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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 04.07.2001
Aktenzeichen: 2 UF 195/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 194
BGB § 242
BGB § 1587 c
1. Dass der ausgleichspflichtige Ehegatte durch die Abgabe von Versorgungsanwartschaften in weitergehendem Umfang sozialhilfebedürftig wird, als er es ohnehin schon ist, macht die Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht grob unbillig.

2. Der Anspruch auf Versorgungsausgleich unterliegt als solcher aus einem familienrechtlichen Verhältnis nicht der Verjährung.

3. Dass der ausgleichspflichtige Ehegatte mit der Geltendmachung des Versorgungsausgleichs nicht mehr gerechnet hat und sich 'entsprechend eingerichtet hat', reicht für die Annahme des sog. Vertrauenstatbestands als sog. Umstandsmoment und damit der Verwirkung nicht aus.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE

2 UF 195/00

Karlsruhe, 04. Juli 2001

Familiensache

wegen Versorgungsausgleichs

Beschluß

Tenor:

1. Dem Antragsgegner wird gegen die Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung gewährt.

2. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Karlsruhe vom 28.09.2000 (6 F ...........) wird zurückgewiesen.

3. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

4. Der Beschwerdewert wird auf 1.211,76 DM festgesetzt.

5. Die weitere Beschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die am 13.03.1966 in V. (Kroatien) geschlossene Ehe der am 05.12.1946 geborenen Antragstellerin und des am 10.04.1943 geborenen Antragsgegners wurde auf den am 23.04.1992 zugestellten Scheidungsantrag durch das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Karlsruhe vom 03.09.1992 (3 F .............) geschieden. Das Urteil ist seit 30.10.1992 rechtskräftig. Im Scheidungsverfahren wurde ein Versorgungsausgleich wegen fehlender Antragstellung nicht durchgeführt.

Der Antragsgegner war am 26.06.1968 aus seiner Heimat nach Deutschland ausgereist, die Antragstellerin ist am 22.12.1968 nachgekommen. Während der Ehe besaßen beide Parteien die kroatische Staatsangehörigkeit. Die Antragstellerin hat im Jahre 1996 durch Einbürgerung die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten. Sie hat seit 1969 in Deutschland gearbeitet. Der Antragsgegner war seit 26.06.1968 in Deutschland berufstätig. Beide Parteien haben seit dieser Zeit Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung, die Antragstellerin zusätzlich Anwartschaften der betrieblichen Altersversorgung bei der Fa. Siemens AG erworben. Der Antragsgegner bezieht seit 01.11.1997 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die derzeit 1.527,13 DM monatlich beträgt. Er leidet an beiderseitigem Talamus- und Hirnstamminfarkt und ist zu 100 % behindert. Da seine Rente für die Kosten der Heimunterbringung in einem Pflegeheim nicht ausreicht, erhält er ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt. Die Antragstellerin ist wieder verheiratet und bezieht ebenfalls eine Erwerbsunfähigkeitsrente.

Die Antragstellerin hat mit am 15.10.1998 beim Familiengericht eingegangenem Schriftsatz vom 07.10.1998 die Durchführung des Versorgungsausgleichs beantragt.

Der Antragsgegner ist dem entgegengetreten.

Er hat geltend gemacht, die Antragstellerin habe keinen Versorgungsausgleichsanspruch nach deutschem Recht. Ein etwaiger Anspruch sei im übrigen verjährt bzw. verwirkt. Außerdem sei ein Versorgungsausgleich grob unbillig. Seine Rente werde vom Sozialamt in voller Höhe vereinnahmt, da dieses für seine Lebenshaltungskosten aufkommen müsse. Deshalb müsste die Kürzung seiner Rente zu Gunsten der Antragstellerin vom Steuerzahler getragen werden. Zudem habe diese am 02.03.1998 aus einer Lebensversicherung 16.490 DM erhalten und verfüge über eine Betriebsrente bei der Fa. Siemens in Höhe von derzeit 183 DM.

Die Antragstellerin hält die Einwendungen des Antragsgegners gegen die Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht für durchgreifend.

