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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 27.03.2003
Aktenzeichen: 2 UF 23/02
Rechtsgebiete: BSHG, BGB


Vorschriften:

BSHG § 91
BGB § 1601
BGB § 1603
BGB § 1610
1. Ist die Existenz des Unterhaltsschuldners und die seiner Familie durch das Erwerbseinkommen des Schuldners umfassend gesichert, hat dieser auch den Stamm seines Vermögens zur Befriedigung des Elternunterhalts einzusetzen.

2. Dem Unterhaltsschuldner ist die Veeräußerung eines Betriebes zu Befriedigung des Elternunterhaltes trotz der durch den Verkauf entstehenden Steuerlast zumutbar, wenn aus dem Betrieb nur ein verhältnismäßig geringer Gewinn erwirtschaftet wird und die Existenz des Unterhaltsschuldners nicht von dem Betrieb abhängt.

3. Haften Kinder für den Unterhalt ihrer Eltern mit ihrem Vermögen, so ist aus dem für den Unterhalt einzusetzenden Kapital anhand der allgemeinen Sterbetafeln die finanzierbare monatliche Unterhaltsrente zu berechnen.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Im Namen des Volkes Urteil

2 UF 23/02

Verkündet am: 27. März 2003

In Sachen

wegen Unterhalts für Verwandte

hat der 2. des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 20. März 2003 durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Riedel, May, Puhl

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Karlsruhe-Durlach vom 27.11.2001, AZ. 3 F ...., wie folgt abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die Zeit vom 1.7.1999 bis 31.12.2002 rückständigen Unterhalt in Höhe von insgesamt 4.188 Euro nebst 4 % Zinsen aus 2.878,57 Euro seit dem 21.2.2001 sowie ab dem 1.1.2003 einen laufenden monatlichen Unterhalt in Höhe von 109,30 Euro zu zahlen.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Der Beklagte trägt 63 % der Kosten des Berufungsverfahrens sowie 63 % der außergerichtlichen Kosten des Streitverkündeten für das Berufungsverfahren. Der Kläger trägt 37 % der Kosten des Berufungsverfahrens. Der Streitverkündete trägt 37 % seiner außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens selbst.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von dem Beklagten aus auf ihn nach § 91 BSHG übergegangenem Recht Unterhalt gem. §§ 1601, 1603 und 1610 Abs. 1 BGB für die am 26.6.1919 geborene Mutter des Beklagten, Frau H. W.. Als Sozialhilfeträger hat er den ungedeckten Unterhalt der Mutter, die in einem Pflegeheim lebt, jedenfalls seit dem 1.9.1998 übernommen. Nunmehr trägt er unwidersprochen vor, er habe vom 1.9.1998 bis 30.11.2000 DM 23.045, vom 1.12.2000 bis 31.12.2001 DM 12.896,98 und vom 1.1.2002 bis 31.12.2002 7.608,55 Euro gezahlt. Ab dem 1.1.2003 belaufen sich die ungedeckten monatlichen Leistungen auf 678 Euro (II 145, 163).

Frau H. W. hat fünf Kinder. Ein Bruder des Beklagten, H. W., arbeitet als selbständiger Zahnarzt und ist einem minderjährigen Kind unterhaltspflichtig. Nach seinen Angaben verfügt er über ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von DM 17.000 nach Abzug der Steuern, aber ohne Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen. Er ist Eigentümer von einem Einfamilien-Hausgrundstück sowie einem Mietwohngrundstück und hat Verbindlichkeiten in Höhe von 1.400.000 DM (I 171 f). Nach seinen Angaben resultieren aus Vermietung und Verpachtung jährliche Negativeinkünfte in Höhe von DM 34.000. Die Leistungsfähigkeit der übrigen Kinder P. W., H. W. und C. N. wurde vom Kläger jedenfalls bis zum 31.1.2002 verneint. Seit dem 1.2.2002 ist der Bruder P. nach dem Vortrag den Klägers in Höhe von DM 2.000 monatlich leistungsfähig (II 143).

