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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 16.10.2001
Aktenzeichen: 2 UF 282/01
Rechtsgebiete: HkiEntÜ


Vorschriften:

HkiEntÜ Art. 13
1. Eine Hinnahme des Rechtsbruchs (durch den entführenden Elternteil) ist bei der gebotenen, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden restriktiven Auslegung des Ausnahmetatbestandes des Art. 13 HkiEntÜ (BverfG FamRZ 1999, 85) nur bei ungewöhnlich schwerwiegender Beeinträchtigung des Kindeswohls gerechtfertigt.

2. Bei Beachtung des Beschleunigungsgrundsatzes des Art. 11 HkiEntÜ besteht mit Blick auf die gebotene summarische Tatsachenprüfung im Rückführungsverfahren als Eilverfahren im allgemeinen kein Anlass, ein psychologisches Sachverständigengutachten einzuholen.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE

wegen Herausgabe des Kindes

Beschluss

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Karlsruhe vom 28.08.2001 in Verbindung mit dem ergänzenden Beschluss des Amtsgerichts vom 10.09.2001 (6 F 261/01) wird zurückgewiesen.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

3. Der Beschwerdewert wird auf 5.000 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Aus der am 22.11. 1986 geschlossenen und mit Urteil des Amtsgerichts V. vom 29.01.1999 (3 F 232/97) geschiedenen Ehe der Parteien sind die Kinder G. (geb. am 25.05.1987) und A. (geb. am 04.05.1989) hervorgegangen. Im Scheidungsurteil wurde die elterliche Sorge für die beiden Kinder dem Vater (Antragsteller des vorliegenden Verfahrens) übertragen. Schon zuvor hatte das Amtsgericht V. mit Beschluss vom 25.07.1997 nach Einholung eines Sachverständigengutachtens für die Zeit des Getrenntlebens der Eltern eine Sorgerechtsentscheidung zu Gunsten des Vaters getroffen.

Die Kinder, die sich seit 10.12.1998 beim Vater aufhalten, leben seit April 1999 zusammen mit ihm in England. Der Vater, der die britische Staatsangehörigkeit besitzt, ist dort als Golflehrer tätig. Entsprechend einer Vereinbarung der Eltern kam das Mädchen A. am 21.07.2001 zur Mutter (Antragsgegnerin) nach B. -B., um dort bis zum 12.08.2001 die Sommerferien zu verbringen. Die seit 24.04.1999 wieder verheiratete Mutter, deutsche Staatsangehörige, arbeitet ganztags in einer Firma in E..

Am 23.07.2001 stellte die Mutter beim Amtsgericht B.-B. den Antrag (2 F 347/01), in Abänderung des Urteils des Amtsgerichts V. vom 29.01.1999 ihr die elterliche Sorge für A. zu übertragen. Zur Begründung führte die Mutter u. a. aus, das Kind habe ihr schon lange vor dem Urlaubsantritt mitgeteilt, es wolle nicht mehr nach England zurückkehren, wo es völlig unglücklich sei. Es fühle sich mehr und mehr zurückgesetzt, weil es wenig Interesse an den Golfleidenschaften ihres Vaters, der in England als Golfprofi tätig sei, wie auch ihres Bruders habe. Das sich in der beginnenden Pubertät befindliche Mädchen wende sich mehr und mehr zu ihr als Mutter hin.

Der Vater trat dem Antrag entgegen. Dem angerufenen Familiengericht sei es untersagt, im Fall der widerrechtlichen Zurückhaltung des Kindes eine Sorgerechtsentscheidung zu treffen.

Nachdem die Mutter innerhalb der ihr vom Vater gesetzten Frist nicht die von ihm gewünschte Erklärung abgegeben hatte, ihm das Kind bis 12.08.2001 zurückzugeben, reichte der Vater beim Amtsgericht Karlsruhe einen zunächst beim Amtsgericht B.-B. gestellten, auf das Haager-Kindesentführungsübereinkommen gestützten Antrag auf Herausgabe des Kindes A. vom 30.07.2001 ein.