Das Familiengericht hat für die Parteien für die maßgebende Ehezeit vom 01.03.1966 bis 31.03.1992 Auskünfte bei den Versorgungsträgern eingeholt. Nach der Auskunft der Landesversicherungsanstalt Baden vom 15.12.1998 (I, 55) hat die Antragstellerin monatliche Rentenanwartschaften von 757,83 DM und nach der Auskunft der Fa. Siemens AG vom 22.10.1999 (I, 145) einen unverfallbaren, statischen Anspruch auf eine betriebliche Rentenanwartschaft, bezogen auf das 65. Lebensjahr, in Höhe von monatlich 108,92 DM erworben. Der Antragsgegner verfügt ausweislich der Auskunft der Landesversicherungsanstalt Niederbayern/Oberpfalz vom 11.01.1999 (I, 73) über eine Anwartschaft auf Vollrente wegen Alters in Höhe von 989,83 DM.

Das Familiengericht hat zur Vorbereitung der Regelung des Versorgungsausgleichs, insbesondere zur Bewertung der betrieblichen Anwartschaft der Antragstellerin bei der Fa. Siemens AG ein schriftliches Rentensachverständigengutachten des Sachverständigen Rainer G. vom 18.08.2000 (I, 161) eingeholt. Der Sachverständige hat für die ehezeitliche betriebliche Versorgungsanwartschaft der Antragstellerin eine monatliche ausgleichspflichtige dynamische Rente von 30,04 DM errechnet.

Mit Beschluss vom 28.09.2000 hat das Familiengericht den Versorgungsausgleich in der Weise durchgeführt, dass es vom Versicherungskonto des Antragsgegners auf das der Antragstellerin eine monatliche Rentenanwartschaft in Höhe von 100,98 DM übertragen hat.

Den vom Antragsgegner erworbenen Rentenanwartschaften von 989,83 DM stünden solche von 787,87 DM (757,83 DM gesetzliche und 30,04 DM umgerechnete betriebliche Anwartschaften) gegenüber. Da hinsichtlich der letzteren die Tabellen der Barwertverordnung keine Werte für eine aufgeschobene Invaliditätsrente enthielten, das Familiengericht jedoch an die Tabelle der Barwertverordnung gebunden sei, sei nur die Möglichkeit geblieben, den maßgebenden Wert der Tabelle 1 der Barwertverordnung unter zugrundelegen des frühestmöglichen Beginns der Altersrente (Alter 60) zu ermitteln (vgl. hierzu auch das Gutachten des Sachverständigen G.).

Der Anspruch der Antragstellerin sei nicht verjährt oder verwirkt. Aus der Ehescheidungsakte ergebe sich kein Hinweis, dass sie auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs verzichtet habe. Die fehlende Hereinnahme in das Verbundverfahren begründe einen solchen Verzicht nicht. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs sei nicht grob unbillig. Dass der Antragsgegner hierbei vermehrt sozialhilfebedürftig wäre, ändere hieran nichts. Beide erwerbsunfähige Parteien befänden sich offensichtlich in vergleichbarer wirtschaftlicher Situation, gravierende Vermögensdiskrepanzen bestünden nicht.

Mit am 24.11.2000 beim Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz hat der Antragsgegner zur Einlegung und Durchführung der Beschwerde gegen den ihm am 03.11.2000 zugestellten Beschluss des Familiengerichts vom 28.09.2000 Prozeßkostenhilfe beantragt.

Nach dem ihm mit am 06.03.2000 vom Oberlandesgericht an ihn abgesandten Senatsbeschluß vom 28.02.2001 Prozeßkostenhilfe bewilligt worden war, hat er mit am 20.03.2001 beim Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz Beschwerde mit Begründung eingelegt und Wiedereinsetzungsantrag gestellt.

Er wiederholt seinen Vortrag, dass die Voraussetzungen für die Durchführung des Versorgungsausgleichs nach deutschem Recht nicht vorlägen und dass die Durchführung grob unbillig sei. Die Antragstellerin sei durch ihre neue Eheschließung und weil sie eine Rente von der Fa. Siemens AG erhalte, bestens versorgt. Zudem habe sie aus einer Lebensversicherung einen Betrag von 16.490 DM erhalten. Dagegen müsse er selbst Sozialhilfe in Anspruch nehmen. Sein Gesundheitszustand sei sehr schlecht, während die Antragstellerin in guten wirtschaftlichen Verhältnissen lebe. Nach wie vor berufe er sich auf Verjährung und Verwirkung.