Der Beklagte war bis Mai 1999 als angestellter Arzt tätig, hat dann in einer Gemeinschaftspraxis mitgearbeitet und hat sich im Oktober 2000 als selbständiger Arzt niedergelassen. Als angestellter Arzt verblieb ihm ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von DM 6.537,00. Daneben hat er Einkünfte in Höhe von 15.000 DM im Jahr als freiberuflicher Notarzt erzielt. Er ist verheiratet und seiner Frau und zwei minderjährigen Kindern unterhaltspflichtig. Aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs vor dem Landgericht Karlsruhe vom 4.7.2002, AZ.: 9 O ..... hat der Beklagte 43.500 Euro in 2 Raten an den Bruder H. W., dem im vorliegenden Verfahren der Streit verkündet wurde, gezahlt.

1993 war dem Beklagten im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von seinem Onkel ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb übertragen worden, an dem sich der Onkel einen lebenslangen Nießbrauch vorbehalten hatte. Im Mai 1999 ist der Onkel verstorben. Der land- und forstwirtschaftliche Betrieb von einer Größe von etwas mehr als 30 ha ist verpachtet. Sein Wert wird auf mindestens DM 700.000 geschätzt. 1999 hat der Beklagte ein Darlehen in Höhe von DM 250.000 aufgenommen, das durch den Betrieb gesichert ist. Außerdem hat er für die Einrichtung seiner Arztpraxis ein Darlehen in Höhe von DM 316.000 aufgenommen.

Der Kläger geht davon aus, dass der Unterhalt des Beklagten und der seiner Familie durch dessen laufenden Einkünfte in Höhe von DM 6.537 gedeckt ist. Der Beklagte erziele jährliche Pachteinkünfte in Höhe von DM 15.000 aus dem Betrieb. Er ist der Auffassung, der Beklagte habe für den Unterhalt seiner Mutter den Stamm seines Vermögens, d.h. den landwirtschaftlichen Betrieb heranzuziehen. Neben dem Bruder, der bereit ist, die Hälfte des Unterhaltes für die Mutter zu zahlen, sei der Beklagte zur Leistung der anderen Hälfte des Unterhalts verpflichtet. Er hat deshalb beantragt, den Beklagten zur Zahlung einen Unterhaltrückstandes für den Zeitraum vom 1.9.1998 bis 31.1.2001 in Höhe von DM 12.411,70 sowie laufend in Höhe von DM 444,48 zu verurteilen.

Der Beklagte hat die Klageabweisung beantragt, da er sich nicht für leistungsfähig hält. Er verfüge nur über ein Monatseinkommen in Höhe von DM 4.466 (I 329). Die Verwertung des Hofes scheide aus, da dieser Früchte abwerfe und als Sicherheit für die eingegangenen Verbindlichkeiten diene. Auch müsse ihm gem. § 88 BSHG ein Schonvermögen in Höhe von DM 150.000 verbleiben (I 331).

Das Amtsgericht Karlsruhe hat die Klage mit der Begründung zurückgewiesen, der Anteil des Beklagten an der Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Mutter sei nicht schlüssig dargetan. Warum der Beklagte angesichts des ungewöhnlich hohen Einkommens seines Bruder die Hälfte des Unterhaltes zu zahlen habe, sei nicht nachvollziehbar. Aufgrund der Unterhaltspflicht gegenüber seiner Ehefrau und den beiden Kindern und der Unklarheit, inwieweit der Beklagte den landwirtschaftlichen Betrieb verwerten könne, sei ein Vergleich der Leistungsfähigkeit der Brüder nicht durchführbar. Eine Haftung in Höhe von 50 % ergebe sich auch nicht aus Billigkeitsgesichtspunkten.

Gegen dieses Urteil vom 27.11.2001, zugestellt am 10.1.2002, hat der Kläger am 11.2.2002 Berufung eingelegt.

