrag,

den Beschluß des Familiengerichts B. vom 06.08.1999 aufzuheben.

Der Ehemann beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er beruft sich auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. R..

Das Jugendamt der Stadt B. hat eine Stellungnahme vom 08.11.1999 (II, 33 ff.) abgegeben. Es hält es nach wie vor für erforderlich, die gesamte Sorge auf einen Amtsvormund zu übertragen, um einer Gefährdung der Kinder entgegenwirken zu können.

Die Verfahrenspflegerin, Rechtsanwältin S., befürwortet eine langfristige kontinuierliche Unterbringung der Kinder K. und R. bei der Familie A.. Es bestünden - so führt sie aus - keine Anhaltspunkte dafür, daß die Mutter von ihrer eigenen schweren psychiatrischen Erkrankung geheilt sei. Da nicht angenommen werden könne, daß die Mutter im Falle der Rückkehr der Kinder nicht weiter versuchen werde, ihre paranoide Weltansicht auf die Kinder zu übertragen, könne ein Zurückkehren der Kinder zur Mutter unter keinen Umständen verantwortet werden (vgl. im einzelnen die Stellungnahme der Verfahrenspflegerin vom 10.01.2000, II, 57 ff.).

Der vom Senat beauftragte Berichterstatter hat die Kinder K. und R., die Eltern, die Sachbearbeiterin des Jugendamts Frau F. sowie die Verfahrenspflegerin, Rechtsanwältin S., persönlich angehört (vgl. Protokoll vom 19.01.2000, II, 69 ff.).

II.

Die gemäß §§ 621 Abs. 1 Nr. 1, 621 e Abs. 1 und 3 ZPO statthafte Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, in der Sache jedoch nicht gerechtfertigt.

Das Familiengericht hat zu Recht in Abänderung der Sorgerechtsentscheidung im Beschluß des Amtsgerichts B. vom 29.01.1996 der Mutter die elterliche Sorge entzogen und für die beiden Kinder K. und R. Vormundschaft angeordnet sowie klarstellend ausgesprochen, daß die Trennung der Kinder von der Mutter zulässig ist, §§ 1666, 1666 a BGB.

Gemäß § 1666 Abs. 1 BGB hat das Familiengericht die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl eines Kindes durch mißbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung des Kindes, durch unverschuldetes Versagen der Eltern oder durch das Verhalten eines Dritten gefährdet ist, und die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden.

Nach den zutreffenden Feststellungen des Familiengerichts, deren Richtigkeit durch das Ergebnis seiner eigenen ergänzenden Ermittlungen bestätigt worden sind, ist der Senat mit dem Familiengericht zur Überzeugung gelangt, daß bei Betreuung der Kinder K. und R. durch die Mutter das Kindeswohl so erheblich gefährdet wäre, daß mit einer anderen Maßnahme als dem Entzug der elterlichen Sorge dieser Gefährdung nicht begegnet werden kann. Insbesondere nach den fundierten Stellungnahmen des beteiligten Jugendamts, des Amts für Familien, Soziales und Jugend der Stadt B., sowie der für die Kinder bestellten Verfahrenspflegerin, Rechtsanwältin S., kann die Gefahr für die Kinder nicht durch andere Maßnahmen als ihre Trennung von der Mutter für die nächste Zeit, etwa durch öffentliche Hilfen, beseitigt werden.

