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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 11.11.2004
Aktenzeichen: 2 UF 213/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1587c Nr. 1
Der Versorgungsausgleich ist nicht allein deshalb gemäß § 1587c Nr. 1 BGB grob unbillig, weil der Ausgleichsverpflichtete wegen der weiteren Kindesbetreuung in seinen Möglichkeiten, eine weitere Altersversorgung aufzubauen, beeinträchtigt ist bzw. hierfür überobligatorische Anstrengungen unternehmen muss. Diese Benachteiligung des betreuenden Elternteils in der Zukunft wird gewöhnlich dadurch ausgeglichen, das ihm ein Unterhaltsanspruch gem. § 1570 BGB zusteht, der auch einen Anspruch auf die Leistung von Altersvorsorgeunterhalt umfasst. Selbst wenn aber dieser gesetzlich vorgesehene Ausgleich an der unterhaltsrechtlichen Leistungsunfähigkeit des Versorgungsausgleichsberechtigten scheitert, wird dadurch der Versorgungsausgleich nicht grob unbillig; denn in diesem Fall ist auch der Versorgungsausgleichsberechtigte nicht in der Lage, in nennenswertem Umfang für sich selbst Versorgungsanwartschaften aufzubauen (so OLG Bamberg FamRZ 2000, 892 ; anderer Ansicht OLG Stuttgart FamRZ 2000,894).
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE

2 UF 213/04

Karlsruhe, 11.11.2004

Familiensache

Beschluss

Tenor:

1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen Ziffer 2. des Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht - Sinsheim vom 14.7.2004 (21 F 21/03) wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1000 € festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die am 13.06.1996 geschlossene Ehe der Parteien ist durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Sinsheim vom 14.07.2004 auf den dem Antragsgegner am 15.03.2003 zugestellten Scheidungsantrag rechtskräftig geschieden. Die Antragstellerin betreut den am 30.12.1997 geborenen gemeinsamen Sohn.

Die Antragstellerin hat in der Ehezeit laut Auskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Stralsund vom 10.09.2003 Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 160,92 € monatlich erworben. Diese beruhen zu einem erheblichen Teil auf der Anrechnung von Kindererziehungszeiten. Insgesamt belaufen sich die Rentenanwartschaften der Antragstellerin auf 260,33 € monatlich. Der Antragsgegner hat vor der Ehe laut Auskunft der Landesversicherungsanstalt Baden Württemberg vom 9.10.2003 Rentenanwartschaften in Höhe von 398,49 € monatlich erworben. In der Ehezeit hat er keine Rentenanwartschaften erworben, weil er seit 1992 als Transportunternehmer selbstständig tätig war. Der Antragsgegner hat lediglich eine Kapitallebensversicherung abgeschlossen, die im Jahr 2003 einen Rückkaufswert von 6.351,00 € hatte. Im Jahr 2001 hat er einen Gewinn vor Steuern von 19.451,00 DM erzielt.

Die Antragstellerin hat beantragt, den Versorgungsausgleich im Hinblick auf die Kindererziehungszeiten gem. § 1587c BGB auszuschließen.

Das Amtsgericht ist diesem Begehren nicht gefolgt, sondern hat den Versorgungsausgleich dahingehend geregelt, dass vom Versicherungskonto der Antragstellerin auf das des Antragsgegners Rentenanwartschaften in Höhe von 80,46 € monatlich zu übertragen sind.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihren Antrag auf Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit weiter verfolgt.