Aufgrund seiner Vermögensverhältnisse habe der Beklagte 33 % und nach dem Eintritt der Leistungsfähigkeit des Bruders P. 29,41 % des ungedeckten Unterhaltes seiner Mutter zu zahlen. Da der Beklagte erst ab dem Tod seines Onkels im Mai 1999 über den landwirtschaftlichen Hof habe frei verfügen können, macht der Kläger nunmehr Unterhaltsrückstände erst ab dem 1.7.1999 geltend. Bei dem leistungsfähigen Bruder des Beklagten H. W. sei von einem einzusetzenden monatlichen Einkommen in Höhe von DM 10.000 nach Abzug von Steuern, Vorsorgeaufwendungen, Unterhalt für den Sohn und dem ihm zustehenden Selbstbehalt auszugehen (II 23). Dem stehe - jedenfalls zur Ermittlung des Haftungsanteils - die Verpflichtung des Beklagten gegenüber, den 30 ha großen landwirtschaftlichen Betrieb mit einem Verkehrswert von mindestens 700.000 DM zu verwerten. Nach Abzug des Darlehens bei der Sparkasse E. in Höhe von 250.000 verbleibe ein Vermögen von 450.000 DM. Unter Berücksichtigung der statistischen Lebenserwartung der Mutter des Beklagten könne der Beklagte abhängig von dem zugrundzulegenden Zinssatz in Höhe von 4 bzw. 5% mit einem Vermögen von DM 441.300 oder 418.620 einen monatlichen Unterhalt in Höhe von DM 5.000. finanzieren. Deshalb habe er im Verhältnis zu seinem Bruder, der 10.000 DM monatlich einsetzen könne, ein Drittel des Unterhaltes seiner Mutter zu leisten. Der Beklagte könne angesichts der Einkünfte aus dem Hof auch ohne weiteres die geforderten DM 296,32 monatlich ohne Verwertung des Hofes aufbringen.

Der Kläger beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Karlsruhe zu verurteilen, rückständigen Unterhalt in Höhe von 2.878, 57 Euro (5.306 DM) für die Zeit vom 1.7.1999 bis 31.1.2001 nebst 4 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit sowie einen laufenden monatlichen Unterhalt ab dem 1.2.2001 in Höhe von 151,50 Euro (296,32 DM) zu zahlen.

Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Es handele sich bei dem landwirtschaftlichen Betrieb um Betriebsvermögen in Höhe von 700.000 DM. 1998 habe er aus dem landwirtschaftlichen Betrieb einen Gewinn in Höhe von DM 11.704, 1999 in Höhe von DM 8.034 und 2000 in Höhe von 11.137 DM (II 55) erzielt. Bei einer Veräußerung müsse nach Abzug des Buchwertes in Höhe von 250.000 DM der Gewinn in Höhe von 450.000 DM versteuert werden. Es fielen etwa DM 200.000 an Steuern an (II 52). Auch sei die Kreditbelastung in Höhe von DM 250.000 zu berücksichtigen, so dass nur DM 50.000 als Vermögen verblieben. Auch habe er für die Praxiseinrichtung einen weiteren Kredit in Höhe von 316.000 DM aufgenommen, für den der landwirtschaftliche Betrieb als Sicherheit diene. Im übrigen sei nicht nur das Einkommen, sondern auch das Vermögen des Bruders H. W. zu berücksichtigen, da dieser im Jahr 1994 Kapitaleinkünfte in Höhe von DM 24.179 erzielt habe. Die Mutter sei für den Beklagten lediglich die biologische Mutter; er sei als einziges der Kinder vom Onkel großgezogen worden.

Der Streitverkündete H. W. ist dem Verfahren auf Seiten des Klägers beigetreten und schließt sich dessen Ausführungen an.

Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Die Akten des Landgerichts Karlruhe, Az.: 9 O ...., sind beigezogen worden.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zum Teil begründet.