Der Antragsgegner stellt den Antrag,

den Beschluss des Amtsgerichts K. vom 28.09.2000 aufzuheben.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die Einwendungen des Antragsgegners für unbegründet, insbesondere die Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht für grob unbillig. Da sie ihre neue Ehe sehr spät geschlossen habe, könne sie keine namhaften Versorgungsanwartschaften mehr erwerben.

II.

Die Beschwerde ist zulässig.

Der Antragsgegner war vor Bewilligung der Prozeßkostenhilfe wegen seines Unvermögens die Verfahrenskosten aufzubringen verhindert, Beschwerde einzulegen. Nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe durch Beschluss des Senats vom 28.02.2001 hat der Beschwerdeführer am 20.03.2001 form- und fristgerecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und Beschwerde eingelegt. Ihm war daher Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde zu erteilen (§§ 233, 234, 236 ZPO).

Die Beschwerde ist in der Sache jedoch nicht gerechtfertigt.

Das Familiengericht hat den Versorgungsausgleich zu Gunsten der Antragstellerin zu Recht in vollem Umfang durchgeführt.

Die Durchführung widerspricht nicht der Billigkeit, die Voraussetzungen der Härteklausel des § 1587 c BGB liegen nicht vor, der Einwand der Verjährung und Verwirkung greift nicht durch.

1. Unabhängig davon, dass beide Parteien im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags die kroatische Staatsangehörigkeit besaßen, ist der Versorgungsausgleich auf Antrag der geschiedenen Ehefrau des Antragsgegners durchzuführen, denn dieser hat in der maßgebenden Ehezeit vom 01.03.1966 bis 31.03.1992 eine inländische Versorgungsanwartschaft erworben, Art. 17 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 EGBGB. Der Versorgungsausgleich ist nach der Billigkeitsklausel am Ende des Satzes 2 dieser Vorschrift nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Durchführung des Versorgungsausgleichs im Hinblick auf die beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien auch während der nicht im Inland verbrachten Zeit nicht angemessen wäre (Palandt/Heldrich, BGB, 60. Aufl., Art. 17 EGBGB Rn. 23; Henrich in Johannsen/Henrich, Eherecht, 3. Aufl., Art. 17 EGBGB Rn. 65). Als Ausnahmeklausel kann S. 2 letzter Halbsatz der genannten Vorschrift nur dann bejaht werden, wenn die Unbilligkeit ersichtlich ist (MünchKomm/Winkler von Mohrenfels, BGB, 3. Aufl., Art. 17 Rn. 208). Solche besonderen Umstände, die eine Durchführung des Versorgungsausgleichs ausnahmsweise unbillig erschienen ließen, sind hier nicht gegeben. Beide Parteien sind inzwischen erwerbsunfähig. Soweit der Antragsgegner darauf hinweist, er beziehe derzeit eine Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von nur 1.527,13 DM, die seine Aufenthaltskosten in einem Pflegeheim nicht decke, ist dem entgegen zu halten, dass die von der Antragstellerin zu erwartende Altersversorgung jedenfalls nicht besser als seine ist. Dies ergibt sich aus der Auskunft der LVA Baden vom 15.12.1998. An dieser Feststellung ändert nichts, dass die Antragstellerin zudem eine Betriebsrente bei der Fa. Siemens AG in Höhe von jetzt monatlich 190,00 DM erhält (vgl. Auskunft dieser Firma vom 22.10.1999). Dass die Antragstellerin wieder verheiratet und nach dem nicht substantiierten Vortrag des Beschwerdeführers "bestens versorgt" und ihre "Vermögenssituation hervorragend" ist, vermag an dieser Beurteilung ebenso wenig etwas zu ändern, wie der Umstand, dass sie am 02.03.1998 aus einer Lebensversicherung den im Hinblick auf die Lebenserwartung nicht bedeutenden Betrag von 16.490 DM erhalten hat. Alles dies rechtfertigt nicht die Annahme, dass die Antragstellerin schon jetzt ein ausreichendes Vermögen besitzt, so dass es einer Durchführung des Versorgungsausgleichs zu ihren Gunsten nicht bedarf. Zweck der Härteklausel des Art. 17 Abs. 3 EGBGB ist es, dass unbillige Ergebnisse vermieden werden, die sich etwa dadurch ergeben können, dass ein Ehegatten inländische Anwartschaften abgeben muss, während der andere Ehegatte bereits seiner Alterssicherung dienende Vermögenswerte im Ausland besitzt, an denen der Ausgleichspflichtige Ehegatte nicht partizipieren kann (BGH, FamRZ 1994, 825, 826). Abgesehen davon, dass ein solcher Sachverhalt hier nicht vorliegt, ist bei der Bewertung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien außerdem zu berücksichtigen, dass der Unterhalt des ausgleichspflichtigen Antragsgegners letztlich durch ergänzende Sozialhilfe gesichert ist (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2000, 418, 419).