Wie er am 30.07.2001 von dem sich derzeit ebenfalls bei der Mutter aufhaltenden Sohn G. erfahren habe, habe die Mutter A. auf einem Reiterhof, an einem unbekannten Ort im Schwarzwald versteckt. Noch am 12.08.2001 habe ihn die Mutter angerufen und mitgeteilt, sie habe A. ins Flugzeug nach England gesetzt. Als er das Kind in London habe abholen wollen, sei es nicht in der Maschine gewesen.

Die Mutter beantragte Zurückweisung des Herausgabeverlangens des Vaters. Dem stünde Art. 13 des genannten Abkommens entgegen. Das Kind weigere sich standhaft, zum Vater zurückzukehren, der ihm mehrfach gedroht habe, er lasse es nie mehr zur Mutter zurückkehren, wenn das Kind nicht freiwillig nach England zurückkomme. Eine Rückführung gegen den Willen des Kindes würde für dieses zu einem traumatischen Erlebnis führen. Der Sachvortrag des Vaters hinsichtlich des Gesprächs vom 12.08.2001 sei unrichtig. Letztmals am 10.08.2001 habe sich der Vater telefonisch mit A. in Verbindung gesetzt. Diese habe dem Vater mitgeteilt, sie habe bislang keine Entscheidung getroffen, ob sie zurückkäme. Wenn sie den Vater nicht bis 12.00 Uhr zurückrufe, fliege sie am 12.08.2001 nicht nach England zurück.

Am 27.08.2001 reichte das Amt für Familien, Soziales und Jugend der Stadt B.-B. beim Amtsgericht Karlsruhe seinen - gegenüber dem Amtsgericht B.-B. im Sorgerechtsverfahren erstatteten - Bericht vom 14.08.2001 ein.

In seiner Sitzung vom 28.08.2001 hörte das Familiengericht zunächst das Mädchen A. und in der anschließenden mündlichen Verhandlung die Eltern an (Protokolle AS I, 159, 162).

Mit Beschluss vom 28.08.2001 entschied das Familiengericht, dass die Mutter A. zum Zwecke der Rückführung nach England herauszugeben hat und ordnete den sofortigen Vollzug der Anordnung an .

Der Anordnung der Rückführung des von der Mutter widerrechtlich zurückgehaltenen Kindes stehe Art. 13 des Haager Übereinkommens (HKiEntÜ) nicht entgegen. Für das Kind, das in eine ihm seit April 1999 bestens bekannte Umgebung komme, stelle die Rückführung keine schwerwiegende Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens dar. Im übrigen habe der Vater bei seiner richterlichen Anhörung versichert, er werde A. an Weihnachten 2001 freiwillig zu ihrer Mutter zurückgeben, wenn er bis dahin festgestellt habe, dass bei dem Kind ein entsprechender Wunsch nach wie vor bestehe.

Mit Beschluss vom 10.09.2001 ergänzte das Familiengericht auf Antrag des Vaters seine Entscheidung vom 28.08.2001 dahin, dass der Vater sich zur Durchsetzung der Kindesherausgabe der Unterstützung des zuständigen Gerichtsvollziehers bedienen darf, der ermächtigt wird, unmittelbaren Zwang anzuwenden und sich der Hilfe der Polizeivollzugsorgane zu bedienen.

Gegen den am 31.08.2001 zugestellten Beschluss vom 28.08.2001 legte die Mutter mit am 06.09.2001 beim Oberlandesgericht eingegangenem Schreiben gleichzeitig begründetes Rechtsmittel ein.

Weiter legte sie am 11.09.2001 beim Oberlandesgericht gegen den ergänzenden Beschluss des Familiengerichts vom selben Tag Beschwerde ein.

Mit ihren Rechtsmitteln möchte sie die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des Familiengerichts und Zurückweisung des Rückführungsantrags des Vaters erreichen.