Unstreitig steht dem Kläger grundsätzlich ein Unterhaltsanspruch gem. §§ 1601,1603 und 1610 BGB gegen den Beklagten aus gem. § 91 Abs. 1 BSHG übergeleitetem Recht ab dem nunmehr geltend gemachten Zeitpunkt vom 1.7.1999 zu. Unterhaltspflichtig sind die 5 Kinder gegenüber ihrer Mutter, Frau H. W., in Höhe ihres ungedeckten Bedarfs in Höhe von DM 886,34 monatlich für den Zeitraum vom 1.9.1998 bis 30.11.2000 (DM 23.045 : 26 Monate), in Höhe von DM 992 monatlich für den Zeitraum vom 1.12.2000 bis 31.12.2001 (DM 12.896 : 13 Monate), in Höhe von 634 Euro monatlich vom 1.1.2002 bis 31.12.2002 (7.608,55 Euro : 12 Monate) und ab dem 1.1.2003 in Höhe von 678 Euro monatlich. Dieser Bedarf ändert sich auch durch das Grundsicherungsgesetz nicht, da die Mutter des Beklagten nach § 2 Abs. 3 GSiG wegen des 100.000 Euro jährlich übersteigenden Gesamteinkommens des Streitverkündeten nicht anspruchsberechtigt ist (vgl. auch Klinkhammer, Grundsicherungsgesetz, FamRZ 2002, S. 997 (1003)). Insoweit haften sie gem. § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit anteilig.

Streitig ist die Leistungsfähigkeit des Beklagten neben der des Bruders H. W. und ab dem 1.2.2002 auch des Bruders P. W., nach der sich zugleich der Haftungsanteil an der Unterhaltspflicht gegenüber der Mutter des Beklagten richtet. Beide Parteien gehen in ihrem Vortrag im Berufungsverfahren davon aus, dass der laufende Unterhaltsbedarf des Beklagten sowie seiner vorrangig unterhaltsberechtigten Ehefrau und Kinder zunächst durch die Einkünfte des Beklagten als angestellter Arzt und nunmehr durch das laufende Einkommen des Beklagten aus seiner selbstständigen Tätigkeit als Allgemeinarzt auf Dauer gedeckt ist.

Darüber hinaus ist der Beklagte Eigentümer eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes mit einem Wert von mindestens 700.000 DM, aus dem er laufende Einkünfte durch Verpachtung in Höhe von durchschnittlich etwa 11.000 DM im Jahr erzielt, wie sich aus den von ihm vorgelegten Gewinnermittlungen ergibt. Grundsätzlich ist der Unterhaltspflichtige verpflichtet, neben den Vermögenserträgnissen auch den Stamm seines Vermögens für den Unterhalt einzusetzen (Palandt/Diederichsen, BGB, 62.Aufl., § 1603 Rn. 3; Duderstadt, FamRZ 1998, S.273 (275)). Bis zu welcher Grenze Vermögen einzusetzen ist, wird dabei aber unterschiedlich bewertet (vgl. nur die Zusammenfassung der Rechtsprechung in Duderstadt, a.a.O., S. 275). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass § 1603 Abs. 1 BGB den Verwandtenunterhalt jeglicher Art betrifft und bei Unterhaltspflichten gegenüber den Eltern anders als im Rahmen des nachehelichen Unterhaltes gerade keine Billigkeitskontrolle gem. § 1581 BGB hinsichtlich des Einsatzes des Vermögensstammes stattfindet. Trotzdem besteht im wesentlichen Einigkeit, dass es sich bei der Unterhaltspflicht gegenüber Eltern um eine Unterhaltspflicht minderer Intensität handelt, wie sich schon aus der grundsätzlichen Nachrangigkeit gegenüber anderen Unterhaltsberechtigten ergibt (BGH, NJW 2003, S. 128 (130); Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhaltes, 8. Aufl., Rn. 770; Büttner, Festschrift für Henrich, S. 51 (56)). Dies zeigt sich insbesondere auch darin, dass inzwischen nach der Düsseldorfer Tabelle ein deutlich erhöhter Selbstbehalt des Unterhaltsschuldners gegenüber unterhaltsberechtigten Eltern anerkannt ist, was der BGH bestätigt: Entsprechend ergäbe sich eine Einschränkung der Verpflichtung zum Einsatz des Vermögensstammes dahingehend, dass sonstige Verpflichtungen des Unterhaltsschuldner zu berücksichtigen seien und er seinen eigenen angemessenen Unterhalt nicht zu gefährden brauche. Die Verwertung des Vermögensstammes könne nicht verlangt werden, wenn sie den Unterhaltsschuldner von fortlaufenden Einkünften abschneide, die er zur Erfüllung weiterer Unterhaltsansprüche, anderer berücksichtigungswürdiger Verbindlichkeiten oder zur Bestreitung des eigenen Unterhaltes benötige (BGH, NJW 2003, S. 128 (131)). Auch die Verwertung eines angemessenen Familienheims könne im allgemeinen nicht verlangt werden (BGH, FamRZ 2001, S. 21 (23)). Des weiteren sei die Verwertung nicht zumutbar, wenn sie mit einem wirtschaftlich nicht mehr vertretbaren Nachteil verbunden wäre (Schibel, NJW 1998, S. 3449 (3452)). Letztendlich hängen Art und Umfang der Pflicht zur Verwertung des Vermögensstammes von den individuellen wirtschaftlichen Umständen des Einzelfalls und dem Umfang der Zumutbarkeit ab (Kalthoener/Büttner/Niepmann, a.a.O., Rn. 771).