2. Der Versorgungsausgleich ist auch nicht nach der hier allein in Betracht zu ziehenden Vorschrift des § 1587 c Nr. 1 BGB auszuschließen oder zu beschränken, wobei diese Prüfung durch die Prüfung des Versorgungsausgleichs nach deutschem Recht aufgrund des § 17 Abs. 3 S. 2 EGBGB nicht ausgeschlossen ist (BGH, FamRZ 1994, 825, 826).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (FamRZ 1999, 714 m.w.N.) findet nach § 1587 c Nr. 1 BGB ein Versorgungsausgleich nur ausnahmsweise ganz oder teilweise nicht statt. Eine grobe Unbilligkeit i. S. dieser Vorschrift ist nicht schon dann anzunehmen, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht angewiesen ist, weil seine Altersversorgung auf andere Weise hinreichend gesichert ist. Denn der Sinn des Versorgungsausgleichs erschöpft sich nicht darin, eine unbefriedigende Altersversorgung des ausgleichsberechtigten Ehegatten zu verbessern. Die Inanspruchnahme desjenigen, der während der Ehezeit die werthöheren Versorgungsanwartschaften erworben hat, wird vielmehr durch die eheliche Lebensgemeinschaft gerechtfertigt, die (auch) eine Versorgungsgemeinschaft ist. Wird diese infolge des Scheiterns der Ehe beendet, bewirkt der Versorgungsausgleich eine gleichmäßige Aufteilung der in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte gemäß dem ursprünglichen gemeinsamen Zweck der beiderseitigen Alterssicherungen; der Versorgungsausgleich hat damit seine Wurzel auch im güterrechtlichen Prinzip der Vermögensteilung in Weiterentwicklung des Zugewinnausgleichsgedankens (Johannsen/Henrich/Hahne, a.a.O., vor § 1587 bis 1587 p EGBGB Rn. 4 m.w.N.). Die bloße wirtschaftliche Besserstellung des Ausgleichsberechtigten reicht nicht zur Annahme einer groben Unbilligkeit aus (BGH, FamRZ 1987, 923).

Bei der Abwägung der wirtschaftlichen Lage der Parteien kann der Senat nicht feststellen, dass die starre Durchführung des Versorgungsausgleichs die Inanspruchnahme des Antragsgegners als grob unbillig erscheinen lässt. Der Beschwerdeführer hebt vor allem darauf ab, dass er infolge seiner Pflegebedürftigkeit auf seine Rente angewiesen sei. Dies kann ebenso wenig eine grobe Unbilligkeit begründen (BGH, FamRZ 1981, 756), wie der Umstand, dass er im Falle der Abgabe von Versorgungsanwartschaften an die Antragstellerin in weitergehendem Umfang sozialhilfebedürftig wird, als er es ohnehin schon ist. Dass der Verpflichtete infolge des Ausgleichs sozialhilfebedürftig wird oder der Sozialhilfe nunmehr verstärkt bedarf, macht den Versorgungsausgleich nicht grob unbillig (BGH, Beschluss vom 09.03.1982 - IV ZB 575/80, zitiert bei Hoppenz, Familiensachen, 7. Aufl., § 1587 c Rn. 17).