Die Beschwerdeführerin wiederholt ihr Vorbringen, dass eine Rückführung des Mädchens A. mit einer schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen und seelischen Schadens für das Kind verbunden wäre. Das Kind habe erklärt, es würde auch gegen den Willen des Vaters aus England weglaufen und sich etwas antun, wenn es zwangsweise nach England zum ungeliebten Vater zurückgebracht würde. Als A. von der amtsgerichtlichen Rückführungsentscheidung erfahren habe, sei bei ihr ein Zusammenbruch erfolgt, es seien Anzeichen eines schweren psychophysischen Erschöpfungszustands aufgetreten (vgl. ärztliche Bescheinigung Dr. U. vom 07.09.2001).

Der Vater tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Auf den Willen der 12-jährigen A. könne nicht abgestellt werden. Die entführende Mutter, die das Kind in hohem Maße verwöhne, beeinflusse und mit Versprechungen gelockt habe, habe bereits zwei Monate ausschließlich Einfluss auf A. gehabt, was zu der nunmehr geäußerten Willensbildung des Kindes geführt habe.

In der mündlichen Verhandlung vom 09.10.2001 wurde das Kind A., die Eltern und die Sachbearbeiterin des Jugendamts B.-B. vom Senat angehört (Protokoll vom 09.01.2001, II, 75ff).

II.

Das Rechtsmittel der Mutter vom 05.09.2001 gegen die Entscheidung des Familiengerichts vom 28.08.2001 ist als sofortige Beschwerde zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 8 Abs. 2 S. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Haager Übereinkommens vom 25.10.1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung und des europäischen Übereinkommens vom 20.05.1980 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder unter Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses [Sorgerechtsübereinkommens-Ausführungsgesetz -SorgeRÜAG-) vom 05.04.1990, BGBl. I, 701, i.V.m. §§ 22, 60 Abs. 1 Nr. 6 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, FGG).

Die die Rückgabeanordnung vom 28.08.2001 ergänzende Verfügung des Familiengerichts zur Anwendung unmittelbaren Zwangs vom 10.09.2001 wird von der sofortigen Beschwerde ohnehin erfasst, so dass es der gesonderten Anfechtung durch die (weitere) Beschwerde der Mutter vom 11.09.2001 nicht bedurft hätte.

Das Rechtsmittel hat jedoch keinen Erfolg.

Das Amtsgericht hat unter Anwendung des HKiEntÜ zu Recht die sofortige Rückgabe des Kindes an den Vater angeordnet. Auch die ergänzende Verfügung des Familiengerichts vom 10.09.2001 ist gerechtfertigt. Bei der Rückgabevollstreckung ist neben der Androhung und Festsetzung eines Zwangsgelds oder von Zwangshaft die Anwendung unmittelbaren Zwangs gemäß § 33 Abs. 2 FGG ausdrücklich vorgesehen (Bach/Gildenast, Internationale Kindesentführung, Rn. 179).

1. Das Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980 (HKiEntÜ), BGBl. 1990, II, 207, das seit dem 01.08.1986 im Vereinigten Königreich gilt (vgl. MünchKomm-Siehr, EGBGB, 3. Aufl., Art. 19 Anhang II Rn. 11) und seit dem 01.01.1990 in der Bundesrepublik Deutschland (BGBl. 1991, II, 329) in Kraft ist, findet Anwendung. Dieses Übereinkommen sieht vor, dass die sofortige Rückgabe eines Kindes anzuordnen ist, das i. S. des Art. 3 widerrechtlich verbracht oder zurückgehalten worden ist.

Dass das Zurückhalten des Mädchens A. durch die Mutter in Deutschland widerrechtlich ist, wird von keinem der Eltern in Frage gestellt. Dem Vater steht nach der auch für England als Staat des gewöhnlichen Aufenthalts maßgebenden (MünchKomm/Siehr, EGBGB, 3. Aufl. Art. 19 Anh. II RN 26) Entscheidung im Verbundurteil des Amtsgerichts V. vom 29.01.1999 das Sorgerecht (allein) zu. Überdies ist in Art. 5 a des HKiEntÜ (künftig: Abkommen) ausdrücklich ausgeführt, dass zum Sorgerecht auch das Recht gehört, den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen. Danach wird durch den Aufenthalt des Kindes bei der Mutter ohne Zustimmung des Vaters dessen Sorgerecht verletzt.