Vorliegend ist davon auszugehen, dass die Existenz des Beklagten und die seiner Familie durch seine Tätigkeit als freiberuflicher Arzt umfassend abgesichert ist. Als angestellter Arzt hat der Beklagte gut verdient, sich eine angemessene Altersvorsorge aufbauen und seine engere Familie versorgen können. Weder war er auf die Einkünfte aus dem landwirtschaftlichen Betrieb noch auf das Vermögen als solches angewiesen. Dass sich an der Einkommenssituation des Beklagten durch die Aufnahme der freiberuflichen ärztlichen Tätigkeit längerfristig etwas grundlegend geändert hat, ist auch nach Vorlage des Steuerbescheides für das Jahr 2000 nicht dargelegt. Allerdings trägt er vor, dass er den landwirtschaftlichen Betrieb als Basis für den Praxiseinrichtungskredit in Höhe von 316.000 DM bei der A. - bank benötige. Aus der vorgelegten Bescheinigung der Bank ist aber nur zu entnehmen, dass die gesamte Vermögenssituation des Beklagten eine Rolle gespielt hat; nicht erkennbar wird, dass eine Verwertung des landwirtschaftlichen Betriebes Auswirkungen auf die Kreditvergabe oder die Abwicklung des Kredites hätte (I 143), eine grundbuchmäßige Sicherheit für diesen Kredit wurde nicht eingeräumt. Insgesamt gesehen ist damit davon auszugehen, dass die Existenz des Beklagten und seiner engeren Familie langfristig durch seine Berufstätigkeit abgesichert ist.

Weiter wendet der Beklagte ein, die Verwertung des Betriebes sei unwirtschaftlich, da er nur einen Nettoerlös in Höhe von 50.000 DM erzielen könne, da er den Gewinn aus der Betriebveräußerung zu versteuern habe. Darüber hinaus sei die durch das Grundvermögen des Betriebes abgesicherte Darlehensverbindlichkeit zu berücksichtigen.