1. Wie das Familiengericht vor allem aufgrund des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. R. vom 30.06.1999 und dessen Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung des Amtsgerichts vom 27.07.1999 festgestellt hat, ist das geistige und seelische Wohl der Kinder durch die mißbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge der Mutter gefährdet. Dieses Verhalten der Mutter ist offensichtlich auf ihren eigenen psychischen Befund zurückzuführen, der nach der Einschätzung des Sachverständigen Dr. R. die Diagnose einer paranoiden Psychose nahelegt. Dabei werden diese diagnostischen Kriterien sowohl durch die Wahnvorstellungen der Mutter erfüllt (der Ehemann wird durch nicht belegbare und nachvollziehbare Verdächtigungen, Unterstellungen seines Verhaltens, als für die Kinder bedrohlich monströse Erscheinung erlebt), wie dies auch hinsichtlich der akustischen Halluzinationen (Nachrichten aus dem Radio) der Fall ist. Der Sachverständige kommt zu dem in jedem Punkte seiner Darlegungen nachvollziehbaren, den Senat überzeugenden Ergebnis, daß die Frage nach der Erziehungsfähigkeit der Mutter eindeutig negativ beantwortet werden muß. Sie stellt - wie der Gutachter aus seinen eingehenden Explorationen herausgearbeitet hat - durch ihre eigene Erkrankung und die daraus resultierende paranoide Weltsicht mit allen ihren Konsequenzen eine erhebliche Gefährdung der Kinder K. und R. dar. Danach kann auch nach Auffassung des Senats eine Rückführung der Kinder zur Mutter derzeit nicht in Erwägung gezogen werden. Vielmehr ist der Entzug der elterlichen Sorge wegen eines - wenn auch wegen ihrer Krankheit unverschuldeten - Versagens der Mutter unumgänglich. Es ist in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt, daß in der psychischen Erkrankung eines Elternteils ein solches unverschuldetes Versagen i. S. d. § 1666 BGB liegen kann (vgl. BayObLG, FamRZ 1997, 956 f m. w. N.). Nur durch die vom Familiengericht zu Recht angeordneten Maßnahmen, die die derzeitige Unterbringung der Kinder außerhalb des Bereichs der Mutter ermöglichen, kann eine gesicherte und kontinuierliche Annäherung an den Vater erreicht werden. Nur dadurch können die tiefgreifenden Beziehungsstörungen der Kinder zu beiden Elternteilen (vgl. das Gutachten Dr. R.) behoben und die gedeihliche Entwicklung beider Kinder ermöglicht werden. Dieser Beurteilung des Sachverständigen schließt sich der Senat an. Die Gefahr, daß die Mutter weiter versuchen wird, ihre paranoide Weltansicht auf die Kinder zu übertragen, kann nicht durch weniger gravierende Maßnahmen, etwa durch öffentliche Hilfen, beseitigt werden. Zwar hat die Mutter nach der Stellungnahme des Jugendamts vom 08.11.1999 eine gewisse Kooperationsbereitschaft mit dem Amt und dessen Jugendhilfeeinrichtungen gezeigt; sie ist jedoch mit den Jugendhilfemaßnahmen nach wie vor nicht einverstanden. Dies deshalb (so das Jugendamt), weil sich die Mutter, die keinerlei Krankheitseinsicht zeigt, völlig gesund fühlt. Die Richtigkeit dieser Einschätzung ist durch die richterliche Anhörung am 19.01.2000 bestätigt worden. Auch dort erklärte die Mutter ausdrücklich, sie fühle sich nicht krank. Gegen ihre eigene Bewertung ihrer Person sprechen jedoch die - wie dargelegt - vom Sachverständigen klar festgestellten, objektivierten Befunde. Letztlich hat auch die richterliche Anhörung der Mutter im Beschwerdeverfahren gezeigt, daß wie auch die Verfahrenspflegerin der Kinder ebenfalls aufgrund eingehender Gespräche mit der Mutter in ihrer Stellungnahme vom 10.01.2000 erneut hervorgehoben hat derzeit keine begründeten Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, die Mutter sei von ihrer schweren psychischen Erkrankung geheilt. Bei diesen Gegebenheiten muß eine längerfristige kontinuierliche Unterbringung der Kinder in einer Pflegefamilie gewährleistet sein. Zum einen, wie der Sachverständige Dr. R dargelegt hat, um die Kinder gegen weitere mögliche Kurzschlußreaktionen der Mutter zu schützen. Zum anderen, um das Verhältnis der Kinder zum Vater weiter zu normalisieren und um sicherzustellen, daß die Kinder eine ihrem Alter entsprechende Selbständigkeit entwickeln können. Der Senat verkennt nicht, daß das Aufrechterhalten der vom Familiengericht zu Recht angeordneten Maßnahmen von der Mutter als schmerzlich empfunden wird, zumal beide Kinder bei ihrer Anhörung durch den Berichterstatter den Wunsch äußerten, sie würden ganz gerne wieder zur Mutter nach B gehen. Im Interesse des richtig verstandenen Wohls und der positiven Persönlichkeitsentwicklung der Kinder, deren Selbständigkeit schon nach kurzer Zeit ihrer Trennung von der Mutter deutlich geworden ist (vgl. Gutachten Dr.), kann das Gericht deren und der Mutter Wunsch derzeit nicht Rechnung tragen. Die Mutter muß zur Einsicht kommen, daß sie im Rahmen ihres Umgangs mit den Kindern nicht ihre eigene emotionale Empfindung in den Vordergrund stellen darf; sie muß vielmehr die besondere psychische Situation der Kinder erkennen und sich auf diese - wie die Verfahrenspflegerin treffend formuliert - "uneigennützig" einstellen.