2. Es lässt sich auch nach dem Ergebnis der ergänzenden Ermittlungen des Senats im Beschwerdeverfahren nicht feststellen, dass die Rückführung - ausnahmsweise - wegen einer hierdurch drohenden schwerwiegenden Gefährdung des Kindeswohls zu unterbleiben habe (Art. 13 I b des Abkommens). Ebenso wenig konnte die Anordnung der Rückgabe wegen Berücksichtigung eines entgegenstehenden Kindeswillens abgelehnt werden (Art. 13 Abs. 2 des Abkommens).

a) Die Mutter hat nicht nachgewiesen, dass die Rückgabe des Mädchens A. mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden ist oder es auf andere Weise in eine unzumutbare Lage bringt. Hierbei kommt es auf solche in England als "Fluchtstaat" und nicht auf die Situation des Kindes in Deutschland an (MünchKomm/Siehr a.a.O., Rn. 61 zu Art. 13 des Abkommens). Bei dieser Bewertung ist eine einschränkende Auslegung der Vorschrift geboten, die Ausnahme ist auf wirklich schwere Gefahren zu beschränken, denn die Hinnahme des Rechtsbruchs (durch den zurückhaltenden Elternteil) ist nur bei ungewöhnlich schwerwiegender Beeinträchtigung des Kindeswohls gerechtfertigt (BVerfG, FamRZ 1999, 85, 87; eingehend OLG Hamm FamRZ 1999, 948; vgl. auch MünchKomm/Siehr a.a.O., Rn. 61; Bach/Gildenast a.a.O., Rn. 123 ff. m.w.N.).

b) Wirklich schwerwiegende, sich als besonders erheblich, konkret und aktuell darstellende, einer Rückführung entgegenstehende Gefahren (vgl. BVerfG a.a.O.) konnte der Senat nicht feststellen. Insbesondere kann nicht angenommen werden, das Kind werde nach Rückführung missbraucht oder misshandelt (vgl. OLG Hamm a.a.O.). Dass es - wie A. nach Angaben der Mutter erklärt hat - für das Kind in England schwierig sei, ihr es dort nicht mehr gefalle und es sich gegenüber ihrem Bruder vom Vater zurückgesetzt fühle, mag für die vom Senat nicht zu treffende Entscheidung zur elterlichen Sorge Bedeutung gewinnen können, reicht jedoch für die Annahme einer schwerwiegenden Gefahr keinesfalls aus. Dies gilt ebenso für die von der Mutter geschilderten gesundheitlichen Beschwerden des Mädchens. Es scheint verständlich, dass das Kind, nachdem es von der Rückführungsentscheidung des Familiengerichts erfahren hat, Zeichen eines schweren psychophysischen Erschöpfungszustands gezeigt hat (vgl. die von der Mutter vorgelegte ärztliche Bescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. U. vom 07.09.2001). Insbesondere nach dem Ergebnis der Anhörung des Kindes durch den Senat kann jedoch nicht festgestellt werden, dass gegenwärtig noch schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigungen des Kindes zu befürchten sind. Der mit der Rückführung des Kindes nach England verbundene (erneute) Wechsel der Umgebung und der Bezugsperson, der naturgemäß eine seelische Belastung des Kindes bedeutet, reicht für die Annahme einer schwerwiegenden Gefährdung des Kindes nicht aus, zumal A. nach der Darstellung der Mutter in deren erstinstanzlichen Schriftsatz vom 23.08.2001 noch am 10.08.2001 dem Vater fernmündlich mitgeteilt hat, sie habe bislang keine Entscheidung darüber gefällt, ob sie zum Vater zurückkomme. Hinzu kommt, dass es die Mutter in der Hand hat, durch entsprechende Vorbereitung des Mädchens beim Abbau der bei diesem bestehenden Widerstände gegen eine Rückkehr mitzuwirken. Notfalls ist nach der Auffassung des Senats, der insoweit einer weitverbreiteten Auffassung in der Rechtsprechung folgt (vgl. z.B. OLG Hamm, a.a.O., OLG Düsseldorf FamRZ 1999, 949, jeweils m.w.N.), der Mutter anzusinnen, ggflls. ihre Tochter nach England zu begleiten, vor allem das Kind auf die Reise behutsam vorzubereiten. Bei diesen Gegebenheiten besteht auch hier, wie allgemein in Verfahren nach dem HKiEntÜ kein Anlass für die von der Mutter angeregte Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens. Hier durfte der Senat zusätzlich nicht außer Acht lassen, dass es in Entführungsfällen der vorliegenden Art in den aller seltensten Fällen angebracht ist, das Wohlergehen des Kindes gutachtlich ermitteln zu lassen (vgl. Bach/Gildenast a.a.O. Rn. 125). Dies würde auch dem Gebot des raschen Handelns (Art. 11 Abs. 1 des Abkommens) widersprechen (MünchKomm/Siehr a.a.O. Rn. 63).