Dass die beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien nicht den - sei es auch nur teilweisen - Ausschluß des Versorgungsausgleichs rechtfertigen, wurde schon unter oben Nr. 1 erörtert. Ergänzend ist auszuführen, dass bei der Abwägung der wirtschaftlichen Situation zu Gunsten der vollständigen Durchführung des Versorgungsausgleichs ins Gewicht fällt, dass die Antragstellerin - eine zu Gunsten des Antragsgegners unterstellte - Absicherung durch die Wiederheirat ohne jegliches Zutun des anderen Ehegatten erworben hätte. Danach kann auch nicht unbeachtet bleiben, dass bei den Wechselfällen des Lebens nicht sicher festgestellt werden kann, dass die Antragstellerin durch diese Situation über eine ausreichende Altersversorgung verfügt.

3. Dass der vom Beschwerdeführer erhobene Verjährungseinwand nicht durchgreift, ist schon vom Familiengericht zutreffend angenommen worden. Es handelt sich hier um einen unverjährbaren Anspruch aus einem familienrechtlichen Verhältnis, vgl. § 194 Abs. 2 BGB.

Ebenso wenig ist Verwirkung eingetreten. Insoweit kann auf die richtigen Ausführungen des Familiengerichts Bezug genommen werden. Es fehlt auf jeden Fall am sogenannten Vertrauenstatbestand als sog. Umstandsmoment. Dieses setzt jedenfalls voraus, dass sich der Verpflichtete auf Grund des Verhaltens des Berechtigten darauf eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen und dass wegen des geschaffenen Vertrauenstatbestandes die verspätete Geltendmachung des Rechts als eine mit Treu und Glauben unvereinbare Härte erscheinen lässt (Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 242 Rn. 95 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs). Zwar bringt der Beschwerdeführer vor, er habe mit der Geltendmachung des Versorgungsausgleichs "nicht mehr gerechnet" und sich "entsprechend eingerichtet". Dies reicht jedoch für die Annahme des Vertrauenstatbestandes nicht aus. Der Antragsgegner hat nicht vorgetragen, dass und auf welche Weise er sich darauf eingerichtet hat, von Versorgungsausgleichsansprüchen seiner geschiedenen Ehefrau verschont zu werden und z.B. anderweitige finanzielle Dispositionen getroffen oder unterlassen hat (BGH, NJWRR 1995, 106, 109).

4. Gegen Form und Berechnung des Versorgungsausgleichs haben die Beteiligten keine Einwände erhoben; solche sind auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere schließt sich der Senat mit dem Familiengericht dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Rainer G. vom 18.08.2000 an. Dieser hat zu Recht ausgeführt, dass wegen Fehlens der Tabellenwerte für eine aufgeschobene Invaliditätsrente in der Barwertverordnung (die der Senat in ständiger Rechtsprechung für verfassungsgemäß hält, vgl. z.B. Senatsbeschluß vom 07.08.2000, 2 UF 188/99) wegen der Bindung des Familiengerichts an die Barwertverordnung nur die Möglichkeit besteht, den für die Antragstellerin maßgebenden Tabellenwert der Tabelle 1 der Barwertverordnung unter Zugrundelegen des frühestmöglichen Beginns der Altersrente zu ermitteln.

5. Einer mündlichen Verhandlung in der Beschwerdeinstanz bedurfte es nicht, da den Beteiligten rechtliches Gehör gewährt, der Sachverhalt hinreichend aufgeklärt worden ist und eine Vereinbarung der Parteien nicht ansteht (BGH, FamRZ 1983, 267, 268, NJW 1983, 824, 825).

6. Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 13 a FGG. Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf §§ 99 Abs. 2 letzter Satz, 30 Abs. 1 KostO.

7. Die weitere Beschwerde wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 1587 a Abs. 3 Nr. 2 BGB i.V.m. der Barwertverordnung zugelassen, § 621 e Abs. 2 S. 1, 546 Abs. 1 S. 2 ZPO.

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