Sie macht geltend, Rentenanwartschaften aus Kindererziehungszeiten seien zwar im Regelfall, in dem auch der andere Ehegatte Rentenanwartschaften erworben hat, in die Berechnung des Versorgungsausgleichs einzubeziehen. Dies gelte jedoch nicht, wenn der andere Ehegatte, der das Kind nicht betreut hat, trotzdem keine Rentenanwartschaften erworben hat. Sie habe dagegen ihre Berufstätigkeit zwecks Erziehung des Kindes eine Zeit lang aufgegeben und sei deshalb gehindert gewesen, die entsprechende Altersvorsorge zu schaffen. Nach der Trennung habe sie eine überobligatorische Tätigkeit aufgenommen, weil der Antragsgegner sich hinsichtlich des Ehegattenunterhalts auf Leistungsunfähigkeit berufen habe. Sie erleide auch weiterhin Nachteile bei der Schaffung ihrer Altersvorsorge, weil sie wegen der Kindesbetreuung nicht ganztags arbeiten könne bzw. hierzu nicht verpflichtet sei. Von ihrem Einkommen müsse sie zudem noch die Kosten für die Kinderbetreuung aufbringen. Sie werde, wenn sie das jetzige Alter des Antragsgegners erreicht haben werde, noch nicht einmal die Rente erreicht haben, die der Antragsgegner auf Grund der Durchführung des Versorgungsausgleichs erhalte.

Der Antragsgegner verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Er trägt vor, seine selbstständige Berufstätigkeit habe der gemeinsamen Lebensplanung der Parteien entsprochen. Von seinen nicht um Sozialversicherungsbeiträge geschmälerten Einkünften habe auch die Antragstellerin profitiert. Er habe diese auch in erheblichem Umfang bei der Kindesbetreuung entlastet (vgl. hierzu auch Sitzungsniederschrift des Amtsgerichts vom 18.2.2004 S.2, AS ES I,87).

II.

Die befristete Beschwerde ist gem. §§ 629 a Abs. 2, 621e Abs. 1, Abs. 3, 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zulässig, jedoch nicht begründet.

Das Amtsgericht hat zu Recht den gesetzlichen Versorgungsausgleich durchgeführt. Ein Ausschluss oder eine Kürzung des Ausgleichsbetrages im Hinblick auf § 1587c BGB ist nicht veranlasst.

Rentenanwartschaften auf Grund von Kindererziehungszeiten sind dazu bestimmt, der Versorgung im Alter zu dienen und unterfallen daher grundsätzlich ebenso wie auf Erwerbstätigkeit beruhende Anwartschaften dem gesetzlichen Versorgungsausgleich (vgl. BGH, FamRZ 1986,449, 450; OLG Bremen, FamRZ 2002, 466).

Nur in Ausnahmefällen ist gem. § 1587c BGB der Versorgungsausgleich zu kürzen oder nicht durchzuführen, wenn seine uneingeschränkte Durchführung zu einem Ergebnis führen würde, das dem Gerechtigkeitsdenken in unerträglicher Weise widersprechen würde (BGH, FamRZ 1981,756,757). Eine Ausgleichspflicht auf Grund von Anwartschaften, die auf der Anrechnung von Kindererziehungszeiten beruhen, ist kein Anlass für eine Korrektur gem. § 1587c BGB. Durch die Zuerkennung solcher Anwartschaften wird die in den ehelichen Verhältnissen begründete Benachteiligung des Kinder betreuenden Elternteils gerade ausgeglichen (OLG Zweibrücken, FamRZ 2000,890). Dieser wird damit annähernd so gestellt, als wenn er während der Zeit der Kindererziehung tatsächlich Einkommen bezogen und durch die Abführung entsprechender Rentenversicherungsbeiträge Rentenanwartschaften erworben hätte. Hätte der erziehende Elternteil allerdings Anwartschaften auf Grund des Bezugs von Einkommen erworben, so würden diese zweifellos im Versorgungsausgleich berücksichtigt werden (OLG Brandenburg, FamRZ 2000,891,892).