Zutreffend ist insoweit, dass der bei der Veräußerung eines Betriebes erzielte Erlös, der den Wert des Betriebsvermögens übersteigt, gem. §§ 14, 16, 34 EStG zu versteuern ist. Anerkannt ist weiter in der Rechtsprechung, dass für den Fall, dass der Wert eines Vermögensgegenstandes nach dessen Veräußerungswert ermittelt wird, die bei der Auflösung der sogenannten stillen Reserven anfallenden Steuern wertmindernd zu berücksichtigen sind (vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, 62. Auflage, § 1376, Rn 11 m.w.N.). Dies gilt unabhängig davon, ob eine Veräußerung tatsächlich beabsichtigt ist, sondern ergibt sich als Konsequenz der üblichen Wertbemessung nach der Ertrags- bzw. Substanzwertmethode (OLG Hamm, FamRZ 1998, S. 235 (237) m.w.N.). Vorliegend gehen die Parteien von einem "Wert" des Betriebes in Höhe von DM 700.000 aus. Auf welche Weise dieser Wert ermittelt wurde, ist nicht nachvollziehbar. Da dies vom Kläger nicht substantiiert bestritten wurde (vgl. auch jetzt II 147), wird insoweit dem Vortrag des Beklagten gefolgt, wonach bei der Bewertung die latenten Steuern nicht berücksichtigt sind. Sie sind deshalb als wertmindernde Faktoren abzuziehen. Mangels anderer Anhaltspunkte werden hierzu die nicht bestrittenen Wertangaben des Beklagten übernommen. Aus der Bestätigung der Steuerberaterin des Beklagten ergibt sich, dass nach Abzug des Buchwertes in Höhe von DM 250.000 auf den Gewinn in Höhe von DM 450.000 (Wert DM 700.000 ./. Buchwert 250.000) Steuern in Höhe von DM 200.000 zu zahlen wären. Es verbliebe dem Beklagten damit ein Vermögen in Höhe von DM 500.000 (DM 700.000 ./. DM 200.000). Zwar wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass die Veräußerung eines Betriebes nicht zugemutet werden könne (Schibel, a.a.O., S. 3453), wenn sie aufgrund der anfallenden Steuerlast eine ungewöhnliche Härte darstellt. Dies mag dann der Fall sein, wenn aufgrund der steuerlichen Folgen die Existenz des Unterhaltspflichtigen nachhaltig betroffen ist. Vorliegend wird aber aus dem Vermögen nur ein verhältnismäßig geringer Ertrag erwirtschaftet - schon bei einer Verzinsung von nur 4 % könnte der Beklagte fast den doppelten Gewinn erzielen - und, wie dargelegt, ist der Beklagte in seiner Existenz gerade nicht von dem landwirtschaftlichen Betrieb abhängig. Insoweit erscheint grundsätzlich trotz der steuerlichen Belastung dem Beklagten eine Veräußerung des Betriebes als durchaus zumutbar.

Unstreitig bestehen weiter wohl seit Oktober 1998 (II 63) Darlehensverbindlichkeiten des Beklagten in Höhe von DM 250.000, die durch die Bestellung einer Grundschuld an dem Betrieb abgesichert sind. Da sie das Vermögen des Beklagten tatsächlich verringern, sind sie, wie dies auch der Kläger anerkennt, als vermögensmindernde Position anzurechnen. Dem Beklagten verbleibt damit ein Vermögen in Höhe von DM 250.000.

Ein Abzug der weiteren Verbindlichkeiten in Höhe von DM 316.000 kann nicht anerkannt werden, da es sich hierbei um im Rahmen der Einrichtung der Arztpraxis eingegangene Verbindlichkeiten handelt. Diesen Verbindlichkeiten steht der Praxiswert entgegen, dessen Höhe mit mindestens diesem Betrag angenommen wird. Wäre dies nicht der Fall, so hätte sich die A. - bank weitere Sicherheiten für ihr Darlehen einräumen lassen. Es erscheint insoweit angemessen, den Praxiswert insgesamt bei der Vermögensermittlung des Beklagten außer Betracht zu lassen.

Bei der Ermittlung des Vermögens des Beklagten ist nach Auffassung des Senates aber der aufgrund des Vergleichs vom 4.7.2002 seinem Bruder H. W. geschuldete Betrag von 43.500 Euro zu berücksichtigen. Aus den Akten des Landgerichts ergibt sich, dass es sich um die Rückzahlung des Ausbildungsunterhaltes, den der Bruder wohl für die Ausbildung des Beklagten gezahlt hat, handelt. Da diese Verbindlichkeit lange vor der Unterhaltspflicht gegenüber der Mutter entstanden ist, ist auch diese Forderung vermögensmindernd anzuerkennen.