Der Anregung der Mutter in ihrer Beschwerdeschrift, hinsichtlich ihrer Erziehungsfähigkeit ein (weiteres) psychologisches Gutachten einzuholen, gab der Senat insbesondere auch unter Berücksichtigung der gegen eine erneute Begutachtung sprechenden Belange der beiden Kinder, keine Folge (§ 12 FGG). Das ausführliche, in jeder Weise fundierte Gutachten des Sachverständigen Dr. R., das ein sehr gewissenhaftes und besonnenes Vorgehen zeigt, ist in vollem Umfang überzeugend. Gegen das Einholen eines weiteren Gutachtens zum jetzigen Zeitpunkt spricht auch, daß der Sachverständige Dr. R. ausdrücklich empfiehlt, eine weitere kinderpsychiatrische Begutachtung (erst) nach etwa zwei Jahren vorzunehmen. Im übrigen werden auf dem Hintergrund des Art. 6 Abs. 2, 3 GG die jetzt angeordneten Maßnahmen ohnehin in kürzeren Abständen gemäß § 1696 Abs. 2 und 3 BGB zu überprüfen sein.

2. Daß eine Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater als hierzu weiter in Frage kommendem Elternteil derzeit nicht in Betracht gezogen werden kann, ist vom Familiengericht eingehend dargelegt worden. Dies wird von keinem der Verfahrensbeteiligten, auch vom Vater selbst nicht, in Frage gestellt. Auf die Ausführungen des Familiengerichts nimmt der Senat Bezug.

Somit bleibt im vorliegenden Fall kein anderer Weg als der, daß das Jugendamt die gesamte elterliche Sorge ausübt. Nur dadurch kann der vom Senat konkret gesehenen Gefahr eines Hin und Her für die beiden Mädchen, nicht nur in räumlicher Sicht, begegnet werden. Nach dem derzeitigen Sachstand sind an der Stelle beider Eltern Entscheidungen und Maßnahmen im Bereich der Erziehung und Führung der Kinder, gegebenenfalls auch im Bereich der Vermögenssorge erforderlich, welche die nur mit Teilbereichen der elterlichen Sorge verbundenen Befugnisse überschreiten würden. Danach kann der Mutter nach Auffassung des Senats das Sorgerecht auch nicht teilweise belassen werden. Im Falle des Aufspaltens der elterlichen Sorge wäre nicht jegliche Gefährdung der Kinder ausgeschlossen (§ 1666 a Abs. 2 BGB).

3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG, die über die Festsetzung des Beschwerdewerts aus §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO. Diese Vorschriften sind hier maßgebend, denn die vom Familiengericht gemäß § 623 Abs. 2, Abs. 3 S. 2 ZPO vom Scheidungsverfahren abgetrennte Folgesache war als selbständige Familiensache fortzuführen (vgl. Senat, Beschluß vom 24.03.1999 in JurBüro 1999, 420 = NJW-RR 99, 1015 LS).

Es bestand kein Anlaß, die weitere Beschwerde zuzulassen, §§ 621 e Abs. 2, 621 Abs. 1 Nr. 1, 546 Abs. 1 S. 2 und 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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