c) Nach den vorstehenden dargelegten Umständen konnte der Senat die Anordnung der Rückgabe des Kindes A. auch nicht nach Art. 13 Abs. 2 des Abkommens ablehnen. Nach dieser Vorschrift ist es dem Gericht erlaubt, nach seinem Ermessen die Rückgabe eines Kindes abzulehnen, wenn es der Rückgabe widerspricht und es ein Alter und eine Reife erreicht hat, angesichts deren es angebracht erscheint, seine Meinung zu berücksichtigen. Abgesehen davon, dass nach dem Abkommen über die Wünsche des Kindes erst nach Rückkehr am Herkunftsort zu befinden ist (vgl. MünchKomm/Siehr a.a.O.), erscheint der bei seiner Anhörung geäußerte Widerstand des Mädchens gegen eine Rückkehr dem Senat letztlich nicht so nachvollziehbar und überzeugend, dass dem eine ausschlaggebende Bedeutung für die vorliegende Rückführungsentscheidung (im Rahmen des Art. 13 des Abkommens ist nicht über das Sorgerecht und das Kindeswohl zu entscheiden, vgl. Art. 16 des Abkommens) beigemessen werden könnte. Zwar ist die 12-jährige A. durchaus in einem Alter, für das in der Rechtsprechung die Reife zur selbständigen Beurteilung der Rückführung angenommen wird (vgl. etwa OLG Celle, FamRZ 1995, 955; OLG Hamm, a.a.O.; Palandt/Heldrich, BGB, 60. Aufl., Anhang zu EGBGB 24 [IPR], Art. 13 Rn. 79 m.w.N.). Auch nimmt der Senat nach dem Ergebnis der Kindesanhörung an, dass dem Mädchen der Unterschied zwischen einer bloß vorläufigen Rückgabeentscheidung einerseits und einer grundlegenden Sorgerechtsentscheidung andererseits verständig gemacht werden konnte. Andererseits durfte der Senat nicht unbeachtet lassen, dass Artikel 13 Abs. II des Abkommens kein Wahlrecht des Kindes zwischen beiden Eltern begründet und im Rahmen des Absatzes II nur sachbezogene Umstände zu berücksichtigen sind (Bach/Gildenast, a. a. O., RN 145, 147). Solche nachteiligen Lebensumstände wirtschaftlicher und schulischer Art (Bach/Gildenast, RN 148) sind jedoch nicht vorgebracht worden. Danach konnte die Rückgabe nicht wegen des Widerstandes des Kindes abgelehnt werden.

Eine weitere Beschwerde zum BGH ist ausgeschlossen, § 8 Abs. 2 S. 3 SorgeRÜbkAG.



Ende der Entscheidung

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