Dafür, dem Beklagten weiteres Schonvermögen zuzubilligen, ist entsprechend der Entscheidung des BGH, NJW 2003, S. 128 (131) kein Grund ersichtlich. Die Existenz des Beklagten ist durch seine berufliche Tätigkeit gesichert. Hierdurch erreicht er ebenfalls eine angemessene Altersicherung. Ihm ohne weiteren Nachweis seiner Bedürftigkeit einen weiteren Vermögensbetrag zu belassen, erscheint nicht angemessen, zumal dem Beklagten aus dem Darlehen von 1998 Gegenwerte verblieben sein müssen. Es ist wenig wahrscheinlich, dass er seit 1998 diese nicht unbeträchtliche Summe verbraucht hat. Weiteres Schonvermögen wird daher nicht anerkannt.

Dem Beklagten bleibt damit ein Vermögen in Höhe von DM 164.921 ( DM 250.000 ./. 43.500 Euro).

Entsprechend diesem einzusetzenden Vermögen haftet der Beklagte gem. § 1606 Abs. 1 BGB für den Zeitraum vom 1.7.1999 bis 31.1.2002 anteilig neben seinem Bruder H. W.. Die Haftungsquote des Unterhaltspflichtigen errechnet sich dabei wie bei volljährigen Kindern nach Abzug des für seinen eigenen Unterhalt und denjenigen der vorrangig Berechtigten verbleibenden Teils seines bereinigten Nettoeinkommens (Schnitzler/Günther, Münchener Anwaltshandbuch, Familienrecht, § 12 Rn. 117). Haften daneben Kinder aus Vermögen, so ist dieses in monatliches Einkommen umzurechnen (Schnitzler/Günther, a.a.O., § 12 Rn. 117; Heiß/Born/Hußmann, Unterhaltsrecht, Kapitel 13, Rn. 70 - 72). Ausgehend von der anhand der allgemeinen Sterbetafeln ermittelten durchschnittlichen Lebenserwartung für Frauen im Alter von 80 Jahren von 7,84 Jahren wird der mit dem oben ermittelten Kapital finanzierbare monatliche Unterhaltsbetrag ermittelt. Nach der Tabelle ist bei einem Rechnungszins einschließlich Zwischen- und Zinseszins = 5,5 % und einem Mittelwert zwischen jährlich vorschüssiger und jährlich nachschüssiger Zahlung bei Frauen im Alter von 80 Jahren ein Betrag von 5.622 DM erforderlich, um eine lebenslange Rente in Höhe eines Jahresbetrages von 1.00 DM zu finanzieren (vgl. Brudermüller/Klattenhoff, Tabellen zum Familienrecht, 23. Aufl., Ausgabe August 2002, S. 283, Nr. 2). Folglich kann mit einem Betrag von DM 165.000 entsprechend der Formel Kapital : 12 : Kapitalisierungsfaktor = monatliches Einkommen (Schnitzler/Günther, a.a.O., § 12 Rn. 60) eine monatliche Rente in Höhe von DM 2.445 DM (DM 165.000 : 12 : 5,622) finanziert werden.