Eine grobe Unbilligkeit auf Grund der uneingeschränkten Durchführung des Versorgungsausgleichs kann auch nicht deshalb festgestellt werden, weil ein Ehepartner auf Grund gemeinsamer Lebensplanung während der Ehe eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt und daher keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet hat. Dabei ließe man, wie der Antragsgegner zu Recht geltend macht, außer acht, dass die durch die Nichtentrichtung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung ersparten Aufwendungen den Parteien zur gemeinsamen Lebensführung zur Verfügung gestanden haben (OLG Bremen, a.a.O.). Es würde deshalb zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung des Antragsgegners führen, der mit der Erzielung von Erwerbseinkommen den Lebensunterhalt der Familie gleichermaßen sichergestellt und damit auch im Ergebnis zur Erziehung der Kinder beigetragen hat, ließe man die Anwartschaften aus Kindererziehungszeiten unberücksichtigt (OLG Brandenburg, a. a. O.).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Antragstellerin wegen der weiteren Kindesbetreuung in ihren Möglichkeiten, eine weitere Altersversorgung aufzubauen, beeinträchtigt ist bzw. hierfür überobligatorische Anstrengungen unternehmen muss. Diese Benachteiligung des betreuenden Elternteils in der Zukunft stellt keine Ausnahme, sondern - wenn Kinder aus der gescheiterten Ehe hervorgegangen sind - eher den Regelfall dar. Sie wird gewöhnlich dadurch ausgeglichen, dass dem betreuenden Elternteil ein Unterhaltsanspruch gemäß § 1570 BGB zusteht, der auch einen Anspruch auf die Leistung von Altersvorsorgeunterhalt umfasst. Dieser gesetzlich vorgesehene Ausgleich scheitert allerdings dann, wenn der Ausgleichsberechtigte nicht leistungsfähig ist. Dann ist er aber auch nicht in der Lage, in nennenswertem Umfang für sich selbst Versorgungsanwartschaften aufzubauen(vgl. OLG Bamberg, FamRZ 2000,892, 893). Diesen Gesichtspunkt verkennt nach Auffassung des Senats die Entscheidung des OLG Stuttgart (FamRZ 2000,894), nach der es sich als "grober Verstoß gegen Sinn und Zweck des Versorgungsausgleichs (erweist), dem Antragsgegner eine Teilhabe an den von der Antragstellerin während der Ehezeit erworbenen Anwartschaften zuzubilligen, obwohl von dieser die über die Ehezeit hinauswirkenden Nachteile durch die Betreuung der ehelichen Kinder allein zu tragen sind."

Ein besonderer Ausnahmefall, der zu einer grob unbilligen Benachteiligung der Antragstellerin (vgl. Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht, 4.Aufl., § 1587 c BGB Rdnr. 30) auf Grund der Durchführung des Versorgungsausgleichs führen würde, ist deshalb nicht erkennbar. Er ergibt sich auch nicht aus weiteren Umständen. Auch der Antragsgegner verfügt nach Durchführung des Versorgungsausgleichs noch nicht über Rentenanwartschaften, die zur Sicherung seines Existenzminimums ausreichen. Seine Altersversorgung ist auch nicht in anderer Weise gesichert (vgl. BGH, FamRZ 1999, 714,715). Ob er im Alter von 48 Jahren und derzeit selbstständig noch eine nennenswerte Altersvorsorge erreichen kann, ist ungewiss.

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil der Sachverhalt aufgeklärt und den Beteiligten rechtliches Gehör gewährt worden ist.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 97 Abs. 1, Abs. 3, 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 49 Nr.1 GKG n.F.

Der Senat hat die Rechtsbeschwerde im Interesse einer Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 621e Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 543 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. ZPO) zugelassen. Es ist zwar höchstrichterlich geklärt, dass Anwartschaften aus Kindererziehungszeiten dem Versorgungsausgleich unterfallen. Ob auf Grund sonstiger Umstände die Durchführung des Versorgungsausgleichs grob unbillig wäre, ist eine dem Tatrichter überlassene Einzelfallentscheidung. Hinsichtlich der insoweit anzulegenden Maßstäbe scheint es jedoch an der wünschenswerten Einheitlichkeit zu fehlen, wenn das OLG Stuttgart aaO einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs maßgebend auf die Erwägung stützt, dass die ausgleichspflichtige Ehefrau über die Ehezeit hinaus durch die Betreuung der aus der Ehe hervorgegangenen Kinder an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gehindert ist und vom Ausgleichsberechtigten keine Unterhaltsleistungen erhält.

Ende der Entscheidung

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