Dem Bruder H. W. steht nach dem nicht substantiiert bestrittenen Vortrag des Klägers nach Abzug seines Selbstbehaltes und der vorrangigen Unterhaltspflicht gegenüber seinem Sohn ein monatlicher Unterhaltsbetrag zur Erfüllung seiner Unterhaltspflicht gegenüber seiner Mutter in Höhe von DM 10.000 zur Verfügung. Insoweit trifft den Kläger die Darlegungs- und Beweislast für die Höhe der anteiligen Haftung des Beklagten. Entsprechend der Darlegungslast bei Unterhaltsansprüchen von volljährigen Kindern reicht es aus, dass die Berechtigten dartun, dass sie das ihnen Mögliche und Zumutbare getan haben, um den Haftungsanteil des anderen Elternteils bzw. die Anteile der mithaftenden Geschwister zu ermitteln (LG Kiel, FamRZ 1996, S. 753 (754); Wendl/Staudigl/Pauling, Unterhaltsrecht, 5. Aufl., § 2 Rn. 610; Palandt/ Diederichsen, BGB, 62. Aufl., § 1606 Rn. 5). Überzogene Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast könnten zur Unmöglichkeit der Darlegung des Haftungsanteils eines Geschwisters führen und so die Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs blockieren. Jedenfalls muss es genügen, wenn vom Kläger Auskünfte gem. § 116 BSHG von den weiteren Geschwistern über ihre Einkommens- und Vermögenssituation eingeholt und dargelegt werden. Für sie spricht der Anschein der Vollständigkeit und Richtigkeit. Allenfalls substantiiertes Bestreiten des Verpflichteten hätte weiteren Vortrag erforderlich machen können. Insoweit ist der Kläger im vorliegenden Fall nunmehr seiner Darlegungsverpflichtung ausreichend nachgekommen. Soweit der Beklagte vorträgt, der Streitverkündete verfüge auch über Vermögen, trifft es zwar zu, dass der Bruder H. W. 1994 noch Kapitaleinkünfte in Höhe von jährlich DM 24.179 hatte (I 199); der Steuerbescheid des Jahres 1996 zeigt aber, dass er ab 1996 keine Kapitaleinkünfte, sondern nur noch Negativeinkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt hat (II 187). Vermögen ist deshalb bei ihm wegen der hohen Verschuldung in Höhe von 1,4 Mio. DM trotz des Eigentums an dem Hausgrundstück und dem Mietshaus nicht zu berücksichtigen.

Für den Zeitraum vom 1.7.1999 bis 31.1.2002 hat damit der Beklagte 1/5 und der Bruder H. W. 4/5 des ungedeckten Unterhaltes der Mutter des Beklagten zu leisten (Verhältnis von 2.445 DM, gerundet DM 2.500 zu DM 10.000).

Für diesen Zeitraum beläuft sich der Rückstand auf DM 29.203:

Juli 1999 - Nov. 2000 : DM 886,34 x 17 Monate = DM 15.067 Dez. 2000 - Dez. 2001 : DM 992 x 13 Monate = DM 12.896 Jan. 2002 : 634 Euro = DM 1.240 DM 29.203

Der Beklagte hat damit DM 5.840 (DM 29.203 : 5) bzw. 2.986 Euro zu zahlen.

Für den Zeitraum vom 1.2.2002 bis 31.12.2002 haftet auch der Bruder P. W. anteilig. Sein Anteil errechnet sich - nach dem ausreichenden Vortrag des Klägers - aus einer Leistungsfähigkeit in Höhe von DM 2.000 monatlich. Unter Einbeziehung seiner Leistungspflicht ergibt sich ein Haftungsanteil des Beklagten in Höhe von 17,24 % ( Verhältnis von DM 10.000 zu DM 2.500 zu DM 2.000). Da sich der Rückstand auf 6.974 Euro (634 Euro x 11 Monate) beläuft, hat der Beklagte hiervon 1.202 Euro zu zahlen.

Der vom Beklagten zu zahlende Rückstand für den Zeitraum vom 1.7.1999 bis 31.12.2002 beläuft sich damit auf insgesamt 4.188 Euro (2.986 Euro + 1.202 Euro).

Ab dem 1.1.2003 hat er monatlich 109,30 Euro (634 Euro x 17,24 %) zu leisten.

Eine solche Belastung ist dem Beklagten auch insgesamt gesehen zumutbar. Eine Veräußerung des landwirtschaftlichen Betriebes erscheint angesichts der Geringfügigkeit dieses Betrages im Verhältnis zur Gesamtvermögenssituation des Beklagten nicht erforderlich. Bereits aus dem Ertrag des Betriebes ist diese monatliche Unterhaltszahlung ohne weiteres aufzubringen. Selbst wenn der Beklagte nicht bei seiner Mutter aufgewachsen sein sollte, so erscheint dieser monatliche Beitrag im Verhältnis zu seinen Geschwistern durchaus angemessen.

Die Entscheidung über die Zinsen ergeht gem. §§ 286, 288, 291 BGB.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 92, 101 Abs. 1 ZPO, die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit hat §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO zur Grundlage.

Ende der Entscheidung

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